Im Staat der Weiber gibt es eine Chefin. Die kennt jeder. Das Besondere an der Chefin ist, dass sie nichts sagt, aber ganz viel redet. Immer wenn die Chefin redet, hören alle zu. Dann sagt die Chefin Sätze, die jeder Bonobo verstehen kann. Da 90 % der Bonobos total verblödet sind, kann man sich denken, wie einfach strukturiert solche Aussagen sind. Typische Sätze sind dann:
„Ich habe darüber nachgedacht und bin der Meinung, dass es hierfür keine Lösung gibt. Es ist absolut ohne Alternative, da es keine Lösung gibt. Deshalb werde ich mich dafür entscheiden, was für mich am besten ist. Ich kann aber nicht sagen, dass ich morgen auch so denke. Wahrscheinlich ist morgen alles anders. Deshalb gibt es auch dafür keine Alternative. Es gibt auch keine Alternative zu irgendeinem Problem der Zukunft.“
Die Bonobos hören sich diese Sätze an und verstehen, dass die Chefin so schlau ist, dass sie die Welt nicht versteht. Das ist für die Bonobos Philosophie. Denn wenn die Chefin die Welt nicht versteht, wie soll das dann ein Bonobo können? Deshalb gilt die Chefin auch als die schlaueste Bonobo.
Die Chefin denkt sich manchmal verrückte Dinge aus. Das war einmal der Fall, als sie morgens vor die Presse trat und sagte:
„Ich habe schlecht geschlafen. Da kam mir der Gedanke, dass wir keine Kohle mehr brauchen. Und auch kein Gas. Deshalb steigen wir aus allen Energieformen aus und lassen Bonobomännchen Fahrrad fahren. Die erzeugen dann den benötigten Strom.“
Die Bonobos waren sehr überrascht über diese Rede. Noch gestern hatte die Chefin immer gesagt, dass man ohne Kohle und Gas nicht leben kann. Da aber gestern ein Grubenarbeiter in einer Zeche von einem Herzinfarkt dahingerafft wurde, hatte die Chefin beschlossen, dass man lieber Fahrrad fahren sollte als Kohle zu fördern.
Das fanden alle schlau. Sofort machten sich die Ministerinnen daran, Pläne auszuarbeiten. Man erstellte einen riesigen Einsatzplan für Bonobomännchen, die jetzt in gewaltigen Fahrradkolchosen organisiert wurden. Zwar gab es leise Kritik von einigen Ewiggestrigen, die anmerkten, dass man durch Fahrradenergie nicht eine große Nation mit Strom versorgen kann. Diese dummen Kritiker wurden aber sofort mundtot gemacht und ignoriert.
Seit diesem Tag geht es den Fahrradherstellern im Staat der Weiber blendend. Die Erzeuger von Gas und Kohle waren aber sauer. Das war kein Problem, denn die Chefin versprach den Unternehmen, dass man die Kosten, die durch die Abwicklung der Gas- und Kohlewerke entstehen würden, alle vom Amt bezahlen lassen würde. Da waren die Unternehmen froh und beschlossen, dass sie jetzt Fahrräder bauen. Das Amt erstellte auch sofort eine Initiative. Sie nannte sich:
„Fahre für Licht“.
Hunderttausende Bonobomännchen wurden in ein Arbeitsprogramm integriert. Seit diesem denkwürdigen Tag, fahren die Bonobos am Tag kilometerweise Strom ein. Leider reicht das hinten und vorne nicht. Denn egal, wie sehr sich die Bonobos auch anstrengen, es gelingt einfach nicht, genügend Strom zu erzeugen. Als die Chefin darauf hingewiesen wurde, dass es nicht genügend Strom gibt, sagte sie:
„Wir haben nicht genug Bonobomännchen, die Fahrrad fahren. Deshalb gibt es manchmal keinen Strom. Ich habe deshalb das Kabinett angewiesen, neue Gesetze zu erlassen. Dazu gibt es keine Alternative. Wir werden Gesetze beschließen, die jeden Bonoboaffen daran hindern, nicht genügend Fahrrad zu fahren.“
Nachdem die Gesetze beschlossen waren, musste jeder Bonobobürger, sogar auch die weiblichen, eine Steuer bezahlen. Diese Steuer nannte sich Lichtsteuer. Außerdem wurden alle Bürger dazu verpflichtet, den Strom nur im Notfall zu nutzen. Die neue Politik der Chefin war aber dennoch richtig. Dachten zumindest die Meisten. Als es dann immer enger mit der Stromversorgung wurde, hatte die Chefin sofort einen Plan.
„Ich habe beschlossen, einige Kohlekraftwerke wieder in Betrieb zu nehmen. Dazu gibt es keine Alternative. Wir werden mit einer Mischform aus Kohle- und Fahrradenergie leben.“
Die Besitzer der Kohlekraftwerke mussten nun ihre Werke wieder errichten, die sie auf Kosten des Amtes, alle stillgelegt hatten. Sie wandten sich an die Chefin und fragten, ob das Amt das nicht auch bezahlen könnte. Die Chefin sagte sofortige Unterstützung zu und so bezahlte das Amt auch die Wiedererrichtung der Werke.
Als man dann merkte, dass aber auch das nicht zur Stromversorgung ausreicht, hatte die Chefin die Nase voll. Sie trat also vor die Presse und sagte:
„Ich habe schlecht geschlafen. Deshalb habe ich beschlossen, alle Kohle- und Gaswerke wieder in Betrieb zu nehmen. Dazu gibt es keine Alternative. Das Fahrradfahren ist ab jetzt nicht mehr bindend.“
Als das die Bonobos hörten, waren sie sich nicht sicher, ob das alles so richtig war. Denn man hatte sich schon daran gewöhnt, dass man nicht immer Strom hatte. Da es aber besser war, jetzt wieder mit Strom gut versorgt zu sein, fanden alle die Entscheidung der Chefin richtig. Die Presse lobte die Voraussicht und Weitsicht der Chefin und die Börsen verzeichneten ein neues Jahreshoch.
Es gibt im Staat der Weiber viele befreundete Staaten. Der Bonobostaat ist eigentlich mit allen befreundet. Außerdem hat der Staat unerschöpfliche Geldreserven. Das sieht man immer daran, dass bei jedem Unglück, das einem anderen Land widerfährt, der Staat der Weiber Millionen spendet. Auch wird sofort Unterstützung gewährt. All das bezahlt das Amt.
Ein böser Bonobo hat mal ein schlimmes Gerücht verbreitet. Der total verblödete Bonobo hatte behauptet, dass er ganz genau gesehen hätte, dass im Keller des Amtes nachts immer Geld gedruckt würde. Da haben alle gelacht und auch die Presse hat dann bewiesen, dass es im Keller des Amtes gar keine Maschinen gäbe, die Geld drucken könnten. Die Chefin sagte dazu gar nichts, was damit der Sache sowieso kein Gewicht verlieh.
Der gleiche Bonobo blieb aber bei seiner Behauptung und sagte noch Schlimmeres. Er sagte, dass er wüsste, dass die Chefin abgehört würde. Das konnte er beweisen. Er hatte nämlich heimlich Mitschnitte gesammelt, die ganz viele befreundete Staaten, von den Gesprächen der Chefin angefertigt hatten.
Das war schon schwerer zu widerlegen. Deshalb äußerte sich die Chefin dazu öffentlich:
„Ich denke, dass man allen Bonobos trauen sollte. Vertrauen ist gut. Besonders unter Freunden.“
Danach war die Sache für die Chefin erledigt. Als dann der böse Bonobo aber immer weitere Beweise vorlegte und es stückchenweise herauskam, dass überall im Amt der Chefin Spione anderer Länder saßen, wurde die Chefin wütend. Sie sagte:
„Vertrauen ist gut. Kontrolle ist auch gut. Ich vertraue und erwarte es auch von anderen.“
Diese ungewöhnlich harten Worte der Chefin verfingen total. Denn es änderte sich nichts. Das wusste aber die schlaue Chefin. Denn sie wusste schon immer, dass sie von Spionen umgeben war. Aber eigentlich war das auch nicht schlimm, denn es gab gar nichts im Staat der Weiber, das andere nicht hätten wissen dürfen. Es gab keine technischen Geheimnisse, denn der Staat forschte ergebnislos. Es gab keine militärischen Geheimnisse, denn die Chefin verschenkte eh alle Neuentwicklungen im Staat der Weiber an andere Länder. So wussten alle über den Stand der militärischen Forschung Bescheid. Es gab aber auch sonst kaum Geheimnisse im Bonoboland.
Eine Sache aber, wurmte die Chefin sehr. Als sie erfuhr, dass man alles, was sie sagte, mitschnitt, wusste sie auch, dass man dann wohl gehört hatte, dass sie gerne Calamares isst. Das wollte die Chefin aber nicht preisgeben. Jetzt wusste sie aber, dass alle anderen Staaten wussten, dass sie ein Calamaresfan ist. Das fand sie schlimm. Aber so war es eben in der Politik.
Damit musste sie jetzt leben. Dennoch schickte sie eine Ministerin zu den Freunden, damit es für die Bonobos wenigstens den Anschein hatte, als wäre der Vorgang ärgerlich. Sie empfand es nicht als ärgerlich, denn das war doch klar. Schließlich wusste die Chefin, dass es hunderte von Einrichtungen im Land der Bonobos gab, die alles mitschnitten, was geredet wurde. Das war schon immer bekannt. Zwar gab es ein Fernmeldegeheimnis im Staat der Weiber. Aber das gilt doch nur für die einheimischen Unternehmen. Für alle anderen gilt das aber nicht.
Im Staat der Weiber gibt es tausende Altenheime. Denn 60 % der Bevölkerung ist uralt. Da die alten Bonobos aber betreut werden müssen, gibt es eine gewaltige Industrie, die für die Betreuung Geld kassiert. Das Geld kommt natürlich vom Amt. Denn kein Bonobo kann sich eine Pflege für sich selbst, oder gar andere, leisten.
Der Pflegenotstand ist dennoch groß. Deshalb braucht man ständig neue Arbeiter. Da die Bonobomännchen aber auch altern und es nicht genügend Nachwuchs gibt, muss man die Arbeiter aus dem Ausland importieren. Man hätte das Problem auch dadurch lösen können, dass man die einheimischen Bonobomännchen mehr als eine Minute arbeiten lässt und nicht vom Amt abhängig hält. Das war der Chefin aber zu riskant, denn je weniger Menschen vom Amt leben, desto weniger Macht hatte sie.
Da die ausländischen Arbeiter mehr als eine Minute arbeiten können, entschied man sich für den Import. So wanderten ganz viele Affenarten ein, die man früher in dem Land nicht gesehen hatte.
Sie brachten ihre Kultur und ihre Angewohnheiten mit und wurden auch alt. Dann mussten sie betreut werden, und da sie sich mittlerweile im Staat der Weiber heimisch fühlten und sich auch keine Pflege leisten konnten, musste das auch wieder das Amt bezahlen. So löste der Import von Arbeitskräften das Problem nicht, sondern vergrößerte es.
Die Chefin sagte dazu:
„Das Problem ist das Bonobomännchen. Es macht zu wenig Sex.“
Das war natürlich nicht ganz ehrlich von der Chefin. Denn man braucht gar kein Bonobomännchen, um ein Kind zu bekommen. Die künstliche Befruchtung ist fast immer die Regel. Dennoch aber fanden das die Bonobos treffend formuliert, denn irgendwer muss an dem ganzen Schlamassel schuldsein.
Die Überalterung der Gesellschaft hat aber auch positive Aspekte. Denn in den Altersheimen spielen sich Szenen ab, die es sonst nicht gibt. Da wird gefeiert und getrunken, da wird gelebt, dass sich die Balken biegen. Die alten Bonobos pfeifen auf alles. Da sie nichts mehr zu verlieren haben, leben sie jeden Tag, als wäre das der letzte. Es ist ein nicht zu unterschätzender Markt entstanden, der speziell auf die Bedürfnisse der Alten zugeschnitten ist. Es gibt extra Musiklabels für die Alten, es gibt eigene Bekleidungsdesigner.
Die Alten haben am meisten Geld. Denn das Amt zahlt für einige der Alten richtig gut. Leider gibt es aber auch viele, für die das Amt nur den Basistarif aufwendet. Das sind meist die Bonobomännchen. Sie vegetieren eher in den Heimen, denn der Basistarif enthält kaum Leistungen. Persönliche Betreuung erhalten diese bedauernswürdigen Geschöpfe überhaupt nicht, da sie die Sprache der Betreuer eh nicht verstehen und im Basistarif eine Übersetzung nicht enthalten ist.
Die wenigen jungen Bonobos sind aber sauer auf die Alten. Durch die immensen Pflegekosten erhalten sie meist keine Ausbildung. Niemand bildet mehr junge Bonobos aus, deren Lohnnebenkosten so hoch sind, dass sie niemand bezahlen kann. Mit den Lohnnebenkosten werden nämlich auch die Alten finanziert. So sind sich die Jungen und die Alten im Staat der Weiber spinnefeind.
Einmal wurde der Chefin mitgeteilt, dass der Staat der Weiber bald pleite ist. Da es zu wenige Einnahmen durch Steuern gab, sich aber gleichzeitig explodierende Kosten der Sozialsysteme entwickelten, wurde es eng mit dem Geld des Staates.
Die Chefin beschloss daher, dass man alle Steuersünder finden müsste. Das Finanzministerium kaufte dann von Kriminellen ganz viele Datenträger, auf denen man alle Steuersünder finden konnte. Als man im Staat der Weiber davon hörte, dass der Staat Steuersünder kennt, zeigten sich alle vorsorglich selber an, da sie dadurch Straferleichterung erfuhren.
Eine Welle der Selbstanzeigen ging durch den Bonobostaat und bald sprudelten die Einnahmen der Finanzämter wieder.
Das ist aber Selbstbetrug. Die Einnahmen der Staatskasse sind nur kurzzeitig dadurch verbessert worden. Das Problem ist nämlich, dass der Staat der Weiber schon seit Jahrzehnten auf Pump lebt.
Man weiß nicht genau, wem der Staat der Weiber eigentlich gehört, denn der Schuldenberg ist so hoch, dass auf jeden Bonobo Zehntausende an Schulden kommen, und das schon bei seiner Geburt.
Nun ist das nicht nur beim Staat der Weiber so. Fast alle Staaten auf der Welt sind verschuldet. Es gibt ganz listige Staaten, die klammheimlich andere aufkaufen. Das sind meist die Staaten, die nicht alle Einwohner in ihrem Land vom Amt leben lassen. So gehört die Welt eigentlich nicht den Einwohnern der Welt, sondern einigen Staaten, deren Namen man nicht kennt.
Der Staat der Weiber ist deshalb einer Union beigetreten. Sie nennt sich Union der Vereinigten Völker (UVV) und vereinigt viele Länder. Es gibt reiche Länder in dieser Union und bettelarme. Die reichen Länder haben ein großes Amt, von dem alle leben, und die armen Länder haben gar kein Amt oder nur ein sehr kleines.
Man führte eine gemeinsame Währung ein und öffnete alle Grenzen zwischen den Ländern. Die Bonobos konnten jetzt überall hinreisen, ohne Geld umtauschen zu müssen. Das war aber auch der einzige Vorteil. Nur für die Unternehmen war die neue Währung gut. Die konnten nämlich jetzt, von allen Zöllen und anderen Geldschwankungskursen befreit, ganz viele Dinge verkaufen.
Das war gut für die Unternehmen. Schlecht für die Bonobos war aber, dass alles immer teurer wurde. Es war eigentlich auch klar, dass man einen Apfel, der tausende Kilometer Reise hinter sich hatte, nicht genauso billig kaufen konnte, wie einen, der direkt um die Ecke gepflückt wurde.
Man erzählte den verblödeten Bonobos, dass die neue Währung doppelt so viel wert sei, wie die vorherige. In Wirklichkeit war aber alles doppelt so teuer für die Bonobos geworden und die Löhne waren gleich geblieben.
Deshalb erzählte das neu gegründete Amt für Statistik immer wieder, dass es keine Inflation gäbe.
Zwar wussten alle Bonobos, dass das nicht stimmte, aber es war nichts Besonderes im Staat der Weiber, wenn irgendetwas nicht ganz wahr war.
So war es mit allen Dingen. Die Währungsunion verteuerte alle Produkte ungemein. Nicht nur die Produkte waren extrem teuer, auch der Staat der Weiber musste ganz viele Federn für die Union lassen. Die Währungsunion war eine Ausgleichsgemeinschaft. Das ergab sich daraus, dass man immer mehr bettelarme Länder der Union anschloss. Diese Länder wollten auch von der neuen Währung profitieren. Das Problem war nur, dass die Währung für sie auch Nachteile brachte. Die Kaufkraft dieser Länder konnte mit den reichen Ländern nicht konkurrieren. Die Staaten brauchten dann bald Hilfe, denn sie wären sonst bankrott. Nun wollte man aber niemanden bankrott gehen lassen, der in der Union war. Deshalb bezuschussten die reichen Länder die armen. Das wurde für den Staat der Weiber richtig teuer. So gingen Milliardenbeträge in einen großen Topf der Union, der die Gelder dann an die gefährdeten Staaten weiterleiten sollte. Dieser Topf war eine gut gemeinte Sache.
Leider aber, sind diese Beträge dann in den Taschen von Affen versandet, die das Geld nicht an ihre Völker weiterleiten wollten und sich lieber selbst etwas geleistet haben. Das passierte sehr oft.
Gleichzeitig ist der Staat der Weiber aber noch von einer anderen Gefahr bedroht und das sind die Banken.
Die Banken spielen im Staat der Weiber eine große Rolle. Sie sind fast so mächtig wie das Amt. Sie sind eigentlich Spieler.
Banken gründen sich nämlich deshalb, weil sie gerne Roulette spielen. Da die Spielernatur der Banken aber schon Suchtcharakter hat, werden ihre Spiele immer gefährlicher. Manche Banken spielen um ganze Staaten. Sie wetten auf den Verfall oder auf den Untergang. Manchmal wetten Banken auch auf die Währung. Das beeinflusst die Börse. Wenn zu viele Banken gleichzeitig auf etwas wetten, kann es passieren, dass eine gut gehende Sache auf einmal ganz schlecht dasteht.
Die Wettleidenschaft hat die Chefin voll im Griff. Sie fürchtet die unberechenbaren Banken.
Deshalb hilft sie den Banken, so gut sie kann, weil sie die Hoffnung hegt, dass die Banken sich dann etwas beruhigen. Aber leider kennt die Chefin sich da nicht sehr gut mit Sucht aus. Süchtige machen immer weiter. Es ist eigentlich auch grundverkehrt, wenn man einem Alkoholiker den ganzen Tag Alkohol anbietet. Das ist keine geeignete Therapie.
Aber die Chefin meint, dass man Alkoholiker den ganzen Tag besoffen machen sollte. Dann sehen die das irgendwann von alleine ein. So denkt die Chefin wahrscheinlich. Denn sie handelt so.
Die Banken sind aber systemrelevant. Das schwere Wort heißt eigentlich nur, dass eine Bank viel wichtiger ist, als ein Bonobo. Da die Bonobos aber den Banken ihr Geld geben, sind die Banken furchtbar reich. Sie verwalten das Geld der Bonobos, die alles brav versteuern. Oder, wenn sie vom Amt leben, dann eben einzahlen lassen.
Die Banken müssen zwar auch Steuern zahlen, aber wenn sie das nicht mehr können, weil sie zu lange Roulette gespielt haben, dann zahlen das die Bonobos von ihren Konten. Das System Bank ist deshalb so genial, weil nichts besser ist, als ganz viel Geld zu bekommen, mit dem man spielen kann.
Das Allerbeste ist aber, wenn man weiß, dass man niemals verlieren kann. Die Chefin hat vor nichts mehr Angst, als vor einer Bankenpleite.
Deshalb sagt die Chefin zu den Banken, dass die nicht so gierig sein sollen. Wenn sich die Banken aber davon nichts annehmen, dann ist es auch gut. Es ist eigentlich schade, dass es kaum Therapieplätze für die Zocker im Staat der Weiber gibt. Ich habe noch von keinem Banker gehört, der mal in einer Suchttherapie war. Das wäre aber dringend angeraten, denn die Banken verspielen alles Geld. Sie spielen so lange, bis kein Cent mehr im Volksvermögen übrig ist. Die Chefin hat deshalb ganz viel Druck ausgeübt und gesagt:
„Liebe Banken, bitte spielt, wenn ihr spielt, nicht um den ganzen Staat. Denn schließlich lebt ihr auch in diesem Land. Also tut mir den Gefallen und spielt nur um einige Bonobokonten, die ihr dann behalten könnt. Ich helfe immer gern, aber ich will an der Macht bleiben. Deshalb bitte ich euch, liebe Banken, lasst wenigstens das Chefinnenamt stehen. Das wäre ganz super lieb von euch.“
Die Banken haben das Signal erkannt und sich dann auch ganz brav verhalten. Zumindest nach außen hin. Die Sucht war aber bei einigen Banken derart groß, dass sie dann einfach wieder zocken mussten. Sie waren wie im Wahn und zockten so lange, bis beinahe die ganze Welt pleitegegangen wäre.
Die Bonobos waren darüber auch richtig sauer. Aber keiner konnte den Banken Einhalt gebieten.
Da gibt es eine Frau, die Bundeskanzlerin werden will. Die ist schlauer als alle anderen. Das war die schon immer.
Dass Allerschlaueste aber, war damals am 11.09.
Ich weiß noch ganz genau, da flogen die Flugzeuge in die Türme und wir waren alle völlig entsetzt über das, was wir da sahen.
Es hatte sich niemand geäußert, es wusste gar keiner richtig, was da eigentlich passiert war.
Aber die Merkel war die Erste, die sich, im deutschen Fernsehen dazu geäußert hat.
Frau Merkel ist eine Person, die eine Übersicht hat, die man sonst niemandem mehr zutrauen kann.
Die Frau Merkel hat sofort alles begriffen.
Die war, noch bevor die Täter benannt wurden, die dann blitzschnell durch die Amerikaner benannt wurden, aber noch lange davor, hat die schon gewusst, wer es war.
Es waren die Feinde der Freiheit.
Ich meine, das passt immer.
Die Feinde der Freiheit haben die Freiheit bedroht.
Das klingt zwar wie ein schlechtes Gedicht, wurde aber so von Frau Merkel gesagt und sie hat dann auch gezeigt, dass sie als Frau in dieser Männerdomäne durchaus Berechtigung hat, indem sie sagte, dass mit allen Mitteln zurückgeschlagen werden muss.
Sie hat gesagt: Mit allen verfügbaren Mitteln muss zurückgeschlagen werden.
Bevor irgendein Mensch überhaupt wusste, wer oder was da eigentlich die Welt bedrohte, da wusste Frau Merkel schon, dass man mit allen verfügbaren Mitteln zurückschlagen muss.
Ich stelle mir mal vor, wenn die Frau Merkel wirklich deutsche Bundeskanzlerin werden würde.
Ich könnte mir gut vorstellen, wenn eine kritische Situation kommt, dann drückt die gleich auf den roten Knopf.
Das ist vielleicht für eine Frau auch besonders wichtig, um es den Männern gleich zu tun und sich in einer solchen Machtposition zu beweisen, aber das wäre für uns alle ein bisschen verheerend.
Deswegen mache ich mir auch Sorgen bei der Frau Merkel.
Sie hat in einer Podiumsdiskussion, das ist unvergessen, da hat sie, obwohl oder vielleicht gerade, weil sie aus dem Osten kommt, gesagt:
Die 68er Bewegung, die ist ihr völlig unbekannt.
Ich meine, das ist doch interessant.
Da muss man sich die Situation im Parlament vorstellen.
Da reden 68er Vertreter, die die Regierung stellen und die das alles mitgemacht haben, die Wessis, die reden mit einer Frau, der das alles total unbekannt ist.
Das ist doch kein Wunder, das da nichts mehr läuft zwischen SPD und CDU, das liegt doch auf der Hand.
Und wenn man sich solche Sachen vorstellt.
Der Stoiber, das ist ein Mann von einem ganz anderen Kaliber.
Der hat schon damals gewarnt und gesagt: Die Frau Merkel ist eine Bedrohung für unsere Partei.
Ja, aber auf den wollte keiner hören.
Und jetzt wird Frau Merkel bald Bundeskanzlerin, das wird rot-grün dann zwar nicht besser machen und unsere Republik auch nicht schlauer, aber am Ende kann sich rot-grün dann bedanken, dass sie überhaupt mal den Bundestag von innen gesehen haben.
Und das wird so kommen, glauben Sie mir. Das kommt so.
(Roger Reyab, 2002. Drei Jahre, bevor Merkel Kanzlerin wurde.)
In den heutigen Tagen ist jeder Charlie. Jeder will bekunden, dass er die Terroranschläge auf die Redaktion einer relativ in der Welt unbekannten Zeitung, namens Charlie Hebdo, ablehnt und aufs Schärfste verurteilt.
Seit Wochen sind die Qualitätsmedien nur noch damit beschäftigt, dieser gebeutelten Redaktion den Rücken zu stärken, und damit ihre Auflage von geschätzten 40- 60 000 Exemplaren auf Millionenniveau zu erhöhen.
Ich hatte mich etwas gewundert, dass diese Meldung, nämlich das die Redaktion eine derartige Steigerung der Auflage erwog, sehr schnell nach dem tragischen Ableben der Redakteure erfolgte. Der Terroranschlag der Islamisten, die nach vorherrschender Politikermeinung keine sind, war nämlich noch in vollem Gange, als die Redaktion diese trotzige Reaktion verkünden ließ.
Ich habe diese Zeitung noch nie gelesen, da sie wahrscheinlich auch in Französisch erscheint, und kenne auch deshalb nicht den ganzen Inhalt. Ich habe mir aber einige vergangene Cover angesehen und fand die Kunst, die diese Zeichner beherrschen, sehr gewöhnungsbedürftig. Ich bin kein Muslim, aber ich fand einige Darstellungen doch mehr als grenzwertig. Nun bin ich ein westlicher Mensch und daher nicht sehr sensibel, was die Herunterwürdigung von Kirchen und Religion angeht. Wir sind es im Westen lang gewohnt, dass die Kirchen eigentlich eine Art Punchingball sind, an denen sich jeder vergreifen darf. Da die Zahlen der Kircheneintritte proportional zu den Austritten abnehmen, ist dies aber auch nicht weiter verwunderlich.
Bei den Karikaturen der Zeitung Charlie fand ich aber auffällig, dass die Autoren wohl gerne den Islam und die katholische Kirche aufs Korn nehmen. Da sieht man einen Papst bei einer angedeuteten Masturbation mit einem Maulwurf und ganz viele Mohamed-Bilder.
Es war nach den Anschlägen in Paris sehr auffällig, dass viele Politiker zu ausgewiesenen Kunstexperten mutierten. Wenn man nämlich den Reden der Politiker vieler Länder lauschte, wurde einem sehr schnell bewusst, dass es ein Aufbäumen der freien Welt gegen jede Form von Beschneidung der Meinungsfreiheit und Demokratie war, die löwenartig verteidigt werden muss.
Wir haben alle die schlimmen Ereignisse in Paris verfolgt. In endlosen Schleifensendungen wurde die Bevölkerung von den Qualitätsmedien in einen ungeheuren Taumel gezogen. Da waren zwei Menschen, die offensichtlich so gefährlich waren, dass sie ganz Frankreich in einen Ausnahmezustand versetzten. 88 000 Polizisten jagten zwei Männer. Das war unglaublich. Ich dachte manchmal bei mir, dass es wohl zwei sehr mit James Bond im Bunde stehende Menschen und Krieger sein müssen, die eine ganze Nation so schockieren konnten. Und nicht nur eine Nation, sondern die ganze Welt.
Ich fragte mich auch manchmal, ob es zu dieser Zeit eigentlich ein El Dorado für andere Kriminelle gewesen sein muss. Ich weiß jetzt nicht, wie viele Polizisten Frankreich insgesamt hat, aber ich kann mir kaum vorstellen, dass bei diesem Aufgebot von fast hunderttausend Polizeikräften, jeder Verkehrsunfall noch aufgenommen werden konnte. Oder wie war es mit Bankräubern? Ging man dem noch nach und wenn ja, welche Kräfte waren das?
Ich hatte bei der Berichterstattung vielleicht keine Panik, wie das viele Menschen in den Qualitätsmedien bekundeten, denn ich lebe nicht in Paris und weiß auch nicht, ob ich da Angst gehabt hätte. Ich sah die ganze Zeit nur Polizisten, die überall waren. Das ist doch gut. Dann ist man sicher. Aber gegenteilig zu meinem Empfinden, betonte man immer wieder, dass diese rudimentären kleinen Einheiten nicht ausreichen können, um die Gefahr wirklich zu beherrschen.
Niemand der Qualitätsjournalisten stellte die Frage, warum man so viele Polizeieinheiten benötigt, um zwei Männer zu fassen.
Tatsächlich erfuhr man dann auch, dass die Einheiten ganze Landstriche durchsuchten, die aber eigentlich gar nicht so wichtig waren. Eine Reporterin berichtete, dass sie weder Straßensperren noch eine systematische Methodik erkennen konnte. Sie merkte an, dass sie, während sie bei dem Einsatz dabei sein durfte, gesehen hatte, dass man immer nur eine Seite der Ortschaften absuchte, um danach die andere Seite abzusuchen.
Sie merkte also an, dass es ihr merkwürdig vorkam, dass man so eigentlich alle potenziellen Verbrecher auf sich aufmerksam gemacht hätte und die Terroristen gewarnt hätte. Dieser Bericht der Qualitätsjournalistin fand aber keine weitere Beachtung, da die Medien betonten, dass es eben alles spontane Aktionen seien, mit denen niemand gerechnet hatte und deshalb eine gewisse Chaotik nicht vermeidbar wäre.
Wir haben Qualitätsjournalisten erlebt, die ständig an irgendwelchen Straßenkreuzungen, auf Äckern, in U-Bahnstationen und in leeren Straßen standen. Die Journalisten verstanden ihr Handwerk aber so perfekt, dass sie stundenlang über Dinge episch redeten, die eigentlich den Aussagewert einer Landschaftsbeschreibung eines Abwasserkanals hatten. Die Qualitätsjournalisten lobten, dass man in Frankreich über alles hautnah und ortsnah berichten konnte. Tatsächlich waren diese Journalisten nicht vor Ort, sondern meist kilometerweit entfernt. Die hochsensiblen Informationen, die uns die Journalisten verkündeten, hatten alle immer etwas Fragwürdiges. Vielleicht, möglicherweise, nach unbestätigten Meldungen, nach unkommentierten Zeugenaussagen, laut einem unbestätigten Pressebericht. Alles war absolut live und deshalb kann man sicher verstehen, dass man nicht alles sofort wissen kann. Da die Qualitätsjournalisten aber nicht fürs Schweigen, sondern für das endlose Lamentieren bezahlt werden, bemühte sich natürlich jeder Reporter und jede Reporterin, den Ereignissen besondere Schwere zu verleihen.
Man erfuhr erstaunliche Dinge. Einer, der mit James Bond im Bunde stehenden Superkriminellen, hatte seinen Pass in einem Fluchtauto vergessen. Das erinnerte frappant an den Ausweis von Mohamed Atta, der beim Anschlag auf das World Trade Center zwar nichts von den Türmen übrig ließ, im Gegenzug aber seinen Ausweis im pulverisierten Trümmermüll unbeschädigt hinterlassen hatte.
Man erfuhr, dass die beiden islamischen Terrorkämpfer, sich bei dem Terroranschlag auf die Satirezeitung in der Tür irrten, aber ansonsten auf den Anschlag professionell vorbereitet waren.
Frankreich befand sich im Schockzustand.
In endlosen Expertengesprächen wurde immer wieder die etwas naive Frage der Qualitätsmedien aufgegriffen, wie man sich vor so einem Anschlag in Zukunft schützen könne.
Niemand, der hier mehrfach wahrscheinlich kasernierten Experten, kam auf die Idee, einfach zu sagen, dass man sich davor natürlich nicht schützen kann. Zwar sagten einige Experten, dass es vielleicht immer ein Restrisiko geben würde, aber man alles tun müsse, um schon den Keim zu erfassen und zu neutralisieren.
Sehr schnell wusste die Polizei in Frankreich, wer diese furchtbaren Attentate verübt hatte. Obwohl auf den spärlichen Bildaufnahmen nur absolut vermummte Menschen zu identifizieren waren, die über irgendeine Straße liefen, war man sich sicher, dass man die Identität der beiden Superkriminellen verlässlich ausgemacht hatte.
Man sah diese Bilder überall. Der eine Mann hatte eine Glatze und der andere Mann einen Bart. Man erfuhr aber auch, dass es noch einen dritten Mann gab, der offensichtlich farbig war, und irgendwie mit den Attentätern familiär und ideologisch verbunden war.
Dieser Mann hatte eine Polizistin getötet und verschwand dann einen langen Tag lang aus dem Fokus der Ermittler. Obwohl niemand wusste, wo der Mann denn war, wie er bei einem solchen Polizeiaufgebot mit schweren Waffen entkommen konnte, und man auch nicht wusste, wo er schlief oder wie er sich tarnte, tauchte er erst wieder auf, als er in einem jüdischen Supermarkt Geiseln nahm.
Der ehemalige Leiter der GSG 9, der einmal die Geiselnahme in Mogadischu beendet hatte, sagte auch mehrmals zu den Qualitätsmedien, dass es ihm absolut unverständlich sei, wie dieser farbige Mann den Behörden die ganze Zeit nach seinem Mord an der Polizistin nicht in die Hände fallen konnte. Obwohl jeder normale Mensch am Bildschirm dachte, dass die Qualitätsjournalistin da einmal nachhakte, war es im Gegenteil so, dass man den Eindruck bekam, dass der alte Mann der GSG 9 doch nicht so einen Mist erzählen solle.
Anscheinend schien der betagte Mann das aber nicht zu merken, denn er insistierte immer wieder auf den Punkt, wie es sein kann, dass jemand bei einer Mordaktion eine Polizistin tötet und dann frank und frei durch eine Stadt irrt, die mehr Polizei beherbergt als bei einem Krieg.
Dieser Aspekt wurde nicht weiter gewürdigt, denn in der aktuellen Situation schossen Vermutungen ins Kraut, die der Dramatik der Ereignisse neues Futter gaben. Die Journalisten standen vor einer Halle, die angeblich als der letzte Zufluchtsort der Terroristen ausgemacht worden war.
Es handelte sich um ein Verlagshaus, oder andere sagten, um eine Cateringfirma für Flugzeugverpflegung, andere sagten, dass man eben nicht weiß, was es ist. Das war wieder sehr merkwürdig. Es bedarf doch sicher auch für die Qualitätsjournalisten keines großen Aufwandes, wenn man da einmal Google bemüht, bevor man stundenlang darüber mutmaßt, was für eine Firma das eigentlich ist.
Jedenfalls war diese Fabrikhalle der Ort, an dem Weltgeschichte geschrieben wurde.
Der Zuschauer der Ereignisse sah nichts. Einmal sah er den Acker und einen Hubschrauber und dann sah er eine Kreuzung, an der Verkehrskontrollen erfolgten. Auffällig war, dass man den Eindruck erwecken wollte, dass die Fabrikhalle in der Nähe eines Flughafens wäre, den man nun hermetisch abgeschirmt hätte. Irgendwie war diese Information nicht ganz verständlich, denn es kann selbst einem James Bond doch nicht gelingen, aus einer, von tausenden Polizeikräften umzingelten Halle, noch zum Flughafen zu gelangen.
Vielleicht wollte man aber auch verhindern, dass Terroristen mit Flugzeugen landeten, um die eingeschlossenen Dschihadisten zu befreien.
Wie auch immer.
Man sah ständig Reporter, die alles über die Vorgänge in der Halle wussten. Man musste aber, selbst bei wohlwollender Begutachtung konstatieren, dass alle Informationen, die die Qualitätsjournalisten kundtaten, direkt aus Quellen der Staatsanwaltschaft und der Polizei stammten. Eigentlich berichteten die Journalisten also nicht. Sie gaben einfach stoisch alles weiter, was gerade offiziell in Pressemitteilungen an sie herausgegeben wurde. Die Qualitätsjournalisten waren so dankbar dafür, dass man sie im Fernsehen reden ließ, dass sie nicht einmal auf die Idee kamen, sich vielleicht selbst ein Bild der Lage zu verschaffen.
Unhinterfragt wurden die Informationen für bare Münze genommen, die man weder nachgeprüft hatte, noch die man hätte nachprüfen können. Da die Qualitätsmedien aber darin geschult zu sein scheinen, dass man als Journalist nicht übermäßig selbstständig recherchiert, sondern einfach vertrauensvoll nachbetet, was einem angetragen wird, erfüllten die Journalisten ihren Auftrag ohne Reue.
Die Ereignisse schienen sich zuzuspitzen. Ständig kamen neue Eilmeldungen, die alle wieder den bekannten „Vielleicht-Möglicherweise-Aspekt“ innehatten.
Als der farbige Mann einen Supermarkt überfiel, war das Drama an Spannung aufgeladen. Tausende von Polizisten wurden sogleich an den Ort des Geschehens verbracht, die sich eigentlich mehr gegenseitig behinderten, als der Sache dienlich zu sein. Man sah nun eine Qualitätsjournalistin, die ständig von einer abgesperrten U-Bahnstation berichtete und neben sich absolut gelangweilte Polizisten hatte, die wohl keine Aufgabe erfüllten, als sich die Häuserkulisse einzuprägen. Ambulanzen wurden geordert und man wusste nicht, ob der islamische Täter 2 oder 10 oder 100 oder vielleicht auch gar keine Geiseln hatte.
Bei den Terroristen in der Halle vernahm man merkwürdige Angaben über die Geiseln, die sich in deren Gewalt befanden. Mal war es ein 28-jähriger Mann, dann der Geschäftsführer, dann ganz andere Personen.
Man stellte sich zwangsläufig die Frage, ob so eine große Halle an diesem Tag derart verwaist war, dass man nur eine Geisel hätte finden können. Schnell erfuhr man aber auch, dass die Dschihadisten eh nicht mehr leben wollten und als Märtyrer sterben wollten. Ein Zeuge soll angeblich, wie man später erfuhr, ständig in der Halle unbemerkt das Geschehen verfolgt haben und über Handy der Polizei Lageberichte gegeben haben. Woher hatte denn der Zeuge die Telefonnummer der Einsatzzentrale? Oder hat er 110 angerufen, oder was immer in Frankreich der Notruf ist. Hat man ihn dann auch erst gefragt, wo er wohnt, was er beruflich macht und wie er heißt? Hatte er Angst, als er diese heldenhafte Mission im Angesicht des Todes ausführte? Warum sieht man ihn nicht jeden Tag im Fernsehen, denn dieser Zeuge ist doch Gold wert?
Ein Telefon spielte auch bei dem farbigen Mann eine Rolle. Er soll nämlich sein Handy die ganze Zeit auf Empfang gehabt haben. Ja, das ist natürlich schlecht. Während der professionelle Killer, der ganz Paris in Atem hält, seine Untaten minutiös und kaltblütig umsetzt, vergisst er, sein Handy auszuschalten.
Was einen aber auch wundert, denn wenn ich in einer Situation bin, in der die ganze Welt mich jagt, telefoniere ich dann wirklich in der Gegend herum? Dann soll der farbige Dschihadist gefordert haben, dass man die zwei Männer in der Fabrikhalle freilässt. Er soll damit gedroht haben, dass er alle Geiseln tötet, wenn den beiden Brüdern in der Halle etwas geschieht.
Man sagte den Zuschauern dieses Dramas manchmal, dass es noch lange dauern könnte, bis die Terroristen einen Zugriff erleben würden. Dennoch erfolgte dann ein Zugriff zur besten Sendezeit, zumindest internationaler Zeitrechnung, der eigentlich als ein komplettes Desaster beschrieben werden kann.
Vier Geiseln tot. Alle Dschihadisten tot. Die Bilder vom Einsatz der Ordnungshüter wirkten auch verwirrend, wenn man die Theorie in Rechnung stellt, die dann behauptet wurde. Man sah Rauchblitze und Leuchtmunition über der Halle, behauptete aber, dass die Dschihadisten von allein aus der Halle gestürmt wären und dann erschossen worden wären. Warum es dann allerdings Rauchblitze gab, die angeblich die um sich schießenden Mörder blenden sollten, hielt auch der ehemalige Leiter der GSG 9 für eher unwahrscheinlich. Zumindest wurde angedeutet, dass es vielleicht auch nicht so war und die Kräfte das Gebäude gestürmt haben. Ganz genau wollte das aber auch kein Qualitätsjournalist wissen.
Mit einem Gesicht der offensichtlichen Erleichterung schienen die Journalisten das Vorgehen der Polizei zu bewundern. Alle Dschihadisten tot. Das war eben gute Arbeit. Niemand sagte, dass man niemals den Tod eines Menschen, egal wie schuldbeladen er sein mag, dass man niemals so etwas beklatschen sollte. Es ist zwar verständlich, dass man die Opfer zunächst für wichtiger und erwähnenswerter befindet, aber dann auch nicht gelungen, wenn viele unschuldige Menschen gestorben waren. Im Gegensatz zu dem Einsatz der GSG 9 in Mogadischu, bei dem keine Geisel starb, hätte man das Vorgehen der Einsatzkräfte eigentlich als dilettantisch bezeichnen müssen.
Entgegen der Annahme, dass nun hier Spezialkräfte einen chirurgischen Angriff versuchten, sah man Hunderte von Polizisten, die von zwei Seiten in den Supermarkt stürmten. Das sah etwas befremdlich aus.
Sofort nach Beendigung der beiden Geiselnahmen und den terroristischen Attacken in Paris, begannen alle wesentlichen Politiker damit, den Verlust der Menschen zu beklagen, die bei den schlimmen Anschlägen ums Leben gekommen waren.
Über die Täter erfuhr man so gut wie nichts. Man sagte dann aber etwas, was einen schon fast am guten Glauben einiger Qualitätsjournalisten zweifeln ließ. Einige Journalisten brachten tatsächlich die vollkommen absurde These ins Gespräch, dass die Freundin des farbigen Mannes, der den Supermarkt überfallen hatte, dass diese Freundin tatsächlich beim Stürmen des Supermarktes, als Geisel getarnt, entkommen wäre. Dies war die Krönung der Absurdität. Während 88 000 Polizisten durch Paris streifen, entkommt eine bis dato unbekannte Freundin der berühmtesten Attentäter Frankreichs im Tumult der Ereignisse.
In der Konsequenz wurden Maßnahmen angekündigt, die die Bevölkerung in Zukunft vor solchen Anschlägen schützen sollen. Als Herr Hollande und Frau Merkel und die gesamte Politprominenz der Welt durch Paris einen Trauermarsch antraten, sah man von einer Terrorgefahr eigentlich nichts. Es nimmt Wunder, dass die logistisch derart begabten Superkriminellen, die angeblich diese Attentäter unterstützten, auf diesen Anlass nicht geradezu gewartet hätten. Nun hätten sie einen Anschlag verüben können, der sicher effektiver gewesen wäre, als der, bei dem unschuldige und nicht mit politischen Ämtern befasste Personen umkamen. Aber nichts geschah, denn die sich nun posthum bekennende Al- Kaida, hatte wohl kein Interesse, ein solches Ereignis durch weiteren Terror aufzuheizen.
Andere betonten, dass man den Terror weiter offensiv in der Welt an allen Schauplätzen bekämpfen muss und es daher eher zu einer Ausweitung einiger Länder im Engagement für Freiheit und Demokratie kommen müsse.
Die Auflage von 5 Millionen Exemplaren der Mittwochsausgabe werden dem Verlag aber dennoch 15 Millionen Euro bescheren.
Für mich ist aber die Freiheit der Presse dann gegeben, wenn man von Journalisten erwarten kann, dass sie Dinge gewissenhaft recherchieren, Widersprüchen nachgehen, offizielle Verlautbarungen kritisch hinterfragen und als Kontrollfunktion der Mächtigen fungieren. Erfüllt die Presse diese Aufgabe nicht, handelt es sich um Hofberichterstattung.
Deshalb tut es mir leid. Aber ich bin nicht Charlie.