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Rafael Bienia (Hrsg.)

LARP: Kommunikation

Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2014

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Rafael Bienia (Hrsg.)

„LARP: Kommunikation – Aufsatzsammlung zum MittelPunkt 2014“

Erste Auflage 2014

Copyright © 2014 Zauberfeder GmbH, Braunschweig

Herausgeber: Rafael Bienia, Karsten Dombrowski

Daniel Steinbach, Gudrun S. Wieser

Alle Rechte vorbehalten.

Kein Teil dieses Werkes darf ohne schriftliche Einwilligung des Verlags in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Hinweis:

Das vorliegende Buch ist sorgfältig erarbeitet worden. Dennoch erfolgen alle Angaben ohne Gewähr.

LARP:

K O M M U N I K A T I O N

AUFSATZSAMMLUNG ZUM MITTELPUNKT 2014

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INHALT

Vorwort

Glossar

• Lehre(r) der Zukunft – Wie LARP zur Lehrmethode wird (Myriel Balzer, Julia Kurz)

• The Tower of Babel – Eine deutsch-norwegische Live-Rollenspiel-Freizeit (Daniel Steinbach)

• Latine loqui in ludo „LARP“? – Latein im LARP (Gudrun S. Wieser)

• Marketing für Live-Rollenspiele (Lucille Haesters)

• LARP – powered by emotion? – Vorüberlegungen zu Gefühlen im Live-Rollenspiel (Gerke Schlickmann)

Literatur: Lesenswert

DANKSAGUNG

Ein besonderer Dank gilt, neben dem Deutschen Liverollenspiel-Verband, der Gilde der Drachenreiter e.V. und dem Team des MittelPunkts 2014, den Sponsoren McOnis Handelskontor, Mittelalterlive, Mystische Bauten, Phönix Carta sowie Utopion, die dieses Buch erst ermöglicht haben.

VORWORT

LARP ist ein sehr kommunikatives Hobby: wenn die Teilnehmer als ihre Charakter miteinander interagieren kann es um heldenhafte Geschichten, Loyalität, Gewissenskonflikte, Intrigen und Verrat gehen … oder auch um ganz alltägliche Angelegenheiten, die die Spielfiguren beschäftigen. Dabei kann geflüstert, geplaudert, vor Wut gebrüllt oder stumm mit Blicken kommuniziert werden.

Doch auch abseits des eigentlichen Spielerlebnisses, auf der Metaebene, ist die Frage wie Veranstalter und Teilnehmer Informationen vermitteln und sich untereinander austauschen ein spannendes Thema. In fünf Beiträgen befasst sich diese Aufsatzsammlung beispielhaft mit unterschiedlichen Aspekten der Kommunikation – von der Vermittlung von Game-Design-Kenntnissen für die Autoren und Veranstalter von Edu-LARPs, über Sprachbarrieren und deren Überwindung bei einem internationalen Jugend-LARP, der Verwendung von Latein als Spielelement, Marketingüberlegungen für Veranstalter, bis hin zur Frage welche Rolle Gefühle für das LARP-Erlebnis spielen und wie über sie kommuniziert wird.

Edu-LARP ist das Durchführen von LARP mit dem Ziel pädagogische oder didaktische Inhalte zu vermitteln. In Lehre(r) der Zukunft – wie LARP zur Lehrmethode wird von Myriel Balzer und Julia Kurz folgt einer genauen Erklärung von Edu-LARP eine Abgrenzung zu bekannten Gamification Ansätzen. Nach dem theoretischen Teil stellen die Autorinnen einen von ihnen entwickelten und erprobten Projektplan zur Durchführung von Edu-LARPs vor. Dieses Game Organization Document lädt Veranstalter und Lehrer ein, eigene Edu-LARPs zu entwickeln und durchzuführen.

Daniel Steinbach berichtet von einer kultur- und sprach-übergreifenden Ferienfreizeit. In The Tower of Babel. Eine deutsch-norwegische Live-Rollenspiel-Freizeit stellten sich Jugendliche aus zwei Ländern kommunikativen Grenzen und überwanden sie (live-rollen)spielerisch. Zunächst wurde ein klassisches Live-Rollenspiel gemeinsam gespielt. Danach wurde von den Jugendlichen selbst ein Spiel vorbereitet. Schließlich wurde dieses Spiel gemeinsam umgesetzt. Neben den organisatorischen Grenzen half die konkrete Situation den Teilnehmenden Kommunikation zu reflektieren und Interesse an weiteren ähnlichen Veranstaltungen zu wecken.

In Latine loqui in ludo „LARP“? – Latein im LARP fordert Gudrun Wieser mehr Latein im LARP. Sie zeigt in ihrem Text, wie Latein für das eigene Spiel eingesetzt werden kann und welche Vorteile eine tiefere Auseinandersetzung mit dieser klassischen Sprache bietet. Dem Aufruf folgt Praktisches. Sie empfiehlt Online-Bibliotheken mit antiken Texten, in der ein Magiercharakter originale Flüche finden kann, und zeigt ein Beispiel aus einem Steampunk-LARP in der Steiermark. Hilfreich sind ebenfalls die Notfall-Grammatik, ein kleiner LARP-spezifischer Wortschatz sowie mehrere Übersichtstabellen.

Lucille Haesters stellt in ihrem Beitrag Marketing für Live-Rollenspiele Überlegungen vor, wie Veranstalter verschiedene Maßnahmen strategisch einsetzen können um Teilnehmende für ihre LARP-Events zu gewinnen. Zentral ist der Gedanke des Netzaufbaus und der Vermarktung. Gedanken zur kritischen Masse, Erwartungsmanagement und weiteren Themen bringen die Leser und Leserinnen tiefer in die Perspektive des Marketings.

Gerke Schlickmann betrachtet in ihrem Beitrag Gefühle im LARP aus einer theaterwissenschaftlichen Perspektive. In LARP – powered by emotion? Vorüberlegungen zu Gefühlen im Live-Rollenspiel stellt sie die Frage nach der emotionalen Dimension des Rollenspiels. Eine Verbindung zur angelsächsischen Literatur zum Thema Emotion im LARP verschafft einen Überblick über den Forschungsstand. Darauf basierend folgt eine Auseinandersetzung mit den verschiedenen Schichten von Emotionalität aus LARP-Erfahrung bevor der Artikel den Bogen zum Konzept des Theaters der Emotionen in der Theaterwissenschaft spannt. Abschließend ermutigt Schlickmann eine Untersuchung von Gefühlen im Live-Rollenspiel im deutschsprachigen Raum, um LARP-Design und eigene Erfahrung um diese wichtige Dimension von Spiel zu erweitern.

Die Beiträge eröffnen neue Aspekte und Fragen und laden dazu ein, sich eingehender mit kommunikativen Fragen rund um LARP zu beschäftigen.

Wir wünschen einen Perspektivenwechsel und viel Vergnügen!

Rafael Bienia

In diese MittelPunkt Aufsatzsammlung flechten wir einen Aspekt aus der Wissenschaftskultur ein: das Peer Review, ein Prozess, der unter anderem die Qualität wissenschaftlicher Beiträge steigert. Konkret für diesen Band bedeutete dies, dass jeder Text von einem Fachkundigen gelesen und mit konstruktiver Kritik an den Autor zurückgeschickt wurde. Wenn der Autor gewillt war, wurde der Text überarbeitet und wieder eingereicht. Manchmal war ein weiteres Review nötig, um dem Text den letzten Schliff zu geben. Das Ergebnis hält der Leser in den Händen. An dieser Stelle möchte ich den Autoren herzlich danken, die unermüdlich mit den Reviews gearbeitet haben. Nicht alle anfangs eingereichten Beiträge haben diesen Prozess in seiner Gänze durchlaufen.

In diesem Zusammenhang, ist die Arbeit von Gerke Schlickmann in ihrer Rolle als Reviewerin hervorzuheben. Ohne ihre hervorragende Unterstützung, ihr konstruktives Feedback, und ihre akademische Expertise hätte dieser Band nicht realisiert werden können.

GLOSSAR

Charakter: Die fiktive Figur, die ein Teilnehmer innerhalb der Spielwelt darstellt.

Con: Von engl. Convention. Eine unter Live-Rollenspielern gebräuchliche Bezeichnung für LARP-Veranstaltungen.

In-time: Wird im LARP für innerhalb des Spiels bzw. im Spiel befindlich verwendet. Siehe auch: imageOut-time.

LARP: Abkürzung für Live-Rollenspiel (von Live Action Role Play)

Nicht-Spieler-Charakter (abgekürzt NSC): Wird in zweierlei Bedeutung verwendet. Zum einen als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von Teilnehmern, welche die imageSL bei der Durchführung des imageCons unterstützen, zum anderen als Sammelbegriff für die imageCharaktere, die diese Teilnehmer darstellen.

Out-time: Wird im LARP für außerhalb des Spiels bzw. nicht im Spiel befindlich verwendet. Siehe auch: imageIn-time.

Plot: Die Spielhandlung eines imageCons.

Spieler-Charakter (abgekürzt SC): Wird wie imageNSC in zweierlei Bedeutung verwendet. Zum einen als Bezeichnung für eine bestimmte Kategorie von Con-Teilnehmern, welche unabhängig von Vorgaben der imageSL frei im Spiel agieren kann, zum anderen als Sammelbegriff für die meist selbstgewählten imageCharaktere, die diese Teilnehmer darstellen.

Spielleitung (abgekürzt SL): Spielleiter fungieren als Ansprechpartner und Schiedsrichter während des Spiels. Unter anderem koordinieren sie die imageNSCs und den Ablauf des imagePlots und beantworten Fragen zu Regeln und dem imageCharakter.

Myriel Balzer, Julia Kurz

LEHRE(R) DER ZUKUNFT

WIE LARP ZUR LEHRMETHODE WIRD

Erkläre es mir und ich werde es vergessen.

Zeige es mir und ich werde mich erinnern.

Lass es mich selber tun und ich werde es verstehen.

Konfuzius

Angehenden Lehrern wird heutzutage ein breites Spektrum von Kompetenzen und Fähigkeiten abverlangt. Sie stehen vor einer scheinbar unlösbaren Aufgabe: Schulunterricht soll heute nicht nur Inhalte sondern vor allem Kompetenzen vermitteln. Er soll möglichst fächerübergreifend sein und die Heterogenität innerhalb der Klassen berücksichtigen. Neben Hard Skills soll Unterricht heute auch Soft Skills vermitteln, er soll die Anwendung von Lernstoff in unterschiedlichen Anforderungssituationen beinhalten und fördern. Und zu allem Überfluss soll er möglichst noch problemorientiert, abwechslungsreich und nachhaltig sein und natürlich auch noch motivierend!

Auch wenn diese Quadratur des Kreises scheinbar unmöglich zu bewältigen zu sein scheint, beweist unter anderem die dänische Boarding School Østerskov Efterskole, dass diese Herausforderung zu meistern ist.1 Und zwar mit Edu-LARP.

Aber was ist Edu-LARP eigentlich?

EDU-LARP

Als Edu-LARP2 bezeichnet man in der Regel Live-Rollenspiel, mit dem gezielt vorher definierte pädagogische oder didaktische Inhalte vermittelt werden sollen.

Warum aber wirkt Edu-LARP? Wieso sollten Kinder, Schüler, Studenten oder Seminarteilnehmer durch Edu-LARP besser, schneller, nachhaltiger oder leichter lernen?

EDU-LARP ALS SPIEL

Die größte Kunst ist, den Kleinen alles, was sie tun oder lernen sollen, zum Spiel und Zeitvertreib zu machen.

John Locke

Zunächst einmal ist Edu-LARP immer ein Spiel. Und Spiele machen oft Spaß.3 Wer Spaß hat, lernt leichter4, ist motivierter5, stellt sich unbeschwerter auch größeren Herausforderungen.6 Zudem vergisst der Spieler im Edu-LARP – ganz typisch für Spiel – häufig, dass er eigentlich gerade etwas Sinnvolles tut. Für ihn steht der Spaß und oft auch der Spaß in der Gruppe im Vordergrund.7

Hinzu kommt, dass es im Spiel im Allgemeinen, und im Edu-LARP im Besonderen, eine Art zweite Realität8 gibt. Eine Sonderrealität, die den Spieler nicht nur aus seiner komplexen und auch oft trivialen oder langweiligen Welt für eine kurze Zeit hinaus führt, sondern ihn auch in eine oft spannende, epische und verständliche Welt hinein führt. Während normaler Unterricht häufig trocken ist, ist Edu-LARP in der Regel ein echtes Highlight. Das motiviert Spieler enorm.9 Es ist einfach viel spannender einen Mordfall aufzuklären, als Chemie, Englisch oder Mathe zu pauken.

Außerdem tun wir in Spielen nur so als ob. So entsteht eine Art sanktionsfreies Experimentierfeld, ein geschützter Rahmen, in dem wir uns ausprobieren können, in dem wir neue Denk- und Handlungsstrategien versuchen können, ohne dass wir negative Konsequenzen fürchten müssen10, da es sich ja nur um ein Spiel handelt.

Das trifft im ganz besonderen Maße auf Rollenspiele zu, in denen wir beispielsweise so tun, als wären wir ein Ritter, eine Elfe oder ein Ork. Aber auch in Spielen, in denen wir keine offensichtliche Spiel-Rolle übernehmen, wie beispielsweise in Alternate Reality Games, übernehmen wir in gewisser Weise dennoch eine Rolle, in dem wir so tun als ob etwas real wäre, von dem wir wissen, dass es das nicht ist. Das kann eine Bombenattrappe sein, vor der wir panisch zurückweichen und die wir mit aller nötigen Ernsthaftigkeit zu entschärfen versuchen. Oder aber auch eine Person, die wir sehr respektvoll behandeln, weil sie sich beispielsweise als Polizist vorstellt, obwohl wir wissen, dass sie eigentlich nur ein NSC, also ein schauspielender Statist ist.

Teilnehmer von Spielen lassen sich zudem oft von Rückschlägen nicht demoralisieren, sondern gehen im Gegensatz dazu die Herausforderung anschließend nur noch motivierter an.11

EDU-LARP – LEARNING BY DOING

Was man lernen muss, um es zu tun, das lernt man, indem man es tut.

Aristoteles

Des Weiteren handelt es sich bei Edu-LARP um eine sogenannte handlungsorientierte Methode.12 Das heißt, die Teilnehmer lernen nicht durch platte Theorie oder Frontalunterricht, sondern dadurch, dass sie tatsächlich aktiv werden, indem sie es selber ausprobieren, also durch ihr eigenes Handeln. Bei Edu-LARP handelt es sich im wahrsten Sinne des Wortes um Learning by Doing.13

Das heißt, der Teilnehmer lernt mit all seinen Sinnen. Wenn er Inhalte physisch wirklich erlebt, sich körperlich tatsächlich anstrengt, passende Gerüche und visuelle Eindrücke aufnimmt, fungiert sein ganzer Körper als Resonanzboden für das Erleben und Reflektieren des Erfahrenen und Gelernten.14

Im Edu-LARP können ansonsten eher trockene oder theoretische Themen sinnlich erfahrbar und auf symbolische Weise dargestellt werden.15, stehen die Inhalte in einem konkreten, praktischen Kontext und haben in diesem Moment greifbare Relevanz.