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MIEZE MEDUSA + MARKUS KÖHLE

PING PONG
POETRY

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Mieze Medusa Markus Köhle

AUFSCHLAG

Unschuldsvermutung

Sprecht!

Anstelle eines Vorworts

Wie’s mir geht

Verliebt. Verlobt. Verheiratet.

Geh mit Kant, aber geh!

Verschlissen. Verschissen. Verlassen.

Gute Partie

Utopie mal Daumen

Occupy Utopia

Schlechtere Zeiten

RUNDUMSCHLAG

Auf bald

Schnitzelfriedhöflichkeit

Drachen töten

Eduard Zimmermann ist nicht mehr

Mama (aber nicht nur!)

Na Hund?

Alles ist möglich

ÜABC und dDiA

Hoch die Internationalalala

Wurschteln statt wüten

Warum noch immer kein Schwein weiß was ein Gedicht ist

RÜCKSCHLAG

Mieze s’isch Zeit

Durch Schnitt Kunst

Abgeschlaffter Modus

Dieser Text ist käuflich

Mieze Medusa sucht das Paradies

Grummel. Gram. Grammatik.

B-rated Adabei

Mannsbilderrausch und Frauenauflauf

Wienwinter für ganz Arme

NACHSCHLAG

Der Nasenheini

Systemgetrieben

Ein Glühweinhalleluja

Kein Halt Kein Schlaf Kein Turnaround

Als ich das Echoorakel befragte

Ich bin er-sie-es

Wege aus der Krise

Verlegen

Sport ist

Verkatert

Ein Kribbeln

Nichts ist stärker als Sätze

Wiegenlied

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Erster Slam: 1. Versuch: irgendwann Ende 90 in Innsbruck, 1. richtige Teilnahme: 2001 im Schikaneder in Wien

Home Slam: textstrom Poetry Slam Wien (seit 2004)

Slam MC: textstrom Poetry Slam, Minoriten Poetry Slam Graz

Außerdem: Slam Team MYLF (Mothers You’d Like to Flow with) mit Yasmin Hafedh

Top 5 Slam-Erlebnisse:

*Team-Finale bei der Dreiländermeisterschaft 2012 in Mannheim/Heidelberg; Yasmin und ich sind beide auftritts- und meisterschaftserfahren, aber als Team mussten wir uns auf der Bühne nochmal neu erfinden. Sehr aufregend und fürs Finale hat es auch gereicht!

*Nujorican & Urbana Poetry Slam: 2012 dann doch mal nach New York fahren und dort auf der Slambühne auf Deutsch rappen. Beim 2. New Yorker Slam dann die Jurytafeln nehmen und immer gestrichen werden, weil eine Meinung haben wir, und Hippies sind wir auch keine.

*Lux Poetry Slam in Luxemburg 2011: zweisprachiger Poetry Slam mit SlammerInnen aus Deutschland, Österreich und Frankreich. Die jeweiligen SlammerInnen verstanden entweder deutsch oder französisch, nur das Publikum war zweisprachig und lachte und klatschte bei allen Texten.

*Auftragstext für 40 Jahre Unix 2009: Ich liebe Computer und Programmiererwitze und hab für »systemgetrieben« ein einziges Mal das passende Publikum gefunden. Hab versucht, den Text auch anderen Menschen vorzutragen, aber da müsste ich bei jeder Zeile den passenden Wikipediaeintrag mitpräsentieren.

Fortsetzung: S. 180

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Erster Slam: 1997 Provinztheater Innsbruck

Home Slam: BPS Innsbruck (vormals Bierstindljetzt Bäckerei Poetry Slam, seit 2002)

Slam MC: BPS Innsbruck, Stromboli Slam Hall, poolbar Slam Feldkirch, Minoriten Poetry Slam Graz, Meat Pepo Poetry Slam Aich-Assach, Slammer.Dichter.Weiter. in der Alten Schmiede Wien, textstrom Poetry Slam im rhiz Wien

Top 5 Slam-Erlebnisse:

*German International Poetry Slam in der Dampfzentrale Bern 2002 (Erstkontakt mit der Slamily!)

*Open Air Poetry Jam im Garten der Schweizer Botschaft in Kairo 2009 (Mein Spontangedichttitel »Fisch, viel, laut« wird zur Schlagzeile im NZZ-Bericht.)

*Fasnachtsdienstag Poetry Slam in Rom 2010 (Eine Dame in Dominakostüm moderierte, viele Betrunkene improvisierten, und ich slammte erstmals auf Italienisch und gewann!)

*Poetry Slam Show in der Weltsprachenuniversität Samarkand 2013. (Skurrilster Auftritt ever! Alter Mann: »Sie sind sicher talentiert. Singen Sie ein Lied!«)

*Meat Pepo Poetry Slam in Aich-Assach; alle Jahre wieder in der Fleisch- und Wurstwarenhalle Zefferer (Spanferkel, Aicher-Herbst-Bier und Jausenbündel für alle!)

Slam-Repertoire insgesamt: circa 150

Slam-Repertoire aktuell auswendig: circa 20

Bücher: Hanno brennt (Prekariatsroman, 2012)

Dorfdefektmutanten (Heimatroman, 2010)

Doppelter Textpresso (Slam Poetry mit Mieze Medusa und CD, 2009)

Fortsetzung: S. 181

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AUFSCHLAG

Unschuldsvermutung

100 % ORIGINAL

MIEZE MEDUSA

Ergreifen wir also die Macht!

Oder das Wort!

Oder die Gelegenheit!

Denn: Gelegenheit macht Diebe.

Macht macht Versuchung.

Wort macht Unschuldsvermutung.

So auch ich:

In aller Unschuld vermute ich wie folgt: Unschuld vermutet nicht!

Das Volk ist (nicht ganz ungeplant, vermute ich)

die reinste Unschuldsvermutung vom Land, vom Stadtrand

bis zum arg angesagten Innenstadtbezirk.

Denn mit ein bisschen goodwill, mit der richtigen Couleur hinter den Ohren,

mit dem passenden Pass und dem genehmen Chromosomenpaar,

und ein bisschen Talent zum Zeitung zur Seite legen,

ohne sie zu lesen,

kommt man zufrieden durch ein Leben hier.

Wir sind in guten Händen, vermuten wir in aller Unschuld.

Wir werden gut bedient, vermuten wir in aller Unschuld.

Vater Staat versorgt uns umsichtig und mütterlich, vermuten wir in aller Unschuld.

Denn Unschuld vermutet nicht den Hinterhalt, die Hintertür,

Unschuld vermutet nicht die Hinterzimmerhocker,

Unschuld vermutet nicht die Machtstruktur.

Wir werden hingehalten.

Ja, über Ethikunterricht kann diskutiert werden.

Ja, gleiche Bezahlung bei gleicher Leistung wäre schon schön.

Ja, das Budget darf nicht nur einnahmenseitig saniert werden.

Ja, so ein Bachelor ist ein vollwertiger akademischer Grad, nicht im öffentlichen Dienst, aber so international gesehen.

Und wir? Wir denken nichts Böses, wir wundern uns nur.

Wir werden manipuliert:

Ja, Pensionen sind am Aktienmarkt gut aufgehoben.

Ja, dieses Wertpapier ist mündelsicher.

Ja, mit Cross-Boarder-Leasing-Geschäften kann auch eine kleine

Gemeinde am Land so richtig absahnen.

Ja, die Herabsetzung der Verjährungsfrist bei Steuervergehen ist wichtig, das macht Selbstanzeigen wahrscheinlicher.

Ja, der Wiener Prater braucht einen neuen Eingangsbereich.

Ja, wir arbeiten mit aller Kraft an einer sachlichen Lösung im

Interesse des Landes.

Und wir? Wir denken nichts Böses, wir wundern uns nur.

Wir werden nicht für ganz voll genommen.

Ja, wenn meine Partei drittstärkste Kraft im Land wird, gehen wir in Opposition.

Ja, der EUROFIGHTER war schon irgendwie die beste Wahl für unser Anforderungsprofil.

Nein, bei Einführung der E-Card fallen für die Versicherten

keine neuen Kosten an.

Ja, der Paragraph 278 a wird wirklich nur gegen Mafia, den Terror, gegen die organisierte Kriminalität verwendet, okay?

Und du? Du nennst mich politikverdrossen?

Und du? Du wirfst mir mein Wahlfehlverhalten, also Wahlfernbleiben vor?

Und du? Du bist enttäuscht von meinem Gleichmut, von meiner Stammtischargumentation?

Von meiner mangelnden Mobilisierbarkeit in Krisenzeiten – also Wahljahren?

Dieser Text ist unfertig.

Unvollkommen.

Ungenügend recherchiert.

Schnell hingekritzelt, beinah wortspielfrei, keine große Kunst an sich!

Ich bin nur Einzelmensch, One-Woman-Show,

bin kein Expertenstab mit ausreichend Recherchepersonal …

Ich schreib nicht ab!

Kein Bachelorstudent macht mir den Bettelassistent.

Ich überflieg nur flüchtig Zeilen auf Zeitungspapier.

Blick nicht ganz durch, wenn Jahre später Anzugträger

Unterausschussarbeit delegieren.

Ja, dieser Skandal wird lückenlos durchleuchtet werden.

Ja, dieser Sache wird gründlich auf den Grund gegangen worden sein.

Ja, dem Rechtsstaat wird Genüge getan.

Sagst du, und berufst dich auf die Unschuldsvermutung.

Doch kollektive Unschuldsvermutung kommt vor den Fall.

Empören wir uns.

Ermächtigen wir uns.

Ergreifen wir also die Macht –

oder das Wort!

Oder die Gelegenheit!

Denn Gelegenheit macht Diebe.

Macht macht Versuchung.

Wort macht Unschuldsvermutung.

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Sprecht!

100 % ORIGINAL

MARKUS KÖHLE

Ich bin ein Fernsprecher, ein Fürsprecher der Ferne.

Ich bin ein Gernsprecher, ein Worträcher des Verschwiegenen.

Ich bin ein Schönsprecher: schön mit Ö wie Österreich.

Oh Ö, oh Ö, oh Ö, wie bist du reich an Zwiespalt – wie bist du arm in Kärnten.

Wie bist du gut im Wegadministrieren von evidenten Skandalen – wie bist du noch besser im Vergessen.

Oh Ö – andere Länder haben die Krise, wir haben unser Regierungs- und Fußballnationalteam.

Oh Ö – fromme Erregung durchflammt mich bei jeder Zeitungslektüre.

Oh Ö, oh Ö, oh ORF – Zeit im Bild und Welt im Arsch.

Seit ich keinen Fernseher mehr habe, bin ich besser im Bild.

Ich bin ein Sprachbilderbuch, bin ein Sprechblasenbruch und ein

Textbelastungsgrenzenauslotungsversuch.

Ich bin ein Satz-Satz-Satz-Satz-Repetier-Repetier.

Das ist ein Tier mit großer Schnabeldurchschlagskraft, in Fachkreisen auch bekannt als: SPRECHT! SPRECHT! SPRECHT! SPRECHT!

– mit Ausrufezeichen – ich mag Ausrufezeichen!

Ich bin gelegentlich ein ganz schön explizit Sprecher.

Ich bin gelegentlich aber auch ein ganz schön verschwurbelt Sprecher.

Ich mag Satzschlaufen wie: Einfälle sind Abfälle der

Horizonterweiterung. Eingebungen sind Ausscheidungen des Hirns.

Wiederholungen sind Freizeit fürs Hirn, und Hirn ist die Mangelware der Generation »Wo woar mei Leistung?«.

Apropos Leistung: Ich bin kein Schul-, aber ein klasse Sprecher: 1 a!

Im Sprechen bin ich mir selbst überlegen.

Ich habe keine Angst vor Worten,

Worte sind auch nur Sprechknoten der Stimmbänder,

Brechzoten des Kehlkopfs und Krallenpfoten der Satztatzen.

Gut, Worte können schon auch Prankenhiebe im

Verständigungsgetriebe und Pollerbrüste der Artikulationsgelüste sein.

Aber Worte kosten nichts; Worte gibt’s nicht zu knapp und Worte können alle allen vor den Latz knallen; das kann, muss aber nicht wehtun; denn Worte per se sind unschuldig; Worte sind zwar die verbale Munition der Kommunikation, aber Worte schießen nicht!

Es sind immer die Sprecher, die Worte zu Waffen machen.

Ich bin kein Wortverbrecher, ich bin kein Wortversprecher und auch kein Elternsprechtag.

Zu mir dürfen alle kommen: Eltern, Jünger, Onkel, Tanten, gerne auch die entfernten Verwandten aus Übersee, denn ich hab’ nämlich Fernweh!

Ich bin ein Fernsprecher, ein Fürsprecher der Ferne.

Ich bin keine Sprechstunde; ich bin kürzer; kürzer, schneller und dichter.

Ich bin ein Asynchronsprecher; ich spreche und mache dazu gleichzeitig unpassende Arm-Bein-Kopf-Rumpfbewegungen.

Ich bin ein Mini-Sprech-Stück für Hinz und Kunz.

Hinz: Grinst.

Kunz: Grunzt.

Hinz: Spinnst?

Kunz: KUNST!

Okay, ich geb’s zu, ich bin ein Rumsprecher, also ein ganz schön dem Rum-Schnaps-Wein-Bier-Zusprecher und ab und zu ein Sprechrausch.

Lasst uns also auf die Ferne (bzw. auf die GastgeberInnen) trinken:

Ich verspreche mich der Ferne sowie Sonne, Mond und Sterne und der Sprache sowieso. Prost!

Ich bin ein Fernwehfürsprecher und ein Horizontlinienbrecher.

Ich bin ein Weitguck mit Hoch-, Dampf- und Nachdruck.

Ich bin ein Die-Ferne-Sichter, ein Dauerempfänger der Allüberall-Signallichter.

Ich bin ein Fernscheinwerfer und ein Grantscherm-Verwerfer.

Ich wehe nicht, ich blase – ich übersehe nichts, ich glase fern, weit, klar.

Ich hab den Über-, Weit- und Durchblick und Heimat,

Heimat ist mir nur ein Sidekick

für schlechtere Tage, die ich nicht kenne oder gemütlich zuhause verpenne.

Ich bin ein Schlechte-Tage-Schlachter und Miese-Laune-Verachter.

Ich achte auf das, was mir nah, und betrachte gern, was mir fern.

Aber ich bin kein Fernseher, denn Fernseher sind unter anderem ORF-Opfer.

Fernseher sind Mattscheiben, Fernseher loben eher das Daheimbleiben, ich hingegen preise die Ferne (und das Live-Dabeisein).

Ich bin keine Fernzugauskunftsstelle und auch keine Nahtoderfahrungsendtunnelhelle.

Ich bin ein Ferndiagnosen-pauschal-in-Frage-Steller und ein naheverhältnismäßiger Megaseller.

Ich bin kein Fernmünzsprechanlageberater und auch kein

Nahkampffußgängerzonenmaronibrater.

Ich bin ein Fernbeziehungsschlichter und

Nahgeschlechtsverkehrsverrichter.

Ich bin nicht für Fernreisezielrohrblattschüsse.

Ich bin für Nahversorgungsküsse.

Ich bin ein SPRECHT! SPRECHT! SPRECHT!

Ich klopfe, picke, poche auf Worte, und insofern bin ich nah dran, an dem, was mir wichtig: Ich spreche nicht verhalten,

ICH SPRECHE MICH AUS!

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Anstelle eines Vorworts

100 % ORIGINAL

MARKUS KÖHLE

Slam Poetry ist nicht Lyrik, nicht Prosa, nicht Theater.

Slam Poetry ist Lyrik, Prosa, Theater.

Slam Poetry sitzt immer zwischen den Stühlen.

Slam Poetry muss gehört werden.

Slam Poetry muss gelesen werden.

Slam Poetry fühlt sich allerdings der Mündlichkeit verpflichtet.

Slam Poetry ist Vortragsliteratur.

Slam Poetry schlägt eine Brücke zum Publikum.

Slam Poetry führt sich auf.

Slam Poetry lebt vom Vortrag.

Slam Poetry ist um Ein- und Zugänglichkeit bemüht.

Slam Poetry baut auf Wiederholungen.

Slam Poetry ist Interaktion.

Slam Poetry ist gelebte Integration.

Slam Poetry spielt mit Worten.

Slam Poetry experimentiert mit Formen.

Slam Poetry ist politisch.

Slam Poetry baut auf Wiederholungen.

Slam Poetry montiert.

Slam Poetry ist pointiert.

Slam Poetry spricht Jung und Alt an.

Slam Poetry ist für alle und alles offen.

Slam Poetry ist noch nicht allgemein akzeptiert.

Slam Poetry wird kategorisch schubladisiert.

Slam Poetry bricht gerne aus.

Slam Poetry ist explizit.

Slam Poetry ist leise, nachdenklich, melancholisch.

Slam Poetry ist laut, wütend, zornig.

Slam Poetry ist kein Nebenher-Schreibabfall-Produkt.

Slam Poetry hat einen eigenen Sound.

Slam Poetry ist der Minnesang von heute.

Slam Poetry klopft die Sprache auf ihren Rhythmus ab.

Slam Poetry horcht tief ins Wortinnere.

Slam Poetry ist heiß, fettig und immer aktuell.

Slam Poetry kennt keine Sprachgrenzen.

Slam Poetry propagiert Grenzüberschreitungen.

Slam Poetry erobert Teenagerherzen und Theaterbühnen.

Slam Poetry ist zeitgemäße literarische Unterhaltung auf bestem Niveau.

Slam Poetry geht ins Ohr, ins Herz, ins Hirn und lässt kein Auge trocken.

Slam Poetry kann durch nichts ersetzt werden.

Wie’s mir geht

100 % ORIGINAL

MIEZE MEDUSA

Wie’s mir geht?

Ich schau auf mich – Hand drauf!

Schau aus Augenwinkeln Strandausläufern auf die Beine, Rücken, Hintern,

bau mir in Gedanken Brücken mit Sand als Standbein,

verriesel mich dann in Details,

denk mich fremd und geh dann doch allein ins Bett, und, wenn ich ehrlich bin, auch früh schlafen.

»Du fehlst!«,

könnt ich laut sagen,

doch hab ich Angst, der Satz verrieselt in so Glasfaserkabeln,

versickert, verstört, verfaselt sich,

triangelt nicht zu dir durch.

»image«, sagst du,

und: »Kopf hoch!«,

und: »Halt zu mir, ich bin bald da, oder du, und wir halten uns dann atemlos in unsern Armen!«

Das, was wir Liebe nennen,

ist ein Vogel Phönix,

ist ein Fernreisekönig,

ist an manchen Tagen die Windstille im Auge des Orkans,

und manchmal halt der Wind drum rum;

ist ein Beharren, hartnäckig und atemlos

auf der uns verbrieften, uns verbürgten Unverpassbarkeit von Anschlusszügen.

Das, was wir Liebe nennen, hat (das kannst du laut sagen) verdammt langen Atem.

Wie’s mir geht?

Ich schau auf mich – Hand drauf.

Ich geh gedankenlang den Strand entlang,

ich werd zum Flaschenpostler, ich bin Fachfrau für Versendetes,

verschwende Briefkuverts und sende SMS.

Ich schließe Zaungastfreundschaft,

schau mir dabei zu, wie ich auf Beine, Rücken, Hintern blick,

ich denk mich fremd, nenn das dann Flirten,

doch ich gebe zu bedenken,

die Augen leuchten, wenn ich tief ins Weite blick,

doch stellt mein Blick auf Durchzug und

die Ohren verharren nur zum Abwarten von Fadem ohne roten Faden.

Der Mond macht das Meer unruhig,

der Mond macht die Gezeiten scheu,

Wasser klappt den Strand hoch und kappt das Land.

Hand hoch!, wenn du mich vermisst.

Ich empfang bloß Strandgut,

ich fang schon an, uns zu vergessen,

uns vergess ich, nicht dich.

Das, was wir Liebe nennen, ist ein schwarzes Meer bei Nacht;

ist – Himmelherrgottnochmal!

Ist oft ein schwarzes Loch und gähnt grad gelangweilt.

Dein Fehlen hat die Luft um mich verdünnt,

ich atme flach und frage nach der Nacht.

Ich seh fürs Leben gerne Sternschnuppen beim Verglühen zu,

ich zieh grad sternstundenlange Kreise in Seesternschuppenschutt.

Ich geh kaputt.

Das, was wir Liebe nennen,

ist an manchen Tagen Vakuum,

kappt meinen Sauerstoffnachschub und hat verdammt lange Atempausen.

»Wem sagst du das!«, sagst du.

Wie’s uns geht?

Wir schau’n auf uns – Hand drauf.

Begehen alltagein, alltagaus Steig-ein-Pfiff-und-Abfahrt-Zugreiseheldentaten,

wagen uns an tolldreiste Distanzkampfansagen,

und hoffentlich klappt der Anschlusszug.

Ich wäre reich, bekäm ich was für jede ÖBB-Verspätungsminute …

»Wo bist grad?«

»Wie lange noch?« –

und dann noch: Handhalten per Skype,

Briefpapier, getränkt mit Körperflüssigkeiten,

und hoffen, dass das reicht.

Der Mond macht den Fluss müde,

träge trägt der Strom das Wasser Richtung Salzdepot,

fließt von dir zu mir, und dann ins Meer.

»Schau nicht so!«, sagst du.

»Wie schau ich denn?«, frag ich, und meine eigentlich:

Wie weißt du, wie ich schau? – Wir skypen webcamlos.

»Was ist denn los?«, sagst du.

»Nichts«, sag ich, und: »Salzwasser hab ich selbst.«

»Buchst du den Flug?«, fragst du.

»Kann sein«, sag ich, und mein: Kann das nicht warten?

»Was?«, fragst du.

»Das Wieder-in-ein-Flugzeug-Steigen oder in den Zug.

Daheim sein ist schön, wenn auch allein.«

»Das schon«, sagst du, mit Stimmbändern wie belegten Broten,

und dann: »Willst du mich denn nicht wiedersehen?«

Der Wind peelt mich,

schrubbt mich ab und

schiebt mir Sand in die Schuhe.

Schiebt mir Sand in die Hose,

schiebt mir Sand in mein Shirt und in die Schicht drunter.

Es riecht nach Seegang und Frischfisch mit unbestimmtem Ablaufdatum.

Es riecht nach Wellenkamm und Gischt (Gischt) mit unbestimmtem Aufpralldatum.

Klatsch mich ab, Welle!, pass deinen Zeitpunkt ab und brande an.

Verdammt! Anrufentgang, nachrufen, läuten lassen, in Boxen landen;

lass was dort und warte dann auf Wort und Tat:

»Sie haben eine Mitteilung empfangen.«

Ja, ich habe deine Mitteilung empfangen,

und später dann ein Stehplatz im Nachtzug,

ein Stehsatz und »schlaf gut«.

Und ich ratatatatratatatratatatat mich zu dir durch,

wart nicht auf mich, ich komm verdammt spät an und finde dann den

Weg in deinen Arm.

Ich bring Frischbrot,

belegt mit einem Kuss, der nottut,

belegt mit Stimmbändern, die abtastend schwingen.

Endlich wieder reden, ohne Klingeltonpräambel,

endlich wieder rummachen, ohne virtuelles Rumgestammel.

Endlich wieder nichts sagen,

denn nichts sagen ist im Echtleben auch Kontakt.

Endlich wieder stillschweigen,

denn Stillschweigen ist im Echtleben auch Kontakt.

Wir schweigen uns an, und dann

fängt einer von uns mit Reden an,

mit vorgelebtem Leben nachtragen,

nochmal nachfragen.

Nochmal Kaffee.

Das, was wir Liebe nennen,

ist ein Vogel Phönix,

ist ein Fernreisekönig,

ist an manchen Tagen die Windstille im Auge des Orkans,

und manchmal halt der Wind drum rum,

ist ein Beharren, hartnäckig und atemlos,

auf der uns verbrieften, uns verbürgten Unverpassbarkeit von Anschlusszügen.

Das, was wir Liebe nennen, hat verdammt langen Atem.

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Verliebt. Verlobt. Verheiratet.

100 % ORIGINAL

MARKUS KÖHLE

VERLIEBT

Meine Füße täglich waschen.

Meine Achselhaare regelmäßig rasieren.

Bruno-Banani-Aftershave und Hautcreme verwenden.

Wok-Gerichte-Fan werden.

Den Klodeckel immer runtergeben.

Den Staubsaugersack mehr als einmal im Jahr wechseln.

Monatlich die Bettwäsche waschen.

Ein Flusensieb kaufen.

Hirse essen.

Mir einen Nasen- und Ohrenhaarschneider zulegen.

Sport-BHs praktisch und sexy finden.

Dem Bimsstein im Bad nicht seine Berechtigung absprechen.

Mir einen peinlichen Kosenamen wie »Schatziputz, Hasimaus oder

Bockbierstier« gefallen lassen.

Das alles will ich tun, wenn du so bleibst, wie du bist.

VERLOBT

Ich geb dir mein Wort.

Der Rest ist auch für dich.

Der Rest bin ich.

Das Wesen des Restes ist es, kein Ganzes zu sein.

Ich bin ganz gut so weit,

doch besser noch zu zweit.

Gib mir den Rest, und mach mich ganz und gar.

Ich geb dir mein Wort.

Mich kannst du dann behalten.

Mich kann man halten, drücken und umarmen.

Das Wesen der Umarmung ist es, einen Kern zu umschließen.

Du bist der Kern der Sache,

doch Sache klingt so distanziert.

Du bist ein guter Kern.

Ich bin ein guter Kerl.

Du bist der Kern, der mir ganz nah,

ganz nah, ganz gut so weit,

doch besser mit Verbundenheit.

Bist du des Pudels Kern – lass mich dein Knuddler sein.

Bist du des Rudels Stern – lass mich die letzte Nudel sein.

Die dir den Rest gibt, der dir noch fehlt,

um ganz perfekt zu sein.

Ich geb dir mein Wort, und das was in mir steckt.

In mir steckt weder Teufel noch Detail,

in mir steckt allerlei Überraschendes.

Das Wesen der Überraschung ist es, unvorhersehbar zu sein.

Ich bin dir dein Rund-um-die-Uhr-Happy-Hour-Unvorhersehbarkeeper,

lass dir von mir reinen Wahn einschenken.

Wahn ist der sechste Sinn,

Wahn ist in Maßen eingesetzt, ein Spaß, der ohnegleichen.

Das Wesen des Spaßes ist es, ein lockeres Verhältnis zu Freund Ernst zu unterhalten.

Das Wesen des Spaßes ist es, zu unterhalten.

Gut, unter Haltung lässt sich auch etwas Restriktives verstehen:

Bodenhaltung, Käfighaltung, Zwinger.

Doch für uns soll immer gelten:

Lieber Lugner-City-Swinger-Club als Geldblödjob-Karrieredruck.

Wir unterhalten einander anders.

Geht dein Mund auf, dann wird’s bald bunter.

Hältst du mich aus – halt ich dich unter.

Und unter mir ist’s ganz gut Kichererbsen essen.

Unter mir ist – unter uns gesagt – noch kaum mal wer verhungert.

Wohl wahr, ganz gut so far,

doch gerne auch für immerdar.

Ich geb dir – du weißt schon was – alles und mein Wort.

Jetzt gar mit Schmalzanstrich.

Ich will dein Herz und für dich Sorge tragen.

Ich will dich auf und in den Arm nehmen.

Ich will in und mit dir auf- und untergehen.

Und das, was in mir steckt,

könnte auch dich befruchten.

Das nennt man wohl frivol,

ich nenn’s wahre Lust an dir.

Werd meine einzig Wahre,

werd wahr für mich. Wahr mit h

Wahr mit Haar, Harn und Haftschalen, wenn sie denn dann

irgendwann mal notwendig sein sollten.

Wahr mit Augenbrauenurwald, Achselhaarlianen, Uterusverbuschung und gut verzweigtem Gedankengestrüpp.

Werd wahr für mich mit ruralen Ritualen, urbanen Neurosen und vegetarischen Marotten.

Das Wesen von ruralen Ritualen ist ihre Beständigkeit.

Das Wesen von urbanen Neurosen veranschaulicht das Gesamtwerk von Woody Allen.

Und das Wesen von vegetarischen Marotten wäre einen eigenen Text (mit dem Titel: Soja – So nein, so nicht!) wert.

Wärst da nicht du, die du die Zuneigung verdientest, nein, verdienst für immer.

Du, das Wesen dieses Textes, der Schreibgrund und der Wortschatz.

Ich hab dir soeben 481 zusammenhängende Worte gegeben, um dich für mich zu stimmen, verspreche dir aber – so ich dir nicht genehm – trotzdem nicht nachtragend, eher nachhaltig zurückhaltend zu sein.

Denn ich verspreche mich gerne und geb dir gern mein Wort.

Damit du das letzte hast.

VERHEIRATET

Ich spreizfuße in deine Tür, und angel mir den Schlüsselbund fürs Leben.

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Geh mit Kant, aber geh

100 % ORIGINAL

MIEZE MEDUSA

Kant wurde mir empfohlen. Meine sehr gute Freundin Angelika, Änschi,