Einleitung

Immer wieder stellt sich die Frage, ob das klassische Streitschlichtungsverfahren, die (streitige) Entscheidung vor Gericht durch Urteil bzw. Beschluss, das beste Mittel ist, einen Konflikt zu lösen. In der Diskussion werden immer wieder als Alternative zu dem Weg vor die Gerichte das Schiedsverfahren, die Mediation oder andere Verfahren wie z. B. die Schlichtung genannt. In diesem Kontext fällt häufig auch das Schlagwort ADR – Alternative Dispute Resolution. In der beruflichen Praxis des Juristen bzw. der Juristin stellt sich damit die Frage, welches denn nun das beste, geeignetste Verfahren für die Lösung eines Streites ist. Für die Beantwortung dieser Frage sollen die folgenden Ausführungen eine Hilfestellung bieten. Und – hiervon nicht zu trennen – finden sich auch einige Hinweise zur Verhandlungsführung in Konfliktsituationen. Denn nur durch eine geeignete Gesprächsführung lassen sich überhaupt erst die Ursachen eines Konfliktes, die möglichen Zielsetzungen für dessen Lösung wie dann auch eine tragfähige Streitbeilegung erreichen.

Ursachen von (rechtlichen) Konflikten auf den verschiedensten Ebenen, von Streitigkeiten vor Gericht, liegen in vielen Fällen nicht in Rechtsfragen. Sie finden häufig ihren Ausgangspunkt vor allem in Kommunikationsdefiziten, fehlendem Respekt, fehlender Anerkennung und emotionaler Verstrickung. Will man also Konflikte lösen, müssen ihre Ursachen mit in den Fokus genommen werden, um so die Basis für eine Lösung zu legen, die für beide Seiten akzeptabel ist. Will also die Justiz, die Rechtsprechung ihrem verfassungsrechtlichen Auftrag Genüge tun, mit der juristischen Lösung, sei es durch Urteil, Beschluss oder Vergleich, neben der Gewährleistung von Rechtssicherheit und Rechtsstaatlichkeit auch und gerade Rechtsfrieden herzustellen, müssen die Ursachen eines möglichen Konfliktes berücksichtigt werden. Nichts anderes kann gelten für die Arbeit von Juristinnen und Juristen in Verwaltung, als Rechtsanwalt oder in Verbänden. Immer dann, wenn es um die Gestaltung von Beziehungen, die Regelung von Konflikten geht, sollte das Augenmerk auch auf diese Aspekte gerichtet werden.

Eine wichtige Grundlage für das menschliche Zusammenleben ist Kommunikation. Dies gilt für alle Ebenen, angefangen bei der Beziehung zwischen zwei Individuen, in der Familie, im schulischen oder universitären Umfeld, im Beruf, zwischen Unternehmen oder staatlichen Einrichtungen bis hin zu bilateralen und multilateralen Beziehungen zwischen Staaten. Überall geht es um Kommunikation, um die Fähigkeit, im Dialog miteinander umzugehen mit dem Ziel, zu Vereinbarungen oder Lösungen zu kommen. Dialogfähigkeit herzustellen, die Basis für das Verstehen zu legen, damit die Beteiligten in der Lage sind, tatsächlich über dasselbe zu reden, zu verhandeln oder in Kontakt zu bleiben, ist dabei eine wichtige Voraussetzung für ein friedliches Miteinander und erfolgreiche Gestaltung bestehender oder zukünftiger Beziehungen.

Wenn man aktiv (Rechts-)Beziehungen z. B. als Anwältin oder Anwalt, Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter der Verwaltung, eines Unternehmens, aber auch als Richterin oder Richter gestalten will, ist es notwendig, diese Gesprächs- und Handlungsfähigkeit zu etablieren. Ist es schon zu Konflikten gekommen, ist eine wichtige Voraussetzung für deren Beilegung, die Ursache(n) eines solchen Streites herauszufinden und die Basis für die Dialogfähigkeit wiederherzustellen. Geht es nicht um die Klärung von juristischen Grundsatzfragen oder die Vermeidung von Präzedenzfällen, des Öfteren eine Notwendigkeit im Bereich der Verwaltung, bietet sich so die Chance für interessensbasierte Lösungen, die für beide Seiten von Vorteil sein können (sog. Win-win-Situation), jedenfalls aber geeignet sind, Rechtsfrieden herzustellen. Eine zunächst streitige Problemlage durch eine einverständliche Lösung zu bewältigen, ist auch in einem Rechtsstaat grundsätzlich vorzugswürdig gegenüber einer richterlichen Streitentscheidung1.

In den folgenden Kapiteln wird das Augenmerk dementsprechend darauf gerichtet, in welcher Form ein Konflikt am besten zu lösen ist. Zunächst wird in diesem Zusammenhang ein kurzer Überblick über die neben den gerichtlichen Entscheidungsformen gängigsten Streitschlichtungsverfahren gegeben sowie auf ihre jeweiligen Vor- und Nachteile eingegangen (A). Für die Frage der Auswahl des in einer konkreten Streitsituation effektivsten Streitschlichtungsinstrumentes (B) ist sowohl ein Blick auf die Ursachen des Konfliktes zu werfen (I) als sich auch Klarheit über die (eigenen) Ziele bei der Lösung des Konfliktes zu verschaffen (II). Ein besonderes Augenmerk wird der Frage gewidmet sein, welche Kriterien für die Entscheidung herangezogen werden können, ob ein Rechtsstreit für eine Beendigung durch Urteil, Vergleich oder Mediation (vor dem Güterichter) geeignet ist (III).

Anschließend wird ein Überblick über mögliche Verhandlungstechniken gegeben, die geeignet sind, die Dialog- und Verhandlungsbereitschaft (wieder-)herzustellen und zu fördern, um so die Basis für eine beide Seiten zufrieden stellende, interessengerechte Lösung zu schaffen. Es geht um Frage- und Verhandlungstechniken, es geht um Haltungen der oder des Verhandlungsführers, sei es als Anwältin oder Anwalt, als Verwaltungsbeamtin oder Verwaltungsbeamter, sei es als Richterin oder Richter (C).

In meinem Anhang werden schließlich noch einmal zusammenfassend für den praktischen Gebrauch fünf grundsätzliche Fragestellungen im Überblick, wie auch ihre Anwendung in einem konkreten Beispielsfall dargestellt. Zum Schluss wird ein Überblick in tabellarischer Form zur Verfügung gestellt. Zu den verschiedenen Phasen der Mediation, dem jeweiligen konkreten Ablauf (working order), sowie die jeweils zur Anwendung kommenden (Frage-)Techniken mit Beispielen und Erläuterungen ihrer Wirkungsweise, die auch in der Verhandlungsführung zur Anwendung kommen können.

1 BVerfG, Beschl. v. 14.2.2007 – 1 BvR 1351/01 –, Juris Rdnr. 35

B. Die Auswahl des richtigen Streitschlichtungsinstrumentes

Bei der Entscheidung, welches Streitschlichtungsinstrument das angemessene ist, lässt sich eine Rangfolge abstrakt nicht festlegen. Weit überwiegend, quantitativ mit großem Abstand, wird der Weg vor die staatlichen Gerichte gewählt. Schiedsverfahren spielen eine nur untergeordnete Rolle, sie finden sich häufig im Wirtschaftsverkehr. Dies gilt erst recht für die Mediation. Im Hinblick auf die oben dargestellten möglichen Verfahrensarten mit ihren jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen sollte der Wahl des richtigen Streitschlichtungsinstrumentes gerade auch im Interesse, eine über den Tag hinaus andauernde Konfliktlösung erreichen zu können, mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Diese Frage stellt sich in den unterschiedlichen Stadien eines Verfahrens. Schon bei dem ersten Mandantenkontakt sollte ihr Zeit und Sorgfalt gewidmet werden, insbesondere, ob nicht ggf. auch andere Möglichkeiten der Konfliktbeilegung bestehen, als gleich den Weg vor die staatlichen Gerichte zu wählen. Ebenfalls vor Abschluss von Verträgen kann die Frage eine Rolle spielen, ob im Hinblick auf den jeweils besonderen Charakter des Gegenstandes und Umfeldes des angestrebten Vertrages nicht auch – quasi proaktiv – bestimmte Streitschlichtungsinstrumente wie zum Beispiel Schieds-, Mediationsklauseln präventiv in eine Vertragsgestaltung aufgenommen werden sollten. In der Verwaltung ist die Situation häufig nicht anders. Und auch im gerichtlichen Verfahren stellt sich der streitentscheidenden Richterin bzw. Richter wie auch den Parteien selbst und damit ihren Anwälten dieselbe Frage: Ob nicht anstelle eines streitigen Urteils möglicherweise auch eine Verfahrensbeendigung durch Vergleich oder Überweisung an den Güterichter zur Durchführung eines Mediationsverfahrens in Betracht kommen könnte. Eine solche Entscheidung setzt neben der Analyse der Ursachen des jeweiligen Konfliktes (I.) die Herausarbeitung möglicher zu erreichender Ziele wie auch die Orientierung an bestimmten Kriterien (II.) voraus. In der gerichtlichen Praxis stellt sich für die Beteiligten die Frage, in welchen Fällen in einem Rechtsstreit durch Urteil streitig entschieden, sich eine Lösung durch Vergleich anbietet oder das Verfahren an den Güterichter zur Durchführung einer Mediation abgegeben werden soll (III.). In einem Resümee wird versucht zu skizzieren, was dies für die eigene Praxis, das eigene Selbstverständnis als Rechtsanwender bedeuten kann, sei es als Anwältin bzw. Anwalt, als Mitarbeiterin bzw. Mitarbeiter in der Verwaltung oder als Richterin bzw. Richter (IV).

I. Ursachen von Konflikten

Im Folgenden wird ein kurzer, kursorischer Überblick über mögliche Konfliktursachen gegeben, der für die hier zu behandelnde Frage der Entscheidung über die Wahl des richtigen Streitschlichtungsinstrumentes ausreichend ist. Es handelt sich um eine Checkliste, an der man sich orientieren kann, die aber nicht als abschließend zu verstehen ist.4

Kommunikationsdefizite

Missverständnisse, unterschiedliche Perspektiven und Wahrnehmungshorizonte, verschiedene kulturelle Hintergründe sind nur einige der Stichworte, die in diesem Zusammenhang zu nennen sind.5

Fehlende Wertschätzung und fehlender Respekt

Fehlende Anerkennung, das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden, führt oft zu entsprechenden emotionalen Reaktionen, ohne dass darüber hinaus ein sachlicher Grund für einen Konflikt bestehen muss. In solchen Situationen sucht sich „der Betroffene“ häufig einen Anlass, um seiner Enttäuschung Ausdruck verleihen zu können. Dies kann dann in einen Konflikt münden, der mit dem Ausgangspunkt, hier fehlende Anerkennung, nicht zwangsläufig etwas zu tun haben muss.

Überhöhtes Ego

Gelegentlich kommt es vor, dass einer der Beteiligten, gegebenenfalls beide, über ein überhöhtes eigenes Ego, ein sog. „Konfliktego“, verfügen. In solchen Fällen ist häufig ein Streit vorprogrammiert. Es verbleibt der anderen Seite dann oft keine andere Wahl, als Hilfe von außen zu suchen, ggf. den Weg vor das Gericht zu wählen.

Abbruch der Kommunikation

Der Abbruch der Kommunikation zwischen Beteiligten macht zunächst eine Konfliktlösung unmöglich, lässt Konflikte größer werden, die bei rechtzeitiger Kommunikation hätten vermieden werden können. Ursächlich dafür ist meistens eine Emotionalisierung eines Konflikts zwischen den Beteiligten, die z. B. auf Kommunikationsdefiziten und/oder fehlender Wertschätzung und fehlendem Respekt beruhen kann.

Veränderung der wirtschaftlichen oder persönlichen Verhältnisse

In solchen Fällen kann gerade bei länger andauernden, auch rechtlichen Beziehungen die Situation eintreten, dass einer der Beteiligten seinen rechtlichen bzw. vertraglichen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann. Auch das Hinzutreten eines Dritten kann gegebenenfalls zu derartigen Veränderungen führen.

Ungeduld

Ungeduld kann dazu führen, dass die Partei bzw. der Beteiligte nicht mehr eine anderweitige Lösung abwarten will. Oft ist dies eine Ursache dafür, eine streitige Entscheidung anzustreben.

Zeitnot

In Fällen von Zeitnot bleibt einer Partei häufig keine andere Wahl, als den Weg zum Anwalt bzw.