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James Matthew Barrie

Peter Pan

(neu aus dem Englischen übersetzt)

   

   

   

Copyright © 2016 Der Drehbuchverlag, Wien 

Übersetzer: Michael Gebhardt 

Alle Rechte vorbehalten 

eBook: Peter Pan (neu aus dem Englischen übersetzt) 

ISBN: 978-3-99042-848-1 

Kapitel 1 – Peter bricht ein

 

Aller Kinder bis auf eines werden erwachsen. Es dauert nie lange, bis sie das wissen und Wendy erfuhr folgendermaßen davon: Eines Tages, als sie zwei Jahre alt war und im Garten spielte, pflückte sie eine Blume und lief mit ihr zu ihrer Mutter. Sie sah wahrscheinlich entzückend aus, denn Mrs Darling legte ihre Hand auf ihr Herz und rief: „Oh, warum kannst du nicht für immer so bleiben!“ Von da an wusste Wendy, dass sie erwachsen werden musste.

   Wendys Mutter war eine liebenswerte Frau, mit einem Kopf voller romantischer Gedanken und einem süßen Mund, auf dem ein Kuss lag, den Wendy nie bekommen konnte, obwohl er deutlich zu sehen war, dort, im rechten Mundwinkel.

   Mr Darling gewann ihre Zuneigung folgenderweise: Die vielen Gentlemen, die noch Jungen gewesen waren, entdeckten gleichzeitig ihre Liebe zu ihr. Sie alle liefen zu ihrem Haus, um ihr ihre Liebe zu gestehen, nur Mr Darling nicht, der nahm ein Taxi und kam als Erster an. Er bekam sie und alles von ihr, außer dem Kuss. Mr Darling rühmte sich vor Wendy damit, dass ihre Mutter ihn nicht nur liebte, sondern auch respektierte. Er war einer von denen, die sich mit Aktien auskannte. Natürlich kennt sich niemand wirklich mit Aktien aus, aber er vermittelte diesen Anschein und sagte manchmal: „Die Aktien sind gestiegen!“ oder „Die Aktien sind gefallen!“ auf eine Art, die jede Frau dazu gebracht hätte, ihn zu respektieren.

   Mrs Darling heiratete in weiß und nach Wendy kam John, dann Michael. Schon bald konnte man die drei in einer Reihe von ihrem Kindermädchen begleitet in den Kindergarten gehen sehen. Mr Darling wollte unbedingt wie seine Nachbarn sein, also hatten sie ein Kindermädchen. Da sie wegen der vielen Milch, die die Kinder tranken, arm waren, war dieses Kindermädchen ein Neufundländer, Nana genannt, der niemand Speziellem gehört hatte, bevor Familie Darling ihn engagierte. Nana hatte Kinder schon immer für wichtig empfunden. Die Darlings hatten sie in den Kensington Gardens kennen gelernt, wo sie die meiste Zeit damit verbrachte, in Kinderwägen zu spähen. Kein Kindermädchen benahm sich anständiger und Mr Darling wusste das. Trotzdem machte er sich manchmal Gedanken darüber, was wohl die Nachbarn dazu sagten. Er hatte immerhin eine Position zu verlieren.

   Nana bereitete ihm auch auf eine andere Art Sorgen. Manchmal fühlte er sich, als ob sie ihn nicht genug liebte. „Ich weiß, dass sie dich wirklich schätzt, George!“, versicherte ihm Mrs Darling und deutete dann den Kindern, besonders nett zu ihrem Vater zu sein. Liebliche Tänze folgten, bei denen die einzig andere Bedienstete, Liza, manchmal mitmachen durfte. Welch ein Spaß, dieses Tollen. Und am meisten Spaß hatte Mrs Darling, die so schnelle Pirouetten drehen konnte, das man von ihr nichts mehr außer dem Kuss sehen konnte und wenn man im richtigen Moment auf sie zugesprungen wäre, hätte man ihn bekommen. Es hatte nie eine einfachere, fröhlichere Familie gegeben, bis Peter Pan in ihr Leben getreten war.

   Mrs Darling hatte zum ersten Mal von Peter gehört, als sie die Gedanken ihrer Kinder ordnete. Es ist die nächtliche Angewohnheit jeder guten Mutter, nachdem ihre Kinder eingeschlafen sind, in ihren Gedanken zu stöbern und alles, was während des Tages durcheinandergewirbelt wurde, für den nächsten Morgen an seinen Platz zu stellen. Wenn man dann am nächsten Morgen erwacht, sind all die unanständigen und bösen Dinge, mit denen man schlafen gegangen ist, irgendwo ganz hinten im Kopf verpackt. Vorne breiten sich die schönen Gedanken aus und sind bereit, einem in den Sinn zu kommen.

   Ärzte zeichnen manchmal Karten von Teilen eines Menschen und seine eigene kann sehr interessant sein, aber die Karte von den Gedanken eines Kindes, die nicht nur verwirrt sind, sondern ständig hin- und herschweifen, ist noch viel interessanter. Man findet Zickzacklinien darauf, vielleicht Straßen auf der Insel, denn das Nimmerland ist immer mehr oder weniger eine Insel, mit erstaunlichen Farbflecken hier und da. Korallenriffe, Schiffe auf offener See, Wilde und einsame Verstecke, Gnome, die hauptsächlich Schneider sind, Höhlen, durch die Flüsse verlaufen, Prinzen mit sechs älteren Brüdern, ein Hut, der schnell vermodert und eine kleine alte Frau mit einer Hakennase. Es wäre eine einfache Karte, wenn das alles wäre, aber da gibt es noch den ersten Schultag, Religion, Väter, den runden Teich, Handarbeit, Morde, Aufhängen, Verben, die den Dativ verlangen, Schokoladenpuddingtag, in Klammer setzen, neunundneunzig sagen, drei Pence dafür, dass man sich den eigenen Zahn gezogen hat und so weiter. Und entweder sind all diese Dinge Teil der Insel oder auf einer anderen Karte, die durchscheint und alles ist ziemlich verwirrend, vor allem, da nichts still steht.

   Natürlich weichen die Karten des Nimmerlands stark von einander ab. Johns Nimmerland zum Beispiel hatte eine Lagune, über der Flamingos flogen, auf die er schießen konnte. Michael, der noch sehr klein war, hatte indessen einen Flamingo, über dem Lagunen flogen. John lebte in einem umgedrehten Boot im Sand, Michael in einem Wigwam, Wendy in einem Haus, das aus geschickt zusammengenähten Blättern bestand. John hatte keine Freunde, Michael hatte Freunde in der Nacht, Wendy hatte einen Wolf als Haustier, der von seinen Eltern verlassen worden war, aber im Großen und Ganzen waren diese Versionen des Nimmerlands wie eine Familie und wenn man sie nebeneinander aufstellte, konnte man sagen, dass sie dieselbe Nase hatten. An diesen magischen Küsten lassen spielende Kinder ihre Boote für immer stranden. Wir alle waren an diesem Ort, wir können immer noch das Geräusch der Brandung hören, aber wir werden nie wieder dort an Land gehen.

   Von allen verlockenden Inseln ist das Nimmerland die behaglichste und kompakteste. Nicht groß und weit, mit langweiligen Abständen zwischen einem Abenteuer und  dem nächsten, sondern richtig voll davon. Wenn man am Tag mit Stühlen und der Tischdecke spielt, ist das nicht im Geringsten beängstigend, aber zwei Minuten bevor man schlafen geht, wird es beinahe real. Deswegen gab es Nachtlichter.

   Hin und wieder fand Mrs Darling bei ihren Reisen durch die Gedanken ihrer Kinder Dinge, die sie nicht verstand. Das Wunderlichste davon war das Wort Peter. Sie kannte keinen Peter und trotzdem tauchte er immer wieder in John und Michaels Gedanken auf, Wendys Gedanken waren sogar voll davon. Der Name stach in dicken Buchstaben hervor und als Mrs Darling darauf starrte, kam er ihr eigentümlich frech vor.

   „Ja, er ist ziemlich frech“, gab Wendy zu.

   Ihre Mutter hatte sie gefragt. „Aber wer ist er, Liebes?“

   „Peter Pan.“

   Zuerst wusste Mrs Darling nicht, wovon Wendy sprach, dann aber dachte sie an ihre eigene Kindheit zurück und ihr fiel ein Peter Pan ein, von dem man sich erzählte, dass er mit den Feen lebte. Es gab seltsame Geschichten über ihn: Wenn Kinder starben, zum Beispiel, hieß es, dass er sie einen Teil ihres Weges begleite, damit sie keine Angst hatten. Sie hatte hin und wieder an ihn geglaubt, aber nun da sie verheiratet und voll bei Sinnen war, zweifelte sie daran, dass es so jemanden geben konnte.

   „Außerdem“, sagte sie zu Wendy, „wäre er inzwischen schon erwachsen.“

   „Oh, nein, er ist nicht erwachsen!“,  versicherte ihr Wendy zuversichtlich, „Er ist gleich groß wie ich!“

   Mrs Darling wandte sich an Mr Darling, aber er lächelte nur.

   „Merk dir meine Worte!“, sagte er, „Das ist irgendein Unsinn, den ihnen Nana in den Kopf gesetzt hat! Genau die Art von Fantasie, die ein Hund haben würde! Das geht wieder vorbei!“

   Kinder erleben die seltsamsten Abenteuer, ohne sich darüber große Sorgen zu machen. Zum Beispiel fällt ihnen ein, eine Woche nachdem alles geschehen ist, zu erzählen, dass sie ihren toten Vater im Wald getroffen und mit ihm gespielt haben. Genau auf diese Art machte Wendy eines Morgens eine beunruhigende Enthüllung. Etwas Laub war auf dem Boden im Kinderzimmer gefunden worden. Es war bestimmt noch nicht dagewesen, als die Kinder zu Bett gegangen waren und Mrs Darling grübelte darüber, als Wendy plötzlich sagte: „Ich glaube, das war wieder einmal Peter.“

   „Was meinst du, Wendy?“

   „Es ist so ungehörig von ihm, nicht aufzukehren!“, sagte Wendy und seufzte. Sie war ein sehr ordentliches Mädchen. Sie erklärte auf eine einfache, tatsachenbehaftete Art, dass sie glaube, dass Peter manchmal in der Nacht in das Kinderzimmer komme, um sich ans Ende ihres Bettes zu setzen und für sie auf der Panflöte zu spielen. Unglücklicherweise wurde sie nie wach, also wusste sie nicht, woher sie das wusste, sie wusste es einfach.

   „Welch einen Unsinn du redest, mein Liebling. Niemand kommt in das Haus ohne zu klopfen.“

   „Ich glaube, er kommt durch das Fenster!“

   „Liebes, das ist im dritten Stock!“

   „Waren die Blätter denn nicht unter dem Fenster, Mutter?“

   Das stimmte, man hatte die Blätter in der Nähe des Fensters gefunden. Mrs Darling wusste nicht, was sie davon halten sollte. Alles schien für Wendy so real, dass man es nicht so einfach abtun konnte.

   Wendy hatte nicht geträumt, wie die nächste Nacht zeigen würde. Die Nacht, in der die außergewöhnlichen Abenteuer dieser Kinder ihren Anfang nahmen.

   In dieser Nacht waren alle Kinder wieder einmal im Bett. Es war Nanas freier Abend und Mrs Darling hatte alle gebadet und ihnen vorgesungen, so lange, bis sie einer nach dem anderen ins Land der Träume fielen. Alle sahen so behütet aus, dass Mrs Darling über ihre Ängste lächeln musste und sich ruhig zum Feuer setzte, um zu nähen. Sie nähte etwas für Michael, der an seinem Geburtstag groß genug für Hemden werden würde. Das Feuer war warm, das Kinderzimmer nur leicht von drei Nachtlichtern erleuchtet und bald fiel Mrs Darling das Nähzeug in den Schoß. Sie war eingeschlafen. Schaut euch die vier an, Wendy und Michael da, John hier und Mrs Darling beim Feuer. Man hätte ein viertes Nachtlicht aufstellen müssen.

   Während sie träumte, wurde das Fenster des Kinderzimmers aufgestoßen und ein Junge landete auf dem Boden. Er war von einem ungewöhnlichen Licht begleitet, nicht größer als eine Faust, das durch den Raum flog wie ein lebendiges Wesen und ich glaube, es war dieses Licht, das Mrs Darling erwachen ließ.

   Sie schrie erschrocken auf und sah den Jungen. Irgendwie wusste sie sofort, dass es Peter Pan war. Ein liebenswerter Junge, in Blättern gekleidet. Das Bezauberndste an ihm war, dass er noch alle seine Milchzähne hatte. Als er die Erwachsene sah, knirschte er mit seinen perlweißen Zähnen.

Kapitel 2 – Der Schatten

 

Nana stürmte ins Zimmer.  Sie knurrte und hastete zu dem Jungen, der leichtfüßig aus dem Fenster sprang. Wieder schrie Mrs Darling, dieses Mal in Sorge um ihn, denn sie dachte, er wäre tot. Sie lief auf die Straße um nach ihm zu suchen, aber er war nicht da. Sie kehrte ins Kinderzimmer zurück und sah, dass Nana etwas in ihrem Maul hielt, das sich als der Schatten des Jungen herausstellte. Als dieser durch das Fenster geflohen war, hatte Nana es schnell geschlossen, zu spät, um ihn zu fangen, aber sein Schatten konnte nicht mehr hinterher. Nana hängte ihn aus dem Fenster, was bedeutete „Er kommt sicher zurück um ihn zu holen. Machen wir es ihm einfach, damit er die Kinder nicht stört.“ Aber Mrs Darling konnte ihn einfach nicht dort hängen lassen, er sah aus wie Wäsche, die man zum Trocknen aufhängt und störte das Bild des gesamten Hauses. Sie überlegte, ihn Mr Darling zu zeigen, aber dieser war schwer beschäftigt und es wäre eine Schande gewesen, ihn zu stören. Außerdem wusste Mrs Darling ohnehin, was seine Meinung dazu war: „Das kommt nur daher, dass wir einen Hund als Kindermädchen haben!“

   Sie entschloss sich, den Schatten zusammenzurollen und ihn in einer Schublade zu verstauen, bis sich eine gute Gelegenheit anbiete, ihrem Mann davon zu erzählen. Die Gelegenheit ergab sich eine Woche später, an dem Nie-wieder-zu-vergessenden-Freitag. Das war natürlich ein Freitag.

   „Ich hätte an einem Freitag besonders vorsichtig sein müssen!“, sagte sie später zu ihrem Mann, während Nana neben ihr saß und ihre Hand hielt.

   „Nein, nein“, sagte Mr Darling dann immer, „Ich bin für alles verantwortlich. Ich, George Darling, habe es getan. Mea culpa, mea culpa.“ Er hatte eine klassische Ausbildung. So saßen sie Nacht für Nacht da und erinnerten sich an diesen fatalen Freitag, bis jedes Detail sich in ihr Hirn eingebrannt hatte und auf der anderen Seite wieder zum Vorschein kam, wie die Gesichter beim Prägen von Münzen.

   „Wenn ich nur die Einladung zum Abendessen in Nummer 27 nicht angenommen hätte“, sagte Mrs Darling.

   „Wenn ich bloß meine Medizin nicht in Nanas Napf geleert hätte“, sagte Mr Darling.

   „Wenn ich bloß so getan hätte, als würde ich die Medizin mögen“, sagten Nanas feuchte Augen.

   „Meine Schwäche für Partys, George.“

   „Mein verhängnisvoller Hang zu Scherzen, Liebste.“

   „Meine Empfindlichkeit gegenüber Kleinigkeiten, Herrchen und Frauchen.“

   Dann brach immer mindestens einer von ihnen zusammen. Nana beim Gedanken „Es ist wahr, es ist wahr, sie hätten keinen Hund als Kindermädchen anstellen sollen.“ Oft reichte Mrs Darling Nana ein Taschentuch für ihre Augen.

   „Dieser Teufel!“, rief Mr Darling und Nana stimmte ihm bellend zu. Aber Mrs Darling schimpfte nie über Peter, da war etwas in ihrem rechten Mundwinkel, das Peters Name nicht aussprechen wollte. So saßen sie im leeren Kinderzimmer und ließen jedes kleine Detail vor ihrem geistigen Auge Revue passieren. Es hatte alles so gewöhnlich angefangen, genauso wie hundert Abende zuvor.

   Nana bereitete das Wasser für Michaels Bad vor. „Ich werde nicht ins Bett gehen!“, hatte er gerufen. „Ich werd nicht, ich werd nicht! Nana, es ist noch nicht sechs! Ich werd nicht, ich werd nicht!“

   Dann trat Mrs Darling in ihrem Abendkleid ein. Sie hatte sich früh angezogen, weil Wendy das Kleid so gut gefiel. Sie trug die Kette, die George ihr geschenkt hatte und Wendys Armband, das sie sich geborgt hatte. Wendy liebte es, ihrer Mutter ihr Armband zu leihen. John und Wendy spielten ihre Eltern und John sagte, im selben Ton wie Mr Darling ihn vielleicht zu diesem Anlass angeschlagen hätte: „Mrs Darling, ich freue mich, Ihnen  mitteilen zu dürfen, dass Sie Mutter geworden sind!“

   Wendy tanzte vor Freude, so wie Mrs Darling es wohl getan haben musste. Dann wurde John geboren, mit extra viel Trara, dass wegen der Geburt eines Jungen angebracht war. Michael kam von seinem Bad zurück und wollte auch geboren werden, aber John erklärte kalt, dass sie keine weiteren Kinder wünschten. Michael hätte fast geweint.

   „Keiner will mich“, sagte er und das hielt die Frau in dem Abendkleid natürlich nicht aus.

   „Ich“, sagte sie, „Ich wünsche mir so sehr ein drittes Kind.“

   „Junge oder Mädchen?“, fragte Michael.

   „Einen Jungen.“

   Dann sprang er in ihre Arme. Nur eine Kleinigkeit für Mr und Mrs Darling, an die sie sich erinnerten, aber keine unwichtige, wenn man bedachte, dass dies Michaels letzte Nacht im Kinderzimmer war.

   „Genau da bin ich wie ein Tornado ins Zimmer gestürmt, nicht wahr?“, sagte Mr Darling und verachtete sich selbst dafür. In der Tat hatte er große Ähnlichkeit mit einem Tornado gehabt.

   Vielleicht gab es eine Entschuldigung für ihn. Er hatte sich ebenfalls für die Party angezogen und alles war gut gegangen, bis er zu seiner Krawatte kam. Es ist eine erstaunliche Tatsache, dass dieser Mann, obwohl er alles über Aktien wusste, keine Ahnung von Krawatten hatte. Manchmal gaben sie ohne großen Widerstand nach, aber es gab auch Momente, in denen es für das gesamte Haus besser gewesen wäre, wenn er eine bereits gebundene Krawatte benutzt hätte. Dies war so ein Moment. Er stürmte in das Kinderzimmer mit einer zerknüllten Krawatte in seiner Hand.

   „Wo liegt das Problem, Liebster?“

   „Problem?“, schrie er, „Diese Krawatte weigert sich, sich um meinen Hals zu legen.“ Er wurde gefährlich sarkastisch. „Zwanzig Mal habe ich sie um den Bettpfosten gebunden, aber um meinen Hals? Nein! Oh nein! Bis diese Krawatte nicht um meinen Hals ist, gehen wir nicht zu dem Abendessen heute! Und wenn wir nicht zu dem Abendessen gehen, werde ich nie wieder ins Büro gehen und wenn ich nie wieder ins Büro gehe, werden du und ich verhungern und unsere Kinder auf der Straße landen!“

   Selbst in dieser Situation blieb Mrs Darling noch gelassen.

   „Lass es mich versuchen, Liebster“, sagte sie und band mit ihren ruhigen Händen die Krawatte um seinen Hals, während die Kinder um sie herumstanden und Zeuge des Moments wurden, in dem ihr Schicksal sich entschied. Mr Darling bedankte sich bei ihr, vergaß mit einem Mal seinen Zorn und tanzte im nächsten Moment mit Michael auf seinem Rücken im Zimmer umher.

   Das Herumtollen hatte mit dem Erscheinen von Nana ein Ende. Unglücklicherweise stieß Mr Darling mit ihr zusammen, wodurch seine Hose voller Haare wurde. Natürlich bürstete Mrs Darling die Hose aus, aber er fing wieder an davon zu sprechen, dass es ein Fehler war, einen Hund als Kindermädchen zu haben. Das war die Gelegenheit, um ihm von dem Jungen zu erzählen. Zuerst lachte er, aber als sie ihm den Schatten zeigte, wurde er nachdenklich.

   „Es ist niemand, den ich kenne“, sagte er, „aber er sieht wie ein Schurke aus.“

   „Wir waren noch mitten im Gespräch, als Nana mit Michaels Medizin kam, erinnerst du dich?“, sagte Mrs Darling. „Du wirst die Flasche nie wieder in deinem Maul tragen, Nana, und es ist alles meine Schuld.“

   So stark er auch war, benahm sich Mr Darling eher dumm, was die Medizin betraf. Wenn er einen Fehler hatte, dann war es, dass er dachte, sein Leben lang seine Medizin brav genommen zu haben und so sagte er, als Michael dem Löffel in Nanas Mund auswich: „Sei ein Mann, Michael!“

   „Ich will nicht, ich will nicht!“, rief Michael ungezogen.

   „Michael, als ich in deinem Alter war, habe ich meine Medizin ohne zu murren geschluckt! Ich habe gesagt: ‚Danke, liebe Eltern, dass ihr mir Flaschen gebt, die mich gesund machen.‘“

   Er glaubte wirklich, dass das stimmte und Wendy, die bereits in ihren Schlafanzug geschlüpft war, glaubte es auch. Sie wollte Michael Mut machen: „Die Medizin, die du manchmal nimmst, ist viel schlimmer, stimmt’s?“

   „Um einiges schlimmer!“, sagte Mr Darling tapfer, „und ich würde sie jetzt nehmen, um dir ein gutes Beispiel zu sein, Michael, wenn ich nicht die Flasche verloren hätte!“

   Er hatte sie nicht wirklich verloren, er war mitten in der Nacht auf den Schrank geklettert und hatte sie dort versteckt. Was er nicht wusste, war, dass die treue Liza sie gefunden und zurück neben sein Waschbecken gestellt hatte.

   „Ich weiß, wo sie ist!“, rief Wendy, die sich immer freute, wenn sie helfen konnte. „Ich bringe sie dir!“

   Schon war sie davon und im nächsten Moment wieder da, mit der Medizin in einem Glas.

   „Ich hab mich extra beeilt“, sagte sie keuchend.

   „Wunderbar“, meinte ihr Vater. „Michael zuerst!“