cover
image

KRIEGSGESCHICHTEN I

KEITH R.A. DECANDIDO

Based on
Star Trek
and
Star Trek: The Next Generation
created by Gene Roddenberry

Ins Deutsche übertragen von
Susanne Picard

image
image

Die deutsche Ausgabe von STAR TREK – CORPS OF ENGINEERS: KRIEGSGESCHICHTEN I wird herausgegeben von Amigo Grafik, Teinacher Straße 72, 71634 Ludwigsburg.
Herausgeber: Andreas Mergenthaler und Hardy Hellstern, Übersetzung: Susanne Picard; verantwortlicher Redakteur und Lektorat: Markus Rohde; Lektorat: Katrin Aust
und Gisela Schell; Cover Artwork: Martin Frei.

Titel der Originalausgabe: STAR TREK – CORPS OF ENGINEERS: WAR STORIES, BOOK 1

German translation copyright © 2016 by Amigo Grafik GbR.

™ & © 2016 CBS Studios Inc. STAR TREK and related marks and logos are trademarks of CBS Studios Inc. All Rights Reserved.

This book is published by arrangement with Pocket Books, a Division of Simon & Schuster, Inc.,
pursuant to an exclusive license from CBS Studios Inc.

ISBN 978-3-86425-720-9 (Mai 2016)

WWW.CROSS-CULT.DE · WWW.STARTREKROMANE.DE · WWW.STARTREK.COM

Androssi-Raumschiff, beaufsichtigt von Biron
Sternzeit 53675,1

Es war Unteraufseher Howwis Stimme, die Aufseher Biron aus seinem festen Schlaf holte. „Achtung, Aufseher. Ihre Anwesenheit wird auf der Brücke benötigt. Der Kunde traf eine Stunde und fünfzehn Minuten zu früh zu der Verabredung ein.

Biron war auf der Stelle wach. Immerhin wurde sein Ärger über die Störung von der Information, die in der Nachricht enthalten war, gemildert. Er warf einen Blick auf den Zeitmesser seines Quartiers, der ihm anzeigte, dass es eine Stunde und zehn Minuten vor der verabredeten Zeit mit dem Klienten war. Das bedeutete, dass Howwi zuerst geweckt und vor ihm von der frühen Ankunft des Klienten in Kenntnis gesetzt worden war. Dann hatte man es dem Unteraufseher überlassen, den Vorgesetzten zu informieren.

Biron kletterte aus seiner Hängematte und zog sich an. Er machte sich eine gedankliche Notiz, herauszufinden, wer lieber mit dem Unteraufseher gesprochen hatte als mit ihm selbst. Das Protokoll hätte, wäre es korrekt befolgt worden, erfordert, unverzüglich den Aufseher persönlich über eine solche Planänderung zu informieren. Einer der Unteroffiziere, oder schlimmer noch, einer der Arbeiter, hatte demnach entschieden, lieber den Unteraufseher zu informieren, als das Risiko einzugehen, den Zorn des Aufsehers auf sich zu ziehen, indem man ihn aufweckte. Doch das war eine dumme Annahme. Wenn es sich um einen Offizier handelte, würde diese Person strengstens bestraft werden. (Wenn ein Arbeiter dahintersteckte, war die Lösung um einiges einfacher: Tod und entsprechender Ersatz. Arbeiter gab es immer genug.)

Nachdem er sich angezogen und die fünf Nasenringe angelegt hatte, die seine Position als Aufseher symbolisierten, verließ er seine Kabine und begab sich zum Kontrollraum. Als er die Brücke betrat, erhoben sich Unteraufseher Howwi und die vier diensthabenden Arbeiter zu Ehren seiner Anwesenheit. Sie blieben stehen, bis Biron in seinem Sessel im vorderen linken Viertel des Raums Platz genommen hatte.

„Öffnen Sie die Kommunikationsfrequenz zum Kunden“, sagte Biron, als auch die anderen fünf wieder Platz nahmen.

Das Gesicht eines Yridianers erschien auf dem Bildschirm. Auf dem Monitor des Yridianers hingegen erschien nichts dergleichen. Das Protokoll der Androssi schrieb vor, niemals visuellen Kontakt zu jemand anderem als einem anderen Androssi herzustellen. Und selbst dann war eine solche Maßnahme nicht gern gesehen. Immerhin handelte es sich um ein Sicherheitsrisiko.

Darf ich annehmen, dass ich mit Aufseher Biron spreche?“, fragte der Yridianer.

„Das nehmen Sie korrekt an.“

Ausgezeichnet.“ Der Yridianer fletschte die Zähne. Biron vermutete, dass es sich um einen Ausdruck der Zufriedenheit handelte. „Es tut mir leid, dass ich zu früh eintreffe, aber mein vorheriges Treffen … nun, sagen wir, es wurde abgekürzt.

„Ihre Reiseroute ist für mich nicht von Interesse. Ich wünsche, mit Ihnen ein Geschäft abzuwickeln. Ich habe aus sicheren Quellen erfahren, dass Sie über Informationen die Sternenflotte betreffend verfügen.“

Einige, ja. Ich kann Ihnen Schiffs- und Personalbewegungen bis vor einem Monat zur Verfügung stellen. Bei entsprechender Bezahlung kann ich das noch um eine oder zwei Wochen aktualisieren.“

„Schiffs- und Personalbewegungen sind für mich nicht von Interesse. Was ich benötige, sind Logbucheinträge.“

Wieder entblößte der Yridianer seine Zähne, aber Biron fiel diesmal ein subtiler Unterschied in der Mimik auf. „Das wird noch mehr kosten.

„Das habe ich erwartet. Nennen Sie mir einen Preis.“

Biron bemerkte zwei Dinge. Das erste war, dass die Kunstpause des Yridianers offenbar dazu diente, Unbehagen angesichts des bevorstehenden Preises zu erzeugen. Doch Biron wusste, dass der Yridianer die Antwort in dem Versuch hinauszögerte, zu beweisen, dass er die Oberhand in der Verhandlung habe. Das war natürlich vergeblich. Biron wusste sehr wohl, dass sein Kunde schon einen Preis im Kopf hatte, aber trotzdem wünschte, den Eindruck zu erwecken, dass die Akquise dieser Logbücher komplizierter sei, als es in Wahrheit der Fall war. Biron hatte das erwartet und machte sich weiter keine Gedanken darüber.

Das zweite, was ihm auffiel, war, das Howwi offenbar Unbehagen empfand. Nun, Biron hatte erst vor Kurzem entschieden, die Strafe, die er nach Howwis Versagen und seinem Verrat an die Sternenflotte auf der verlassenen Raumstation Empok Nor verhängt hatte, zu beenden (er hatte Howwi weiterhin als Unteraufseher dienen lassen, jedoch bei halber Bezahlung). Also war es unwahrscheinlich, dass er zu diesem Zeitpunkt Einspruch gegen irgendwelche von Birons Entscheidungen erhob.

Allerdings konnte Biron verstehen, warum Howwi von seiner Art, mit diesem speziellen Klienten umzugehen, verwirrt war.

Schließlich ergriff der Yridianer wieder das Wort. „Ich nehme an, Sie haben mein Schiff gescannt, Aufseher?

Biron sah zu Howwi hinüber. Dieser nickte. „Ja, das haben wir.“

Dann wissen Sie, wie kaputt es ist. Man sagt von Ihnen, dass Sie die besten Tüftler der Galaxis sind. Wenn Sie mein abgewracktes Schiff wieder auf Vordermann bringen, ihm gewissermaßen eine Generalüberholung zuteilwerden lassen, dann kann ich Ihnen alle Logbücher besorgen, die Sie nur wollen. Allerdings nur die offiziellen, nicht die persönlichen.“ Wieder fletschte er die Zähne. „Selbst ich stoße da an Grenzen.

„Ihre Bedingungen sind akzeptabel.“ Biron gab Daten in die Konsole vor sich ein, um sie dem yridianischen Schiff zu schicken. „Ich übertrage Ihnen das spezifische Personal, dessen Logbucheinträge ich studieren möchte. Ich wünsche die entsprechenden Einträge der letzten beiden Jahre.“

Der Yridianer nickte. „Gut.“ Seine Finger glitten über seine eigene Konsole. „Ich schicke Ihnen die Teile des Schiffs, die ich überarbeitet haben will.“ Er sah auf das Bedienfeld hinab. „Ihre Daten treffen ein.“ Er runzelte die Stirn. „Ich werde mindestens zwei Wochen benötigen, um all das aufzutreiben.

Neben Biron betrachtete Howwi nun eingehend die Liste des Yridianers. Der Unteraufseher schaltete den Kanal auf stumm und sprach erst dann: „Wir werden ungefähr die genannte Zeitspanne benötigen, um die Materialien für die gewünschten Verbesserungen zusammenzusuchen.“

Biron nickte, und Howwi schaltete wieder auf Lautsprecher um. „Das ist ebenfalls akzeptabel. Wir werden uns trennen und uns in zwei Wochen wieder an diesen Koordinaten treffen.“

Ausgezeichnet! Es ist mir eine Freude, mit Ihnen Geschäfte zu machen, Aufseher Biron. Ich sehe Sie dann in zwei Wochen.

Damit beendete der Yridianer die Übertragung.

Biron wandte sich an Howwi. „Beginnen Sie die notwendigen Prozeduren für die Akquirierung aller Materialien auf der Liste des Yridianers. Benutzen Sie soweit es möglich ist, die Lager unseres Schiffs dafür. Selbst wenn es bereits für zukünftige Unternehmen vorgesehen war.“

Howwi zögerte. „Sir, ich …“

„Ihr Einspruch ist vorhersehbar und zur Kenntnis genommen, Unteraufseher.“

Unter anderen Umständen hätte Biron Howwi dafür bestraft, auch nur in Erwägung gezogen zu haben, seine Befehle infrage zu stellen.

Doch das hier waren wirklich außergewöhnliche Befehle. „Seien Sie versichert, dass alle Ihre Einwände aufgeklärt werden, bevor diese Mission beendet ist.“

Sichtlich erleichtert erwiderte Howwi: „Natürlich, Sir. Danke, Sir.“

Der unausgesprochene Vorwurf des Unteraufsehers war natürlich berechtigt. Immerhin bestand ihre Mission als Schiff der Androssi-Flotte darin, Material für ihren Gönner aus der Eliteschicht zu sammeln, dem das Schiff gehörte. Ihr Gönner hatte in letzter Zeit keinerlei derartige Wünsche geäußert und hatte sicherlich auch nicht darauf hingewirkt, dass Biron den Yridianer um Logbücher der Sternenflotte gebeten hatte. Sollte der Gönner nun eine Inventur verlangen (was jederzeit sein Recht gewesen wäre), wäre er über die Ausgaben, die ein nicht autorisiertes Unternehmen zur Folge hatte, sicherlich nicht erfreut. Es konnte gravierende Auswirkungen auf Birons Möglichkeiten haben, für seinen Gönner und damit auch seine Besatzung zu sorgen.

Aber Biron brauchte diese Informationen.

Es war zugegebenermaßen seiner nicht würdig, aber das kümmerte ihn nicht. Nicht, nachdem man ihn ein zweites Mal gedemütigt hatte.

Als Biron dem Sternenflottenschiff U.S.S. da Vinci auf dem Planeten begegnet war, den man Maeglin nannte, hatte die Mannschaft dieses Schiffs es zum ersten Mal geschafft, ihn auszutricksen. Es war das erste Mal, dass Biron überhaupt in einer Mission für seinen Elitegönner gescheitert war. Bei diesem ersten Mal hatte Biron das noch auf missliche Umstände geschoben. Immerhin sprach die Mathematik dafür, dass auch Birons außergewöhnliche Fähigkeiten, die Wünsche seines Gönners in der Elite immer tadellos zu erfüllen, irgendwann einmal an Grenzen stoßen würden. Selbst der beste Aufseher versagte hin und wieder. Die Elite akzeptierte das, solange solche Gelegenheiten selten blieben und keinen größeren Schaden anrichteten. Tatsächlich hatte sich Birons Gönner angesichts seines Scheiterns auf Maeglin durchaus verständnisvoll gezeigt.

Doch dann war Biron noch einmal geschlagen worden, diesmal auf der verlassenen cardassianischen Minen-Raumstation Empok Nor. Und wieder war die Einmischung der Besatzung der U.S.S. da Vinci daran schuld gewesen. Zugegeben, diese Mission hatte sich als unberechenbar in jeder Hinsicht erwiesen: Der Kunde, den man mit den Holoemittern, die der Gönner gefordert hatte, hatte versorgen wollen, war übermäßig fordernd und exzentrisch gewesen. Man hatte nur sehr schwer mit ihm kooperieren können.

Wie auch immer, Biron nahm sein Versagen nicht auf die leichte Schulter. Die beste Antwort darauf wäre, den Grund für dieses Scheitern zu eliminieren. Also leitete er alles in seiner Macht Stehende in die Wege, um die Bedrohung, die die U.S.S. da Vinci darstellte, auszuschalten. Die Logbücher, die er verlangt hatte, waren die einiger Besatzungsmitglieder der da Vinci – so gut wie aller ihrer Offiziere sowie dem Personal, das zum S.I.K. der Sternenflotte gehörte und diesem Schiff zugewiesen war.

Mit diesem Wissen bewaffnet war Biron sicher, dass er einen Weg finden würde, dieser Bedrohung seiner so glänzenden Fähigkeit, seinen Gönner zu versorgen, ein Ende zu setzen.

Zwei Wochen vergingen, das Material, das man brauchte, um die notwendigen Verbesserungen am Schiff des Yridianers vorzunehmen, waren beschafft und in Dimension 7 untergebracht, bis man sie hervorholen würde, um die Aufrüstungen zu installieren. Birons Schiff erreichte die Rendezvous-Koordinaten zur verabredeten Zeit. Auch diesmal war der Yridianer wieder vor ihnen eingetroffen. Der Aufseher stellte fest, dass er Kunden, die überpünktlich waren, gegenüber denen, die nachlässig waren, bevorzugte. Viel zu viele seiner Kunden waren letzteres gewesen. Pünktliche Kunden waren leichter zu handhaben.

„Öffnen Sie einen Kommunikationskanal zu dem Yridianer“, befahl Biron.

Das Gesicht des Yridianers erschien wieder auf dem Bildschirm. „Ich habe so viele der Logbücher akquiriert, wie ich bekommen konnte. Sie datieren zurück bis zum Dominion-Krieg. Das schließt nicht nur die Logbücher der da Vinci ein, sondern auch die der U.S.S. Lexington, der U.S.S. Sentinel und der Sternenbasis 92.

Biron war nur selten von etwas wirklich überrascht, aber dieser Yridianer hatte es geschafft. „Das ist entschieden gründlicher, als ich erwartet hatte.“