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Nr. 2646

 

Die Tage des Schattens

 

Die ersten Neuformatierten kehren zurück – ein Phantom stört die Kreise der Auguren

 

Leo Lukas

 

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In der Milchstraße schreibt man das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Seit dem dramatischen Verschwinden des Solsystems mit all seinen Bewohnern hat sich die Situation in der Milchstraße grundsätzlich verändert.

Die Region um das verschwundene Sonnensystem wurde zum Sektor Null erklärt und von Raumschiffen des Galaktikums abgeriegelt. Fieberhaft versuchen die Verantwortlichen der galaktischen Völker herauszufinden, was geschehen ist. Dass derzeit auch Perry Rhodan mitsamt der BASIS auf bislang unbekannte Weise »entführt« worden ist, verkompliziert die Sachlage zusätzlich. Um die LFT nicht kopflos zu lassen, wurde eine neue provisorische Führung gewählt, die ihren Sitz auf dem Planeten Maharani hat.

Während Perry Rhodan und Alaska Saedelaere gegen die aus langem Schlaf erwachende Superintelligenz QIN SHI kämpfen müssen, befindet sich das Solsystem abgeschottet vom Rest des bekannten Universums in einer Anomalie und muss sich gegenüber drei fremden Völkern behaupten: Die Spenta hüllen Sol ein, die Fagesy besetzen Terra, und die Sayporaner entführen Kinder auf ihre Heimatwelt Gadomenäa, um sie zu »formatieren«. Als die Jugendlichen zurückkehren, sind sie aber nicht mehr dieselben, und es brechen an DIE TAGE DES SCHATTENS ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Marrghiz – Der Sayporaner hat sich die Machtübernahme auf Terra einfacher vorgestellt.

Phaemonoe Eghoo – Die Reporterin versucht ihre Unabhängigkeit zu bewahren.

Fydor Riordan – Der amtierende TLD-Chef muss sich mit einem unerwarteten Gegner auseinandersetzen.

Toufec – Der frischeste Stammgast des Café Triest beginnt, eine Gefolgschaft um sich zu sammeln.

Traumangebot Nr. 484:

Das Turnier

 

»Bist du bereit?«, fragt der Weise. »Fühlst du dich stark genug? Beherrschst du die Griffe und Kniffe, die ich dir beigebracht habe?«

»Ja«, sagst du. »Wie im Schlaf, alle sechsundsechzig.«

»Das solltest du auch. Die Zeit des Übens ist vorbei. Der Kampf beginnt, und hast du einmal die Arena betreten, gibt es keinen Weg zurück. Alle müssen sterben, alle bis auf einen. Wirst du der eine sein?«

»Ich werde mich bemühen, dir keine Schande zu machen.«

»Um mich geht es nicht, Feuchtohr! Ein ganzes Universum steht auf dem Spiel. In wessen Hand es fällt, hängt einzig und allein von dir ab.«

Dich schaudert.

Du zweifelst, ob du dieser Verantwortung gewachsen bist, trotz der langen und umfassenden Ausbildung.

»Schnür dein Bündel!«, sagt der Weise. »Wähle deine Waffen gut. Die Gegner sind Legion. Ihre Übermacht zu brechen, kann nur gelingen, wenn du die wenigen verwundbaren Stellen triffst. Ein Fehlschlag bloß, und alles war vergeblich.«

Er ist fast nervöser als du. Kein Wunder, nun kann er nicht mehr korrigierend eingreifen.

Sobald du die Laubhütte verlassen hast, bist du auf dich allein gestellt. Der Weise kann dich nicht begleiten. Er ist seit Äonen festgewachsen, tief im Waldboden verwurzelt.

Einen Lidschlag später stehst du in der Arena. Dein erster Gegner reitet auf dich zu, die Laserlanze im Anschlag. Sein Streitross schnaubt und dampft, die Panzerplatten klirren.

Du hingegen hast nicht einmal ein Maultier ... Im letzten Moment wirfst du dich zur Seite und entgehst den stählernen Hufen.

Das Ross donnert vorbei und wendet in einer Staubwolke. Schon gibt ihm der Ritter die Sporen und setzt zur nächsten Attacke an.

Er entsichert die Lanze. Ihre Spitze glüht giftgrün auf, und sie wird in deine Richtung geschwenkt.

Noch im Abrollen hast du den Wurfstern gezogen. Du schleuderst ihn, den Schwung der Bewegung ausnützend.

Der Stern fliegt auf den Ritter zu, auf den schmalen Augenschlitz in seinem Helmvisier. Er fliegt und fliegt, es kommt dir wie eine Ewigkeit vor.

Der Ritter erkennt die Gefahr und hebt seinen Schild. Aber kurz bevor der Wurfstern auftrifft, verwandelt er sich.

Die Zacken werden länger, schlanker, dünn und schnell wie ein Gedanke. Querverbindungen bilden sich.

Ein Gewebe entsteht. Ein Netz, das Reiter und Ross umhüllt, einschnürt und zu Fall bringt.

Du läufst hin. Ehe der Ritter sich befreien kann, erledigt dein Stilett den Rest.

Dies ist kein glorreicher Sieg, unbestritten; doch nur das Weiterkommen zählt. Und du bist unverletzt und hast erst eine Geheimwaffe verbraucht.

Der nächste Gegner ist gewarnt. Er wird nicht so leicht zu übertölpeln sein ...

Beweise dich in einem Turnier der Superlative! Höchste Gefühlsintensität, äußerst befriedigende Teilerfolge bis hin zum großen Finale.

Siegespreise frei wählbar: Prinz oder Prinzessin, treues Gefolge, säckeweise Gold und Schmuck, ertragreiche Herzogtümer ...

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1.

QIN SHI zeigt sein Gesicht

 

Der Trauminduktor weckte Phaemonoe Eghoo zum programmierten Zeitpunkt, um exakt sieben Minuten vor fünf Uhr morgens.

Sie fühlte sich ausgeruht und erfrischt, trotz der frühen Stunde. Kontrolliertes Träumen erleichterte auch den Übergang von der Schlaf- zur Wachphase.

Allerdings konnte das Programm nicht verhindern, dass ein Hauch von Sehnsucht zurückblieb, ein zartbitterer Nachgeschmack: Enttäuschung darüber, wie ernüchternd flach und reizlos die Realität sich im Vergleich zu den Traumwelten ausnahm.

Um diesen Nachgeschmack zu verscheuchen, gähnte Phaemonoe ausgiebig. Sie schnitt Grimassen, streckte sich und vollführte einige gymnastische Übungen.

Dann stieg sie aus dem Bett. Im Appartement roch es bereits verlockend nach Frühstück. Die mit dem Induktor vernetzte Smartküche hatte Miso-Suppe, Grüntee, Spiegeleier und Amaranth-Toast auf die Sekunde genau zubereitet.

Phaemonoe aß mit Genuss, jedoch hurtig. Wer einen Termin beim neuen Herrn der Welt hatte, kam besser pünktlich.

 

*

 

Man schrieb den 5. November 1469 NGZ. Sie arbeitete seit fast genau einem Monat als Regierungssprecherin für Marrghiz, den Sayporaner.

Am 6. Oktober hatte er die Macht im Solsystem übernommen und Phaemonoe angeworben. Ob aus einer spontanen Regung heraus oder gemäß einem detaillierten Masterplan, hatte sie bislang nicht herausgefunden.

Eher Letzteres, vermutete sie.

Persönlich waren sie einander in diesen dreißig Tagen nicht wesentlich näher gekommen. Es schien unmöglich, mit Marrghiz warm zu werden. Auch einer versierten Journalistin gelang es nicht, die Mauer seiner distanzierten Höflichkeit zu durchbrechen.

Wahrscheinlich war er in der langen Reihe von Invasoren, die Terra heimgesucht hatten, der Diktator mit der besten Kinderstube. Er legte vollendete Umgangsformen an den Tag. Dabei wirkte seine geradezu offensive Verbindlichkeit ungekünstelt und frei von Zynismus.

Ob bei offiziellen Anlässen oder im kleinen Kreis, Marrghiz benahm sich nie wie ein Despot, sondern eher wie ein mitleidiger Missionar, der Rücksicht auf die Begriffsstutzigkeit seiner Schäfchen nahm. Er gab sich als treusorgender Verwalter, nicht als gieriger Gouverneur oder gar sadistischer Kerkermeister.

Was nichts daran änderte, dass er es war, der momentan am Drücker saß. Ein Wink von Marrghiz genügte, und die Nano-Maschinen, die den Großraum Terrania buchstäblich unterwandert hatten, lösten ein Mega-Beben aus, das die Hauptstadt der Menschheit in Schutt und Asche legte.

Und die Sternengaleonen der Sayporaner, so schmächtig sie im Vergleich mit terranischen Superschlachtschiffen erscheinen mochten, konnten der Erde jederzeit weitere derartige »faule Eier« einpflanzen.

 

*

 

Phaemonoe hatte Marrghiz interviewt, gleich bei ihrer ersten Begegnung. Auf ihre jahrzehntelange Erfahrung als Reporterin vertrauend, war sie sich sicher gewesen, ihn aus der Reserve locken zu können.

»Ist dir bekannt, das wievielte Volk von Invasoren die Sayporaner sind?«, hatte sie gefragt, mit fein spöttischem Unterton.

Aber Marrghiz hatte gut gekontert: »Innerhalb dieses Raums, den die Terraner als Anomalie bezeichnen, sind eher die Terraner Invasoren, meinst du nicht?«

So war das mit ihm. Man kam kaum gegen ihn an. Er wusste auf alles eine Antwort, glatt und beherrscht, stets freundlich lächelnd.

Meist war er dem Gesprächspartner um mehr als einen Gedankensprung voraus. Oft nahm er Phaemonoe nicht bloß den Wind aus den Segeln, sondern drehte ihr das Argument im Mund um und wendete es gegen sie.

Damals hatte sie ihm eine Reihe von Angreifern aufgezählt, welche in den vergangenen Jahrtausenden den Kürzeren gezogen hatten. Worauf Marrghiz gemeint hatte, umso mehr läge ihm daran, weitere Angriffe zu verhindern: »Wir Sayporaner werden das Unsere dafür tun, dass auf Terra endlich eine Epoche des Friedens Einzug hält.«

Diese Floskel war wohl für die zahllosen Zuhörer bestimmt gewesen, die überall im Solsystem das Live-Interview verfolgten. Offenbar hatte sich Marrghiz bestens informiert über die Kritik, die immer wieder, mal leiser, mal lauter, an der LFT-Führung geäußert wurde.

Sollte, so klagten viele, das Jahrtausend der Kriege denn nie ein Ende haben?

Etliche machten keinen Hehl daraus, dass sie den unsterblichen Zellaktivatorträgern die Schuld gaben: Lenkten nicht deren intergalaktische Aktivitäten erst recht das Interesse diverser kosmischer Bösewichter auf die Heimat der Terraner?

Wobei Marrghiz sich und die Seinen natürlich zu den Guten rechnete. »Wir Sayporaner kommen nicht, um zu erobern«, hatte er behauptet. »So etwas wäre ein Trugschluss, und ich kann nur vermuten, dass er aus den Wirrungen eurer Vergangenheit herrührt. Wir sind hier, um ein neues Zeitalter einzuläuten. Die einige Jahrtausende währende Odyssee der Menschheit durch Raum und Zeit ist zumindest für das Solsystem zu Ende. Die Terraner sind endlich daheim angekommen.«

»Und damit jeder«, hatte Phaemonoe sarkastisch erwidert, »hört und begreift, was die Stunde geschlagen hat – die erste Stunde dieses unsagbar Goldenen Zeitalters –, wurde mit dem tödlichen Erdbeben in der Zona Mexico der ›friedliche‹ Gong geschlagen?«

Zehntausende waren ums Leben gekommen als Folge der sayporanischen Machtdemonstration. Zehntausende! Unschuldige Opfer des Exempels, das die Invasoren an Mexico City statuiert hatten.

»Haben denn die Terraner nicht auch das eine oder andere Mal wenige getötet, um dadurch den Tod einer weitaus größeren Menge zu verhindern?«

Das hatte Phaemonoe schwerlich verneinen können. Ihr verbaler Gegenstoß, mit dieser Aussage rufe der Augure förmlich zum bewaffneten Widerstand gegen sein eigenes Regime auf, brachte nicht viel ein.

Hoch hatte sie diese erste Kraftprobe nicht gewonnen. In Summe war das Wortgefecht bestenfalls unentschieden ausgegangen.

Es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein, dass sie mit Marrghiz die rhetorischen Klingen kreuzte.

 

*

 

Zwischen fünf und sechs Uhr früh zeigte sich Terrania City von seiner besten Seite. In jener Stunde kurz vor Sonnenaufgang, die romantische Literaten gern die dunkelste nannten, bemerkte man am wenigsten von den Veränderungen, die das Solsystem erschüttert hatten.

Bis zum Horizont erstreckte sich das gleißend hell erleuchtete Häusermeer. Manche Gebäude ragten zwei Kilometer hoch auf. Am Himmel darüber hatte man auch vor der Entführung des Solsystems so gut wie nie Sterne gesehen wegen der Lichtfülle.

Es fiel also nicht auf, dass es fast keine Sterne mehr am Himmel gab. Und wer sich bemühte, nicht daran zu denken, konnte beinahe vergessen, dass Sol erloschen war und in Kürze an ihrer Stelle nur ein Pulk von Kunstsonnen aufgehen würde.

Die Zukunft war unsicherer denn je. Aber Terrania pulsierte unverdrossen. Die Metropole bedeckte eine Fläche von mehr als zweihundert Quadratkilometern, den größten Teil der ehemaligen Wüste Gobi.

Eine solche Stadt konnte man formal in Besitz nehmen, indem man sie erpresserisch zur Kapitulation zwang. Sie zu beherrschen jedoch erforderte mehr; viel mehr.

Das Leben ging weiter, 24 Stunden am Tag. Der nach wie vor drohenden Bebenkatastrophe zum Trotz war die überwiegende Mehrheit der rund hundert Millionen Bewohner im Ballungsgebiet geblieben. Menschen waren immer schon Großmeister darin gewesen, Bedrohungen zu verdrängen.

Kurz nach der Machtübernahme hatten Gerüchte von zahlreichen spurlos Verschwundenen kursiert, wobei die Angaben stark differierten, von fünfzigtausend bis hin zu fünfzig Millionen.

Den Beweis konnte man täglich sehen, auch in dieser frühen Morgenstunde: Zwischen den Türmen herrschte reger Verkehr, entlang der Gleiterrouten ebenso wie auf den Prallfeldstraßen und den energetischen Rollbändern, die zehnbahnig ausgelegt waren und auf zahlreichen Ebenen die gesamte City durchzogen.

Im Stadtteil Antares City, dem eigentlichen Zentrum und Regierungsviertel, begegnete Phaemonoe Eghoo binnen weniger Minuten den Angehörigen Dutzender verschiedener Völker. Dass ihre Heimatplaneten in der Milchstraße und anderen Galaxien derzeit unerreichbar waren, mochte sie insgeheim belasten; anzumerken war es niemandem. Falls jemand Phaemonoe erkannte und ihre Kollaboration mit den Auguren missbilligte, zeigte er dies genauso wenig.

Das Turbo-Rollband umkurvte einen weit ausladenden, retro-arkonidischen Trichterbau und bog in eine Straßenschlucht, die den Blick auf die Solare Residenz freigab. Die Stahlorchidee, Phaemonoes Ziel ... Sie schluckte unwillkürlich.

Am Vorabend, als man sie über den Besprechungstermin informiert hatte, war ihr kein konkreter Grund mitgeteilt worden. Was wollte Marrghiz von ihr?

 

*

 

»Ich danke dir für das pünktliche Erscheinen«, sagte er sanft und lächelte sein eigentümliches Augurenlächeln. »Es ist schön, wenn man so verlässliche Mitarbeiter hat. Und Mitarbeiterinnen selbstverständlich.«

Sie lauschte den Worten nach, argwöhnisch, dass er sie auf subtile Weise verhöhnte. Aber es hatte aufrichtig geklungen, wie alles, was er von sich gab.

Verlässlich ...?

Marrghiz konnte sich ihrer Loyalität keineswegs sicher sein. Sie wusste ja nicht einmal selbst, wo sie eigentlich stand!

In den vergangenen Wochen hatte sie sich oft eingeredet, es handle sich um einen ganz normalen Job, ein professionelles Engagement wie viele andere auch. Ob sie als Kommunikationsberaterin für einen Großkonzern tätig war oder für die Regierung – worin lag der Unterschied?

Hatte Marrghiz jemals etwas von ihr verlangt, was sie mit ihrem journalistischen Ethos nicht hätte vereinbaren können? Nein.

Noch nie.

Der kleine, fragile Mann wirkte weniger Furcht einflößend als einsam, ja verloren in dem Konferenzsaal, den er seit seiner Machtübernahme benutzte und nur geringfügig adaptiert hatte. Das auffälligste hinzugekommene Möbelstück war eine für Fagesy geeignete Ruhemulde, die gut acht Meter durchmaß und an einen exotischen, flachen, fünfzackigen Blütenkelch gemahnte.

Die Mulde war unbesetzt, sehr zu Phaemonoes Erleichterung. Chossom, den Anführer der Fagesy, mochte sie genauso wenig wie er sie. Aber außer Marrghiz und ihr selbst befand sich niemand in dem Raum, der für ihren Geschmack etwas zu schummrig beleuchtet war.

»Bitte, nimm Platz. Setz dich zu mir. Möchtest du dich verköstigen?«, fragte der Sayporaner.

»Danke, ich habe bereits gefrühstückt.«

»Sehr gut. Dann lass uns gleich zur Sache kommen.«

Wieder dieses Lächeln, ebenso einnehmend wie entrückt, auf seinem Puppengesicht – das ihr in diesem Augenblick so vertraut erschien und das sie dennoch hinterher nicht würde beschreiben können. Dabei hielt sie große Stücke auf ihre Beobachtungsgabe.

Aber Sayporaner waren, bei aller Menschenähnlichkeit, nun mal nicht zu fassen, unfassbar, undefinierbar: geradezu eigenschaftslos, weder hässlich noch schön; geschlechtslos, weder maskulin noch feminin. Changierend, irisierend wie ihre Haut, die schwach schimmerte, Seifenblasen vergleichbar oder Perlmutt oder dem Farbenspiel eines Ölfilms auf Wasser.

Ohne persönlichen Charakter; jedoch nicht ohne Charisma.

»Ich habe Nachricht von Gadomenäa erhalten«, setzte Marrghiz fort. »Gute Nachricht. Deutlich früher als erhofft wird die erste Kohorte der neuformatierten jungen Terraner zurückkehren.«

»Aha?« Sie wusste spontan nicht, was sie mit dieser Eröffnung anfangen sollte.

»Ich erwarte mir davon mittelfristig eine Entspannung der Lage. Schließlich wird so dem abstrusen Vorwurf, wir hätten Terras Kinder unwiederbringlich geraubt, jegliche Grundlage entzogen.«

»Verstehe. Ich soll diese Neuigkeit also kommunizieren?«

»Nicht sofort. Der Zeitpunkt der Ankunft muss auf den Tag genau fixiert werden. Um den 15. November herum, wurde mir avisiert, aber ich möchte das Datum erst bekannt geben, wenn es endgültig feststeht. Bitte leg mir ein Konzept vor, wie die Heimkehr der Neuformatierten am besten zu inszenieren wäre – nämlich als emotional befriedigendes und befriedendes Ereignis.«

Phaemonoe lachte trocken. »Deswegen werden die Guerilla-Aktionen gewiss nicht aufhören ... Falls du wirklich dauerhaften Frieden mit Terra willst, das wäre leicht. Erstens: Rückgabe sämtlicher entführter Jugendlicher. Zweitens: Abzug aller Sayporaner, Fagesy und Spenta. Drittens: Auflösung der Fimbul-Kruste und Reaktivierung der Sonne. Viertens: Rückführung des Solsystems an seinen angestammten Platz in der Milchstraße. Ich will nicht zu viel versprechen, aber danach könnten wir vielleicht richtig gute Freunde werden.«

»Ich mag deinen Humor«, sagte der neue Herr der Welt weich. »Doch, wirklich. Diese latente Aufsässigkeit hat etwas Erfrischendes. Wie ihr Terraner mir ja überhaupt sehr am Herzen ...« Er stockte, ließ den Satz unvollendet.

Seine Augen weiteten sich. Über die makellos glatte Gesichtshaut liefen in rascher Folge mehrere regenbogenfarbene Wellen, als habe etwas Unsichtbares die Oberfläche erschüttert.

Plötzlich alarmiert, schwieg auch Phaemonoe. Sie befürchtete, schon zu weit gegangen zu sein, und wollte den Bogen nicht endgültig überspannen.

Nach einer längeren, von quälender Stille erfüllten Gesprächspause stand Marrghiz ruckartig auf. »Ich muss dich bitten, dich zurückzuziehen«, stieß er hervor, wobei seine Stimmlage unvermittelt aus einem angenehm sonoren Bariton in fast schon schrillen Sopran umschlug. »Unsere Unterredung ist beendet. Dringlichere Dinge erfordern meine volle Aufmerksamkeit.«

»Hör mal, falls ich dich beleidigt haben sollte ...«

»Nicht im Mindesten. Ich schätze, wie gesagt, deinen kritischen Intellekt und bin zuversichtlich, dass du deinen Auftrag zu meiner vollen Zufriedenheit erledigen wirst. Jetzt aber geh. Du wirst wieder von mir hören.«

Das kam, obwohl sein Tonfall bemüht höflich blieb, einem Rausschmiss recht nahe. Verdattert trat Phaemonoe Eghoo den Rückzug an.

So hatte sie den Oberbefehlshaber der Auguren noch nie erlebt. Was war bloß auf einmal in ihn gefahren?

 

*

 

Marrghiz atmete aus, nachdem sich endlich die Tür hinter der lächerlich renitenten Terranerin geschlossen hatte.

Sein Körper, sein Geist, sein ganzes Wesen befand sich in Aufruhr. Etwas Ungeheuerliches kündigte sich an.

Es ging ihm durch und durch. Er verspürte große Angst und noch größere Freude.

Ihm wurde die ultimate Gnade zuteil, erstmals in seinem Leben. Marrghiz wusste – wenngleich nicht, woher –