IMPRESSUM
avBUCH im Cadmos Verlag
Copyright © 2015 by Cadmos Verlag, Schwarzenbek
Gestaltung und Satz: ravenstein2.de
Lektorat der Originalausgabe: Sarah Koller
Coverfoto: Wolfgang Funke
Fotos im Innenteil: Miguel Dieterich und Wolfgang Funke
Foodstyling: Miguel Dieterich und Wolfgang Funke
Geschirr: Keramikatelier Romana Widder-Lunzer, Wien
Text und Konzept: Wolfgang Funke
Konvertierung: S4Carlisle Publishing Services
Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme
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Alle Rechte vorbehalten.
eISBN: 978-3-8404-6355-6
INHALT
(Foto: Miguel Dieterich)
MIT AYURVEDA BERGE VERSETZEN
Einige Gedanken vorweg
Vom Reiz des Ganzheitlichen
Out of India
Der Schlüssel zu Gesundheit und Wohlbefinden
Lieblingsthema: Die Macht der Gewohnheit
WORUM GEHT ES EIGENTLICH?
Ayurveda im Trend
Ein Blick hinter die Kulissen
Was ist die richtige Ernährung?
DAS KLEINE AYURVEDA-EINMALEINS
Was hinter den fünf Elementen steckt
Die drei Grundenergien
Unsere Grundkonstitution
Doshas passen in keine Schublade
Die Attribute der Doshas
Doshas – universale Grundenergien
Beispiele für die Beeinflussung der Doshas
Dosha-Test zur Ersteinschätzung
So schmeckt das Universum
Die Eigenschaften der Rasas
DAS A UND O: UNSERE VERDAUUNG
Jeder Mensch ist einmalig
Doshas und Verdauung
Verdauung West...
Verdauung Ost...
DER MENSCH IST, WAS ER VERDAUT!
Vom richtigen Essen
Auf die Kombination kommt es an
Ayurveda und Brot
Trennkost
Fleisch oder kein Fleisch, das ist die Frage
Was passiert, wenn ich sauer werde?
Detox mit Ayurveda
WUNDERBARE WELT DER GEWÜRZE
Gewürze, die die Welt veränderten
Würzen je nach Geschmack
Ausgleich der Doshas mit Gewürzen
Meine Top Ten
Kochen auf ayurvedische Art
REZEPTE
GRUNDLAGEN
Ghee – das Gold des Ayurveda
Paneer
Lassi – der Anti-Stress-Cocktail
Chutneys
Unverzichtbare Gewürze
Chapatis
Gefüllte Brote
Getränke
Zu den Rezepten
FRÜHSTÜCK
Reispfannkuchen mit Kokos-Chutney
Dinkelbrei
Amaranth-Quinoa-Brei
Gebratener Toast
Couscous mit Möhren
VORSPEISEN, SNACKS & SALATE
Papadam
Zwiebelpakoras mit Tamarindensoße
Karamellisierter Ziegenkäse
Tofu in Ingwersoße
Mungbohnensprossensalat
Würzige Süßkartoffeln
Gebratene Kichererbsen
Pikantes Kim Chi
Bunter Sommersalat
SUPPEN
Anti-Aging-Suppe
Suppe von grünen Bohnen mit gebratenen Kichererbsen
Detox-Mung-Dhal-Suppe
Kürbissuppe asiatisch
GEMÜSE
Geschmortes Wurzelgemüse
Mangoldgemüse mit Kichererbsenpfannkuchen
Okragemüse
Gefüllte Okraschoten
Wirsingcurry mit Süßkartoffeln
Tomaten-Auberginen-Gemüse mit Polentarösti
Gratinierte Kräuterkartoffeln
Wurzelgemüse-Bratlinge mit Auberginenpüree
Schlangenkürbis in Joghurtsoße
Paneer Masala
Spinat mit Paneer
Würziger Blumenkohl mit Spinat
HÜLSENFRÜCHTE
Linsenpuffer, Süßkartoffelpüree und gebratene Gewürzauberginen
Kichererbsen-Gnocchi mit Joghurtsoße
Mungbohnen mit grüner Currypaste
Molke-Kadhi mit Pakoras
Dhal aus Mungbohnen
REIS UND GETREIDE
Zitronenreis
Khichari
Polenta-Pizza
Gemüse-Couscous
Hirsebällchen mit Zucchinimus
FLEISCH UND FISCH
Lamm-Curry
Kokos-Lamm mit grünem Pfeffer
Ingwer-Zitronen-Huhn
Kardamom-Huhn mit Kochbanane
Seelachs in Kokos-Kräuter-Soße
Marinierte Riesengarnelen
Miesmuscheln in Kokosmilch
DESSERTS
Geschmorte Äpfel mit Ricotta
Süßes Erbsenpüree
Blumenkohlcreme
Vermicelli-Pudding
Reis-Mandel-Pudding mit Rosenwasser
Möhrenhalwa
Honigmelone mit Vanille-Kokosmilch
ANHANG
Gewürze der indischen Küche
Getränke
Glossar
MIT AYURVEDA BERGE VERSETZEN
(Foto: Miguel Dieterich)
EINIGE GEDANKEN VORWEG
Wenn Sie dieses Buch in Händen halten und begonnen haben darin zu lesen, dann sind sie bereits auf einem Weg. Ich gehe davon aus, dass Sie sich kritisch mit Ernährungsfragen auseinandersetzen, dass Sie sich bewusst ernähren, aber auch den lustvollen Aspekt des Essens nicht verschmähen. Sie möchten mehr über sich erfahren, mehr darüber, welche Bedeutung unsere Ernährung hat. Sie möchten Ihr Gewicht halten oder zum Wohlfühlgewicht dauerhaft zurückfinden. Sie wollen vital und gesund leben. Sie wissen bereits sehr viel, aber sie haben das Gefühl: „Irgendetwas fehlt mir noch“.
Nun, dann heiße ich Sie herzlich Willkommen und lade Sie ein, zu einem kleinen Ausflug in die Welt des Ayurveda. Dies soll nichts anderes sein, als ein Vorschlag und ein Modell für eine bewährte ganzheitliche Ernährungsund Lebensweise, die Ihnen hilft, ein Leben in körperlicher und geistiger Gesundheit und Vitalität zu führen.
Doch bevor Sie weiterlesen, nehmen Sie sich ein paar Minuten Zeit und besorgen Sie sich ein Blatt Papier. Notieren Sie in drei Spalten jeweils, was Sie besonders gerne essen, worauf Sie manchmal Heißhunger verspüren und was Sie so gar nicht essen mögen. Anschließend falten Sie den Zettel zusammen und legen ihn hinten ins Buch. Nachdem Sie diesen Einleitungsteil gelesen haben, ihren Stoffwechseltyp kennen und über die Wirkung verschiedener Nahrungsmittel Bescheid wissen, nehmen sie ihn wieder zur Hand und vergleichen ihn mit dem, was Sie über sich gelernt haben. Dieser kleine Test wird Ihnen hoffentlich zeigen, dass wir in puncto Ernährung Gott sei Dank noch nicht alle unsere Instinkte verloren haben. Doch manchmal klappt es eben doch und wir tun unbewusst Dinge, die tatsächlich richtig und gut für uns sind.
VOM REIZ DES GANZHEITLICHEN
Doch wo genau im Ayurveda liegt nun die Faszination für die Menschen des Westens. Ist es Indien, „my incredible India“, das Land der Farben, Räucherstäbchen, Elefanten und Gurus? Oder ist es die immer wieder gern beschworene Jahrtausende alte Tradition des Ayurveda? Aber rühmt sich der Westen nicht gerade seiner fortschrittlichen Medizin und Wissenschaft? Während der 300 Jahre andauernden Kolonialzeit hatten die Briten das Praktizieren des Ayurveda sogar verboten und als Entschädigung die Eisenbahn, Whiskey, die englische Sprache und die westliche Medizin eingeführt. Zum Glück hat Ayurveda in den Köpfen der Menschen überlebt!
Nun, nüchtern betrachtet und aller Exotik entkleidet, spielt wohl auch die Suche nach der Sinnhaftigkeit des Lebens eine Rolle, die die Menschen des „wohlhabenden“ Teils der Welt aus den unterschiedlichsten Gründen so sehr umtreibt. Und der Verlust an Vertrauen – Vertrauen in die Medizin, in die Nahrungsmittelindustrie, in die Politik. Vielleicht ist es aber auch nur das unbestimmte Gefühl ganz tief in unserem Inneren, das uns sagt: Hier stimmt etwas nicht, besser: Es fehlt etwas. Ja, es gibt diese Menschen, die es nicht verlernt haben, auf ihre innere Stimme zu hören. Und die eine Ahnung davon haben, dass nichts, was unsere Existenz betrifft, isoliert betrachten werden kann, da alles miteinander auf geheimnisvolle Art verbunden ist. Ayurveda ist ein ganzheitliches System, das alle Bereiche des Lebens betrifft und das alle Bereiche des Lebens miteinander verbindet. Auch das Verständnis von Krankheit unterscheidet sich in Folge dessen von dem der westlichen Auffassung.
OUT OF INDIA
Doch zurück nach Indien: Ich stamme aus Südindien und bin aufgewachsen in der ayurvedischen Tradition, ohne mir dessen bewusst zu sein. Ayurveda ist in meiner Familie Alltag. Täglich erlebbar, seit Generationen. Und niemand gerät darüber ins Staunen oder schüttelt den Kopf, wenn ich die Balance von Körper und Geist anspreche. Bevor ich also das erste Mal nach Europa gereist bin, hatte ich nie darüber nachgedacht, dass irgendetwas besonders an dem war, wie ich aufgewachsen bin. Zwölf Jahre ist das nun her und ich hatte mich bis dahin ausschließlich vegetarisch ernährt. Wie die meisten Inder, die sich das erste Mal nach Europa wagen, suchte ich damals verzweifelt nach einem Restaurant mit für mich verdaulichen und bekömmlichen vegetarischen Gerichten. Ein abenteuerliches Unterfangen. Am Anfang war das Essen für mich schlicht fade und geschmacklos. Und wenn man Chilisoße zu Rahmchampignons mit Semmelknödeln bestellt, riskiert man, im Restaurant Aufsehen zu erregen oder den Unmut des Kochs auf sich zu ziehen.
(Foto: Miguel Dieterich)
Also: Salate satt, Sandwich, Süßspeisen, Pommes Frites, Kuchen, Pasta und Pizza, Schokolade und Sahne. Langsam dämmerte mir, dass es in der traditionellen europäischen Küche kein rechtes Konzept einer ganzheitlichen oder gar vegetarischen Ernährung gab. Wäre da nicht die italienische Küche, hätte ich vermutlich schnell die Flinte ins Korn geworfen und zu indischen Fertiggerichten gegriffen. Dies hat sich zum Glück mittlerweile dank der Erlebnisgastronomie und unzähliger Fernreisender drastisch geändert.
Das Resultat der europäisch-vegetarischen Ernährung in Form von Kuchen, Frittiertem, Gebackenem, Schokolade, Mehlschwitzen und Unmengen Spaghetti war, dass ich zunächst einmal kräftig an Gewicht zulegte. Um nicht zu sagen: Keine Hose passte mehr. Meine Mutter schlug damals die Hände über dem Kopf zusammen, als ich sie nach einem Jahr Europa besuchte. Und ich musste ihr versprechen, wieder zu meiner alten Form zurückzufinden.
Nun muss ich zugeben, dass ich mich bis dahin nie ernsthaft mit Ernährungsfragen beschäftigt hatte. Wozu auch? Solange die Zähne nicht schmerzen, macht man auch keinen Termin beim Zahnarzt, oder?
Viel entscheidender für mein erwachendes Interesse an diesem Thema war aber, dass ich mittlerweile in Zürich meine eigene ayurvedische Praxis eröffnet hatte. Viele meiner Klienten litten an Verdauungsproblemen, mit zum Teil gravierenden Folgen. Zu meiner großen Verwunderung klangen viele Symptome ab, nachdem ich ihnen einfache Tipps gab, welche die Ernährung betrafen. Beispielsweise den Tag mit einem Glas heißem Wasser und Ingwertee zu beginnen statt mit Kaffee. Alleine die Empfehlung, zum Frühstück gewürzten, frisch gekochten Dinkelbrei zu essen, hat bei mehreren Klienten dazu geführt, dass sich die Darmfunktion wieder regulierte und bestimmte Probleme von alleine abklangen. Nun ist dies kein geheimnisvoller Zauberbrei, im Gegenteil. Aber alleine die Änderung einiger Gewohnheiten mit dem Willen etwas zu bewirken hat bereits dieses kleine Wunder bewirkt. Und natürlich eine allgemeine Entlastung des Organismus durch das Vermeiden von Dingen, die die Verdauung zu stark in Anspruch nehmen. Selbst Magenschmerzen und stressbedingte Symptome klangen nach einiger Zeit ab.
Auch ständig wiederkehrende Müdigkeit, Lymphstauungen und Wassereinlagerungen mit Hautentzündungen lassen sich in den Griff bekommen mit Lebensmitteln, die die Leber unterstützen. Im Fall einer Klientin waren das Artischocken, Karotten, Sellerie, Rote Bete und Äpfel, dazu Ingwer und Pfeffer, die mehr in die Ernährung integriert wurden. Überhaupt hat sich in meiner Praxis die entzündungshemmende Eigenschaft von Pfeffer, Curcuma, Senfsamen und Kreuzkümmel vielfach bewährt.
DER SCHLÜSSEL ZU GESUNDHEIT UND WOHLBEFINDEN
Mehr und mehr wurde mir klar, wie wichtig die Ernährung und der Lifestyle für jeden Einzelnen sind. Und nicht umsonst ist die richtige Ernährung zur Gesundheitsvorsorge eines der großen Standbeine des Ayurveda. Ein ayurvedisches Sprichwort besagt: „Ohne richtige Essensweise ist Medizin nutzlos, mit richtiger Essensweise ist Medizin unnötig.“
Also begann ich nachzuforschen und in die Tiefe zu gehen, auch mit vielen Selbstversuchen. In diesem Buch möchte ich meine in der Praxis gesammelten Erfahrungen zusammenfassen. Ich würde mich freuen, wenn so viele Menschen wie möglich davon profitieren können. Mir tut es immer leid mit ansehen zu müssen, wie jemand wissentlich oder unwissentlich seine Gesundheit ruiniert, weil er oder sie die grundlegenden Dinge schlichtweg ignoriert oder simpel aus Unkenntnis. Nun ist gegen Ignoranz kein Kraut gewachsen und des Menschen Wille ist sein Himmelreich. Den Klugen erkennt man bekanntlich daran, dass er geduldig zuhört, schnell begreift und nicht nach dem Lustprinzip, sondern gemäß einer tieferen Erkenntnis handelt. Ich möchte niemanden missionieren, nur wer offen ist und zuhören mag, bei dem fällt der Samen auf fruchtbaren Boden. Und Ayurveda ist wie eine Schatztruhe voller Samen. Jeder kann den für sich passenden finden, ihn wachsen und gedeihen lassen, mit dem Ziel, die Gesundheit zu erhalten und zu stabilisieren. Und wenn es bereits erste Anzeichen einer Krankheit gibt, ist Ayurveda eine Methode der Wahl.
Doch sage ich es gleich: Nichts fällt vom Himmel, auch in Indien nicht. Und es gibt keine Maßstäbe, um zu messen oder zu beurteilen, was gewesen wäre, wenn. Wäre ich nicht auch gesund geblieben, wenn ich weiterhin meinen alten Lebensstil beibehalten hätte? War es wirklich das homöopathische Mittel, das mich wieder gesund werden ließ? Was wäre passiert, wenn ich es nicht eingenommen hätte? Ich werde nie erfahren, ob ich erkrankt wäre, wenn ich dies oder das getan oder nicht getan hätte. An der Prophylaxe lässt sich deshalb nicht viel verdienen und so setzt die westliche Medizin lieber auf Erfolgserlebnisse in Form der Reparatur von Schäden.
LIEBLINGSTHEhA: DIE MACHT DER GEWOHNHEIT
Albert Einstein hat einmal gesagt: „Geisteskrank ist, wer dasselbe immer und immer wieder tut und erwartet, dass einmal etwas anderes dabei heraus kommt“. Nun, das betrifft in der Tat alle Lebensbereiche. Wer abnehmen möchte oder seine Gesundheit verbessern, der wird nicht umhin kommen, über Veränderungen nachzudenken. Und das betrifft in hohem Maße unsere Ernährung. Aber haben Sie schon einmal versucht, sich eine lieb gewordene Gewohnheit abzugewöhnen? Auf etwas zu verzichten, das unverzichtbar scheint, oder gar Ihr Leben zu ändern? Liebgewordenes loszulassen, Gewohnheiten zu ändern und etwas Neues in das Leben zu integrieren, gehört mit zu den schwierigsten Übungen überhaupt. Ist der Mensch doch ein Gewohnheitstier.
Die Sache mit dem Autositz
Ein Thema, das viele betrifft, ist das Übergewicht. Hier kommt vielleicht der Einwand: „Ja, aber ich habe doch alles probiert und nehme gleich wieder zu“. Aber wieso wirken Diäten nicht? Nun, wenn ich mit dem gleichen Auto und den unbequemen Sitzen weiterfahre und nur die Geschwindigkeit drossele, wird sich mein Fahrkomfort nicht wirklich verbessern. Auch die Rückenschmerzen werden die gleichen sein. Tausche ich aber zumindest den Sitz aus oder wechsele sogar die Automarke, habe ich alle Chancen, bequem zu sitzen, keine Rückenschmerzen zu haben und die Fahrt genießen zu können. Und sitzen und fahren kann ich trotzdem. Auf die Ernährung bezogen heißt das: Wer sich vorgenommen hat abzunehmen oder sich gesünder zu fühlen, dem ist mit einer zweiwöchigen Diät nicht zu helfen, er muss dauerhaft seine Ernährung umstellen und auch den Lifestyle überdenken. Dazu bedarf es keiner Wunderdiät oder eines ausgeklügelten Komplettprogramms, meist reichen schon kleine Änderungen, damit der gewünschte Effekt sich einstellt.
Sie müssen auch nicht von heute auf morgen alles über Bord werfen – ein Unterfangen, das zudem nicht unbedingt von Erfolg gekrönt sein wird. Der Trick ist vielmehr, sich selbst ein wenig zu überlisten und diejenigen Dinge, die nachweislich nicht gut tun, Schritt für Schritt durch solche zu ersetzen, die uns zuträglicher sind. Wie zum Beispiel den Autositz. Aber wie finde ich heraus, was das sein könnte, und wie gehe ich vor? Hierfür bietet Ayurveda sehr praxisorientierte und alltagstaugliche Lösungsansätze.
(Foto: Miguel Dieterich)
SCHRITT 1:
Wer bin ich? Erkennen Sie sich selbst und finden Sie mit Hilfe einer ayurvedischen Anamnese heraus, welcher Stoffwechsel- beziehungsweise Verdauungstyp Sie sind.
SCHRITT 2:
Was tue ich? Machen Sie eine Bestandsaufnahme und nehmen Sie Ihre Gewohnheiten kritisch unter die Lupe.
SCHRITT 3:
Was sollte ich tun? Erstellen Sie eine Bilanz. Gleichen Sie „Soll“ und „Ist“ ab. Identifizieren Sie die Krankmacher in Ihrem Leben und ersetzen Sie diese durch Dinge, die Ihnen nachweislich gut tun. Eines nach dem anderen. Schritt für Schritt.
SCHRITT 4:
Integrieren Sie die ayurvedischen Prinzipien in Ihr tägliches Leben. Dies betrifft die Tagesroutine wie auch die Auswahl der Lebensmittel und Gewürze gemäß Ihrer persönlichen Konstitution.
Das alles geht meist ohne großen Aufwand. Hier und da ein Gewürz ergänzen, die eine oder andere Lebensmittelkombination meiden, den Tag mit einer Tasse heißem Wasser beginnen und auf das verzichten, was eh nicht gut tut. Den Schlüssel dazu liefert eine Konstitutionsanalyse, die Ihnen beispielsweise verrät, wie sie verdauen und was sie überhaupt verdauen können. Viele Beschwerden verschwinden wie von alleine, wenn Sie diese Erkenntnisse konsequent berücksichtigen und umsetzen.
(Foto: Miguel Dieterich)
Der Trick: Bereits nach kurzer Zeit spüren Sie einen Effekt, der Sie ermutigt weiter zu machen und der Sie mit der Zeit die alten Gewohnheiten einfach vergessen lässt. Oder trauern Sie dem alten Autositz nach, wenn Sie bequem in einem neuen sitzen und die Fahrt genießen? Im Gegenteil. Sie fühlen sich vital und voller Energie.
Und wer sagt, kochen nach den ayurvedischen Prinzipien sei viel zu kompliziert und aufwendig und sowieso nicht familientauglich, der wird schnell eines Besseren belehrt. Ich gebe zu, dass es sich am Anfang kompliziert anhört, das liegt aber in hohem Maße an den Begrifflichkeiten. Vata, Pita oder Kapha sind nun einmal Begriffe, die aus dem Sanskrit stammen und kein Pendant in der westlichen Sprache haben. Die Küchenpraxis selbst ist jedoch keine Hexerei. Gönnen Sie sich einmal einen Kochkurs und sehen Sie mit eigenen Augen, wie man mit den Gewürzen umgeht und welche Kochtechniken erforderlich sind, sofern Sie ayurvedische Küche im indischen Stil pflegen wollen. Die meisten Gerichte in diesem Buch lassen sich mit etwas Übung blitzschnell und ohne viel Aufwand zubereiten – Variationen der verschiedenen Stoffwechseltypen inbegriffen, sollten Sie eine Familie zu versorgen haben. Also auch ideal für Berufstätige und spielend leicht in den Alltag zu integrieren. Die Auswahl der Rezepte für dieses Buch erfolgte daher besonders unter dem Gesichtspunkt der Einfachheit. Und wenn Sie einmal die ayurvedische Betrachtungsweise von zum Beispiel den Eigenschaften der Lebensmittel verinnerlicht haben, geht alles ganz von alleine. Sie können dann auch einfach das kochen, was Sie gewohnt sind, sei es italienisch, griechisch, deutsch oder was immer Sie wollen. Es ist wie mit allem: Am Anfang sieht es schwierig aus und irgendwann kann man nur müde darüber lächeln. Genau wie bei der ersten Fahrstunde, wo man noch krampfhaft überlegen muss, welches Pedal wofür gut ist. Nach einigen Wochen ist dies bereits in Fleisch und Blut übergegangen.
Ayurveda als Lebenskonzept
Ayurvedische Prinzipien ins Leben zu integrieren, heißt aber nicht nur, auf die Ernährung zu achten. Ayurveda bietet eine Vielzahl bewährter Methoden, die einen wertvollen und notwendigen Beitrag zur Gesundheitsprophylaxe leisten. Wichtig in diesem Zusammenhang sind die Entgiftungskuren, Ölmassagen und Reinigungsverfahren. Auch Yoga ist ein Teil des Ayurveda. Wer sich mit Yoga nicht anfreunden kann, versucht es mit Sport oder zumindest viel Bewegung. Auch ein Spaziergang an der frischen Luft zählt dazu. Meditation und Körperpflege sind ebenfalls Bestandteil des ganzheitlichen Konzeptes.
Ayurveda ist keine Hexerei. Es ist ein wohldurchdachtes ganzheitliches Gesundheitssystem, das die individuellen Bedürfnisse, Schwächen und Stärken der Menschen im Hinblick auf Ernährung und Lebensführung berücksichtigt. Sie können es überall und jederzeit anwenden und praktizieren, ohne deswegen ihr ganzes Leben auf den Kopf stellen zu müssen.
Und für alle, die verzweifelt mit den Pfunden kämpfen: Natürlich gelten auch bei der ayurvedischen Art sich zu ernähren bestimmte „Naturgesetze“, die einzuhalten man nicht umhin kommt. Um dauerhaft Gewicht zu reduzieren, muss eine Ernährungsumstellung zunächst folgende Grundvoraussetzungen erfüllen:
• sie muss die Energiemenge reduzieren, im Idealfall mehr ausgeben als einnehmen
• sie muss trotzdem satt machen
• sie muss die geschmacklichen Erwartungen befriedigen
• sie muss als Stabilisator auf die Psyche wirken – vielen Menschen macht Essen gute Laune
• sie darf die Lebensqualität nicht einschränken
Nun, all dies erfüllt eine Ernährung nach ayurvedischen Prinzipien. An erster Stelle stehen der Spaß und die Freude am Essen, der gute Geschmack und die Qualität der Lebensmittel. Damit haben Sie schon die halbe Miete. Ayurveda lehrt, dass jeder Mensch die Kraft und das Potenzial hat, sich selbst zu heilen. Durch das Verstehen des eigenen Körpers, der Konstitution und Bedürfnisse kann jeder gesund leben, gesund bleiben und auch wenn es bereits zu spät ist, die Gesundheit wiedererlangen.
Und noch etwas: Bei einer Gewichtsreduktion reicht es nicht, nur Körpermasse „abzuwerfen“. Es geht auch darum, Ärger und Groll, Schuldgefühle und Sorgen zu reduzieren und loszulassen. Und auch darum, sein Leben, seine Gedanken und seine Gesundheit genau im Auge zu haben und zu verbessern, wo es möglich ist.
WORUM GEHT ES EIGENTLICH?
(Foto: Miguel Dieterich)
AYURVEDA IM TREND
Ganz ohne etwas Theorie geht es dann doch nicht. Doch wo beginnen, ohne Ihnen die Freude am Essen zu verderben. Ayurveda ist mehr als nur ein Schlagwort, es ist eine Lebenshaltung und die Wissenschaft vom Leben schlechthin. Ayurveda boomt, besonders im deutschsprachigen Raum. Das Thema geistert durch unzählige Magazine und Talkshows, Ayurveda-Center schießen aus dem Boden wie Pilze, jeder hat schon irgendwann einmal etwas davon gehört. Es ist in aller Munde, oder? Aber ein afrikanisches Sprichwort sagt: „Wer andere besucht, soll seine Augen öffnen und nicht den Mund.“ Heißt: Erst einmal begreifen, worum es genau geht, und nicht nur den ersten Heißhunger befriedigen, um sich dann auf ein Verdauungsschläfchen zurückzuziehen und hungrig aufzuwachen. Es ist lohnend, sich etwas in die Materie zu vertiefen, um zu einem Grundverständnis zu gelangen, das letztendlich auch beinhaltet, dass ich mich selbst besser kennenlerne. Wenn ich den Schaltplan verstehe, kann ich auch die richtigen Hebel bedienen.
EIN BLICK HINTER DIE KULISSEN
Ayurveda stammt aus Indien. Dann muss es natürlich gut sein und spirituell und überhaupt. Ist Indien doch das Land Krishnas, der faszinierende bunte Kontinent, der wie ein Hühnerbürzel in den indischen Ozean ragt. Das Land der heiligen Männer, die wie Superstars verehrt werden und Stadien füllen, ja, eigene Fernsehshows haben. Wild ausschauende Gurus, die in einem Feuerring sitzend meditieren oder in den Bergen des Himalaya mit Hilfe ihrer Körperwärme den Schnee im Umkreis von mehreren Metern zum Schmelzen bringen. Das Land der hunderttausend Götter, der Farben und der Gewürze. Nun, dann wird auch Ayurveda exotisch, farbig und vielfältig sein, wie das Land, aus dem es stammt. Und auch für Ayurveda gibt es folgerichtig einen eigenen Gott, Dhanvantari, der Gott der Ärzte und der Ursprung aller Heilkunst. Ayurveda gilt als die Mutter aller Medizin.
Aber Ayurveda ist nicht nur eine simple Heilslehre, hat auch nicht unbedingt mit Hinduismus zu tun und ist vor allen Dingen nicht nur indisch. Es handelt sich um eine Wissenschaft, die universal gültige Prinzipien erkannt hat und beschreibt. Sie erfüllt alle Kriterien der Wissenschaftlichkeit. Dies heißt in erster Linie, dass die Resultate vorhersehbar und messbar beziehungsweise sichtbar sind und, dass sie an jedem Ort der Welt Gültigkeit haben, also nicht nur in Indien.
Und trotzdem ist Ayurveda auch indisch. Die heiligen Männer, die Rishis, schrieben es vor tausenden von Jahren in den Veden nieder. Sie gingen in den Himalaya und empfingen dort in tiefster Meditation die ewigen Weisheiten. Es heißt, dass dieses Wissen vom Schöpfer des Weltalls, Brahman, selbst stammt und jahrhundertelang durch mündliche Überlieferung erhalten blieb. „Ach, die Inder“, werden Sie jetzt denken. Aber auch in Westeuropa gibt es Fälle von göttlicher Eingebung, denken wir nur einmal an die Klosterfrau Hildegard von Bingen. Die mittelalterliche Nonne empfing ihre Botschaften angeblich auch direkt von Gott. Und sie hinterließ ein beachtliches medizinisches Werk, das sich nicht alleine aus dem Besuch der Bingener Grundschule erklären lässt. Bildung war zur damaligen Zeit zudem reine Männersache.