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Nr. 2657

 

Geheimbefehl Winterstille

 

Die Lage im Solsystem spitzt sich zu – und beide Seiten setzen alle Mittel ein

 

Leo Lukas

 

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Wir schreiben das Jahr 1469 Neuer Galaktischer Zeitrechnung (NGZ) – das entspricht dem Jahr 5056 christlicher Zeitrechnung. Auf bislang ungeklärte Art und Weise verschwand das Solsystem mit seinen Planeten sowie allen Bewohnern aus dem bekannten Universum.

Die Heimat der Menschheit wurde in ein eigenes kleines Universum transferiert, wo die Terraner auf seltsame Nachbarn treffen, die ihnen allem Anschein nach übel wollen. Seither kämpft die solare Menschheit um ihr Überleben.

Von den geheimnisvollen Spenta weiß man am wenigsten: Ihnen liegen Sonnen am Herzen. Ihrer Ansicht nach wird Sol durch den Leichnam der Superintelligenz ARCHETIM verschandelt – deshalb haben sie das Herz des Systems »verhüllt«.

Ganz anders die Fagesy: Sie sehen in den Menschen gemeine Diebe, die den Leichnam einer Superintelligenz gestohlen haben, und fordern Sühne. Ihnen zur Seite stehen die Sayporaner, die nichts Geringeres im Sinn haben als die »Neuformatierung« der Menschheit. Es ist eine heikle Lage entstanden ... Als die Menschen rebellieren, erfolgt der GEHEIMBEFEHL WINTERSTILLE ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Delorian Rhodan – Sein Bund der Sternwürdigen muss sich erneut bewähren.

Anicee Ybarri – Die Sprecherin des Umbrischen Rates ist gezwungen, unliebsame Entscheidungen zu treffen.

Reginald Bull – Der Terranische Resident gewinnt einen Verbündeten und verliert ein Fingerglied.

Qester Brnowatz – Der Sicherheitsoffizier der KRAKAU II hat ein loses Mundwerk und eine legendäre Tante.

Jonas und Gerhard Uklei – Sie lösen unabsichtlich eine schwere Krise aus.

Wir müssen unbedingt Raum für Zweifel lassen, sonst gibt es keinen Fortschritt, kein Dazulernen. Man kann nichts Neues herausfinden, wenn man nicht vorher eine Frage stellt. Und um zu fragen, bedarf es des Zweifelns.

Richard P. Feynman,

1965 Nobelpreisträger für Physik

 

 

Prolog:

Merkst du was?

 

Test: eins, zwei, eins, zwei ... Der Pegel passt. Na gut. Ich fange einfach mal an.

H-hm. Das ist eine Nachricht für dich, Vater. Ein paar Dinge, die ich dir dringend sagen will; aber irgendwie bringe ich es nicht übers Herz, so von Angesicht zu Angesicht.

Nein, keine Sorge, jetzt kommt nicht der Vorwurf, mit dir könne man nicht reden, denn du würdest nie richtig zuhören. Es stimmt schon, dass du Konflikten möglichst aus dem Weg gehst, harmoniesüchtig, wie du nun einmal bist. Aber zu behaupten, du würdest dich grundsätzlich nicht für die Probleme deiner Familienmitglieder interessieren, wäre ungerecht.

Warum wähle ich dann den Umweg über diese Aufzeichnung? Ich glaube, weil ich es nicht ertragen kann, dich leiden zu sehen.

Und leiden wirst du, wenn ich offen damit herausrücke, was mich bewegt. Wenn ich nicht doch wieder zurückstecke, nur um dir nicht wehzutun.

Mir ist völlig klar, dass ich dir auf diese indirekte Weise nicht weniger, sondern eher mehr Schmerzen zufüge. Ich bin ja kein Kind mehr.

Bloß, was soll ich machen? Mir will absolut keine bessere Lösung einfallen.

Erspare ich dir die hässliche Wahrheit, ersticke ich daran. Was, denke ich, auch wieder nicht in deinem Sinn wäre. Schließlich hast du dich bemüht, uns zu aufrichtigen und aufrechten Terranern zu erziehen.

Womit wir beim Thema sind.

Papa, bitte sei mir nicht böse: Ich halte es nicht länger aus, wie du vor den Invasoren buckelst. Im übertragenen Sinn natürlich; du bist zu unwichtig, als dass du bislang in persönlichen Kontakt mit ihnen gekommen wärst.

Aber die Haltung, die du an den Tag legst, die du uns vorlebst und auch von uns einforderst, ist die gebückte Haltung der Passivität. Widerstandslos unterwirfst du dich den Sayporanern und ihren Marionetten, diesem obskuren sogenannten Umbrischen Rat.

 

*

 

Ja, du duckst dich, von Anfang an. Du hast es hingenommen, dass ihre Propheten, die Auguren, eine Vielzahl von terranischen Jugendlichen mit falschen Versprechungen angelockt und entführt haben.

»Was kann unsereins schon dagegen tun, außer besser auf die eigenen Kinder aufzupassen?«, hast du gesagt und: »Zum Glück ist wenigstens niemand von unserer Familie betroffen.«

Dann hast du dich entschuldigt und in deine Werkstatt verkrochen – bevor Alina und ich von Mitstudenten oder Freunden erzählen konnten, die sehr wohl den Auguren auf den Leim gegangen und über ein Transitparkett ins Ungewisse verschwunden sind.

Genauso bist du einer ernsthaften Diskussion ausgewichen, nachdem die Puppengesichtigen und ihre seesternartigen Krieger die Macht über Terra und das Sonnensystem an sich gerissen hatten. Durch die Erpressung, dass sie unter Terrania City ein verheerendes Erdbeben auslösen würden, falls die Regierung der LFT nicht kapituliere!

»Sehr unschön und bitter, aber was willst du machen?«, hast du gesagt. »Wenn nicht einmal die Zellaktivatorträger ein Mittel dagegen finden ...«

Na klar. Entweder die Unsterblichen beseitigen ratzfatz alle Probleme, oder Hopfen und Malz ist verloren.

Wann wirst du endlich aufhören, dich hinter den Aktivatorträgern zu verstecken?

Zumal viele von ihnen, darunter Perry Rhodan, Atlan und Gucky, unerreichbar weit entfernt sind und Reginald Bull, der neue Resident, recht sang- und klanglos in der Zona Mexico umgekommen ist. Homer G. Adams wiederum scheint ebenso im stillen Kämmerchen die Däumchen zu drehen wie du.

Mann, Papa, was ist aus uns Terranern geworden – eine Herde von Angsthasen, die sich ihrem Schicksal ergeben! Von einer Handvoll Dahergelaufener haben wir uns ins Joch zwingen lassen, einen schleichenden Schritt nach dem anderen.

Komm mir bitte nicht mit »Alles halb so wild« und »Es könnte weit schlimmer sein« und »Im Wesentlichen geht das Leben weiter seinen gewohnten Gang«. Eine Diktatur, die auf leisen Sohlen und mit Samthandschuhen errichtet wurde, bleibt trotzdem eine Diktatur.

 

*

 

Außerdem: Was könnte schlimmer sein, als uns die Sonne auszuknipsen?

Ach, dafür sollten wir uns eigentlich dankbar zeigen, oder? Zumindest erdreistet sich diese Anicee Ybarri, das zu behaupten.

Es ist ja nur zu unserem Besten, dass auch noch das Licht der Kunstsonnen gedämpft wurde. Weil es zu grell war für die empfindlich gewordenen Augen der zurückgekehrten Neuformatierten, die sich nun Sayterraner nennen.

Sie gehen davon aus, dass sich mittelfristig sämtliche terranischen Jugendlichen derselben Gehirnwäsche unterziehen. Freiwillig, versteht sich.

Den Übrigen soll kein Leid zugefügt werden. Diejenigen, die sich das Hirn nicht umformatieren lassen oder zu alt dafür sind oder ungeeigneten Fremdvölkern angehören, dürfen wohlbehütet, in Ruhe und Harmonie, ganz gemütlich aussterben.

Ist das nicht ungeheuer großzügig? Sind sie nicht tolle Typen, Anicee und ihre dauergrinsenden Meister?

Ich kann nicht begreifen, dass sie damit durchkommen. Findest du, Papa, es wirklich erstrebenswert, in ewiger Dämmerung dahinzuvegetieren bis ans Ende deiner Tage?

Oh, ich vergaß: Du hast ja deine Werkstatt und die heiß geliebte Schriftensammlung. Wenn du dich darin versenkst, brauchst du sowieso kein Tageslicht.

Aber ich kann leider die Realität nicht so leicht ausblenden wie du und viele andere. Nutzlose Antiquitäten horten oder handgeschnitzte Kugelbahnen bauen oder im Netz über Sport debattieren oder Kochrezepte und Veranstaltungstipps austauschen oder »Kristallimperator XII« spielen, bis die Birne raucht ...

Nichts dagegen, versteh mich nicht falsch, jeder soll sich entspannen, wie es ihm gefällt. »Muße ist ein Menschenrecht«, sagst du gerne. Da stimme ich dir hundertprozentig zu.

Allerdings hast du uns auch beigebracht, dass aus Muße nicht Müßiggang werden sollte. »Man muss stets die Grenze zu Bequemlichkeit und Tagedieberei im Auge behalten«, waren deine Worte.

Soso. Und was ist mit der Grenze zwischen stoischer Gelassenheit und kleinmütiger Tatenlosigkeit?

 

*

 

Lieber Vater, ich werfe dir nicht Feigheit vor. Du bist gewiss weder Feigling noch Egoist. Ich weiß, dass du dich, wenn nötig, für jeden von uns ohne Zögern opfern würdest.

Der Vorwurf, den ich dir nicht ersparen kann, lautet: Du übernimmst zwar für deine Familie Verantwortung, nicht aber für deine Stadt, deinen Planeten, dein Sonnensystem. Dazu fühlst du dich nicht berufen.

»Was soll ein unbedeutender Typograf schon groß ausrichten?« – Gib's zu, diese Entgegnung liegt dir soeben auf der Zunge.

Sie war nicht schwer zu erraten. Du wäschst dich so gut wie immer mit derselben Ausrede rein.

In deiner Generation bist du bei Weitem nicht der Einzige, der keinen Gedanken darauf verschwendet, die Initiative zu ergreifen, selbst aktiv zu werden und sich zu wehren. Vielleicht haben euch die zahlreichen Bedrohungen der Vergangenheit abgestumpft; vielleicht war es die Erfahrung, dass letztlich Perry Rhodan und seine uralten Freunde noch immer die Kastanien aus dem Feuer geholt haben, ob mit oder ohne euer Zutun.

Diesmal jedoch ist die Sachlage eine andere, und nicht nur wegen der Abwesenheit der meisten Aktivatorträger.

Die Invasoren sind mit einer relativ kleinen Flotte gekommen und angeblich in Frieden. Bis zum heutigen Tag streiten sie ab, dass es sich überhaupt um eine Invasion handelt. Sie unterbreiten uns bloß ein freundschaftliches Angebot und helfen mit sanftem Druck nach, dass wir nicht den dummen Fehler begehen, es auszuschlagen.

Ha! Weißt du, woran mich das erinnert?

Du kennst doch sicherlich das Beispiel vom Frosch, der sofort heraushüpft, wenn er in heißes Wasser geworfen wird. Ist das Wasser hingegen lauwarm, und man erhitzt es langsam, bleibt er hocken und kriegt erst mit, was passiert, wenn es zu spät und er schon so gut wie gar gekocht ist.

So ähnlich, fürchte ich, werden uns die Sayporaner übertölpeln.

 

*

 

Sie wenden eine ziemlich raffinierte Salami-Taktik an. Scheibchenweise beschneiden sie unsere Freiheit.

Zuerst haben sie die demokratisch gewählte Regierung entmachtet, indem den Residenz-Ministern »Assistenten« zur Seite gestellt wurden – die in Wahrheit bestimmen, wo's langgeht.

Vor knapp einer Woche hat Anicee Ybarri die Katze ein Stück weiter aus dem Sack gelassen: Als Sprecherin des Umbrischen Rates hat sie die »Republik Formatiertes Terra Umbra« proklamiert.

Merkst du was? FTU statt LFT, was bekanntlich für Liga Freier Terraner steht ... Während Umbra oder Sepiabraun, wie ich herausgefunden habe, eine Erdfarbe bezeichnet, und zwar eine recht stumpfe, düstere, kraftlose.

Übrigens heißt auch eine Gattung der Hundsfische so. Diese kleineren Verwandten der Hechte sind sozusagen brustschwach: Umbras können ihren Sauerstoffbedarf nicht ausreichend durch Kiemenatmung decken und sind deshalb auf mitgeschleppte Luftblasen angewiesen.

Merkst du was?

Weiterhin nennt man Umbra den Kernschatten bei einer Mondfinsternis oder dunkle Gebiete innerhalb von Sonnenflecken. In Latein, einer antiken terranischen Sprache, bedeutet Umbra nämlich »Schatten«.

Ich würde mich sehr täuschen, wenn die Neuformatierten diese Vokabel nicht sehr bewusst ausgewählt hätten. Wir wissen inzwischen, dass sich schon einige Zeit vor der Versetzung des Solsystems in dieses seltsame, spärlich bevölkerte Nirgendwo etliche Sayporaner auf Terra aufgehalten haben.

Die waren keineswegs untätig, sondern äußerst umtriebig. Du kannst davon ausgehen, dass sie gründlich recherchiert und sich ausgiebig auf ihren Coup vorbereitet haben.

Sie sind noch längst nicht fertig. Die bislang letzte Stufe, sinngemäß das frischeste Salamischeibchen, war die Installation des Umbrischen Gongs.

Ich gebe zu, dass auch ich mich seiner Wirkung nicht vollständig verschließen kann. Zwar renne ich den ganzen Tag mit Kopfhörern herum, und sobald der Gong schlägt, drehe ich »Hypertoyktische Verzahnung« auf maximale Lautstärke; dennoch erwischt mich der tiefe, durchdringend vibrierende, unbeschreiblich angenehme Klang jedes Mal wieder. Wenn er verhallt ist, möchte ich weinen vor Sehnsucht.

Merkst du was, Papa? Sie beeinflussen uns, so subtil wie nachhaltig.

Wir sollen eingelullt werden. Ihr Ziel ist, uns in eine Art Winterschlaf zu versetzen.

 

*

 

Und dann? Was folgt als Nächstes?

Wenn du mich fragst: Friedhofsruhe.

Die Sayporaner und ihre Helfer wollen uns einschläfern. Wie Haustiere, die man barmherzig von ihrem Leid erlöst!

Zum Glück haben sie, bei all ihrer Voraussicht und perfiden Planung, nicht mit einem gänzlich anderen Schatten gerechnet: Der Mann namens Toufec repräsentiert einen Faktor, den sie offenbar nicht auf dem Schirm hatten.

Zugegeben, auch Toufec agiert nicht wie ein Musterbeispiel an Transparenz. Aber was er anstellt, hat Hand und Fuß; und nicht zuletzt einen gewissen Witz, der mich bei allem gebotenen Misstrauen doch sehr anspricht.

Zum Beispiel die Sache mit dem Smiley auf dem Schutzschirm der Sternengaleone ...

Keine Sorge, Papa – obwohl ich mitten in der Pubertät bin, neige ich nicht zum Schwärmen. Eher finde ich es traurig, dass es des Anstoßes durch einen reichlich verschroben auftretenden Außenseiter bedarf, damit wir uns auf den angeblich sprichwörtlichen terranischen Widerstandsgeist besinnen.

Nochmals: Sei unbesorgt. Ich werde nicht aus Abscheu vor den Manipulationen der Sayporaner blindlings einem anderen Rattenfänger nachlaufen. Ehe ich mich Toufec anschließe, fühle ich ihm garantiert noch ausgiebig auf den Zahn.

Was ich jedoch sehr wohl vorhabe und wovon du mich nicht abbringen kannst, ist ...

Oh. Pardon, gerade kommt eine Sondermeldung herein. Muss abbrechen. Werde die Aufzeichnung in Kürze fortführen. Aber das hier geht vor.

Auf allen Kanälen spricht der, als dessen Emissär sich Toufec bezeichnet: Rhodan. Delorian Rhodan.

Mann, sieht der Typ verwittert aus! Wie sein eigener, greisenhafter Uropa, längst jenseits von Gut und Böse. Man würde ihm kaum noch zutrauen, dass er fehlerfrei gerade gehen kann, wären da nicht diese Augen ...

Er sagt auch nicht besonders viel. Nur ein paar Sätze, unaufgeregt, mit halblauter Stimme.

Na, das ist ja ein Ding.

Hfff. Beinahe hätte ich das Atmen vergessen. Kann's kaum glauben, dass ich mich nicht verhört habe.

Wenn das stimmt ...

1.

Vom Gong zur Glocke

26. November 1469 NGZ, 12.07 Uhr

 

»Wenn das stimmt«, sagte Fydor Riordan, »sind wir geliefert.«

Die Stille Ve äußerte sich nicht dazu, sondern nahm schweigend neben ihm am Konferenztisch Platz. Der Geheimdienstchef steckte die Hand in die Hosentasche, zog sie aber gleich wieder leer hervor. »Andererseits ... behaupten kann man viel.«

Abermals erntete er keinerlei Reaktion.

Die übrigen Teilnehmer der hastig angesetzten Besprechung trafen ein. Nach einer knappen Begrüßung ließ Marrghiz eine Aufzeichnung jener kurzen Ansprache projizieren, derentwegen er die Krisensitzung einberufen hatte.

Sie war um Punkt zwölf Uhr Mittag von SIN-TC ausgestrahlt worden. Nur Sekunden später gab es im gesamten Solsystem keinen einzigen Nachrichtensender, der sie nicht übernommen hätte.

Vor neutralem Hintergrund sah man den alten Mann mit den jungen Augen, der vorgab, Perry Rhodans Sohn zu sein. »Ich habe euch um ein Gran Geduld gebeten«, sagte er. »Ich hätte Verständnis dafür, wenn dieses Gran nun aufgebraucht wäre. Auch meine Geduld ist zu Ende.«

Durch eine Handbewegung stoppte Marrghiz die Wiedergabe. »Sind wir uns einig, dass es sich bei diesen Sätzen um einen kaum verhohlenen Aufruf zur Rebellion handelt?«

»Unzweifelhaft«, antwortete Anicee Ybarri. »Dahinter verbirgt sich jedoch mehr. Delorian macht das psychologisch sehr geschickt. Er unterstellt, dass potenzielle Widerständler auf seine Bitte hin bislang stillgehalten hätten. Dadurch, und indem er nunmehr das Startzeichen gibt, meldet er seinen Anspruch auf die Führungsrolle an, ohne dass man ihm unterstellen kann, sich aufzudrängen.«

»Gut beobachtet«, lobte der Sayporaner. »Widmen wir uns diesem interessanten Punkt später. Momentan hat Vorrang, wie wir mit seiner Botschaft umgehen. – Weiter!«

Der holografische Greis, der einen langen, schmucklosen weißen Mantel trug, setzte fort: »Ich kann euch jetzt verkünden, dass ein Teil meiner Einsatzgruppe, das Feynman-Kommando nämlich, die Nanomaschinen vernichtet hat, die an unterschiedlichen Orten schwerste Erdbeben auslösen konnten. Diese Gefahr ist gebannt. Die Erpressung hat ein Ende.«

Das Holo erlosch. Aller Blicke richteten sich auf Marrghiz' perlmuttfarben schillerndes, fast ein wenig verlegen lächelndes Gesicht.

»Er sagt die Wahrheit. Wir haben den unsichtbaren Krieg verloren und unser wichtigstes Druckmittel eingebüßt.«

 

*

 

Fydor Riordan unterdrückte einen Fluch. »Unsere Position wird erheblich geschwächt – aber nur, wenn große Teile der Bevölkerung diesem Delorian Glauben schenken. Was keineswegs von vornherein feststeht.«

»Du meinst ...« Anicee runzelte die Stirn.

»Die öffentliche Meinung lässt sich beeinflussen. Warum bezichtigen wir Delorian nicht einfach der Lüge? Wir könnten sogar seine Identität in Zweifel ziehen. Stellen wir ihn als Hochstapler hin, der sich widerrechtlich eine Verwandtschaft mit Rhodan anmaßt, wäre er schnell unten durch. Für manche Aktivatorträger-Fans grenzt derlei schon an Blasphemie.«

»In der Tat verfügt kaum jemand auf Terra über die technischen Mittel, Delorians Aussage nachzuprüfen. Die wenigen Experten sollten sich, falls nötig, ebenfalls diskreditieren lassen.« Marrghiz sah Fydor an. »Eine Front, an der uns Phaemonoe Eghoo wertvolle Dienste hätte leisten können.«

Fydor zuckte die Achseln. »Sie war längst zu Toufec übergelaufen. Ich musste ein Exempel statuieren. Außerdem, jeder ist ersetzbar.«

»Vergiss nicht«, sagte Marrghiz betont sanft, »dass dies auch auf dich zutrifft.«

»Mein Gedächtnis funktioniert hervorragend. Danke der Nachfrage.«

»Gut. – Zuallererst müssen wir danach trachten, Zeit zu gewinnen. Ratssprecherin Anicee, ich finde, du solltest zur Besonnenheit aufrufen und für einen Termin in naher Zukunft, sagen wir um vierzehn Uhr, eine ausführliche offizielle Erklärung ankündigen.«

»Nicht ohne vorherige Beschlussfassung des Umbrischen Rates.«

»Bis dahin habt ihr noch fast zwei Stunden. Das dürfte wohl zu schaffen sein.«

»Unsere Abstimmungen sind keineswegs Formsache«, versetzte Anicee scharf. »Ohne etwas präjudizieren zu wollen, halte ich Fydors Vorschlag für bedenkenswert, jedoch erscheinen mir die Folgen zu ungewiss. Abgesehen davon, dass es mir widerstrebt, die künftigen Sayterraner zu belügen: Falls Delorian, Toufec und ihre Kumpane den Wahrheitsbeweis antreten – was ich ihnen zutraue ...«

»Dann geht der Schuss nach hinten los«, gab Fydor zu. »Nicht sie wären als Schwindler bloßgestellt, sondern wir. War ja nur eine Idee, die ich in die Diskussion eingebracht habe.«

»Diskutieren, ha! Schwafeln, nichts als Schwafeln«, erklang es aus Chossoms Ruhemulde. Das auffälligste Möbelstück im Raum durchmaß gut acht Meter und erinnerte an einen exotischen, flachen, fünfzackigen Blütenkelch, aus dem ein mit Stacheln besetzter Tentakelarm anklagend aufragte. »Ihr werdet noch so lange reden, bis der Feind an dieses Schott klopft!«