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Daniela Schenk

Knarrenfrauen

Ein Fall für
die unwiderstehliche April Pallas

Kriminalroman

ULRIKE HELMER VERLAG

www.ulrike-helmer-verlag.de

eISBN 978-3-89741-991-9

E-Mail: info@ulrike-helmer-verlag.de

Donnerstag, 11. Juni, früh 20 °C

April hatte eine Abkürzung genommen, die sie geradewegs in den Schlamassel führte. Sie war blau genug zu meinen, es sei eine gute Idee, auf hohen Absätzen und in engem Rock um halb drei Uhr morgens durch eine verlassene Gasse zu trippeln. Was sollte ihr schon passieren? Sie beherrschte Selbstverteidigung aus dem Effeff und dank fünfzehn Jahren Kung Fu war aus ihr eine Brucie Lee geworden. Das nützte ihr in dieser Aufmachung jedoch wenig, oder hatte man je eine Kung Fu-Meisterin in Minirock und auf schwindelerregenden Absätzen kämpfen gesehen? Auf letzteren knickte sie ständig ein, was ihr Erscheinungsbild nicht imposanter machte. Und vermutlich war es auch unvorteilhaft, dass ihre Brüste (auf die sie stolz war) gefährlich weit aus dem Ausschnitt herauslehnten, als gäbe es draußen etwas Interessantes zu sehen.

Es war eine warme, mondlose Nacht, die Straßenlaternen warfen ein kümmerliches Licht auf das Kopfsteinpflaster und verwandelten die Welt außerhalb in ein Schattenreich. Normalerweise wäre sie mit ihrem Motorrad unterwegs gewesen, aber das war defekt. April hörte das laute Klack-Klack der Stöckelschuhe – wahrscheinlich waren in ihnen Megafone eingebaut. Jedes Klack schien in die Welt hinauszuschreien: Kommt her, hier bin ich, überfallt mich!

Kackenschotter, dachte sie, mehr gab es dazu nicht zu denken. Klack-Klack. Sie kam an einem Brunnen vorbei, ein junges Paar schwankte engumschlungen an ihr vorüber. Ihr knurrte der Magen. Sie straffte den Rücken und dachte, dass sie notfalls den Angreifer mit ihrem BH erdrosseln würde – mal abgesehen davon, dass sie keinen trug. Klack-Klack. Die Stöckelschuhe hatte sie von einer Freundin ausgeliehen, die wasserstoffblonde Perücke extra gekauft für Toms Geburtstagsparty unter dem phantasievollen Motto Nutten und Zuhälter. Auf dem Fest angekommen, stellte sie fest, dass sie die Einzige gewesen war, die Toms Vorgabe ernst genommen hatte, die anderen hatten sich nicht über grelle Schminke und allenfalls High Heels hinausgewagt. So wurde sie ungewollt zum Mittelpunkt des Festes: Die Männer warfen ihr lüsterne Blicke zu und die Frauen böse.

Umgekehrt wäre ihr lieber gewesen.

Sie versuchte schneller zu gehen, was ihr in diesem engen Fetzen nur gelang, indem sie wie eine Geisha kleine Schrittchen machte. Dadurch geriet sie mit den Bleistiften umso öfter zwischen die Pflastersteine. Weiter vorn konnte sie immerhin schon das Berner Münster ausmachen, wo sie rechts abbiegen und in die belebtere Hauptgasse gelangen würde.

»Guten Abend, meine Schöne.«

Der Mann war aus dem Nichts aufgetaucht. Wie konnte sie ihn nicht bemerkt haben?! Er versperrte ihr grinsend den Weg, in der rechten Hand einen Schlüsselbund, mit dem er lässig spielte. Genau so einer hätte jetzt in ihrer Hand liegen sollen, zwischen jedem Finger ein Schlüssel, die zur Faust zusammengenommen eine gefährliche Pranke abgaben, so wie sie es ihren Mädchen lehrte! Damit hätte sie sein Gesicht schreddern können. Ihr Schlüsselbund jedoch steckte in dem rosa Täschchen, das sie sich vom Nachbarsmädchen ausgeliehen hatte.

»Ganz allein?«, der Mann schnalzte mit der Zunge, als wäre sie ein Pferd. »Kommst du von der Arbeit oder gehst du hin?« Schlüsselgeklimper. »Wie auch immer, für eine kleine Gratisnummer reicht die Zeit allemal.« Er trat näher, eine Dunstwolke von Bier, Zigarettenrauch, Schweiß und Aftershave schwappte ihr entgegen.

Dann sagte er doch tatsächlich: »Gib’s mir, Baby.«

April wusste nicht, wie ihr geschah – ihr, der akkuraten, schlagfertigen und, wenn es sein musste, knallharten Detektivin! Sie versuchte die High Heels loszuwerden, was ihr nicht gelang: Die Schuhe waren ihr zu groß, deshalb hatte sie Klopapier vorne hineingestopft und die Riemchen fest angezogen. Sie fühlte am Rücken den feinen, kühlen Sandstein. Der Mann glotzte auf ihre Brüste und befeuchtete sich die Lippen, offenbar verwechselte er ihre Schmuckstücke mit zwei saftigen Braten. Das war zu viel des Guten: Brucie Lee rammte dem Mann das Knie in seine Weichteile – ratsch, die Naht des Minirocks war Geschichte und der Knieschlag besaß noch die Wucht eines Lappens. Immerhin hatte sie nun genug Abstand gewonnen, damit sie einen ihrer gefürchteten Handkantenschläge platzieren konnte. Wieder ratsch, und ihre rechte Brust lehnte noch weiter aus dem Ausschnitt – kurz, man hätte ihre Aktionen als Feuer-ins-Ölwerfen bezeichnen können: Jetzt lockte noch mehr nackte Haut.

Blieb die Flucht. April stieß den Mann zur Seite und haute ihm mit dem rosa Täschchen auf den Kopf. Das Täschchen öffnete sich und ergoss seinen Inhalt auf den Boden. Neben dem Schlüsselbund kam ein Schokoriegel zu liegen – wie hatte sie den vergessen können, wo sie so hungrig war! Egal jetzt. Sie preschte los, doch der Mann war schneller als erwartet. Er packte sie am Arm und drückte sie wieder an die Mauer. »Hiergeblieben, Mädel! Wir sind nicht fertig.«

Er fummelte an seinem Riemen und da geschah etwas, was einem nie und nimmer geschehen konnte: Ein leises Fluchen war zu vernehmen, ein feines Zurren und Rascheln, dann fiel etwas Dunkles, Schweres herab, erfreulicherweise auf den Mann, der wie eine Tanksäule im Orkan umfiel und liegen blieb. Das, was heruntergefallen war, rollte vom Mann weg und sprang in einer fließenden, tänzerischen Bewegung auf die Beine. Das Geschenk des Himmels war in einen engen, dunkelblauen Overall gekleidet und trug eine Maske, die nur Augen und Mund freiließ.

»Alles okay?«, stotterte die Erscheinung mit weiblicher Stimme. Sie beugte sich über den Mann und tastete ihn ab. »Gott sei dank, er lebt«, sagte sie und wandte sich April zu, »tut mir leid, war keine Absicht. Ich rufe den Krankenwagen.«

»Och, das eilt nicht, soll der ruhig ein wenig am Kopfsteinpflaster lauschen.«

»Was?!«

»Er wollte eine Gratisnummer, die ist ihm nun teuer zu stehen gekommen. Danke«, sie schaute das Seil entlang hinauf –, »was immer Sie da oben getrieben haben.«

Die Maskierte schulterte ihren Rucksack und kratzte sich verlegen am Kopf. »Die Bremse hat versagt. – Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf …«

»Dürfen Sie nicht.«

»Ihre Aufmache ist suboptimal der Umgebung und Tageszeit angepasst. Wie Jane, nur ohne Tarzans Schutz.«

»Sie wollen mir Vorträge über Kleidung halten?« April taxierte die Maskierte von Kopf bis Fuß. »Ich erschlage wenigstens niemanden, und übrigens ist es unhöflich, mit verhülltem Gesicht zu sprechen.«

»Orthodoxe Musliminnen machen das so.«

»Sie sind Muslimin? Ja, dann ist das was anderes! Sie scheinen aber eine ziemlich moderne Muslimin zu sein. Das Profil Ihres Busens zum Beispiel sieht man unzweideutig, ist das erlaubt?«

»Was? – Äh, ich muss jetzt«, sagte das Himmelsgeschenk und verschwand lautlos in der Dunkelheit.

Der Mann am Boden stöhnte auf. April kickte ihm mit dem Schuh in die Seite, dass er jaulte. Sie suchte den Inhalt ihrer Tasche zusammen, kickte nochmals, riss den Schokoriegel auf, der neben dem Schlüsselbund gelegen hatte, und machte sich mampfend aus dem Staub.

Klack-Klack.

Donnerstag, 11. Juni, mittags 27 °C

April kniete vor ihrer Buell1 und kratzte sich am Kopf. Nicht mit der Hand, sondern mit dem Schraubenschlüssel, was keine gute Idee war, denn er war voller Karrenschmiere. Glücklicherweise hatte sie schwarze Haare, da fiel die Schmiere nicht groß auf. Eine Tasse Kaffee stand auf dem Sitz des Motorrads, daneben ruhte ein dreilagiges Sandwich. In der ersten Etage befanden sich Butter, Käse und Ei, in der zweiten Ketchup und gebratener Speck. (Die Kunst bestand darin, das Sandwich flachzudrücken, ohne dass der Inhalt herausquoll, und durch alle drei Schichten zu beißen. Niemand konnte das so gut wie April.) Das Sandwich war zu einem Drittel aufgegessen, die oberste Schicht Brot trug dunkle Fingerabdrücke.

Als April ihr Haar mit dem Schraubenschlüssel fertig durchpflügt hatte, stand sie auf und fasste ihre Reparaturerfolge in einem Wort zusammen: »Kackenschotter.«

Sie schmiss den Schraubenschlüssel durch die Garage. Vielleicht hätte sie das Buch lesen sollen, das ihr Tom geschenkt hatte: Zen und die Kunst, ein Motorrad zu warten. Tom war der Freund, der die lachhafte Geburtstagsparty vom Vorabend gegeben hatte, und er war der Chef des Bikerklubs HIMMLISCHE BENGEL, einer gemütlich-bernischen Version der HELL’S ANGELS mit etwa fünfzig Mitgliedern. Als Tom ihr das Buch gab, wurde ihr bewusst, dass sie davon ausgegangen war, Tom könne gar nicht lesen. Oder wenn, dann nur, indem er dazu die Lippen bewegte. Tom war groß, gewichtig mit halblangen Zotteln und einem Alptraum von einem Seehundschnauz. Wenn nicht seine sanften Augen gewesen wären, hätte er furchterregend ausgesehen. Aber Tom war einer, der das Herz auf dem rechten Fleck hatte und der offensichtlich lesen konnte. »Ist meine Bibel«, hatte er gesagt, als er ihr den Motorrad-Zen überreichte, »da steht alles Wesentliche drin.«

Gerührt hatte sie das Buch angenommen und weggelegt, keine Ahnung wohin. Sie hatte es nicht mit dem Lesen. Zu wenig Bewegung, zu viele Buchstaben. Jetzt, da trotz etlicher Versuche die geliebte Buell nicht anspringen wollte, bereute sie ihre Ignoranz. Sie nahm einen Schluck aus der Tasse und fragte sich, ob sie jemals einen heißen Kaffee getrunken hatte, beziehungsweise, warum sie immer zu lange wartete, bis sie ihn trank. Ihre philosophischen Gedanken, die allesamt in abgekühltem Kaffee abstürzten, wurden durch ein Klopfen und Räuspern unterbrochen.

Ein Herr stand im halb geöffneten Tor und schaute mit einem Gesichtsausdruck herein, der sagte: Oh, ich bin wohl falsch hier. Schon kehrte er wieder um, als April rief: »Suchen Sie die PALLAS-DETEKTEI? Dann sind Sie richtig.« Sie deutete in den hinteren Teil der Garage, den man als Büroecke bezeichnen konnte: Ein großer, überladener Holztisch, ein klappriger Bürostuhl, an der Wand ein riesiges Sofa, dessen Bezug an zwei Stellen gerissen war. Daneben ein alter metallener Karteikasten, ein Holzregal, worin sich alles fand – leere Kaffeetassen, Nippesfiguren, Ordner, Werkzeuge, alte Handys, ein Radio, Unmengen von Mars, Bounty und Konsorten und nicht zuletzt eine große Sammlung unterschiedlicher Knarren. Genauer gesagt, Wasserpistolen aller Farben, Formen und Größen, die sie in den letzten Jahren zusammengetragen hatte und vorzugsweise gemeinsam mit dem Nachbarsmädchen Jana-Ina zum Einsatz brachte.

Der Herr trat zögernd in Aprils Bürogarage. Man sah ihm an, dass er die Idee, hierher zu kommen, für die dümmste seines Lebens hielt. April biss in ihr Sandwich und fragte gleichmütig: »’as ollen Sie ier?«

»Ich suche Frau Pallas, man hat sie mir empfohlen. Ist sie im Haus?«

April grinste mit vollem Mund, deutete auf sich, auf ihre Ledermontur und sagte: »Tschur Schtelle.« Mit dem Sandwich in der Hand wies sie einladend zur Büroecke hinüber. Sie schnappte den lauen Kaffee, setzte sich auf ihren Bürostuhl und warf den Rest des Sandwichs in eine Schublade. »Kommen Sie und setzen Sie sich. – Moment, ich nehme den Stapel vom Stuhl. Entschuldigen Sie die Unordnung. Ich würde gerne behaupten, dass es hier normalerweise ordentlich ist, das ist aber leider nie der Fall. Die Putzfrau findet den Eingang zur Garage nicht.«

Der Herr setzte sich, obschon er sichtlich Angst um die makellose Sauberkeit seiner Hose hatte. April scannte ihn mit scharfen Augen. Sie konnte im Prinzip schon an der Nasenspitze eines Menschen ein differenziertes Profil abgeben. Diesen hier schätzte sie auf: um die fünfzig, geschieden (Kleider waren professionell gebügelt), ohne Kinder (fehlende sorgenvolle Ausstrahlung), Notar von Beruf (das Leder der Tasche), Liebhaber von Whisky (sagte ihr die Intuition), strikter Nichtraucher (keine typische Verfärbung der Zähne), unsportlich (schlaffer Muskeltonus), Verächter von Gartenarbeit (die Fingernägel) und kein Alphatier (er hatte sich zur Büroecke führen lassen).

Der Mann strich seine Hose glatt und begutachtete den vollen Aschenbecher auf dem Tisch. »Darf ich?«, fragte er.

»Sie wollen einen Zigarettenstummel?« April schaute ihn verständnislos an.

»Nein, ich meine, darf ich rauchen?«

»Bitte.« Also doch Raucher, dachte April, offenbar hatte sie die Farbe der Zähne falsch interpretiert (das schlechte Licht in der Garage). Sie wusste aber, dass er ein Zigarettenetui hervornehmen würde, bestimmt ein goldenes. Der Mann nahm eine Schachtel Philip Morris hervor. Na gut, er hatte das goldene Etui zu Hause vergessen. Hilfsbereit beugte sie sich über den Tisch und gab ihm Feuer. Erstaunt ruhte der Blick des Mannes auf ihrer Hand. Er hatte wohl noch nie ein Feuerzeug mit einer nackten Drachenkämpferin darauf gesehen!

April saugte genüsslich den Zigarettenrauch ein. »Erzählen Sie.«

»Mein Name ist Hannes Montiross, Ihre Adresse habe ich von meiner Mutter. Sie haben einmal geholfen, die Person in der Altersresidenz zu finden, die ihren Schmuck gestohlen hat.«

»Ja, ich erinnere mich. Frau Montiross, eine reizende Person! In der Altersresidenz bin ich sozusagen die Hausdetektivin.« Sie lächelte vergnügt.

»Mein Anliegen ist delikat und verlangt hundertprozentige Diskretion. Falls wir miteinander ins Geschäft kommen, müssen Sie schriftlich bestätigen, dass Sie Stillschweigen bewahren.«

April hob eine Augenbraue. Sie hatte bewegliche Augenbrauen und wer sie kannte, wusste: Hob sie die rechte, gab es Ärger, hob sie die linke, war sie amüsiert. Sie hob die rechte. »Sie wollen mir drohen? In meinem Beruf ist Stillschweigen und Diskretion die Basis, der Auf- und Überbau! Sind Sie hierher gekommen, um mich zu beleidigen oder um mir einen Auftrag zu geben? Falls ich ihn annehme, dann ohne einen beleidigenden Wisch zu unterschreiben.«

Ihr dunkelschwarzer Blick passte formidabel zur schwarzen Bikerkluft und dem Haar (mit Karrenschmiere).

Verdattert entgegnete Montiross: »I-ich glaube, Sie haben mich nicht richtig verstanden.«

»Oh, das habe ich sehr wohl, kommen Sie mir nicht auf diese Tour. Mein Raum ist videoüberwacht«, sie deutete auf eine glänzende Kugel, die sich auf dem obersten Regal befand. »Ich kann Ihnen die letzten paar Minuten vorspielen.«

Er machte eine abwehrende Geste. »Nein, nein, schon gut. Es geht um Folgendes: Ich bin Präsident der B.I.A. Bern und als solcher sehr beunruhigt. Offensichtlich hat es jemand auf uns abgesehen. Es hat damit angefangen, dass einem Mitglied Schmuck gestohlen wurde. Ein raffinierter Einbruch ohne jegliche Spuren. Ein paar Monate später wurde bei einem anderen Mitglied eingebrochen, nur wenige Wochen später bei einem dritten. Nachdem auch ein viertes Mitglied bestohlen worden ist, glaube ich nicht mehr an einen Zufall – jemand hat es auf die B.I.A. abgesehen. Mittlerweile ist bei drei weiteren Mitgliedern eingebrochen worden, auch hier keine Spuren.«

»Man findet immer Spuren«, entgegnete April, fischte das angefangene Sandwich aus der Schublade und aß es fertig.

»Und nun komme ich zum Grund, warum ich zu Ihnen gekommen bin: Letzten Monat tauchte bei einer Auktion ein Collier auf, das unserem Mitglied Arthur Steiner gehört. Der Einbruch bei ihm war vor einem Jahr.«

»Und hat die Polizei den Schmuck konfisziert?«

»Nein.«

»Wie bitte?«

»Es ist uns lieber, wenn ein Detektiv – eine Detektivin – ermittelt. Wir wollen dem Einbrecher das Handwerk legen. Wenn wir ihn haben, schalten wir die Polizei ein.«

»Was machen Sie in dieser B.I.A. eigentlich so? Ich weiß nur, dass sie existiert, warum, ist mir aber ein Rätsel – um Zigarren zu rauchen, Treffen zu veranstalten und Bowling zu spielen?«

»Ich muss schon bitten! Wir sind ein Zusammenschluss vermögender Menschen, die das Ziel haben, Gutes zu tun.«

»Ach so, ich dachte, Sie seien die Nachfolger der Freimaurer.«

Das hörte Montiross nicht gerne, er kriegte rote Wangen – eine Farbe, die ihm nicht stand, wie April feststellte. »Die B.I.A. hat mit den Freimaurern absolut nichts zu tun, ich verstehe nicht, warum sich dieses böse Gerücht so hartnäckig hält.«

»Vielleicht weil etwas Wahres daran ist? Während zwanzig Jahren hat sich das Gerücht gehalten, dass Jodie Foster lesbisch ist, und voilà!«

»Was voilà?«

»Sie hat sich endlich geoutet.«

»Geautet, was soll das sein?«

»Sie steht dazu, dass sie lesbisch ist.«

»Wir sind kein Schwulenklub«, knurrte Montiross.

»Das behauptet auch niemand – obwohl …«, April zwinkerte, »ich wollte damit nur sagen, dass ein Gerücht, das sich hält, wahr sein könnte. Aber lassen wir das. Was bedeutet B.I.A.?«

»Brüderliche in Allem. Gegründet im Zweiten Weltkrieg von den Schweizern Heinz Zoren, Paul Hodel und Gerhard Templin. Sie waren so erschüttert über die Schrecken des Krieges, dass sie einen Klub vermögender Männer gründeten, um Notleidenden zu helfen. Der Klub stieß auf großes Interesse, bald auch in Amerika, wo B.I.A. die Abkürzung für Brothers in Action ist. Nach dem Krieg entstanden in vielen Ländern Ableger.«

»Aha, eine richtig gute Sache also. Ist der Dieb auch bei Ihnen eingebrochen?«

»Nein, aber Sie können sich vorstellen, wie verängstigt meine Frau und meine Töchter sind. Sie wollen eine Leibwache – so weit kommt’s noch!« (Also doch Kinder, dachte April, bestimmt kümmerte er sich nicht groß um sie, deswegen die fehlenden Sorgenfalten.)

»Was machen Sie beruflich?«

»Ich baue Swimmingpools.«

»Ist wohl einträglich.«

»Man kann davon leben.«

»Für eine Rolex und einen Jaguar scheint es jedenfalls zu reichen. «

»Woher wissen Sie, dass ich einen Jaguar besitze? Ich habe um die Ecke geparkt.«

»Ich weiß. Bei Autos und Motorrädern hab ich das absolute Gehör.« Sie lächelte von einem Ohr bis zum anderen.

»Aha. Nun also, der Einbrecher muss gefunden werden – weil da noch etwas anderes ist«, er zögerte. »Es sind Dokumente abhandengekommen, deren Inhalt topsecret ist.«

»Was steht denn da drin?«

»Wie gesagt, das ist topsecret.«

»Und ich soll diese Dokumente finden, darf aber nicht wissen, was darin steht? Vielleicht handelt es sich um einen Plan, wie man die Schweiz in einen totalitären Staat umwandelt – oder wie man die Kopftuchpflicht einführt. Das unterstütze ich nicht.«

Montiross lächelte belustigt. »Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass es sich um nichts dergleichen handelt.«

»Ich weiß gar nicht, was das Ehrenwort eines Swimmingpool-Erbauers zählt.«

Das hörte Montiross nicht gern, er erhob sich. »Ich glaube, ich verschwende hier meine Zeit. Dann halt nicht. Schade für Sie, wir hätten gut bezahlt.«

Das war ein Stichwort, das April nicht überhören konnte. »Fragt sich, was Ihr Klub als gut bezahlt bezeichnet.«

»Fünfzigtausend im voraus, fünfzigtausend, wenn Sie erfolgreich sind, weitere fünfzigtausend, wenn Sie die Dokumente finden. Dazu kommen die Spesen.«

Es gab Dinge, die April heilig waren: Stillschweigen gehörte dazu, Ehrlichkeit, Achtung vor Mitmenschen – und Wohlwollen gegenüber Geld.

»Geben Sie mir Ihr Wort, dass durch diese Dokumente niemand zu Schaden kommt?«

»Beim Haupte meiner Mutter, ich schwöre.«

»Beim Haupte Ihrer Mutter, was soll das denn bedeuten?«

»Das sagt man so.«

»Man sagt nichts einfach so. Was geschieht mit dem Haupte Ihrer Mutter, wenn Sie gelogen haben? Wird es abgehackt?«

»Ich wollte damit sagen, dass ich das Gesagte ernst meine.«

»Vielleicht mögen Sie Ihre Mutter nicht, dann wäre der Schwur nichts wert.«

»Nehmen Sie diesen Auftrag an oder nicht?«

Vor Aprils innerem Auge standen hundertfünfzigtausend Franken, was ihr die Sicht auf Gegenargumente etwas vernebelte. Drei ewige Hundertstelsekunden lang dachte sie über die Dawider nach, dann sagte sie: »Ich nehme ihn an.«

Montiross setzte sich wieder.

Nach längerem Suchen fand April eine Vertragsvorlage, auf die sie als Erstes mit einem dicken Filzstift das Honorar eintrug: 150.000,– Franken. Der Vertrag war sechs Seiten lang und erörterte jede mögliche und unmögliche Eventualität: Wie viel Schmerzensgeld muss der Auftraggeber zahlen, wenn sein Hund April beißt? Wie viel vom Honorar darf in Naturalien bezahlt werden, welche sind nicht erlaubt? (Zum Beispiel Kondome und Rasierapparate) Was geschieht, wenn die Detektivin den Fall nicht lösen kann, aber viel Zeit investiert hat? Wer muss allfällige Impfungen zahlen (gegen Zeckenbisse, beispielsweise)?

April entlockte ihrer antiquierten Kaffeemaschine einen Kaffee. Man musste von Entlocken sprechen, denn die alte Dame war nicht immer zur Kooperation bereit. Neben ihr lagen ein Schraubenschlüssel, eine Zange und ein Hammer. Fasziniert schaute Montiross zu, wie April mit geübten Bewegungen an der Kaffeedame schraubte, hämmerte und klemmte, bis eine schwarzbraune Brühe in die Tasse blubberte.

Er schüttelte den Kopf. »Wir können auf dem Vertrag den Zusatz hinsetzen, dass Sie bei erfolgreichem Abschluss eine Kaffeemaschine erhalten.«

April reichte ihm den Kaffee, die rechte Augenbraue weit in der Stirn. »Man beleidigt nicht die Maschine, die einem einen so köstlichen Kaffee liefert! Ich habe sie mit achtzehn auf einem Flohmarkt erstanden und seither hat sie mir viele genüssliche Kaffeepausen geschenkt.«

»Aber sie funktioniert nicht eben gut.«

»Ist das ein Grund, sie gleich wegzuwerfen?«

»Ehrlich gesagt, ja.«

»Ich möchte nicht Ihre Frau sein.«

»Bitte?!« Herr Montiross zog die Stirn zusammen, was in etwa das Gleiche bedeutete, wie wenn April die rechte Augenbraue hob.

»Sie muss ja ständig Angst haben, dass Sie sie wegwerfen, wenn sie mal nicht richtig funktioniert.«

Das hörte sich an, als pflegte April Pallas nicht nur Buell und Kaffeemaschine hingebungsvoll, sondern auch Partnerinnen.

Weit gefehlt.

Nachdem Montiross vom Kaffee getrunken hatte, sagte er nichts Verächtliches mehr über die alte Dame, stattdessen fragte er: »Pallas ist ein interessanter Name. Die Wurzeln ihres Vaters liegen wohl außerhalb der Schweiz?«

»Keine Ahnung, in welchem Dreck seine Wurzeln stecken. Die Spuren meiner mütterlichen Vorfahren hingegen verlieren sich irgendwo im griechischen Meer.«

»Meinen Sie das Ägäische oder Ionische?«

»Das griechische.«

»Nun gut. Ah, Griechenland, die Wiege der europäischen Kultur. Können Sie Griechisch?«

»Nur was ich aus Asterix kenne, alea jacta est und so.«

»Das ist Latein.«

»Jedenfalls unverständlich. Ich brauche von Ihnen alle wichtigen Daten: Telefonnummer, Adresse und Berufe der bestohlenen Mitglieder sowie der bisher verschonten. Name der Auktion, Ihre Handynummer, Unterlagen zu Ihrem Klub, eine Bestätigung, dass ich in Ihrem Namen ermitteln darf. Sobald Sie die fünfzigtausend auf mein Konto überwiesen haben, beginne ich mit der Arbeit.«

»Es eilt.«

»Erst das Geld, sonst ist es ja kein Vorschuss und meine Arbeitsmoral im Keller.«

Montiross seufzte und griff nach seinem Koffer. »Maman hat mir schon gesagt, dass Sie es faustdick hinter den Ohren haben«, er öffnete den Koffer und nahm einen Stapel Geldscheine heraus. »Fünfzig Tausendernoten.« Er schob sie am überfüllten Aschenbecher vorbei zu April hinüber.

April schob zurück. »Sind Sie verrückt? Was soll ich mit Tausendernoten? Wenn ich mit dem Packen zur Bank gehe, nehmen die mich fest – Verdacht auf Geldwäscherei. Oder soll ich damit im Laden zahlen? Wissen Sie, wie die sich freuen? Nein, das wissen Sie nicht, Sie gehen wohl selten einkaufen.«

»Okay«, Montiross steckte den Packen in den Koffer zurück und türmte mehrere Stapel mit Zweihunderternoten auf den Tisch.

Ein Grinsen stand in Aprils Gesicht. »Haben Sie das Ganze auch in Zehnern?«

»Nein, damit kann ich nicht dienen.«

»Mit zweihundertfünfzig Zweihunderternoten zur Bank zu gehen, ist natürlich sehr viel glaubwürdiger. Machen wir es so.« Sie zählte fünfundzwanzig Zweihunderter ab, den Rest schob sie Montiross zurück. »Fünftausend in bar, den Rest überweisen Sie mir noch heute.«

Erleichtert nickte er.

»Schleppen Sie immer so viel Bargeld mit sich herum?«

»Nur, wenn es die Situation verlangt.«

April überlegte sich, was für Situationen das sein mochten, allerdings kamen ihr keine in den Sinn.

Es dauerte, bis beide die Unterschrift unter den Vertrag setzten. Montiross war mit manchen Punkten nicht einverstanden, das musste ausgehandelt werden. Er sah zum Beispiel nicht ein, warum er für Verkehrsbußen aufkommen sollte; April könne sich ja einfach an die Verkehrsregeln halten. Sie hielt dagegen, dass sie bei einer Verfolgungsjagd nicht auf die Geschwindigkeitsbegrenzung achten könne, der Verbrecher halte sich auch nicht daran.

Ob sie schon oft auf Verfolgungsjagd gewesen sei, wollte Montiross wissen.

Gewissermaßen nicht, grundsätzlich jedoch schon, erwiderte April, es sei wichtig, alle Eventualitäten einzuberechnen.

»Ach so, und deshalb legen Sie in Punkt 8.4.3. fest, dass im Falle Ihres Todes Sie in Bikerkombi aufgebahrt werden wollen und der Sarg aus Schweizer Holz gefertigt sein muss. Und wir natürlich für die ganzen Kosten aufkommen?«

»Ich finde, für Särge sollte man einheimisches Holz nehmen. Stellen Sie sich vor, es käme aus Finnland und der Lastwagenfahrer hätte einen Unfall, dann hätte mein Tod einen anderen Tod verursacht.«

»Auch ein Lastwagen mit einheimischem Holz könnte verunfallen.«

»Ja, aber bei einer langen Fahrt ist die Wahrscheinlichkeit größer. Übrigens darf man das Holz für den Sarg nicht speziell behandeln, eine einfache Kiste reicht. Ich will verbrannt werden und möchte die Luft nicht mit Lackdämpfen verpesten.«

»In Ordnung. Aber ich bin nicht bereit, extra für Ihre Bestattung diese Gruppe – wie sagten Sie noch gleich?«

»Apocalyptica – eine finnische Band. Vier Cellisten mit langen Haaren, die geilen Sound machen.«

»Holz aus Finnland wollen Sie nicht, eine Musikband aber schon? Die könnten auch verunfallen.«

»Nein, die fliegen. Fliegen ist die sicherste Art, sich fortzubewegen.«

»Das geht zu weit. Wir zahlen keine finnische Band für Ihr Begräbnis.«

»Sie weigern sich zu zahlen, obschon Sie meinen Tod verursacht haben?«

»Wenn Sie sich fahrlässig töten lassen, zahlen wir überhaupt nichts.«

»Ich lasse mich nicht fahrlässig töten.«

»Das lässt sich einfach behaupten – beweisen Sie es.«

»Ich lebe noch!«

Es waren zähe Verhandlungen. Dann verabschiedete sich Montiross und April lauschte dem entzückenden Klang des Jaguars. Sie ging zurück in die Büroecke und tätschelte die kugelförmige Videokamera, die in Tat und Wahrheit eine Klangkugel war. Schmunzelnd setzte sie sich, legte die Füße auf den Tisch, betrachtete die Banknoten und dachte, dass sie glücklich war, mal abgesehen vom Kater, den ihr der gestrige Nutteneinsatz beschert hatte. Und sie überlegte sich zum tausendsten Mal, was die Frau, die vom Himmel kam, dort oben gesucht haben mochte.

Nachdem sie fertig überlegt hatte (ohne Resultat), aß April ein Mars und machte sich bereit für den Kurs. Seit drei Jahren unterrichtete sie Mädchen in Selbstverteidigung à la Pallas. Das bestand aus Elementen des Kung Fu, des Wendo2, aus nachgespielten Kampfszenen und ihren Erfahrungen als Ermittlerin. Die Mädchen waren zwischen sieben und vierzehn Jahre alt.

Sie liebte es, den Kurs zu geben, mitzuerleben, wie sich die zarten Mädchen in Kampfmaschinen verwandelten. Nun, vielleicht nicht in Kampfmaschinen, aber immerhin wussten sie am Schluss, welch mörderisches Potenzial in Linealen, Haarklammern, Kugelschreibern, gezielten Hieben, treffsicheren Fußtritten und ihrer Sprache lag. Sie sagte den Mädels immer wieder: »Ihr müsst mit allen Mitteln kämpfen, ein gut gezielter Pausenapfel kann Wunder vollbringen! Vielleicht sind Jungs und Männer stärker als ihr, doch ihr seid gewitzter und phantasievoller. Das müsst ihr nutzen.«

Die Kurse waren gut besucht, die Töchter und Mütter fanden es eine tolle Sache, die Brüder und Schulkollegen weniger, wer mochte schon Pausenäpfel am Kopf oder dass man ihm Bücher in den Bauch rammte und mit Haarnadeln zustach? Für die Mädchen war April eine Göttin, was die Göttin genoss; und noch mehr genoss sie es, mitzuerleben, wie die Mädels an Stärke und Selbstbewusstsein gewannen.

Sie gab den Kurs im kleinen Schulhaus ihres Viertels. Die Turnhalle roch, wie eine Turnhalle riechen muss: nach einer Mischung aus Bohnerwachs, Seilen (vollgesogen mit Schweiß), eisernen Ringen und Reckstangen (die in schweißigen Händen gelegen hatten), schweißdurchtränkten Matten und Stufenbarren, über die ungelenke Schweißfüße balanciert waren. Es roch nicht gut, es roch nicht schlecht, es roch eben nach Turnstunde.

In der Halle angekommen, packte April die Hölzer aus der Tasche, die später mit einem Handkantenschlag zweigeteilt würden, schleppte Matten aus dem Geräteraum und legte sie in zwei Reihen. Heute startete ein neuer Kurs, fünfzehn Mädchen hatten sich angemeldet. Die ersten trafen ein, meistens von der Mutter begleitet, seltener vom Vater. Wie jedes Mal wollten die Eltern bleiben und ihrem Töchterchen zuschauen (durch die Linse einer Kamera). April machte ihnen freundlich klar, dass sie draußen warten mussten, ihre Tochter werde sonst nur abgelenkt. Die meisten verstanden das und gingen, andere hyperventilierten bei der Vorstellung, dass ihr Kind während eineinhalb Stunden ohne elterlich beschützende Hand (wohl eher Kralle) sein wurde. Weiter hyperventilierten sie bei dem Gedanken, dass die Mädchen eineinhalb Stunden fern vom Handy wären. Es waren dieselben Eltern, die ihr Kind die sechshundert Meter zur Schule mit dem Auto fuhren und sich jeden Abend zu ihm ins Bett legten, bis es eingeschlafen war. Sie hatte oft Diskussionen mit solchen Eltern geführt und diese ziemlich satt. April war der Meinung, dass Kinder nicht stark und widerstandsfähig wurden, wenn man sie in Watte packte und wie Invalide behandelte.

An diesem Samstag bockte nur eine Frau: April hatte sie beobachtet, als sie mit ihrer Tochter an der Hand daherkam. Viel Ähnlichkeit gab es zwischen den beiden nicht: Während die Frau blond, blauäugig und schlank war, war das Mädchen schwarzhaarig, hatte große dunkelbraune Augen und war breit gebaut. Vielleicht hatte der Vater die Tochter mit einer anderen Frau gezeugt und das befruchtete Ei in den Bauch der Blonden geschmuggelt … Wie sie das geschafft hatten, blieb April schleierhaft. Sie grinste über diese Vorstellung, doch dann nicht mehr, denn die Frau wollte die Turnhalle betreten. April erklärte, dass das nicht gehe und warum. Wie gesagt, bei solchen Eltern war ihr Geduldsfaden so lang wie das Haar eines Kurzhaardackels.

Die Frau sagte: »Ich verstehe, dass Eltern nicht reindürfen, nur bin ich nicht Eltern, ich bin Patentante.«

April hatte auch mit überbesorgten Patentanten keine Geduld.

»Egal. Sie sind erwachsen, Sie gehören nicht hierher.«

»Aha, Sie aber schon?«

»Logisch, ich leite den Kurs.«

»Und ich bin die Patentante und habe dem Vater versprochen, dass ich nach Bella schaue. Meine Verantwortung.« Sie machte ein trotziges Gesicht.

»Ist nicht verhandelbar. Um halb vier können Sie sie abholen.«

»Ich bleibe.«

»Nicht mal der Allmächtige würde Zutritt zur Turnhalle kriegen.«

Biegsam wie ein Betonpfeiler, verharrte die Frau unter dem Türrahmen und versperrte den anderen den Weg.

»Eine einzige Zehe über diese Schwelle und ich zeige Ihnen, was ich alles draufhabe.« Der Kater, der immer noch in Aprils Kopf rumorte, machte sie nicht sanftmütiger, sondern kampfeslüstern.

Der Betonpfeiler rutschte etwas zur Seite und nach vorne, näher zur Schwelle.

»Ich warne Sie!« April lächelte schräg und deutete Richtung Ausgang. »Genießen Sie einfach Ihre Pause.« Spätestens wenn sie das sagte, trotteten die Mütter oder Väter von dannen. Die Frau trottete nicht.

»Ich schließe die Tür.« April zog an der Klinke. Erst im letzten Moment machte die Frau einen Schritt zurück.

»Na, ging doch««, sagte April fröhlich und donnerte die schwere Türe zu. Sicherheitshalber schloss sie ab.

Die Mädels klebten drinnen an der Turnhallenwand und beäugten einander. Wenn sie gesagt hätte: »Wer gehen will, kann das tun«, wären die meisten zum Ausgang geströmt, nein gerast. Stattdessen legte April ein Brett auf zwei Backsteine, konzentrierte sich einen Moment, sagte laut »Hoo!« und ließ ihre Handkante auf das Brett donnern. Es brach in zwei Hälften. »Ob ihr es glaubt oder nicht, ihr könnt das auch. Bisher konnten es alle – manche trauten sich früher, andere etwas später.«

Sie konnte geradezu hören, wie die Mädchen dachten: Ich werde die Erste sein, die das nicht kann!

»Wisst ihr, worin der Trick besteht?«

Die Mädchen schüttelten den Kopf.

»Indem ihr das Brett nicht beachtet.«

Fragezeichen an der Wand.

»Eure Aufmerksamkeit bestimmt, was möglich ist. Seid ihr schon mal mit dem Fahrrad genau in das Hindernis gefahren, vor dem ihr Angst hattet? Das ist passiert, weil ihr wie gebannt daraufgestarrt habt. Wohin man schaut, dorthin geht man.«

Immer noch Fragezeichen. April legte ein neues Brett über die Backsteine. »Wenn ihr aufs Brett schaut, stoppt ihr beim Zuschlagen ab, kurz bevor ihr das Holz berührt. Wenn ihr jedoch das Brett ignoriert und stattdessen mit der Hand bis zum Boden durchschlagen wollt, haut ihr mit voller Wucht.«

Sie machte es nochmals vor: »Hoo« und krach!

»Schaut, die Bruchstelle, sie ist unglaublich glatt«, sie hielt die Hälften in die Höhe. Dies war der Moment, da sich die Mädchen von der Wand lösten und vorsichtig näher kamen. April nahm ein neues Brett und legte es auf die Backsteine. Sie deutete auf den Boden darunter, »hierhin lenkt ihr eure Aufmerksamkeit, das Brett interessiert euch nicht die Bohne, zum Boden wollt ihr. Hoo!« Und krach.

»Muss man Hoo sagen, damit es klappt?«, fragte die Kleinste.

»Nein, es kann Ahh, Ehh, Oiii oder gar nichts sein – das kommt von allein oder nicht.« April schaute in die Runde: »Wer von euch ist überzeugt, dass sie das nicht kann?«

Rund die Hälfte streckte die Hand hoch.

»In dem Fall habt ihr keine Ahnung, was in euch steckt. Spätestens in der letzten Stunde werdet ihr es können, das ist so klar wie Mehlsuppe.«

»Mehlsuppe ist nicht klar«, sagte ein Mädchen mit zwei kurzen Zöpfen.

»Okay, dann halt klar wie reines Wasser.«

»Warum sagen Erwachsene Dinge, die sie nicht meinen?«, fragte Kurzzöpfchen.

Ein anderes Mädchen nickte. »Papa sagt manchmal: Na großartig, wenn er was schrecklich findet, das ist nicht logisch.«

»Ja, und einmal kam ein Mann auf mich zu und sagte: Du musst keine Angst haben. Und ich dachte, was redet der da, ich habe ja gar keine Angst! Da wollte er, dass ich ihm einen Kuss auf den Mund gebe, da hatte ich plötzlich Angst und bin weggerannt.«

April nahm dieses Stichwort auf und begann mit dem Unterricht. Sie führte den Mädchen gefährliche Situationen vor und zeigte lebensgefährlich verletzbare Stellen am Körper. Sie zog sie in eine Welt, in der sie nicht Opfer waren, sondern sich mit allem Möglichen wehren konnten.

Während sie unterrichtete, sah sie, wie ein grauer Volvo vor dem Schulhaus parkte. Der Fahrer blieb im Auto. Sie konnte ihn nicht erkennen, denn in den Fenstern des Wagens spiegelten sich die Bäume vor dem Schulhaus. Der Volvo stand noch da, als die Eltern ihre Töchter abgeholt hatten.

April legte betont langsam die Matten in den Geräteraum, schloss bedächtig Turnhalle und Schulhaus ab. Der Volvo stand immer noch dort. Lässig schlenderte sie über die Straße, registrierte die Autonummer und schrieb sie innerlich auf (sie hatte ein phänomenales Gedächtnis). Sie würde am Auto vorbeigehen, die Türe aufreißen und den Halunken am Kragen herausreißen (falls er keinen Kragen hatte, an den Haaren – falls er weder Kragen noch Haare hatte, am Ohr – falls er weder Kragen noch Haare noch Ohr hatte, war er nicht normal).

Das Auto hatte getönte Scheiben, auch vorne (sehr verdächtig!). April zerrte an der Autotür, sie war verschlossen. Damit hatte sie gerechnet; sie hielt den Dünnen Jim schon in der Hand, ein langes Stück flexiblen Metalls mit einem Haken an der einen Seite, und schob ihn blitzschnell beim Fenster hinein, um das Schloss zu lösen. Dann riss sie den Dünnen Jim heraus und hielt ihn wie eine Waffe in der Hand, als sie die Türe öffnete.

»Hab ich dich erwi–!«

Beim Anblick des Inneren verstummte sie: Eine Frau, eher lose bekleidet, saß auf einem Mann, der die Hose heruntergelassen hatte. Sein Kopf war zwischen ihren großen, nackten Brüsten eingeklemmt. Die beiden starrten sie verblüfft an – und sie sah verblüfft zurück.

»Upps, hoppla«, eilig schlug April die Türe zu. Sie schulterte ihre Tasche und während sie nach Hause trottete, dachte sie, dass es durchaus hätte sein können, dass der Mann sie ausspionierte. Sie hatte scharf beobachtet, richtig interpretiert. Was konnte sie dafür, dass der Typ sie nicht observierte, sondern es mit einer Frau trieb? Wenn die Frau nicht dazwischengekommen wäre, hätte er sie beschattet und falls nicht – selber schuld. Sie machte eine wegwerfende Bewegung. Sie war April Pallas, die mit allen Wassern gewaschene Detektivin, unbeirrbar, gewitzt, unschlagbar. Zu Hause würde sie nachschauen, wer der Besitzer des Autos war. Kurz kramte sie in ihrem genialen Gedächtnis, die Nummer war BE 304 873 – oder war es BE 403 783? Na ja, jedenfalls etwas in dieser Richtung.

Nach dem Autodebakel ging sie beim Take Away vorbei, kaufte ihr geliebtes Shanghai-Beef und kehrte in die Garage zurück. Als Erstes warf sie den Computer an, um den Besitzer der Autonummer zu ermitteln. Bei der ersten Variante war es eine Rentnerin aus Sigriswil am Thunersee, bei der zweiten die Firma eines Kaminfegers aus Frutigen. Bestimmt hatte Dreck die Zahlen verklebt und aus einer Null eine Acht gemacht oder so.

Während sie das Essen in sich hineinschaufelte, schaute sie E-Mails durch. Montiross hatte ihr die Bestätigung geschickt, dass die fünfundvierzigtausend auf ihr Konto überwiesen waren. April nickte zufrieden. Ein undurchsichtiger Adressat fragte, ob sie ihre Frau so richtig zum Schreien bringen wolle? Er habe das ideale Mittel dafür. Sie grinste mit der Gelassenheit einer Person, die problemlos Frauen zum Schreien brachte. Mutter hatte geschrieben, dass sie sich endgültig von diesem miesen Scheißtypen trennen werde. April hörte auf zu grinsen und löschte die Nachricht. Wenn alle Nachrichten ihrer Mutter mit dem ewig gleichen Inhalt aus Papier wären, würde es fünf Tage dauern, bis sie alle verbrannt hätte. Sie seufzte und ging ins Netz, um sich ein Bild von der B.I.A. zu machen.

Die Startseite der B.I.A. Schweiz war mit einer hübschen Bergkette dekoriert. Darunter stand ein Sammelsurium verschiedenster Informationen, einem Gemischtwarenladen nicht unähnlich: interne Meldungen über die Klubzeitung, dass Kommissionsmitglieder gesucht wurden, eine Liste von wohltätigen Projekten, seien das Solarkocher für arme Länder, Kampf gegen Malaria oder eine Holzbrücke im Entlebuch. Auf der Projektseite wurden die Engagements näher beschrieben, auf einer anderen die Veranstaltungen für die Klubmitglieder. Über sich selber verriet der Klub, dass er ein weltweiter Zusammenschluss von Menschen sei, die ihre Mittel einsetzen, um anderen zu helfen – ehrenamtlich, nach der Devise selbstlosen Dienens.

April fragte sich, wie Menschen, die sich durch eine gute Portion Egoismus und gepanzerte Ellbogen hochgearbeitet hatten, nun selbstlos dienen wollten. Das war etwa so glaubhaft, wie wenn der Betreiber einer Schweinemast plötzlich Tierschützer wurde.

Die Organisation hatte weltweit über zehntausend Mitglieder, die in dreihundert lokalen Klubs tätig waren. Sie war unabhängig, überparteilich und an keinen Glauben gebunden. Die Brüderlichen setzten sich für hohe ethische Normen ein, für Völkerverständigung und Frieden. Sie trafen sich alle zwei Wochen in ihrem Klublokal, um Vorträge über aktuelle Themen zu hören. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie sich aktiv beteiligten. Man konnte dem Klub nicht selber beitreten, sondern musste von einem Mitglied vorgeschlagen werden und natürlich über ein entsprechend großes Vermögen verfügen.

April pfiff durch die Zähne. Diese Vereinigung war eine Mischung aus einer reichen Mutter Teresa und Florence Nightingale, einem vermögenden Pestalozzi, Franziskus von Assisi und Gandhi. Man setzte sich querbeet ein: für Nepal, für Kinder in Afrika, Rumänien, Slowenien, für Schulen in Bolivien, Wasserprojekte in Südamerika, Spitäler in Afrika, Erdbebenopfer in Nepal und Taifunopfer auf den Philippinen, aber auch für Pfadfinder oder Spendenläufe im eigenen Land. April fand Bilder von glücklich lächelnden Menschengruppen, mittendrin glücklich lächelnde Mitglieder, die einen übergroßen Check, einen Förderpreis oder ein Stipendium überreichten. Endlos viele Bilder von guten Taten und guten Menschen. Für April des Guten ein bisschen zu viel – sie war der Ansicht, dass jeder zu allem fähig ist, zum Guten wie zum Schlechten. Sie hatte böse Jungs mit den weichsten Herzen getroffen und Gutmenschen mit Leichen im Schrank. Am besten ging man von allen Möglichkeiten aus.

Sie dachte an die gestohlenen Schriften, die angeblich topsecret waren. Warum hatte eine Gutmenschvereinigung geheime Papiere? Hatten sie vor, ein Projekt aufzuziehen, von dem niemand im Vorfeld erfahren durfte, damit sich kein anderer Gutmenschklub die Idee unter den Nagel reißen konnte? Nicht sehr plausibel. Was also war topsecret?

April holte sich Mango-Sorbet aus dem Kühlschrank, setzte sich und legte die Füße auf den Tisch. Mit Sorbet im Mund und Füßen auf dem Tisch ließ es sich hervorragend denken.

Eine halbe Stunde später erwachte sie mit dem Kinn auf der Brust und Nackenschmerzen. Der Becher mit dem mittlerweile flüssigen Sorbet stand auf ihrem Bauch. Sie hatte geträumt, dass sie mit einer heißen Frau und dem kühlen Sorbet allerhand Dinge gemacht hatte, und freute sich nicht, dass ein Besucher sie mit Hämmern an der Tür dabei unterbrach. Mürrisch öffnete sie.

»Tom, du störst mich beim Denken!«

Tom grinste vermutlich, was man bei seinem Seehundschnauz nicht erkennen konnte. Er trat zur Buell. »Immer noch nicht geflickt?«

»Nein, ich habe anderes zu tun«, April stand ächzend auf und rieb sich am Nacken.

»Faule Ausrede.« Er ging in die Knie, was bei seinem Bauch nicht einfach war. Lange schaute er nur.

»Machst du Zen, oder was?«, fragte April.

Er brummte und gaffte weiter. »Sieht alles gut aus.«

»Ja, sie springt trotzdem nicht an. Ich habe alles auseinandergenommen, geputzt, geölt und wieder eingesetzt, die Kuh macht trotzdem nicht muh.«

»Hmmm.« Tom richtete sich umständlich auf, machte nochmals »hmmm«, dann öffnete er den Tank und guckte hinein. »Also, ich würde es mit Benzin probieren, das wirkt Wunder, vor allem wenn kein Sprit mehr drin ist.«

April eilte herbei. »Spinnst du?!« Sie schaute in den Tank. »Nein, du spinnst nicht. Kackenschotter, wie konnte ich das nicht merken!«

Tom war nicht nur umfangreich, sondern auch groß. Wenn er neben ihr stand, erschien er April wie der leibhaftige Koloss von Rhodos. Wenn er auf sie fallen würde, wäre sie Mus. Sie fragte sich, wie er das mit den Frauen im Bett machte, wie die überlebten. Oder war seine Leibhaftigkeit der Grund, warum man ihn nie mit einer sah? Nein, eher der Seehundschnauz. Wie oft hatte sie ihm den ungebetenen Rat gegeben, diesen Auswuchs des Schreckens zu beseitigen, aber er ließ sich nicht überreden. Er fand, dass eine Lesbe nicht wissen könne, was einen Mann attraktiv mache. Einmal fragte sie ihn, ob er allen Ernstes meine, dass Frauen seinen Schnauzer anziehend fänden.

Er nickte.

Wie viele Frauen er denn in den letzten sechs Jahren gehabt habe? – Er hatte nur eine wegwerfende Bewegung gemacht.

Tom holte einen Benzinkanister und begann den Tank der Buell aufzufüllen. »Komm, machen wir ein Abendfährtchen.«

April nickte. »Wir waren schon lange nicht mehr auf der Moosegg. Oder möchtest du lieber an einen See?«

»Nein, Moosegg ist voll der Auspuff, lass uns dorthin blasen.«

»Genau und alle Dosen überholen«, April lachte.

1 Für alle Motorrad-Analphabeten: Die Buell ist die Schwester der Harley Davidson. Während letztere gemütlich zockelt, rast die Buell. Sie wird nicht mehr produziert, was sie umso wertvoller macht.

2 Für Kampfdilettanten: Wendo ist eine Selbstverteidigungsart für Frauen.

Nochmals Donnerstag, 11. Juni, früh

Lou betrachtete nachdenklich die Bremse am Seilgewinde. Warum hatte die versagt? Sie drehte und wendete die Konstruktion, testete sie mehrmals, jetzt funktionierte sie einwandfrei. Seltsam.

Sie zog ihren blauen Overall aus und überprüfte die schmerzenden Stellen am Körper. Nichts Schlimmes, bloß Prellungen. Dann trat sie zum Fenster, schaute auf das Lichtermeer der Stadt. Die Aussicht von ihrer Dachwohnung aus war überwältigend: Man sah einen Teil der Stadt, tagsüber die Stockhornkette und ein paar Berge des Oberlands. Die Welt schien weit weg, das mochte sie. Gespannt schüttete sie den Inhalt ihrer Tasche auf den Tisch. Wie sie diesen Moment liebte! Jetzt konnte sie in Ruhe durchsehen, was sie erbeutet hatte: Brillantsterne in seidenen Futteralen, Smaragdlibellen, Rubinfliegen, Ringe mit riesig großen Steinen, zwei Uhren von Philippe Patek, Diamant- und Saphirringe, mehrere Goldketten, diamantenbesetzte Armreifen, Brillantenohrhänger und ein Kelch aus reinem Gold, in den Edelsteine eingelassen waren. Schon wieder ein solcher Kelch! Außerdem kryptische Dokumente, die sie mitgenommen hatte, weil diese scheinbar sinnlose Aneinanderreihung von Buchstaben und Zahlen ihre Neugier weckte.

Sie füllte das Diebesgut in Tüten ab, Gleiches zu Gleichem. Danach zog sie sich um und mischte sich ihren Lieblingsdrink: zwei Teile Cynar, ein Teil süßer Wermut, etwas frisch gepressten Zitronensaft, sechs Prisen Orangebitter, garniert mit Zitronenschale und drei Eiswürfeln. Das Glas schwenkend, schlenderte sie zum Kaminbesteck, nahm den Schürhaken heraus und schraubte den Holzgriff auf. Zum Vorschein kam ein unscheinbarer Stift, der in den Stiel eingelassen war. Sie drückte darauf, der große Fernseher an der Wand glitt leise surrend nach links.

Ein Tresor wurde sichtbar, der in die Mauer eingelassen war, im oberen Bereich blinkte ein rotes Licht, darunter befand sich eine Zahlentastatur. Lou hielt ihr linkes Auge vor das Blinklicht, es wurde stärker und scannte ihr Auge, dann wechselte es auf Grün. Behände gab sie einen zehnstelligen Code ein, ein leises Klicken und der Tresor öffnete sich. Sie legte ein paar Tüten hinein, holte andere hervor und schloss die Tür wieder.

Es war ein grandioser Coup – wären da nicht die defekte Bremse und diese Frau gewesen. Diese dumme Frau. Lou fand Frauen in nuttigen Kleidern bescheuert; noch bescheuerter jedoch, um nicht zu sagen hirnrissig, fand sie es, wenn Frauen hochhackige Schuhe trugen. Warum taten sie sich freiwillig eine solche Behinderung und Tortur an?

Sie setzte sich aufs Sofa, nippte an ihrem Drink und wartete. Punkt halb vier Uhr war das Knistern und Knacken eines Feuers zu vernehmen. Lou ging zum Kamin, griff in den Rauchsammler und fischte ein Handy heraus, von dem das Knistern und Knacken ausging. Kurz prüfte sie die Nummer des Anrufers und nahm das Gespräch entgegen.

»Ich bin unten«, sagte eine Männerstimme.

»In Ordnung.«

Flugs setzte Lou braune Linsen in die Augen ein und griff nach der dunkelbraunen Perücke, dann drückte sie auf den Summer. Kurz darauf hörte sie den Aufzug heraufkommen.

Lorenz Lenz sah wie ein junger Versicherungsvertreter aus, etwas blass, glattrasiert, mit weichen, hübschen Zügen und Geheimratsecken. Er war so mittelmäßig und unauffällig gekleidet, dass man ihn erst beachtete, wenn man über ihn stolperte. Seine Augen waren wässrigblau, der Ausdruck darin unbestimmt.