cover
Pete Hackett

McQuade - ein Kopfgeldjäger auf seinem Trail

Drei Western-Abenteuer: Der Kopfgeldjäger #1-3





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

McQuade – Ein Kopfgeldjäger auf seinem Trail

Western von Pete Hackett

 

Der Umfang dieses Buchs entspricht 126 Taschenbuchseiten.

 

Copyright

Ein CassiopeiaPress Buch: CASSIOPEIAPRESS, UKSAK E-Books und BEKKERpublishing sind Imprints von Alfred Bekker

© by Author

© dieser Ausgabe 2016 by AlfredBekker/CassiopeiaPress, Lengerich/Westfalen.

Alle Rechte vorbehalten.

www.AlfredBekker.de

postmaster@alfredbekker.de


Jeder zahlt für seine Schuld

von Pete Hackett

 

1

Vince McQuade ritt zwischen die ersten Häuser von Southton. Mit entzündeten Augen schaute er in die Runde. Hier sah alles noch so aus wie vor vier Jahren, als er dem Ruf General Lees folgte und in den Krieg gegen die Yankees zog.

Der Sechsundzwanzigjährige verspürte Erleichterung. Seit Wochen war er unterwegs. Die Entbehrungen und Strapazen des Trails hatten unübersehbare Spuren in sein Gesicht gegraben. Aber auch vier Jahre Krieg hatten es gezeichnet …

Es war heiß. Die Hitze setzte Pferd und Reiter zu. Müde zog das Tier die Hufe durch den knöcheltiefen Staub. Unter der Haut des Rotbraunen zeichneten sich deutlich die Rippen ab.

Die breite Hauptstraße der kleinen Stadt in der Nähe von San Antonio war wie leergefegt. Es war Mittagszeit, die heißeste Zeit des Tages, und die Menschen hatten sich in ihre kühlen Behausungen zurückgezogen. Der Wind, der von Süden kam, der kleine Staubspiralen aufwirbelte und über die Fahrbahn trieb, brachte keine Linderung.

Du bist zu Hause, Vince, durchfuhr es den ausgemergelten Mann auf dem müden Rotfuchs. Endlich!

Er lenkte sein Pferd zu einem Tränketrog am Straßenrand und saß ab. Das Tier prustete mit geblähten Nüstern. McQuade nahm seinen verbeulten und abgegriffenen Hut ab und hängte ihn an den Sattelknauf. Mit der flachen Hand tätschelte er den Hals des Tieres. »So ist es, mein Bester. Wir sind fast am Ziel. Bis zur Ranch sind es nur noch vier Meilen.«

Das Tier senkte seine trockene Nase ins Wasser, auf dem ein dünner Staubfilm schwamm, und begann seinen Durst zu löschen. McQuade wusch sich Staub und Schweiß aus dem Gesicht. Das Wasser war warm und abgestanden. Dennoch belebte es ihn ein wenig. Er fuhr sich mit den gespreizten Fingern seiner Rechten durch die sandfarbenen Haare und strich sie nach hinten.

Etwa fünfzig Yard weiter, auf der linken Straßenseite, befand sich der Saloon. In der Gasse dahinter wusste McQuade den Mietstall. McQuade trocknete sich mit dem Halstuch das Gesicht ab. Als der Rotbraune getrunken hatte, zog ihn der Mann am langen Zügel hinter sich her quer über die Fahrbahn. Unter den harten Sohlen seiner brüchigen Reitstiefel knirschte der Staub.

Am Holm band er das Pferd an. Das Tier peitschte mit dem Schweif. Steifbeinig stieg McQuade die abgetretenen Stufen zum Vorbau hinauf. Dann betrat er den Schankraum. Es war hier düster und es roch nach kaltem Tabakrauch sowie verschüttetem Bier. Einige runde Tische, um die jeweils sechs Stühle gruppiert waren, bildeten das Mobiliar. An der der Schwingtür gegenüberliegenden Wand befand sich die Theke. An den beiden Frontfenstern tanzten Fliegen auf und ab. Nicht ein einziger Gast war zu sehen.

Unter McQuades Gewicht knarrten die Fußbodendielen, als er den Raum durchquerte. Seine Absätze tackten. Er erreichte den Schanktisch. Hinter der Theke ging eine Tür auf und ein Mann um die fünfzig erschien. »Guten Tag, Fremder.« Unverhohlen taxierte er McQuade. Sein forschender Blick wanderte an ihm hinauf und hinunter. »Sie sehen ziemlich mitgenommen und verstaubt aus. Haben wohl 'nen weiten Ritt hinter sich.«

»Das kann man wohl sagen, Dave. Erkennst du mich denn nicht?«

Der Salooner kniff die Augen zusammen und begann an seiner Unterlippe zu nagen. »Sicher, du kommst mir bekannt vor. Aber ich komme nicht drauf, wer du bist. Sage es mir.«

»Vince McQuade. Fällt jetzt bei dir der Groschen?« McQuade grinste vage. Das Grinsen erreichte die müden Augen nicht.

Über Dave Sanders Gesicht glitt der Schimmer des Begreifens. Er schlug sich mit der flachen Hand leicht gegen die Stirn und stieß hervor: »Es ist August, McQuade. Der Krieg ist seit vier Monaten zu Ende. Du kommst spät.«

»Ich war Gefangener der Yanks. Bei Gettysburg fiel ich ihnen in die Hände. Als sie mich laufen ließen, machte ich mich sofort auf den Heimweg.«

Dave Sanders ging zum Zapfhahn, angelte sich einen gläsernen Bierkrug und schenkte ihn voll. Als er ihn vor McQuade hinstellte, murmelte er: »Du kommst nicht nur spät, McQuade, du kommst zu spät.«

Die letzten Worte waren wie Hammerschläge gefallen.

»Was heißt das?« McQuades Blick schien den Salooner zu durchbohren, in sein Hirn einzudringen und dessen Gedanken zu erforschen. Der Heimkehrer spürte das Unheil tief in der Seele. Er atmete etwas schneller.

»Du musst jetzt ganz stark sein, McQuade«, gab der Mann hinter dem Tresen zu verstehen. »Vor knapp zwei Monaten erhielt eure Ranch höllischen Besuch. Es war eine Bande von Abenteurern, von Kerlen, die nach dem Krieg nicht mehr den Weg in ein geordnetes Leben gefunden haben …«

»Was ist geschehen?« Eine fast fieberhafte Erregung ergriff Besitz von McQuade. Die drei Worte platzten regelrecht über seine rissigen Lippen.

»Deine Eltern und Joana sind tot.«

McQuade hielt die Luft an. Seine Mundwinkel zuckten. Ungläubig starrte er den Mann auf der anderen Seite der Theke an. Dumpf schlug das Herz in seiner Brust, und das Echo seiner Herzschläge hallte in seinen Ohren wider. Dann stieß McQuade abgehackt hervor: »Sie – sind – tot?«

Dave Sanders nickte. »Es waren vier Männer. Einer wurde zwei Wochen später geschnappt, als die Bande versuchte, die Bank in San Antonio zu überfallen. Er wird in wenigen Tagen gehängt.«

Wie eine furchtbare Flut überkam McQuade das Verstehen. In ihm zerbrach etwas.

 

 

2

Lange hatte McQuade an den Gräbern seiner Angehörigen gestanden. Er hatte sich seine Heimkehr anders vorgestellt – ganz anders. Nun stand er vor den Trümmern seiner Illusionen von Ruhe und Frieden auf der elterlichen Ranch.

Jetzt war er auf dem Weg nach San Antonio. Er benutzte den Fahr- und Reitweg, der von der Ranch in die Stadt führte. Er war von Wagenrädern zerfurcht und von Hufen aufgewühlt. Alte Büsche säumten ihn. Auf den Weiden zu beiden Seiten standen dicht gedrängt Longhorns. Die meisten besaßen kein Brandzeichen. In den vergangenen vier Jahren war niemand da, der sie gebrandmarkt hätte.

McQuade erreichte die Stadt, als die Sonne unterging und einen rötlichen Schein auf das Land legte. Die Schatten waren lang, die Hitze war nach wie vor unerträglich. Das Pferd ging mit hängendem Kopf, die Hufe rissen kleine Staubfontänen in die heiße Abendluft.

Vor dem Büro des Countysheriffs saß McQuade ab. Er band das Pferd an den Hitchrack und ging in das Office. Sam Miller, der Mann, der seit Jahren den Stern in San Antonio trug, saß an seinem Schreibtisch und schrieb etwas in eine Kladde. Als McQuade eintrat, blickte er auf und legte den Tintenbleistift zur Seite.

McQuade grüßte, blieb vor dem Schreibtisch stehen und sagte mit staubheiserer Stimme: »Guten Tag, Sheriff. Schätzungsweise erkennen Sie mich nicht. Ich bin Vince McQuade.«

Die Brauen des Gesetzesmannes zuckten in die Höhe. Er lehnte sich auf dem Stuhl zurück, nickte und sagte: »Sie sind also heimgekehrt, McQuade. Nun, Ihre Heimkehr stand unter einem verdammt schlechten Stern. Einer der Mörder Ihrer Angehörigen wartet in meinem Gefängnis auf seine Hinrichtung. Sein Name ist Wade Sheridan.«

»Ich will mit dem Mann sprechen.«

»Warum?«

»Ich möchte ihm einige Fragen stellen.«

»Er hat ein umfassendes Geständnis abgelegt und die Namen seiner Kumpane verraten. Auf die Kerle wurde ein Kopfgeld von jeweils 300 Dollar ausgesetzt. Sheridan denkt, dass ihnen in Texas der Boden zu heiß geworden ist und dass sie sich nach Arizona abgesetzt haben.«

McQuade stemmte sich mit beiden Armen auf den Schreibtisch. »Wieso Arizona?«

»Die Wiege eines der Schufte stand in Willcox. Das ist ein Nest an der Überlandstraße, die über Tucson und Casa Grande nach Yuma führt. Der Kerl, der von dort stammt, heißt Cole Weston.«

»Nennen Sie mir die Namen der anderen Mörder, Sheriff.«

»Bud Logan und Hal Carter.« Der Gesetzeshüter befeuchtete sich mit der Zungenspitze die Lippen. »Was haben Sie vor, McQuade?«

»Ich habe am Grab meiner Angehörigen geschworen, die Mörder zur Rechenschaft zu ziehen.« McQuade sprach mit harter, fester Stimme. Sein Tonfall ließ keinen Zweifel darüber aufkommen, dass sein Entschluss unumstößlich war. Sein Gesicht mutete an wie aus Granit gemeißelt.

Der Sheriff verzog den Mund. »Sie sehen nicht aus wie ein Mann, der Bäume ausreißen könnte, McQuade. Sie sehen vielmehr ausgemergelt und krank aus. Außerdem tragen Sie keine Waffe. Schätzungsweise verfügen Sie auch über kein Geld. Der Weg nach Arizona ist weit. Falls es Ihnen gelingt, die Mörder Ihrer Angehörigen zu stellen – was dann? Wollen Sie auf die Schufte mit einem Knüppel losgehen?«

»Ich verkaufe die Ranch«, murmelte McQuade. »Sicher bekomme ich genug Geld dafür, um mich auszurüsten.«

»Kein Mensch kauft ihnen die Ranch ab«, versetzte der Gesetzeshüter mit geschürzten Lippen. »Weder Grund und Boden noch die Rinder, die zu hunderttausenden auf den Weidegründen stehen, sind in Texas etwas wert.«

»Ich werde es versuchen«, knurrte McQuade. »Wenn ich nur so viel bekomme, dass ich mir einen Revolver, ein Gewehr und ein gutes Pferd kaufen kann. Kann ich jetzt mit Sheridan sprechen?«

Der Sheriff nickte und erhob sich. Ehe er aber Anstalten machte, sich zur Tür zum Zellentrakt zu bewegen, sagte er: »Ich glaube, ich kann Ihnen helfen, McQuade. Sie bekommen von mir die Waffen und das Pferd Sheridans. Nach allem, was Ihnen dieser Schuft zusammen mit seinen Kumpanen angetan hat, denke ich, dass Sie einen Anspruch darauf haben.«

Nach dem letzten Wort wandte sich der Sheriff ab und setzte sich in Bewegung. McQuade folgte ihm.



3

Es war später Nachmittag, als McQuade am Stadtrand von Willcox sein Pferd parierte. Der kleine Ort war von Bergen eingerahmt. Auf ein Holzschild, das an einen Pfahl genagelt war, war der Name der Ortschaft gepinselt. Die Farbe blätterte schon ab. Von den Pferchen und Corrals, die die Bewohner außerhalb der Stadt errichtet hatten, wehte beißender Uringeruch heran.

Die Sonne stand über den Dragon Mountains im Südwesten. Soweit das Auge reichte, erstreckte sich unfruchtbares Land. Kreosot und dornige Comas wucherten in den Ebenen und auf den Abhängen.

McQuade ließ die Eindrücke, die sich ihm boten, auf sich wirken. Willcox war eine Ansammlung von Häusern und Hütten, die zu beiden Seiten der Überlandstraße errichtet worden waren, die innerhalb des Ortes als Main Street diente. Hier und dort waren auf den Fensterbänken Blumenkästen mit verstaubten Geranien zu sehen. Im Straßenstaub glitzerten winzige Kristalle. Klirrende Hammerschläge waren zu hören. Auf den Gehsteigen waren nur wenige Menschen zu sehen.

McQuade trieb sein Pferd an. Die Gebisskette klirrte, das Sattelleder knarrte, dumpf pochten die Hufe. Einige Passanten blieben stehen und beobachteten den Mann, der mitten auf der Hauptstraße ritt. In McQuades Gesicht wucherte ein tagealter Bart. Auf seinem Kopf saß ein flachkroniger, schwarzer Hut. Er war mit einem langen, braunen Staubmantel bekleidet. Die tiefen Linien in seinem Gesicht ließen ihn älter wirken als er tatsächlich war. Seine Augen waren in ständiger Bewegung. Er machte sich mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut.

McQuade fand den Mietstall und lenkte sein Pferd in den Wagen- und Abstellhof. Sattelsteif saß er ab, nahm seinen Vierbeiner am Kopfgeschirr und führte ihn in den Stall. Bei jedem Schritt, den er machte, rieselte feiner Staub von seinen Schultern und der Krempe seines Stetsons. Er überschritt die Schattengrenze unter dem hohen Tor und der Geruch von Heu, Leder und Pferdeausdünstung empfing ihn.

Der Stallmann, der dabei war, mit einer Forke eine Box zu reinigen, richtete sich auf, lehnte das Werkzeug weg und wischte sich die Hände an der Hose ab, dann setzte er sich in Bewegung und ging McQuade entgegen. Es war ein grauhaariger Bursche mit faltigem, verkniffenem Gesicht und dem scharfen Blick eines Raubvogels. »Hallo, Fremder, an Ihnen haftet der rote Staub der Peloncillo Berge. Das sagt mir, dass Sie von Osten kommen. Ihr Pferd sieht ziemlich abgetrieben aus. Sie hatten es wohl sehr eilig."

Er musterte, während er sprach, McQuade eindringlich, als versuchte er, in dessen Zügen zu lesen.

McQuade wischte sich mit dem Halstuch den Schweiß aus den Augenhöhlen, räusperte sich und antwortete: »Falls Sie erfahren möchten, ob ich vom Gesetz verfolgt werde, dann sollen Sie wissen, dass es dem nicht so ist. Aber Sie haben Recht: Ich hatte es eilig, nach Willcox zu kommen. Denn ich vermute, dass sich hier die Männer aufhalten, die vor etwa drei Monaten in Texas meine Familie brutal ermordet haben. Ihre Namen sind Cole Weston, Bud Logan und Hal Carter.«

Jeder Zug im Gesicht des Stallmannes verriet tiefe Betroffenheit. Er blinzelte, kratzte sich am Hals, nickte und sprach: »Brad Weston, Coles Vater, bewirtschaftet etwa drei Meilen südlich der Stadt eine Farm. Cole hat den Landstrich vor langer Zeit verlassen. Ich habe niemals mehr wieder etwas von ihm gehört. Bei allen Heiligen! Getaugt hat der Bursche noch nie sehr viel. Aber dass er zum Mörder wird …« Der Stallmann schüttelte ungläubig den Kopf. »Dabei sind seine Eltern und sein Bruder ausgesprochen anständige Leute. Sie sind ins Territorium gekommen, um die Mörder Ihrer Angehörigen zur Rechenschaft zu ziehen, wie?«

»Ja. Ich gehe etwas essen. Kann ich mein Pferd so lange bei Ihnen unterstellen?«

»Natürlich.«

McQuade griff nach der Henrygun und zog sie aus dem Scabbard. »Versorgen Sie das Pferd gut«, murmelte er. »Es darf ihm an nichts fehlen.«

»Machen Sie sich keine Sorgen, Mister. Darf ich Ihren Namen erfahren?«

»McQuade.«

Der erschöpfte Mann legte sich das Gewehr auf die Schulter, schwang auf den Absätzen herum und stakste davon. Leise und melodisch klirrten die Räder seiner Sporen. Der lange Staubmantel schlug beim Gehen um seine Beine.

McQuade fand den Saloon, betrat ihn und setzte sich an einen leeren Tisch. Das Gewehr lehnte er gegen die Tischkante. An einem anderen Tisch saßen drei ältere Männer, die ihn unverhohlen musterten. Der Keeper kam hinter dem Tresen hervor. »Was darf ich Ihnen bringen, Mister?«

»Ich habe Hunger und Durst.«

»Ich kann Ihnen ein Steak braten.«

»Hervorragend.«

»Was möchten Sie trinken?«

»Lediglich ein Glas Wasser.«

»Wie Sie meinen.« Der Keeper machte kehrt und strebte der Theke zu. Kurz darauf brachte er einen Krug voll Wasser, den er wortlos vor McQuade hinstellte, und entfernte sich wieder, um gleich darauf durch eine Tür hinter dem Tresen zu verschwinden.

McQuade trank einen Schluck. Die Männer am anderen Tisch schienen das Interesse an ihm verloren zu haben, denn sie beachteten ihn nicht mehr und sprachen gedämpft miteinander. Draußen wuchsen die Schatten schnell, krochen über die heiße Fahrbahn und stießen gegen die Fronten der Häuser auf der anderen Seite. Schnelle Schritte riefen auf dem Vorbau ein hallendes Echo wach. Dann wurden die Flügel der Pendeltür aufgestoßen und ein hochgewachsener, hagerer Mann betrat den Schankraum. Knarrend und quietschend schlugen die rot gestrichenen Pendel der Tür hinter ihm aus. Der Stern, der an seiner linken Brustseite funkelte, sprang McQuade regelrecht in die Augen.

Der Sheriff trug eine Schrotflinte am langen Arm. An seinem linken Oberschenkel hing das Holster mit dem schweren Coltrevolver. Der Gesetzeshüter bewegte sich geschmeidig, jede seiner Bewegungen mutete gleitend und katzenhaft an. McQuade war sofort klar, dass dieser Gesetzeshüter ein bemerkenswerter Mann war - ein Mann, an dem alles gefährlich und unberechenbar erschien und von dem eine starke, zwingende Strömung ausging.

Vor McQuades Tisch blieb der Sheriff stehen. Der Blick seiner blauen Augen saugte sich regelrecht am Gesicht McQuades fest. Sekundenlang schien er den Mann aus Texas einzuschätzen, sich ein Bild von ihm zu machen, dann stieß er hervor: »Bei mir war Stan Butcher vom Mietstall. Er hat mir berichtet, was Sie nach Willcox getrieben hat.«

Sekundenlang schien McQuade den Worten hinterher zu lauschen, dann nickte er und sagte: »Dem Gesetz in Arizona sind die Hände gebunden. Weston und seine Kumpane werden hier im Territorium nicht gesucht. Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass sie niederträchtige Mörder sind. Darum müssen Sie büßen. Ich will den Schuften eine blutige Rechnung präsentieren.«

»Sie sind voll Hass. Hass aber führt in die Hölle.«

McQuade verschränkte die Arme vor der Brust. »Vielleicht hasse ich die Killer. Aber das spielt keine Rolle. Sie müssen bestraft werden. In einem Fall wie meinem versagt das Gesetz. Deshalb …«

»… wollen Sie es selbst in die Hand nehmen!«, schnitt der Sheriff McQuade schroff das Wort ab. In seinen Mundwinkeln setze sich ein harter Zug fest, seine Augen verengten sich und wurden zu schmalen Schlitzen, zwischen denen es unheilvoll glitzerte. »Sie sind weder Richter noch Henker, McQuade. Ich dulde in meinem Bezirk keine Selbstjustiz. Sollten Sie dennoch meinen, hier den wilden Mann spielen zu dürfen, werde ich Ihnen in die Suppe spucken. Nehmen Sie sich meine Worte zu Herzen. Ich trete ihnen verdammt empfindlich auf die Zehen, wenn Sie gegen meine Regeln verstoßen.«

McQuade spürte, wie in ihm der Zorn in die Höhe kroch. Sekundenlang presste er die Lippen zusammen, so dass sie nur noch eine dünne, blutleere Linie in seinem Gesicht bildeten. Dann stieg es rau aus seiner Kehle: »Soll das eine Drohung sein, Sheriff?«

»Eine Warnung, Mister. In diesem Landstrich verkörpere ich das Gesetz.« Er tippte sich mit dem Daumen seiner linken Hand gegen die Brust. »Und daran sollten Sie immer denken – egal was Sie tun.«

»Damit wären die Fronten ja geklärt«, knurrte McQuade.

»Sie sollten sich meine Warnung zu Herzen nehmen«, versetzte der Gesetzeshüter, schwang herum und verließ den Saloon. Seine Schritte verklangen.

Gedankenvoll nagte McQuade an seiner Unterlippe.