RONALD M. HAHN

 

 

HARDCORE-WESTERN

XIV. Blinde Wut und heiße Ladies

 

 

 

 

Roman

 

 

 

Apex-Verlag/Edition Bärenklau

Inhaltsverzeichnis

Das Buch 4 

Der Autor 5 

BLINDE WUT UND HEISSE LADIES 7 

 

Das Buch

 

 

Eigentlich hält sich der Journalist und Frauenheld Drew Carrington nur in Glenwood Spring auf, um den im Sterben liegenden Doc Holliday zu interviewen. Doch ehe er sich versieht, wird er in einen mysteriösen Mordfall verwickelt: Der steinreiche Rancher McCormick beißt ins Gras, und seine Söhne tun sich zusammen, um Glenwood Spring von menschlichem Unrat zu säubern.

Carrington wird unter Gewaltanwendung der Stadt verwiesen – zusammen mit dem alten Revolvermann Harry und der hübschen Hure Martina. Als sie vor einem Unwetter in einer verlassenen Handelsstation Schutz suchen, verschlimmert sich die Situation: Der geheimnisvolle Mr. Briggs taucht auf, den die rachsüchtigen Söhne des Toten für den Mörder ihres Vaters halten...

 

 

Der Autor

 

Ronald M. Hahn, Jahrgang 1948.

Schriftsteller, Übersetzer, Literaturagent, Journalist, Herausgeber, Lektor, Redakteur von Zeitschriften.

Bekannt ist Ronald M. Hahn für die Herausgabe der SF-Magazine Science Fiction-Times (1972) und Nova (2002, mit Michael K. Iwoleit) sowie als Autor von Romanen/Kurzgeschichten/Erzählungen in den Bereichen Science Fiction, Krimi und Abenteuer.

Herausragend sind das (mit Hans-Joachim Alpers, Werner Fuchs und Wolfgang Jeschke verfasste) Lexikon der Science Fiction-Literatur (1980/1987), die Standard-Werke Lexikon des Science Fiction-Films (1984/1998, mit Volker Jansen), Lexikon des Horror-Films (1985, mit Volker Jansen) und das Lexikon des Fantasy-Films (1986, mit Volker Jansen und Norbert Stresau).

Für das Lexikon der Fantasy-Literatur (2005, mit Hans-Joachim Alpers und Werner Fuchs) wurde er im Jahr 2005 mit dem Deutschen Fantasy-Preis ausgezeichnet. Insgesamt sechsmal erhielt Hahn darüber hinaus den Kurd-Laßwitz-Preis – dem renommiertesten deutschen SF-Preis - , u.a. für die beste Kurzgeschichte (Auf dem großen Strom, 1981) und als bester Übersetzer (für John Clute: Science Fiction – Eine illustrierte Enzyklopädie, 1997).

Weitere Werke sind u.a. die Kurzgeschichten-Sammlungen Ein Dutzend H-Bomben (1983), Inmitten der großen Leere (1984) und Auf dem großen Strom (1986) sowie – als Übersetzer – der Dune-Zyklus von Frank Herbert.

Ronald M. Hahn lebt und arbeitet in Wuppertal. 

 

 

 

Ronald M. Hahn

BLINDE WUT UND HEISSE LADIES

 

 

1. 

 

Aus dem milchigen Wasser des Natursteinbeckens blubberten große Blasen empor. Dampfschwaden waberten in die Höhe. 

Die legendären Heilkräfte der Thermalquellen im Tal des Colorado River war schon den Ute-Indianern bekannt gewesen. Sie hatten sie zur spirituellen Reinigung benutzt, doch die innere Sauberkeit hatte ihnen nichts genützt: 1881 hatten die Bleichgesichter beschlossen, sie in ein Reservat zu schicken. Auch der am heutigen Morgen zu Grabe getragene John Holliday hatte vergebens gehofft: Die Tuberkulose hatte ihn dahin gerafft. 

Drew Carrington seufzte, als er an den ausgemergelten Mann dachte, den er vor ein paar Tagen im St. Joseph-Hospital für die Zeitschrift Black Cat interviewt hatte. Die Große Medizin – von den Indianern Yampah genannt – hatte den todkranken Revolvermann nicht retten können. 

Carrington schüttelte sich. Die Wärme in der Umgebung der Quellen konnte einen Menschen leicht verwirren. Es war Anfang November. Der Winter stand vor der Tür. Er wandte sich von den Quellen ab und wanderte langsam auf das schmucke Städtchen zu, das vor den grün bewaldeten Bergen aufragte. 

Glenwood Spring gehörte zum Garfield County und lag 1700 Meter hoch in den Rocky Mountains. Seit die Denver & Rio Grande Railroad den Ort mit dem Rest der Welt verband, war aus der einstigen Bergarbeitersiedlung ein Kurort geworden. In dem sportplatzgroßen Becken, das die Yampah-Quelle speiste, lag die Wassertemperatur bei 32 Grad. Doch in der Stadt, die einen hübschen Ausblick auf grüne Kiefernwälder und steile Hänge bot, herrschten andere Temperaturen. 

Die Stadt war zwar noch nicht alt, doch sie unterschied sich sehr von den Kistenbretterstädtchen im Westen: Die meisten Gebäude bestanden aus solidem Stein und einige – zum Beispiel das Hotel, in dem Carrington abgestiegen war, konnten sogar mit vier Etagen protzen. 

Der Jolly Rogue Saloon war freilich kein Bauwerk der neuen Generation: Die Hausfront war ungefähr so schmal wie ein Handtuch, und wenn man die Schwingtür hinter sich ließ, trat man in einen langen Schlauch hinein. Links befand sich ein etwa zwanzig Meter langer Tresen, hinter dem sich ein feister Keeper mit pomadisiertem Haar und zwei Damen mit hochgestecktem Haar um die Wünsche der Gäste kümmerten. Das Lächeln der Damen war so falsch wie ihre Zähne. 

Als weitaus angenehmer empfand Carrington den Anblick einer busenlastigen indianisch aussehenden Lady, die gleich am Eingang auf einem Hocker saß und irgendwie trübsinnig in ein bauchiges Cocktailglas stierte, das mit einer gelben Flüssigkeit gefüllt war. Ihr Dekolleté war so gewagt wie ihr Rock, der, so wie sie jetzt da saß, ihre hübschen Knie zeigte. 

Sein Blick saugte sich an ihren schlanken Schenkeln und den schwarzen Seidenstrümpfen fest, in denen sie steckten. Erst dann nahm er das Gesicht der Lady in Augenschein: Sie war etwa dreißig Jahre alt, obwohl man dies bei Animierdamen – und eine solche war sie ohne Zweifel – nie genau sagen konnte. Zwar hatte auch Carrington das Gerücht vernommen, dass gewisse in Alkohol eingelegte Dinge lange frisch blieben, aber der Qualm, den Frauen dieser Art täglich einatmeten, führte andererseits dazu, dass sie im Alter von vierzig eher Backpflaumen ähnelten. 

Wenn die Lady älter als dreißig Jahre war, musste sie eine Ausnahme sein. 

Carrington baute sich neben ihr auf, orderte ein Bier, zündete sich eine Zigarre an und schaute sich um. Der Jolly Rogue Saloon war nur halb voll. Es lag an der frühen Stunde. Die Sonne verkroch sich gerade erst hinter den Rockies, deswegen saßen die meisten braven Bürger noch bei Weib und Kindern daheim und dachten sich ein Alibi aus, um das Haus noch mal verlassen zu können. 

„Sind Sie nicht der Reporter aus Denver?“ 

Carrington, gerade im Begriff, seine Nase in sein Bier zu schieben, hielt in der Bewegung inne und drehte sich um. Es war kaum zu glauben, aber die indianische Lady hatte geruht, ihn anzusprechen. Als sein Blick auf sie fiel, bemerkte er, dass ihre kohlschwarzen Augen mindestens so schön waren wie ihre Zähne. Außerdem hatte sie so schön rot angemalte Lippen, dass sich sein Beinkleid spontan spannte. 

„Nun ja...“ Carrington trank gewandt einen Schluck aus seinem Glas, wischte sich den Schaum vom Mund und wandte sich ihr zu. „Reporter ist vielleicht ’n bisschen übertrieben. Ich bin eigentlich...“ Er schaute sich rasch um, um sicherzugehen, dass ihm niemand zuhörte. „Eigentlich bin ich Schriftsteller.“ 

„Aber Sie haben doch Doc Holliday interviewt, nicht wahr?“ Die indianische Lady bekreuzigte sich schnell. 

„Yeah.“ Carrington nickte. „Dummerweise hab ich meinem Redakteur erzählt, in welche Sommerfrische ich fahre.“ Er zuckte bedauernd die Achseln. „Und natürlich ist ihm da sofort eine Idee gekommen, wie ich das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden kann.“ Er deutete eine Verbeugung an und stellte sich vor. „Ich heiße übrigens Andrew Carrington.“ Eigentlich hatte er sagen wollen Ich bin der Andrew Carrington... Der berühmte Schriftsteller, der jeden Monat einen neuen Band mit den Abenteuern von Sheriff Sharp veröffentlicht. Aber zum Aufschneiden war es noch ein wenig früh. 

„Angenehm.“ Die Lady schüttelte seine Hand. „Ich bin Martina Bermudez Castillo.“ 

„Von welchem Stamm?“, fragte Carrington interessiert. 

„Stamm?“ Martina schaute ihn verdutzt an. „Von keinem Stamm. Meine Ahnen stammen aus Spanien. Aber es kann schon gut sein, dass unter ihnen auch einige Azteken waren – weil sie nämlich über Mexiko in die Staaten eingewandert sind.“ 

„Freut mich trotzdem, Señorita... Señora... ähm...“ 

„Nennen Sie mich einfach Martina.“ Die Lady lächelte. „Dann kann ich Sie Andy nennen.“ 

„Drew ist mir lieber.“ Carrington klemmte sich die Zigarre zwischen die Zähne und setzte sein charmantestes Lächeln auf. „Andy klingt so... Na ja, als wäre ich gerade siebzehn.“ Außerdem hatte er gewisse Erinnerungen an sein siebzehntes Lebensjahr, mit denen er nicht unbedingt hausieren gehen wollte. 

Martina lachte. „Sie machen hier Urlaub, Drew?“ 

„Eigentlich nicht.“ Carrington seufzte und schaute sich um. Er war in diese abgeschiedene Gegend gekommen, um Quellenstudien zu betreiben und Stoffe zu sammeln, die er in seinen Sheriff Sharp-Romanen verbraten konnte. „Ich sehe mich eigentlich als Autor historischer Werke“, erläuterte er und bemühte sich dabei, nicht wichtigtuerisch zu klingen. „Mein Thema ist der alte Westen – beziehungsweise die Zeit, in der er noch richtig wild war. Ich schreib hauptsächlich über die Epoche, in der er noch jede Menge Banditen und Revolverhelden gab.“ Dann fragte er sich, ob Martina Bermudez Castillo vielleicht die spannenden Abenteuer Sheriff Sharps kannte, denn die Dinger wurden im ganzen Land gelesen. Aber vielleicht war es besser, mit seinen Heldentaten hinter dem Berg zu bleiben. Die meisten Menschen, denen er von seiner Tätigkeit erzählte, runzelten nämlich die Stirn und fragten sich, ob sich der arme Hund überhaupt ein Bier leisten konnte. Nicht wenige hielten ihn für einen Spinner. Da war es ihm schon lieber, wenn man ihn für einen Reporter oder den Autor historischer Schinken hielt. 

„Aha.“ Martina nickte beeindruckt. „Dann haben Sie also deswegen mit Doc Holliday gesprochen?“ 

„Yeah.“ Carrington nickte. „Ich hab ihn nach einigen Schießereien befragt, an denen er beteiligt war.“ Er räusperte sich. „Und natürlich auch nach seinen Liebesaffären. Die interessieren nämlich unsere weiblichen Leser.“ 

„Ah, Amore...“ Martina schnalzte mit der Zunge und verdrehte lüstern die Augen. Dann fuhr sie zusammen. 

Die Schwingtür war aufgegangen. Zwei Männer betraten das Jolly Rogue. Der zuerst Eintretende war etwa Ende vierzig. Er war breitschultrig, hatte ein kantiges Gesicht, war glatt rasiert und trug einen breitkrempigen schwarzen Hut und eine schwarze Lederjacke mit Pelzkragen. Der andere war bronzehäutig und etwa dreißig Jahre alt. Er hielt seinen zerknautschten Hut in der Hand und war in weiches Hirschleder gekleidet. Beide trugen langläufige Navy-Colts am Gürtel. Sie gingen an Carrington und Martina vorbei und suchten sich am anderen Ende des Tresens einen Platz. 

„Kennen Sie die Burschen?“, fragte Carrington. 

Martina schüttelte den Kopf. „Warum fragen Sie?“ 

Carrington zuckte die Achseln. „Der Ältere sieht aus, als hätte er in seinem Leben ’ne Menge erlebt.“ Er räusperte sich. „Vielleicht hat er was zu erzählen.“ 

„Fragen Sie ihn lieber nicht“, erwiderte Martina, ohne den Blick zu heben. „Ich glaube nicht, dass mit dem gut Kirschen essen ist.“ 

Carrington zog die Brauen hoch. „Ich denke, Sie kennen ihn nicht?“ 

Nun war Martina mit dem Achselzucken an der Reihe. „Man muss einen Menschen nicht kennen, um was über ihn zu wissen.“ Sie schaute sich nervös um. „Die Leute reden auch so genug. Man kann sich ja nicht immer die Ohren zuhalten.“ 

„Na, da haben Sie auch wieder Recht.“ Carrington nahm sein Glas und prostete ihr zu. „Trinken Sie einen mit? Offen gesagt, ich empfinde Ihre Gesellschaft als sehr angenehm.“ 

Martina errötete, und das verwirrte ihn, denn er hatte erwartet, dass eine Frau wie sie abgebrüht war und davon lebte, dass sie mit einsamen Gästen trank. 

„Nein, danke.“ Sie rutschte von ihrem Hocker herab. Nun sah Carrington, dass sie fast so groß war wie er. „Aber ich hab eine Verabredung und muss mich dafür noch auftakeln.“ Sie zwinkerte ihm zu, durchquerte mit schwingenden Hüften den Saloon und marschierte die schmale Treppe hinauf, die am Ende des Tresens ins obere Stockwerk führte. 

Carrington fragte sich, welcher Art ihre Verabredung wohl war. Dann seufzte er und leerte sein Bierglas. Er hatte gerade ein neues Bestellt und an einem kleinen Wandtisch Platz genommen, als die Schwingtür erneut aufflog und ein schlaksiger junger Mann mit einem Stapel druckfrischer Zeitungen unter dem linken Arm eintrat. 

„Die neueste Ausgabe des Glenwood Echo“, rief er und schwang ein Exemplar. Mehrere Gäste winkten ihn heran und zückten Münzen. Der Junge bedankte sich artig für jede verkaufte Zeitung. Als er zum Ausgang zurückkehrte, sah er Carrington. Seine wasserblauen Augen blitzten auf und er tippte fröhlich an seine Ballonmütze. 

„Ah, Mr. Carrington – mein großes Vorbild!“ 

Carrington lachte. „Tag, Axel.“ Er warf dem etwa achtzehn Jahre alten Burschen eine 5-Cent-Münze zu, die dieser geschickt auffing. Gleich darauf lag die neue Ausgabe der einzigen Zeitung von Glenwood Springs vor ihm auf dem Tisch. Axel nahm ihm gegenüber Platz. 

Carrington hatte den Burschen vor einer Woche im Jolly Rogue am Tresen kennen gelernt und ihm in der Gesellschaft eines halben Dutzends Analphabeten von seinem Beruf erzählt. Axel Gunderson war Setzerlehrling beim Glenwood Echo, hatte aber höhere Ambitionen. 

„Ich will ’n echter Zeitungsmann werden“, hatte er Carrington beim Bier verraten. „Artikel schreiben, Skandale aufdecken; der Obrigkeit zeigen, dass sie mit dem kleinen Mann nicht einfach Schlitten fahren kann. In einem Kaff wie Glenwood Springs kann man das natürlich nicht machen, deswegen werd ich bei der erstbesten Gelegenheit nach Denver abhauen...“ 

Anschließend hatte Carrington dem arglosen jungen Mann bei einer Pokerrunde ohne übermäßige Anstrengung sein gesamtes Vermögen abgenommen – vierzig Dollar. Nach dem Ende des Spiels hatte er Axel beiseite gezogen und gesagt: „Hör mal, du bist ’n netter Bursche, aber kannst eigentlich gar nicht spielen. Versuch es also nicht noch mal.“ Er hatte ihm das Geld zurückgegeben, ihn sanft auf die Straße geschoben und sich so einen ewigen Freund geschaffen. 

 „Wie geht die Karriere voran?“ Carrington deutete auf die vor ihm liegende Zeitung. 

Axel reckte stolz seine Hühnerbrust. „Heute durfte ich den ersten Nachruf schreiben.“ 

Carrington schaute auf. „Doc Holliday?“ 

Axel nickte. „Würd mich interessieren, was Sie von meinem Stil halten.“ Er stand auf und rückte seine Mütze gerade. „Jetzt muss ich aber weiter. Hat mich ehrlich gefreut, Sie zu sehen, Sir.“ Er winkte Carrington zu und trat auf die Straße, um sich in den nächsten Saloon zu begeben. 

Carrington schaute eine Weile nachdenklich hinter Axel her. Dann fiel sein Blick auf die Titelseite des Glenwood Echo. Er kam jedoch nicht dazu, die Zeitung zu lesen, denn gleich darauf schaute er zufällig zur Schwingtür und sah ein bekanntes Gesicht. 

„Der Teufel soll mich holen!“, sagte der knochige, rothaarige Mann, der gerade eingetreten war. Auf seiner Lederweste blitzte das Abzeichen eines Marshals. „Drew Carrington! Was, in aller Welt, machst du denn hier?“ 

„Hugh!“ Carrington sprang auf. Die beiden Männer fielen sich um den Hals. Sie waren etwa gleichaltrig und von ähnlicher Statur. 

„Du alter Tintenkleckser“, sagte Hugh Mulligan und klopfte Carrington auf die Schulter. 

„Du unverbesserlicher Gesetzeshüter.“ Carrington grinste und zog den Marshal an seinen Tisch. „Hat’s dir in East Pole nicht mehr gefallen?“ 

Mulligan seufzte. „Martha hat mir den Laufpass gegeben. Sie wollte nicht mehr bei jedem Knall zusammenzucken und darauf warten, dass der Leichenbitter ihr mein Ableben mitteilt.“ Er seufzte noch einmal. „Außerdem wollte Sie sieben Kinder haben, und dazu verdien ich zu wenig...“ Er grinste. 

Carrington lachte. 

„Sie hat den Postmeister geheiratet“, fuhr Mulligan fort. „Weil der weniger direkten Gefahren ausgesetzt ist.“ 

„Einer muss die Drecksarbeit ja machen.“ Carrington nickte verständnisvoll. 

„Du hältst dich noch immer an deine alte Parole?“ Mulligan feixte. „Na ja, kein Wunder, wenn man bedenkt, für welche Schmutzblätter du tätig bist.“ Er bestellte zwei Bier und kurz darauf prosteten die Männer sich zu. „Was machst du hier?“ 

Carrington berichtete von seinem Arbeitsurlaub, von seinem beharrlich nach neuen Themen suchenden Redakteur, von seinem Besuch beim todkranken Doc Holliday und von seiner Begegnung mit der rassigen Martina. 

„Ah – ’n wirklich tolles Weib.“ Mulligan nickte. „Ich kenn sie.“ Er schnalzte mit der Zunge. „Die würd ich nicht von der Bettkante stoßen.“ Sein Blick wanderte durch den Raum und heftete sich auf den Mann mit der schwarzen Lederjacke, der mit dem Burschen im Hirschlederanzug am Tresen stand und eine Zigarre paffte.  

„Kennst du den?“, fragte Carrington, dem Mulligans Blick nicht entging. 

„Nee. Ich hab den Job erst seit vier Wochen. Ich kenn längst nicht jeden in der Stadt. – Und du?“ 

Carrington schüttelte den Kopf. „Er sieht aus, als hätte er was zu erzählen.“ 

Mulligan grinste. „Das hab ich auch. Aber von meinen blutrünstigen Abenteuern willst du ja nichts wissen.“ 

„Hör auf, Hugh. Ich schreib Lügengeschichten – keine wahren Erlebnisse braver Marshals, die Trunkenbolde von der Straße auflesen und...“ Sein Blick fiel auf das Hinterteil einer schick gekleideten Rothaarigen. Sie stand vor dem Schaufenster eines Textilgeschäfts und bewunderte die Auslagen. „Der Teufel soll mich holen! Hast du schon mal so ’n scharfen Arsch gesehen?“ 

Mulligan beugte sich vor. „Aber“, erwiderte er grinsend. „Ich seh ihn öfters. Es ist der scharfe Arsch der scharfen Barbie McCormick! Sie ist der feuchte Traum aller Lustmolche dieser Stadt – einschließlich des Marshals und seines Deputys.“ Er legte eine Hand auf Carringtons Schulter. „Aber ich würd dir raten, deine Pratzen von ihr zu lassen. Ihr Vater ist ’n arger Spießer und ’n rabiater Kerl und so reich, das er Heere von Anwälten in Bewegung versetzt, wenn er den Eindruck hat, dass irgendein Päderast sich an sein Töchterlein heranmacht.“ 

„Wie alt ist sie?“, fragte Carrington entzückt. 

„Siebzehn, glaub ich.“ Mulligan räusperte sich. „Hör auf mich, Drew! Ihr Alter ist ’ne echte Schweinebacke – und bekannt dafür, dass er es nicht duldet, dass seine Nachfahren sich in Betten betätigen, bevor sie vor dem Altar gestanden haben.“ 

Carrington, dessen Blick wie hypnotisiert am Po der Rothaarigen klebte, musste sich förmlich dazu zwingen, sich von der Lady loszureißen. 

Mulligan leerte sein Glas und stand auf. „Hör mal, Drew“, sagte er. „Ich muss jetzt meine vertraglich vereinbarte Runde durch die örtlichen Sündenpfuhle machen. Was hältst du davon, wenn wir uns morgen Abend hier treffen, einen heben und in den Heldentaten schwelgen, die wir vor Jahrhunderten gemeinsam begangen haben?“ 

Carrington nickte. „Abgemacht.“