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C. ARTMANN: MED ANA SCHWOAZZN DINTN

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H. C. ARTMKANN

med ana schwoazzn dintn

gedichfa r aus bradnsee

OTTO MÜLLER VERLAG SALZBURG

10. Auflage
ISBN 3-7013-0227-8
eISBN 978-3-7013-5939-4

Einband und typographische Gestaltung:
Prof. Friedrich Polakovics
Druck und Bindung: Ueberreuter Print

Inhalt

Prof. Hans Sedlmayr: Geleitwort

a gedicht schreim

Friedrich Polakovics: med ana schwoazzn dintn

blauboad 1

blauboad 2

kindafazara

wos unguaz

es gíbf guade und bese geatna: des ¡s es liad fon an besn

brodaschbiaglgalarü

dea schdrenge hea onkl befilt rosalien ein hun apzuschdechn was rosalien sea in ia weiches heazz schneidet

i sok da s

waun e jemoes ..

alanech fia dii

drei gedichta fia d moni

aum eaxtn is s ma r one dia

med an briaf fon mia zu dia

dei lug

a xunz lamentawö

en an schbedn heabst (fia d eani)

liad

liad

liad

i won zimlech weit draust

fia n dorn schak

bit auna n häulechn loarenz

waun s d fabei gesd ..

des neiche blagat

waun zwa oede bem ..

i bin hoed a schdiafkind

fia n schdeffan bral mein freind

fia n pjotr

no und waun scho

agazebam und kastanien

libhazzdoe

winta

wos bsundas

wos e aum schdaahof darad

astronomii

waun da hong reist

kawarebeag fotografian

wo is den da greissla?

wossaresawaa

noch ana sindflud

dod en wossa

waun s d a bech hosd

an briafdroga sei gschbenzt

astan en gasliacht

frog me ned

schembrun

windradal

liab

waun e schdeam soit

zwa schüleng zwanzk

heit bin e ned munta wuan

Worterklärungen

Inhoezzfazeichniss

Die Kunst liebt es, überraschend zu kommen, und sie sucht sich gern konträre Eltern. Nach Nestroy hat der Holzhacker die Geometrie umarmt und da ist der Zimmermann daraus geworden. Die Kunst des Zimmermanns kann man aus der Welt nicht mehr wegdenken.

In Breitensee hat sich neulich die Wiener Vorstadt mit dem Surrealismus eingelassen und daraus ist – ein Dichter entstanden, ein wirklicher. Soll einer behaupten, daß man das hätte voraussehen können!

Ein Dichter, das ist ein neuer Ton, gerade der, auf den man am wenigsten gefaßt gewesen ist. Wenn man auch nur drei Zeilen eines einzigen dieser Gedichte liest, steigt in neuer Farbe eine neue Wiener Welt auf, die noch niemand besungen hat und die doch immer schon neben uns dagewesen ist: neue Häuser, Gassen, Bäume, Gegenden, makabre, traurige, seltsam anziehende. Und in dieser neuen Landschaft sind dann die starken alten Gefühle, die sich nie ändern, die jeder kennt, auf einmal so frisch wie der neueste Schnee.

Wie das der Dichter fertigbringt, das hätte mancher schon gern herausfinden wollen, aber es wirklich zu sagen, ist noch niemandem gelungen. Sicherlich kommen diese Gedichte ganz aus dem Wort, dem Wiener Wort – ins Hochdeutsche könnte man sie schwerlich übersetzen. Und doch sind sie weit mehr als Dialektgedichte. Sie sind in der Empfindung oft so einfach wie die ältesten Volkslieder, in der Form oft so kunstvoll wie der modernste vers libre, in der Entsprechung von Sinn und Klang oft vollkommen wie klassische, in der Fülle überraschendster kühner Bilder so reich wie barocke Dichtung. Im Grunde aber lassen sie sich mit gar nichts vergleichen, sind ganz und gar aus unserer Welt und Zeit.

Denn das Eigentlichste der Breitenseer Gedichte kommt, glaube ich, eben aus der unwahrscheinlich glücklichen Ehe der surrealistischen und der Wiener Sphäre. In ihr streift der Surrealismus das Kalte und Zerebrale ab, wird wirklich geheimnisvoll und sogar märchenhaft, und zwar in einer Umwelt, in der das Märchenhafte gar nicht vorkommen könnte. Das Wiener Leben und die Wiener Landschaft aber wird, ohne das Volksmäßige aufzugeben, eigentümlich schwebend und schwerelos. Und wie gut verbindet sich das Gruselige des Surrealismus mit dem ganz anders Gruseligen, das zu einer bestimmten Art Volksdichtung von jeher gehört.

Die Breitenseer Gedichte sind die Entdeckung eines neuen Wiener Kontinents und neuer Möglichkeiten der Dichtung. Man kann sich jetzt Wien ohne sie nicht mehr denken.

HANS SEDLMAYR

nua ka schmoez how e xogt!

nua ka schmoez ned ..

reis s ausse dei heazz dei bluadex

und haus s owe iwa r a bruknglanda!

fomiaraus auf d fabindunxbaun

en otagring ..

daun woat a wäu

bis s da wida zuaqoxn is des loch

des bluadeche untan schilee

und sog:

es woa nix! oda: gemma koed is s ned!

waun s d amoe so weid bist

daun eascht schreib dei gedicht

und ned eea!

nua ka schmoez ned how e xogt!

nua ka schmoez ..

heit drong s as nua z gean

eana heazz (de dichta

de growla de schmoezxön)

bei jeda glengheid

untan linkn goidzaun

oda r iwa n lean briafdaschl

wia r a monogram ..

waun owa r ana r a gedicht schreim wüü

und iwahaubt no a weanaresch dazua

daun sol a zeascht med sein heazz

med sein bozwachn untan goidzaun

nua recht schnöö noch otagring ausse

oda sunztwo zu an bruknglanda gee!

„Jede Provinz liebt ihren Dialekt: denn er ist doch eigentlich das Element, in welchem die Seele ihren Atem schöpft.“

Goethe

Zwischen Breitensee und Ottakring, an der Dreiländerecke mit Fünfhaus, gar nicht weit von jenem bruknglanda in H. C. Artmanns programmatischem Gedicht, stand bis vor wenigen Monaten ein Stück Wiener Vorstadtprater. Es stand dort seit den Neunzigerjahren, wurde für uns Schulbuben ein über die Väter vererbter Begriff und bleibt, auch nach seiner Demolierung, mit dem schöneren Teil unserer Jugend verbunden. Auch in unserem Buch wirkt diese Erinnerung fort. Auf untergründige Weise hat sie Themen- und BildWahl seiner Gedichte mitbestimmt, und wenngleich das auf den ersten Blick nicht erkennbar ist – ein zweiter auf den Bucheinband wird helfen, die Zusammenhänge zu klären.

Die Bilder, die wir dort sehen, gehörten zur Wanddekoration jenes nun schon legendären Ringelspiels. Mit ihrer schauerlichen Schönheit und makabren Intensität, mit ihrem naiven Raffinement haben sie die Bilderwelt der Vorstadtkinder bereichert, jahrzehntelang, bis sie – um die Dreißigerjahre – mit Märchenbildern überdeckt wurden, Bildern von der Stange, wie sie den Ideen und dem Geschmack der um Jugend und Profit besorgten Erwachsenen nützlicher erschienen sein mögen.

So führten unsere Bilder durch weitere Jahrzehnte eine Art Katakombendasein. Sie überstanden das Tausendjährige Reich ebenso wie vorher die Erste Republik und erblickten im Herbst 1957, im Zuge der Demolierung, zum zweiten Mal das Licht der Welt: einer veränderten Welt in einer veränderten Umgebung, nämlich auf einem Schutthaufen. Und von dort haben Artmann und seine Freunde sie, die schon wochenlang dem Regen, dem Wind und der Sonne preisgegeben waren, gerettet.

Ist es mehr als nur Zufall, daß nun der sie besitzt, dessen Kinderträume von ihnen besessen waren? Mehr als nur Zufall, daß der ringlgschbüübsizza unseres Buchdeckels, der in vielfältiger Verlarvung Artmanns Dialektgedichte durchgeistert – als lemurenhafter blauboad, als besa geafna, als kindafazara, ja, noch als jovialer, aufs Backhähndl versessener hea onkl – daß also dieser Komtur aus Pappdeckel einem auch durch i h n zum Dichter gewordenen Kind entgegentritt, körperlich, nach fast dreißig Jahren, und so eine Begegnung real nachvollzieht, wie sie bis dahin in Artmanns Gedichten zu vielen Malen, erinnert oder vorausgespürt, sich ereignet hat?

Eines ist sicher: der Zauber dieser Gedichte entspringt einer intensiven Beziehung zur Kindheit. Er selbst bleibt freilich unerklärbar, für manchen vielleicht auch un h ö r bar, denn nicht jeder, der Ohren hat, hört. Den aber, der ihm offen ist, mag dieser Zauber unversehens hinübernehmen in eine Kindheit, der beim domschakbiachln dauschn gee fon bradnsee ume in d rosnschdaagossn