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Eigel Wiese

Sklavenschiffe

Eigel Wiese

Sklavenschiffe

Das schwärzeste Kapitel der christlichen Seefahrt

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HistorImage: Seiten 9, 10, 11, 17, 24, 25, 33, 25, 49, 51, 55 (2 Abb.), 56, 58, 59, 76, (2 Abb.), 77, 82, 87, 94, 122, 131, 140, 141, 149

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Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

eISBN 978-3-7822-1113-8
ISBN 3-7822-0741-6

Inhalt

Weiße Seeleute als Sklaven und die »Casse der Stücke von Achten«

Las Casas – ein Freund der Indianer vergrößerte das Leid der Afrikaner

Brandenburger, Schleswiger und andere Deutsche in der Sklavenfahrt

Der Menschenhandel war bürokratisch geregelt

Eisenplatten, Schnecken und Kattun –
Währung für den Kauf von Menschen

Auf Gorée begann für viele afrikanische Sklaven
der Leidensweg nach Amerika

Die berüchtigte Mittelpassage

Ein Preuße als Sklavenkapitän und ein afrikanischer Sklave erinnern sich

Sklavenaufstände auf Schiffsplanken

Piratenschiffe – Tod, Verderben und große Chance für die Sklaven

Zitadelle La Ferrière – Ausdruck der Angst vor neuer Versklavung

Die Abschaffung der Sklaverei vergrößerte zunächst die Leiden

Sklavenhandel der Araber im Osten Afrikas

Quellennachweis

Weiße Seeleute als Sklaven und die
»Casse der Stücke von Achten«

Was es bedeutet, gejagt, gefangen und in die Sklaverei verschleppt zu werden, war europäischen Seeleuten aus eigener leidvoller Erfahrung durchaus bekannt, als sie selbst zu ihren profitablen Sklavenjagden an die afrikanischen Küsten ausliefen. In den Kirchen von Hafenstädten standen geschnitzte Figuren in demütiger Haltung und mit Ketten gefesselt. Sie erinnerten Gottesdienstbesucher jeden Sonntag erneut daran, wie schnell ein Seemann des eigenen Landes auf seinem Schiff im Mittelmeer oder schon vor der spanischen Küste von den Barbaresken des Mittelmeers überfallen, verschleppt und günstigstenfalls gegen hohes Lösegeld wieder freigelassen wurde. Die ausgehöhlten bittenden Figuren sammelten, damit dieses Lösegeld aufgebracht werden konnte. Denn weder die Familie eines einfachen Seemannes noch diejenige eines Schiffsoffiziers oder Kapitäns war in der Lage, die geforderten Summen aufzubringen. Sogar einzelne Hafenstädte, die nicht zu mächtigen Staaten gehörten, waren überfordert, die Sicherheit ihrer zur See fahrenden Bürger zu garantieren oder für ihre Lösegeldforderungen einzustehen.

Große und mächtige christliche Staaten konnten ihren Schiffen mit Schutzgeldern oder bewaffneten Konvoischiffen Sicherheit geben, was die Jagd auf diejenigen Schiffe verstärkte, die keine Zahlungen zu leisten imstande waren, worüber sich der Hamburger Heinrich Ludwig Gude um 1710 erboste: »Zu beklagen ist es, daß so viele Christliche Mächte durch einen förmlichen Tribut bey den Türcken ihre Schiffe frey gemacht, die guten Hamburger entweder in fremde Schiffe laden, und also ihre eigenen außer Fahrt bringen, oder, da sie die Kosten einer Convoy nicht tragen können oder wollen, Zeithero so manches schöne Schiff und so manche Christen-Seele den Barbaren fast wissentlich hat müssen in die Klauen gejaget werden.«

So entwickelte sich in Hamburg schon im 17. Jahrhundert ein gut organisiertes Versicherungswesen, das die Zahlung von Lösegeldern für versklavte Seeleute sicherstellte. Denn eines war sicher – ein Mann, für den kein Geld gezahlt wurde, blieb bei den Barbaresken und sein Leben lang Sklave. Welches harte Schicksal ihn dort erwartete, wußte man aus Beschreibungen jener wenigen, die irgendwann doch noch glücklich heimgekehrt waren. Als die ersten Lösegeldforderungen in den Hansestädten eintrafen, wurde vierteljährlich für die Opfer der »Türckischen Sklaverey« in den Kirchen gesammelt, oder es gingen Sammler von Haus zu Haus. Später reichte man in den Kirchen für die Kollekte Becken herum und sammelte das sogenannte »Beckengeld« ein.

Versicherungsgesellschaften erhoben wegen der Gefahren ab 1622 für Fahrten im Mittelmeerraum eine besondere Risikoprämie.

Um die Seeleute von den schwankenden Ergebnissen der Sammlungen unabhängig zu machen, schuf die Hamburgische Admiralität 1641 eine »Sklavenkasse«, eine genau festgelegte Versicherung, die den Freikauf ermöglichen sollte. In diese Sklavenkasse kaufte sich jeder Seemann mit einmal zwölf Talern ein. Danach wurde einer Verordnung vom 21. September 1653 zufolge jeweils ein Schilling jeder Mark der Heuer gleich einbehalten und an die Kasse abgeführt. Dafür war einem einfachen Seemann ein Lösegeld von maximal 500 Talern sicher. Reichte die Summe nicht, wurde sie aus den weiterhin bestehenden Sammlungen aufgestockt.

Kapitäne und Steuerleute konnten Mitglieder in der wesentlich teureren »Casse der Stücke von Achten« werden. Sie zahlten vor Antritt jeder Reise eine bestimmte Summe in diese Kasse, und zwar in Pesos zu acht Realen (spanisch: »peso do octe«), einer in Kastilien gebräuchlichen Silbermünze, denn die Freikäufe wurden über Spanien abgewickelt. Somit konnte es mehrere Monate dauern, bis ein versklavter Seemann seine Heimat wiedersah.

Die Piraten des Mittelmeerraumes hatten regelrechte Tarife für die Lösegeldforderungen festgelegt. So verlangten sie für einen Schiffer 1000 Reichstaler, einen Steuer- oder Zimmermann 700 Reichstaler und für einen Matrosen 60 Reichstaler. Nach anderen Quellen lagen die Summen für einen Schiffer bei 7000 Mark Lübisch, für einen Steuermann bei 3000 und für einen Matrosen bei 2400 Mark Lübisch.

Noch 1759 wurde in einem Fall für einen Schiffer die Summe von 3123 Mark banco verlangt.

Zwischen 1719 und 1747 haben Piraten aus Algier allein 50 Schiffe aus Hamburg aufgebracht und dabei 633 Mann in ihre Gewalt gebracht. Für sie zahlte Hamburg ein Lösegeld von 1,8 Millionen Mark banco, der damals in Hamburg üblichen Währung. Einer von ihnen war der Hamburger Steuermann Claus Petersen. Für ihn hatten die Piraten ein Lösegeld von 1438 algerischen Piastern gefordert, das sind umgerechnet 3123 Mark banco. 1200 Piaster kassierte der Dey von Algier, 120 Piaster betrug der Zoll für das Geld, allein das Abnehmen der Ketten kostete 17 Piaster, der Oberschreiber des Dey erhielt acht Piaster und der Türschließer sieben. Viele Menschen haben in Algier an der Gefangennahme und Auslösung christlicher Seeleute verdient.

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Solche Figuren mit schweren Ketten und flehenden Gebärden standen in Hamburger Kirchen und erinnerten an das Schicksal von Seeleuten, die bei Fahrten im Mittelmeer in die Sklaverei geraten waren. Es gab Figuren mit einer Höhe von etwa 25 Zentimetern, die neben Spendendosen standen, andere wiederum waren rund 60 Zentimeter hoch, ausgehöhlt und sammelten Spenden an Kirchentüren.

Die Mitglieder der »Casse der Stücke von Achten« erhielten bei Vertragsabschluß eine Police, deren Wortlaut die Admiralität vorgeschrieben hatte: »Wir nehmen über uns Gefahr und Risiko dieser Person, wenn dieselbe von Türckischen See-Räubern, Mohrischen, Barbarischen, oder anderen Corsaren gefangen genommen und in deren Haven zur Sklaverey aufgebracht werden sollte. Im Fall solchen Unglücks, das Gott verhüte, geloben wir, die vereinbarte Summe innerhalb zween Monaten prompt an hiesige Sklaven-Kasse gegen Vorweisung der Police zu zahlen.«

Im Gegensatz zur obligatorischen Sklavenkasse der Mannschaften scheint die Mitgliedschaft in der »Casse der Stücke von Achten« freiwillig gewesen zu sein, denn im Jahre 1712 beschloß die Admiralität, es dürfe nur Lösegeld an jene Seeleute ausgezahlt werden, die auch Mitglieder der Kasse seien.

In etlichen Paragraphen war geregelt, wie das Geld auszugeben sei. Wer als erster gefangengenommen wurde, sollte auch als erster freigekauft werden. Tapferes Verhalten beim Verteidigen des Schiffes wurde mit einem Bonus belohnt, während als letzte jene freigekauft wurden, die »beweislich sich nicht haben wehren, noch dem Schiffe würcklich beystehen und fechten wollen«.

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Algier war der Ausgangspunkt von Piratenfahrten im Mittelmeer. Das Unwesen endete erst 1830 mit der Eroberung der Stadt durch die Franzosen.

Als Rechnungsführer der Casse fungierte ab 1698 ein festangestellter Bürger der Stadt – er trug die Bezeichnung Sklavenvater. Der letzte dieser Sklavenväter war selbst aus Algier freigekauft worden. Er hieß Claus Gercken und starb im Jahre 1801.

Mitglieder der Casse durften nur Hamburger Seeleute werden, was zu Verstimmungen mit anderen Hafenstädten führte. So beschwerte sich die Stadt Lübeck, Hamburger Kapitäne würden zwar gern Lübecker Seeleute anheuern, sich aber kaum um sie kümmern, wenn sie auf einem Hamburger Schiff in die Sklaverei der Barbaresken gerieten. Auch aus Schweden und Dänemark kamen ähnliche Klagen. Die Hamburger antworteten, die Stadt sei »mit Ausgaben zur Rantzionierung der Sclaven so sehr überhäuffet, daß sie kaum im Stande ist, zur Befreyung der hiesigen in der Barbarey geführten Stadtkinder etwas beyzutragen«. Erst als die Länder drohten, ihren Untertanen den Dienst auf Hamburger Schiffen zu verbieten, lenkte der Hamburger Senat ein und beschloß, auch für ausländische Seeleute auf Hamburger Schiffen solle die Casse künftig einen Zuschuß zu den Lösegeldern zahlen.

Einem gefangenen Seemann, der keine Unterstützung aus den Kassen erhielt, blieb nur noch die letzte Chance, er konnte in der Heimat zur »baldigen Beybringung seines etwan hochangeschlagenen Lösegeldes ein autorisirtes Collecten-Buch« herumgehen lassen, in der Hoffnung, mitleidige Bürger würden für seine Freilassung spenden.

Die beiden Hansestädte Hamburg und Lübeck hatten vertraglich vereinbart, sich in Fragen des Loskaufs von Bürgern ihrer Stadt aus der Sklaverei gegenseitig zu unterstützen.

Die fein ausgearbeiteten versicherungsrechtlichen Bestimmungen der Sklavenkassen zeigen, wie oft europäische Seeleute in die Sklaverei gerieten und wie routiniert man den Freikauf abwickelte.

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Die arabischen Schiffe mit ihren spitzen Lateinersegeln waren schnell, wendig und damit ideale Piratenschiffe.

Die Raubzüge gegen christliche Schiffe dauerten noch bis ins 19. Jahrhundert. So wurde im Jahre 1813 die sizilianische Brigantine EROE unweit der italienischen Küste Opfer arabischer Piraten. Mit an Bord war Filippo Pananti, Doktor der Jurisprudenz, der nur durch Vermittlung des englischen Konsuls wieder freikam. In seinen 1817 erschienenen Erinnerungen unter dem Titel »Avventure e osservazioni sopra le coste di Barberia« beschreibt er die Augenblicke der Verunsicherung nach der Gefangennahme. Es sind Gefühle, die auch diejenigen Afrikaner empfunden haben, die zur selben Zeit Monat für Monat zu Tausenden in die Sklaverei verschleppt wurden. Auch einige von ihnen haben nach der Freilassung ihre Lebenserinnerungen verfaßt, und sie gleichen den Eindrücken von Pananti: »Kaum war der Tag angebrochen, so gingen wir aus unserer abscheulichen Gruft. Wir irrten auf dem Schiffe herum, unbekannt mit dem eigentlichen Zustand unseres Geschickes, wir suchten es aus den Blicken und Worten der Barbaren zu erraten, allein, wir konnten nichts Bestimmtes daraus schließen und blieben in Ungewißtheit, dem ärgsten aller Übel. Der Augenblick, in dem das Unglück uns trifft, ist nicht der schmerzhafteste; die darauf folgenden sind weit bitterer, so fühlt man den Schmerz einer Wunde erst, wenn die Hitze des Gefechtes vorüber und das hervorquellende Blut gestillt ist. Die Seele kann mutig und standhaft im ersten Kampfe widerstehn; hat sie aber unterliegen müssen, so verliert sie ihre Kraft.«

Dabei hatte Filippo Pananti noch Hoffnung – es gab immer eine Chance, aus der Sklaverei jener Menschen erlöst zu werden, die man im Abendland Barbaren nannte, eine Chance, die afrikanische Sklaven zur selben Zeit niemals hatten, wenn sie von christlichen Seeleuten an Bord gebracht und nach Amerika verschifft wurden.

Noch im Jahre 1825 wurde der Hamburger Segler LOUISE unter Kapitän Jürgen Franz Heesch unweit von Lissabon Opfer eines Kaperschiffes, das ihn nach Tripolis brachte. Durch Vermittlung des englischen Konsuls wurde wenigstens die Mannschaft freigelassen, das Schiff blieb als Prise in Händen der Piraten.

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Die großen Lateinersegel sind bei ruhiger See von großem Vorteil gegenüber den schwieriger zu handhabenden Rahsegeln.

Das Treiben der Piraten im Mittelmeer war für europäische Großmächte im beginnenden Kolonialismus ein Vorwand, ihre Einflußbereiche auf fremde Kontinente zu erweitern. So eroberten die Franzosen 1830 Algier und bereiteten der Piraterie ein Ende. Die Hamburger »Casse der Stücke von Achten« konnte ihre Tätigkeit einstellen.

Um die eigenen Seeleute vor Gefangennahme und Versklavung im Mittelmeerraum zu schützen, beschloß der Kongreß der noch jungen Vereinigten Staaten von Amerika 1794 sechs Fregatten bauen zu lassen. Als erste von ihnen war die CONSTELLATION am 26. Juni 1798 einsatzbereit. Nach einigen anderen Einsätzen stieß sie 1802 zum amerikanischen Mittelmeer-Geschwader und nahm an Kriegsfahrten gegen die Barbaresken teil. Heute liegt die CONSTELLATION als ältestes Schiff, das ununterbrochen schwimmt, an Pier 4 im Hafen von Baltimore. Sie legt auch Zeugnis davon ab, wie gespalten das Verhältnis zur Versklavung eigener Landsleute und Menschen eigener Hautfarbe auf der einen und der Versklavung fremder Völker auf der anderen Seite war.

Der Philosoph Theodor W. Adorno entdeckte ein in der menschlichen Geschichte immer wiederkehrendes Verhaltensmuster: »Die Entrüstung über begangene Grausamkeiten wird um so geringer, je unähnlicher die Betroffenen (…) sind. (…) Die stets wieder begegnende Aussage, Wilde, Schwarze, Japaner glichen Tieren, etwa Affen, enthält bereits den Schlüssel zum Progrom.«

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Die CONSTELLATION war eine von sechs Fregatten, die in den USA gebaut wurden, um amerikanische Schiffe gegen Piratenangriffe im Mittelmeer zu schützen. Sie liegt heute im Hafen von Baltimore.

Hintergrund

Venezianische Händler verkauften auch Christen in die Barbarei

Es waren aber nicht nur Schwarze, die als Sklaven verkauft wurden. Die Venezianer fanden den Verkauf christlicher Sklaven nach Ägypten und in arabische Länder so gewinnbringend, daß sie sich weder von dem Exkommunikationsedikt von Papst Clemens V. noch durch die Ermächtigung anderer Völker, ihrerseits die Venezianer zu versklaven, von diesem Handel abhalten ließen.

Las Casas – ein Freund der Indianer
vergrößerte das Leid der Afrikaner

Sklaverei, das Behandeln von Menschen als Sache, als Ware und Eigentum, ist so alt wie hierarchische menschliche Gesellschaften. Der Transport von Sklaven als Schiffsfracht ist demnach wahrscheinlich ebenso alt wie die Schiffahrt selbst. Ägypter transportierten Sklaven aus Schwarzafrika auf dem Nil in ihr Land, Phönizier und Römer kauften Sklaven in Afrika und brachten sie über das Mittelmeer.

Arabische Sklavenhändler überfielen jahrhundertelang schwarzafrikanische Dörfer und verschleppten die Bewohner durch Savannen an die ostafrikanische Küste, von wo aus sie mit Dhauen in arabische Länder gebracht wurden. Andere mußten quer durch die Sahara bis in nordafrikanische Länder ziehen.

Als die Portugiesen während ihrer Entdeckungsfahrten immer weiter südlich an den afrikanischen Küsten vordrangen, hatten sie bei ihrer Rückkehr auch einige Menschen dieser Regionen an Bord. Dom Henriques, bekannter als Heinrich der Seefahrer, hatte seine Kapitäne angewiesen, von ihren Entdeckungsfahrten jeden wertvollen Gegenstand mit in die Heimat zu bringen. Zwei seiner Kapitäne legten diese Anweisung auf ihre Art aus und brachten aus der Umgebung des Rio de Oro, also aus einer Region südlich der Kanarischen Inseln an der westafrikanischen Festlandsküste, 1441 zwölf Männer, Frauen und Kinder nach Lissabon.

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Noch heute ziehen Karawanen durch die Sahara, und noch heute säumen Skelette von Kamelen ihren Weg. Zu früherer Zeit konnte man den Routen auch anhand der menschlichen Skelette von liegengebliebenen Sklaven folgen. Die Portugiesen brachen auf dem Seeweg die Vormacht arabischer Sklavenhändler, die durch die Sahara zogen.

Prinz Heinrich war begeistert, er schickte eine Sonderbotschaft an den Papst, in der er weitere Eroberungen in der Region ankündigte. Das kirchliche Oberhaupt reagierte mit Zustimmung, bedeutete das Vordringen der Europäer an dieser Küste doch Einfluß in einem Bereich zu nehmen, den bislang islamische Händler völlig in ihrer Hand hatten. Deshalb versprach der Papst allen, »die in diesen Heiligen Krieg ziehen, Vergebung aller Sünden«.

Die nächsten Afrikafahrten brachten weitere schwarze Sklaven nach Lissabon. Die konnten offensichtlich mit so gutem Erfolg verkauft werden, daß Heinrich schon 1444 gemeinsam mit reichen Kaufleuten die Companhia de Lagos als Monopolgesellschaft für den Sklavenhandel gründete. Lagos, nahe dem südwestlichsten Zipfel Portugals, war jene Stadt, in deren Nähe Dom Henrique in der besonders geschaffenen Schule von Sagres alle namhaften Wissenschaftler, unter ihnen Navigatoren, Kartographen und Astronomen, zum ersten Braintrust in der Geschichte der Menschheit zusammengezogen hatte, damit sie die wissenschaftlichen Grundlagen für die Erforschung des Seeweges nach Indien schaffen sollten. Zu diesen Wissenschaftlern gehörte auch der deutsche Kartograph Martin Behaim aus Nürnberg.

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An der Seefahrtschule von Sagres in Portugal wurden die wissenschaftlichen Grundlagen für Entdeckungsfahrten geschaffen.

Wissenschaftlich gerüstet und mit dem allerhöchsten Segen des Papstes also drangen die Portugiesen bis zum Senegal und dem weiten Mündungstrichter des Gambiaflusses vor. Noch im Gründungsjahr der Gesellschaft, die Lagos zu einem Sklavenhandelsplatz ausbaute, notierte der portugiesische Chronist Azuara nach einem erfolgreichen Beutezug: »Endlich gefiel es Gott, dem Belohner guter Taten, ihnen für die mannigfachen in seinen Diensten erlittenen Drangsale, einen siegreichen Tag, Ruhm für ihre Mühen und Ersatz für ihre Kosten zu gewähren, denn an Männern, Frauen und Kindern wurden zusammen 165 Stück gefangen, neben denen, die umkamen oder getötet wurden.«

Schon 1448 tauschten die portugiesischen Seefahrer von afrikanischen Herrschern gegen Pferde, Seide und Silber mehr als 1000 Sklaven ein. 1461 errichteten sie in Arguim an der Goldküste ein erstes eigenes Fort als Handelsstation, unter anderem für Sklaven. Damit war die Vormacht der arabischen Sklavenhändler, die ihre lebende Ware durch die Sahara nach Norden brachten, auf dem Seewege gebrochen. Der portugiesische Königshof verdiente gut am Menschenhandel, er erhielt zehn Prozent Zoll.

Um den Absatz der importierten Afrikaner brauchten die Seeleute sich keine Sorgen zu machen. Es war in Lissabon Mode geworden, Sklaven zu halten, außerdem konnten sie mit gutem Gewinn nach Spanien weiterverkauft werden.

Eine wichtige Station im Sklavenhandel wurden die Kapverdischen Inseln vor der Westspitze Afrikas. Die kleine Ansiedlung Ribeiro Grande entwickelte sich zur Stadt, die von den Schiffen eingesammelten Sklaven wurden in den Ort gebracht, bevor die Portugiesen mit ihnen als Ladung die Heimfahrt antraten. Schon auf den Kapverden saßen die Sklaven nicht nutzlos hinter Gittern, sondern mußten auf den Feldern und in Haushalten ihrer Herren arbeiten. Mit den afrikanischen Frauen vertrieben sich die einsamen portugiesischen Siedler ihre Nächte. Heute sind 90 Prozent der Inselbevölkerung Mulatten.

Sklaven waren immer gefragt, wenn in maschinenlosen Zeiten schwere Arbeiten zu verrichten waren. Je stärker der Handel sich im Mittelmeerraum entwickelte, desto mehr Sklaven wurden von den christlichen Handelsstaaten Genua, Venedig und Livorno als Ruderer benötigt. Malta war zu jener Zeit größter Umschlagplatz im Handel mit islamischen Kriegsgefangenen, die auf Galeeren angekettet und angetrieben von Peitschenhieben vollbeladene Handelsschiffe bewegten.

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An der weiten Mündung des Gambiaflusses, auf dem früher Sklaven an die Küste verschifft wurden, fährt heute eine Autofähre von einem Ufer zum anderen.

Auch im Norden Europas war der Anblick schwarzer Sklaven in herrschaftlichen Haushalten nicht außergewöhnlich. Als Kolumbus 1492 die Westindischen Inseln erreichte, importierte Europa rund 1000 afrikanische Sklaven pro Jahr. Das Bestehen der Sklaverei war zu dieser Zeit eine akzeptierte Tatsache und wurde auch nicht mit Heimlichkeit praktiziert. Noch bis ins 18. Jahrhundert hinein gab es auch in europäischen Städten einen florierenden Sklavenhandel. Ein zeitgenössisches Magazin schätzte, daß im Jahre 1764 in der Stadt London 20 000 afrikanische Sklaven ihre Dienste in Haushalten verrichteten. Das belegt eine Zeitungsanzeige, die etwa zur selben Zeit im »Public Ledger« aufgegeben wurde: »Gesundes Negermädchen, ungefähr 15 Jahre alt, spricht gut Englisch, kann geschickt nähen, wäscht gut, macht alle Hausarbeit und hat die Pocken gehabt, zu verkaufen.«

In einer Ausgabe des »London Advertiser« aus dem Jahre 1766 heißt es: »Zu verkaufen, ein Negerknabe, ungefähr 14 Jahre alt, garantiert frei von Krankheiten und hat jene, die dieser Rasse eigen sind, schon gehabt. Wurde zwei Jahre für alle Art Hausarbeiten gebraucht und, um bei Tische aufzuwarten. Der Preis ist 25 Pfund, und er würde nicht verkauft werden, wenn eine Geschäftsreise es nicht erforderlich machte. Zu erfragen an der Bar des George Kaffeehauses in Chancery Lane.«

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An den eroberten Küsten errichteten die Portugiesen solche steinernen Säulen zum Zeichen ihres Besitzanspruches.

Zynisch ist der Text einer Anzeige aus derselben Zeit: »Empfehle mich für die Anfertigung feinster Silberschlösser und Silberhalsbänder für Schwarze und Hunde …«

Mit der Entdeckung Amerikas erlangte die Sklaverei eine neue Qualität. Doch voran ging die Aufteilung der Welt in eine spanische und eine portugiesische Hemisphäre. Der Papst hatte einen Trennstrich mitten durch den Atlantik gezogen. Die neuentdeckten Länder östlich davon sollte Portugal erhalten und die dortigen Einwohner zu Christen bekehren, die Spanier sollten dasselbe westlich davon tun.

Portugal lehnte diese Entscheidung ab, denn sie verwehrte ihnen den Weg nach Brasilien. So verschob der Papst 1494 im Vertrag von Tordesillas die Demarkationslinie an die Mündung des Amazonas, wodurch die territorialen Rechte der Portugiesen auch in Südamerika gewahrt blieben. Schon zwei Jahre später setzte der Lissabonner Markt jährlich zehn- bis zwölftausend afrikanische Sklaven um, die nach Brasilien verschifft wurden.

Auf ihren Besitzungen bevorzugten die frühen spanischen Siedler zunächst indianische Zwangsarbeiter, doch die waren den harten Anforderungen bei der Goldsuche und in der Landwirtschaft nicht gewachsen. Sie starben an Überarbeitung und ihnen bislang unbekannten, aus Europa eingeschleppten Seuchen. Die Bevölkerungszahl der Indianer in den spanischen Besitzungen ging drastisch zurück.

Da machte der spanische Geistliche Fray Bartolomé de Las Casas, ein Mann, der die Indianer schätzte, seinem Kardinal Ximenes den Vorschlag, das Elend der Indianer zu beenden und sie als Zwangsarbeiter gegen die kräftigeren und widerstandsfähigeren Afrikaner zu ersetzen. In einem 99 Seiten umfassenden Pamphlet legte er seine Thesen dar.

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Afrikanische Sklaven waren in europäischen Städten als Hausdiener beliebt.

Las Casas konnte die Leiden der Indianer beurteilen, ihm selbst war im Jahre 1514 ein Stück Land in der spanischen Kolonie Kuba übereignet worden, zu dem auch rund 100 Kariben als Leibeigene gehörten.

Kardinal Ximenes lehnte den Vorschlag des Priesters ab und warnte, die kräftigen, ausdauernden und überaus fruchtbaren Menschen des afrikanischen Kontinentes würden rasch Oberhand gewinnen, sich empören und die Spanier unterjochen. Er verwies auf die Erfahrungen während einer Sklavenrevolte zu Weihnachten 1522. Aber als Las Casas 1537 nach Spanien zurückkehrte, unterbreitete er seine Idee König Karl V. Der junge, tiefreligiöse Herrscher, der sehr um das wirtschaftliche Wachstum seiner neuen Kolonien besorgt war, stimmte zu, für jeden Kolonisten zwölf afrikanische Sklaven zu importieren.

Die erste Lizenz zum organisierten Transport erhielt noch im selben Jahr Lorenzo de Gomenot, ein privilegierter Höfling, dem es gestattet wurde, jährlich 4000 afrikanische Sklaven nach Hispaniola, Kuba, Jamaika und Puerto Rico zu verschiffen. Doch er erkannte offensichtlich nicht, welche enormen Gewinne in dem Geschäft steckten und verkaufte das Recht für 25 000 Dukaten an ein Genueser Syndikat. Über die Genuesen soll auch das Handelshaus der Welser in Augsburg vom Sklavenhandel profitiert haben. Bald überflügelte der genuesische Transport von Sklaven in spanische Kolonien denjenigen der Portugiesen.

Ihre Verträge mit Sklavenhändlern, die das Vorrecht hatten, die Überseebesitzungen mit Arbeitskräften zu beliefern, nannten die Spanier Asiento, sie vergaben gewissermaßen ein Platzrecht für den Sklavenhandel. Nach diesem Begriff wurde der gesamte Handel jener Zeit als Asientohandel bezeichnet.

Die spanische Krone konnte nicht nur sicher sein, daß ihre Kolonien zuverlässig mit dem ständig neu benötigten Nachschub an Arbeitskräften versorgt wurden, sie verdiente zudem gut am Sklavenhandel. So bezahlte der portugiesische Gouverneur von Angola, Jean Rodriguez Cotinho, im Jahre 1604 für das Recht, jährlich aus seiner Kolonie 4250 Sklaven nach Westindien zu liefern, 162 000 Dukaten an den König.

Die Asientos regelten die Verpflichtungen und Zahlungen der Sklavenlieferanten bis ins Detail. So vereinbarte der spanische König am 27. August 1701, daß die französische Kgl. Guinea-Kompagnie für zehn Jahre 4800 Afrikaner jährlich nach Westindien zu verschiffen habe. Für jeden Sklaven hatte die Kompagnie 33 Taler zu zahlen, den Taler zu drei Livres gerechnet, davon 600000 Livres Vorauszahlung an die spanische Krone. Als Gegenrecht konnte die Kompagnie jährlich 800 Afrikaner auf eigene Rechnung verkaufen.

Die Schiffe mußten französische oder spanische sein, die Besatzungen durften jeder Nation angehören, mußten aber katholisch sein. Die Einfuhr durfte über alle Häfen laufen, in denen spanische Beamte residierten.

Auf den Iles du Vent, auf Saint-Martha, in Cumana und auf Maracaibo durften die Sklaven nicht für mehr als 300 Piaster verkauft werden, an allen anderen Orten so teuer, wie die Kompagnie es erhandeln konnte.

Als Gegenleistung sicherte die spanische Majestät den Händlern bei ihren Unternehmungen Schutz und Unterstützung aller spanischen Beamten zu.

Die Aufteilung der neu entdeckten Welten unter Spaniern und Portugiesen blieb nicht für die Ewigkeit. Während des achtzigjährigen Krieges (1568–1648) zwischen Spanien und den Niederlanden wurde Portugal, dessen Krone sich 1580 mit derjenigen von Spanien vereinigte, durch einen Angriff von Holländern auf portugiesische Besitzungen herausgefordert.