Niklas Rha

 

 

 

Haganhari

 

 

Roman

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1. Aufl. 2016

2. durchgesehene Aufl. 2020

 

 

 

 

 

 

 

 

© Niklas Rha, Holderäckerstraße 8, 70499 Stuttgart

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form ohne Genehmigung des Autors/Verlags reproduziert, verarbeitet oder verbreitet werden.

 

 

eBook: ISBN 978-3-00-052247-5

Umschlagbild: ‚Zerhackter Silberteller‘ aus einem Schatzfund; Copyright picture alliance/dpa/Torsten Silz

 

 

 

 

Inhalt

 

Karte

 

Prolog

 

Walthari

 

Teil I – Die Flucht

 

Walthari

 

Teil II – Der Schatz

 

Walthari

 

Teil III – Der Untergang

 

Epilog Waltharis

 

Nachwort

 

Namen im Roman

Personennamen

Volksnamen, Namen von Stämmen

Orts-, Gebiets- und Gewässernamen

 

 

 

 

 

Image

 

 

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Alle Namen werden im Anhang erläutert

 

 

 

 

Prolog

 

 

Frühjahr 398, in der Nähe von Xanten am Niederrhein

 

 

L

ärmender Hufschlag auf der hölzernen Brücke, die über den kleinen Bach herüber zum Palas führt. Laute Rufe, dazwischen Kommandos in einer fremden Sprache, ließen die Runde von Männern, die sich im großen Saal versammelt hatten, aufhorchen.

Die Edlen und Führer der Franken1 im Gebiet der niederen Lande hatten sich am Morgen zur Beratung getroffen. Seit Tagen brachten Boten immer wieder unheilvolle Nachrichten hierher zu ihnen nach Tricensimae2, das die Franken immer noch Traiana3 nannten. Die Speerspitze eines riesigen Heeres der Hunnen4 und ihrer Vasallen war auf dem Vormarsch. Und niemand wusste, wo dieses Heer Halt machen oder durch Widerstand aufgehalten würde. Geschichten über die unvorstellbare Grausamkeit dieser fremden Krieger machten bereits die Runde. Nur wenige hier am Rhenus5 hatten je einen Hunnen zu Gesicht bekommen. Und so wurden die fremden Krieger in den Geschichten, die über sie verbreitet wurden, immer grausamer und blutrünstiger.

Es war bisher kaum Zeit geblieben, Boten zu den verschiedenen fränkischen Besitzungen und Siedlungen zu senden, um die wehrfähigen Männer zusammenzurufen. Und bisher hatte sich auch nur ein kläglich kleiner Haufen kampfbereiter Männer in Traiana eingefunden.

Auf die wenigen Römer, die noch hier waren, konnte man auch nicht zählen und niemand würde römische Soldaten in großer Zahl hierher schicken. Schließlich hatten die Franken dafür gesorgt, dass die römischen Legionen abgezogen worden waren. Jetzt hatten die Franken die Macht und zugleich die Pflicht, als Föderaten Roms für Ruhe und Ordnung in diesem Teil des Imperiums zu sorgen.

»Was geht da draußen vor?«, herrschte Aldrian6, der Herzog der hiesigen Franken, den Knecht an, der erschienen war, um die Ankömmlinge zu melden.

»Fremde bewaffnete Reiter stehen im Hof und verlangen, Euch zu sprechen.«

Die Männer in dem halbdunklen Raum waren aufgesprungen und liefen rasch an das einzige größere Fenster im Raum.

»Es sind keine Hunnen, aber es scheint sich um Verbündete der Hunnen zu handeln. Etwa zwanzig Mann, gerüstet und bewaffnet«, bemerkte einer der Männer, der bereits einmal weit im Osten gewesen war und sowohl Hunnen als auch einige ihrer Verbündeten kennengelernt hatte.

»Woher willst du wissen, wer das ist?«

»Sie haben die gleichen kleinen struppigen Pferde wie die Hunnen, aber andere Waffen. Ich erkenne sie auch an der Bemalung ihrer Schilde.«

»Sind sie uns feindlich gesinnt?«

»Nein, jedenfalls nicht im Augenblick. Sie haben die Waffen gesenkt. Der Anführer hat beide Arme seitlich ausgestreckt, um zu zeigen, dass sie in friedlicher Absicht gekommen sind.«

»Friedlich? In diesen Zeiten, mit einem riesigen Heer im Rücken? Wohl kaum!«, knurrte Aldrian unwirsch. »Ich gehe hinaus und empfange sie, obwohl sie unser Gastrecht mit Füßen treten.«

Ohne große Hast trat Aldrian, gefolgt von den Männern, vor das Haus.

»Ich heiße Aldrian und bin der Herzog hier in Traiana. Ich begrüße euch in meinem Palas, in den ihr ohne Einladung und ohne vorherige Botschaft eingedrungen seid. Was wollt ihr von uns? Ihr habt eure Waffen gesenkt und wirkt doch so, als wolltet ihr uns jeden Moment niedermachen.«

»Sei ebenfalls gegrüßt. Bist du hier derjenige, der das Sagen hat? Du siehst nicht aus wie ein Franke und dein Name ist auch nicht von hier«, erwiderte der Anführer des Trupps respektlos in leidlich gutem Latein.

»Für Höflichkeiten bleibt hier und jetzt aber keine Zeit«, fuhr er fort, »und ihr seid auch nicht in der Position, Höflichkeit von uns zu erwarten.«

Aldrian drehte sich zu seinen Begleitern um, runzelte unwillig die Stirn und wandte sich dann wieder an den Fremden.

»Also, was wollt ihr?«

»Ein mächtiges Heer der Hunnen steht nur wenige Wochenritte von hier bereit, gegen die Franken und die anderen Völker am Rhenus loszuschlagen. Ohne großen Widerstand sind wir von dort, wo die Sonne aufgeht, weit gegen ihren Untergang gezogen. Diejenigen, die es gewagt haben, sich uns entgegenzustellen, haben dies bereits mit ihrem Leben oder ihrer Freiheit bezahlt.«

»Davon haben wir gehört. Die Leute hier sprechen über nichts anderes«, entgegnete Aldrian mit sichtlichem Unbehagen.

»Unsere Anführer, Rua und Mundiuch7, gehen mit großer Härte gegen unsere Feinde vor und doch sind ihnen kriegerische Auseinandersetzungen, bei denen auch zahlreiche unserer Leute ihr Leben lassen müssen, zuwider. Sie ziehen es vor, sich friedlich mit euch zu einigen. Sollte das aber nicht gelingen, wird unser Heer eure Länder verwüsten, und viele eurer Krieger werden getötet werden. Ihre Familien werden wir als Sklaven an die Römer oder an andere Völker verkaufen.«

»Was also erwartet ihr von uns?« Aldrian ahnte bereits, was jetzt kommen würde.

»Ganz einfach, deine Leute übergeben uns die Hälfte all ihrer Schätze: Gold, Münzen, edle Steine, was so dazu gehört. Ihr werdet jedes Jahr eine noch zu bestimmende Summe als Tribut an die Hunnen zahlen, und du stellst eine Geisel aus deiner Familie.«

»Ihr seid wahnsinnig! Ihr überschätzt unsere Reichtümer. Wir sind ein armes Volk!«, rief Aldrian, bestürzt über diese Vorstellungen.

»Mir kommen gleich die Tränen«, spottete der Anführer der Truppe, der sich Borouth nannte. »Wir wissen genau, dass sich hier eines der mächtigsten und reichsten Völker am gesamten Rhenus befindet. Also hört gefälligst auf, uns zu etwas vorzuspielen!«

Er wurde langsam ungeduldig.

»Wir müssen uns beraten«, entgegnete ihm Aldrian, der versuchte, äußerlich unbeeindruckt zu erscheinen. Ihm war jedoch nur zu deutlich anzumerken, dass er bereits kapituliert hatte. Es ging ihm nur noch um eine Lösung, bei der er sich und die Franken nicht allzu sehr dem Spott anderer Völker und Stämme aussetzte. Bei ihren Beratungen am Morgen hatten sie einsehen müssen, dass sie den Hunnen und ihren Verbündeten im Falle eines Angriffs nichts entgegenzusetzen hatten. Sie waren bereits miteinander übereingekommen, auf friedlichem Wege zu einer Einigung mit den Hunnen zu gelangen. Es hatte sogar schon erste Überlegungen gegeben, selbst Boten zu den Hunnen zu schicken, um ihnen ein Angebot zu unterbreiten. Was sie jetzt unternahmen, waren lediglich Rückzugsgefechte, um das eigene Gesicht zu wahren.

Die Franken zogen sich zurück in ihre Halle, während die fremden Reiter von ihren Pferden stiegen und sich Speisen und Getränke bringen ließen. Den herbeigeeilten Sklaven geboten sie, ihre Pferde zu versorgen, als seien sie bereits die Herren im Lande.

 

»Verdammt!«, entfuhr es Aldrian. »Was ratet ihr mir? Wir haben wohl kaum eine Wahl, oder?«

Der älteste der Runde, Theudebert, ergriff das Wort:     »Sagt ihm die Tributzahlungen zu. Wenn das hunnische Heer erst wieder abgezogen ist, kann man weitersehen. Einen Teil unserer Schätze werden wir zwar opfern müssen, es weiß jedoch niemand so genau, was wir besitzen. Wir haben immer großes Geschick darin bewiesen, unseren tatsächlichen Besitz zu verschleiern.«

»Und die Geisel? Sie verlangen einen meiner zwei Söhne. Aber das ist ausgeschlossen! Thankward ist noch ein Kind, das seine Mutter braucht. Nein, nur über meine Leiche!«

»Sollen wir das den Unterhändlern mit diesen Worten ausrichten?«, meldete sich Bertulf, der jüngste im Rat, zu Wort.

»Die Hunnen lassen uns keine Wahl. Gebt ihnen Hagan8. Das sollte Euch doch nicht schwerfallen.«

»Hagan ist auch mein Sohn!« Aldrian wurde langsam wütend.

»Ist ja gut, wenn Ihr meint«, lenkte Bertulf versöhnlich ein.

Die anderen Männer blickten sich stumm mit ausdruckslosen Gesichtern an.

»Ihr könnt froh sein, dass es eure Familien nicht getroffen hat«, giftete Aldrian jetzt. Ihm war in den Gesprächen der letzten Tage nur zu deutlich geworden, dass er sich in dieser gefährlichen Situation auf niemanden verlassen konnte. Letztlich war er auf sich allein gestellt. Und er hatte bemerkt, dass die Stimmung im Rat nicht zu seinen Gunsten stand. War er hier von Feinden umgeben, von denen er bisher nichts geahnt hatte?

Aldrian überlegte eine Weile und zupfte nachdenklich an seinem sorgfältig gestutzten Bart.

»Ist der gesamte Rat der Meinung, dass wir Hagan als Geisel stellen?«, fragte er in die Runde blickend.

Die Männer nickten zögernd, wobei einige von ihnen ihm nicht in die Augen sehen konnten, sondern ihren Blick starr vor sich auf Tisch gerichtet hielten.

»Wenn der Rat einer Meinung ist, dann muss es wohl so sein«, schloss Aldrian und erhob sich abrupt.

Zusammen gingen die Männer des Rats in den Hof und riefen Borouth herbei.

»Wir stimmen mit den Hunnen überein, dass es besser ist, sich auf friedlichem Wege zu einigen. Wir werden eure Bedingungen erfüllen«, fasste sich Aldrian kurz, nachdem die Entscheidung so deutlich gegen ihn gefallen war. »Sagt uns zuvor aber, haben auch unsere Nachbarn und andere Stämme Geiseln gestellt und sich mit den Hunnen geeinigt?«

Borouth grinste triumphierend. »Aber ja doch, selbst die starken Burgunden und auch die Visigoten9 haben sich unseren Wünschen gebeugt. Die Visigoten haben Waldaharjis10, den Neffen des Reiks, als Geisel gestellt und die Burgunden Hildigund11, die Tochter eines Herzogs. Andere werden folgen. Keiner will einen Krieg mit uns.«

»Bei uns munkelt man, dass sich die zwei mächtigen Familien verbinden wollen und Waldaharjis und Hildigund einander versprochen sind. Wisst ihr etwas darüber?«, fragte Bertulf neugierig.

»Natürlich. Dadurch sind sie für uns besonders wertvoll.«

Unvermittelt veränderte sich sein Gesichtsausdruck und aufgebracht schrie er Aldrian und seine Männer an:

»Das geht euch einen Scheißdreck an! Wen wollt ihr als Geisel stellen? Ich verlange endlich eine Antwort.«

Jetzt zeigte Borouth sein wahres Gesicht. Mit ihm war nicht zu spaßen!

»Gut, dann komm mit, wir müssen über die Einzelheiten miteinander verhandeln«, lenkte Aldrian ein.

»Es gibt eigentlich nichts zu verhandeln, aber wenn ihr wollt...«, knurrte Borouth und folgte den Franken ärgerlich vor sich hin grummelnd in den Palas.

Die Verhandlungen, die eigentlich nur ein matter Versuch der Franken waren, zu retten, was zu retten war, zogen sich doch über Stunden hin. Borouth wurde immer ungeduldiger und zeigte dies auch offen. Mehrmals war er erregt aufgesprungen, um den Raum zu verlassen. Doch endlich hatte man sich nach langem Hin und Her weitgehend geeinigt.

Aldrian versuchte noch ein letztes Mal, die Frage der Geisel neu zu verhandeln.

»Wir haben eine ganze Reihe von Söhnen unserer Edlen. Sucht euch einen von diesen aus.«

»Nein! Die Geisel muss aus deiner Familie sein. Du hast zwei Söhne, wie wir erfahren konnten. Einer reicht uns.«

Er versuchte, einen versöhnlichen Ton anzuschlagen, doch seine Augen sprachen eine andere Sprache.

»Dann sei es also: Ich übergebe euch einen Jüngling namens Hagan. Er ist mein ältester Sohn, der gerade zwölf Sommer alt ist.«

»Das gefällt mir. Sorgt euch nicht. Die Hunnen behandeln ihre Geiseln wie ihre eigenen Kinder; sie behandeln sie oft sogar besser, als ihre eigenen Leute.«

Borouth schien zufrieden mit dieser Lösung.

 

Es wurde nicht weiterverhandelt. Aldrian war gezwungen, Hagan als Geisel bei den Hunnen einfach zu akzeptieren. Hagan selbst wurde nicht einmal gefragt. Knapp teilte ihm sein Vater den Entschluss des Rats mit und befahl ihm, sich für den Abmarsch in einer Stunde vorzubereiten.

Borouth übernahm den schlaksigen Knaben, der ihm furchtlos und fest, fast trotzig in die Augen sah. Doch er war noch nicht ganz zufrieden.

»Ihr müsst beide schwören, dass ihr euch der Entscheidung beugt. Du, Aldrian, schwörst, pünktlich und ohne Abzüge Tribut zu entrichten, und Hagan schwört, dass er sich in sein Dasein als Geisel fügt und nicht zu entfliehen versucht. Ihr wisst, was dir und euch allen und ihm, ihm zuerst, blüht, wenn einer von euch den Eid bricht.«

Beide leisteten den gewünschten Eid, und Hagan wurde, nach kurzem Abschied von seiner Familie, von den fremden Kriegern mitgeführt.

Sie trieben ihre Pferde an und verließen Traiana so unvermittelt, wie sie aufgetaucht waren. In kurzer Zeit würden sie mit Verstärkung zurückkehren, um die vereinbaren Tributzahlungen in Empfang zu nehmen.

 

Noch lange blickte sich Hagan nach seinem Vater und seiner Familie um. Tränen standen in seinen Augen, aber er verbiss es sich, zu weinen. Er war schließlich ein Mann! Tief im Innern schwor er sich jedoch: Welches Schicksal auch immer für ihn bestimmt war, wenn sich ihm je die Gelegenheit zur Flucht bieten würde, würde er zu seiner Familie zurückkehren. Egal, wen er dafür töten musste.

Der junge Franke konnte nicht ahnen, dass er viele Jahre bei den Hunnen verbringen musste. Und er konnte auch nicht ahnen, dass nichts mehr so war wie jetzt, als er schließlich tatsächlich wieder an den Rhenus zurückkam.

 

 

 

 

 

Walthari

 

 

Mai 440, Toulouse in Aquitanien

 

 

E

in herrlicher Morgen hat mich früh von meiner Schlafstatt gelockt. Ich, Waltharius von Aquitanien, Herzog in Tolosa12, sitze in meiner Schreibkammer in unserem Palas am Rande dieser wundervollen Stadt und blicke hinaus in die betörend schöne Landschaft, die sich vor meinem Fenster ausbreitet. Die düsteren Schatten der Vergangenheit sind allmählich einem helleren Licht gewichen und ich hoffe, so Gott will, mein Alter hier in dieser friedvollen Umgebung noch lange genießen zu dürfen.

Wir Visigoten haben hier in Aquitanien hoffentlich für eine lange Zeit ein wenig Ruhe gefunden. Wir haben uns nach langen Kämpfen, Wanderungen und unermesslichem Leiden schließlich mit den Römern geeinigt: Sie haben uns erlaubt, uns in einem großen Gebiet hier in Aquitanien niederzulassen. Und nachdem wir nun endlich Frieden mit den Römern geschlossen haben, herrscht auch Frieden mit unseren Nachbarn, den Vasken13. In unseren nördlichen Gebieten gibt es hin und wieder Ärger mit den Franken. Doch dabei handelt es sich nur um unbedeutende Scharmützel um den Besitz kleinerer Gebiete oder um Vergeltung für Raubzüge, die aber von beiden Seiten ausgehen.

 

Langsam verblasst auch die Erinnerung an die letzten furchtbaren Jahre, über die ich berichten möchte. Es hat eine ganze Weile gebraucht, ehe ich mich wieder an das Schreiben gewöhnen konnte, doch ich muss die Erlebnisse jener dunklen Vergangenheit niederschreiben, damit sie unseren Kindern und Kindeskindern im Gedächtnis bleiben als Warnung und zur Mahnung zugleich.

Unterstützt werde ich bei meiner Arbeit durch einen tüchtigen Helfer, Frithareik14, ein Mann aus unserem Volk, der als Kind in Rom erzogen und später zum Schreiber ausgebildet wurde. Er hat lange Zeit in Colonia Agrippina und Bonna15 gelebt und Schriftstücke, Verträge und Protokolle für die Römer angefertigt. Erst seine Aufzeichnungen haben mir die Augen dafür geöffnet, was damals wirklich passiert ist. Ihm verdanke ich die wertvollen Berichte über Treffen der Römer mit den germanischen Nachbarn der Burgunden, bei denen letztendlich über das Schicksal der Burgunden entschieden wurde. Frithareik hat die Ereignisse aus dem Gedächtnis noch einmal für mich aufgezeichnet. Diese füge ich ebenfalls in meinen Bericht ein.

 

Ich verfasse meinen Bericht in Latein, da unsere gotische Sprache außer uns nur wenigen Nachbarn verständlich ist. Latein aber versteht man in der ganzen Welt.

 

Und ich werde nicht nur meine Geschichte erzählen, sondern ich kann meinen eigenen Bericht glücklicherweise durch zwei weitere Schriftstücke ergänzen. Mein alter Freund, Hagan von Tronje, hatte mich gebeten, ihm während seiner kurzen Gefangenschaft in Warmazia16 genügend Pergament, Tinte und Feder zu besorgen, damit er seine Erlebnisse aufschreiben konnte. Diese Aufzeichnungen konnte ich später unbemerkt an mich nehmen und unversehrt mit nach Tolosa bringen.

Eher durch Zufall gelangte beim neugierigen Durchstreifen der zerstörten Räume im Palas in Warmazia ein weiteres Bündel beschriebener Pergamentbögen in meinen Besitz. Die Hunnen hatten die Blätter achtlos beiseite geworfen; sie schienen ihnen nichts wert zu sein. Und auch ich wusste zunächst nicht, worum es sich bei den Blättern handelte. Sie waren in einer Mischung aus schlechtem Latein und fremden Zeichen beschrieben, die ich schon oft gesehen hatte, die ich aber nicht deuten konnte. Jahre später zeigte ich sie einem Fremden aus dem Norden, einem Runenmeister, der die Zeichen lesen konnte und mir diese Schriftzeichen erklärte. Er half mir dabei, auch diese Schrift in die lateinische Sprache zu übertragen. Thankward17, der jüngere Bruder Hagans, schildert in diesen Aufzeichnungen die unglaublichen Vorgänge im Palas des Königs von Burgund. Eine Geschichte von Liebe, Hass, Feindschaft und heimtückischem Mord.

 

Aber ich möchte nicht vorgreifen und die Geschichte nun von Anfang an berichten.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Teil I

 

 

 

Die Flucht

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1

 

 

Oktober 410, ungarische Tiefebene östlich der Theiß

 

 

S

eit Stunden bewegten wir uns nun schon auf unseren kleinen struppigen Pferden über die unendlich scheinende Ebene hin zur Tisia18. Hinter uns verschwand allmählich das Bergland, in dem wir eine ganze Woche lang gejagt hatten. Der Himmel war wolkenlos und die Sonne wärmte für diese Jahreszeit noch gut. Wir hätten unseren Ritt genießen können, doch ich bemerkte bei meinem Freund Hagan eine Verstimmung, die sich von Stunde zu Stunde verstärkt zu haben schien.

In einigem Abstand hinter uns folgte, verteilt auf mehreren Wagen mit großen Holzrädern, unsere Jagdbeute: Wölfe, Bären, Wildschweine, Rotwild, aber auch Kleinwild und Wildvögel.

Hinter der Wagenkolonne trottete langsam eine Horde von Kriegern der Hunnen, mit denen wir gemeinsam gejagt hatten. Hagan und ich waren froh, dass diese Schar sich in einem größeren Abstand zu uns befand, denn ihr Geruch war uns, besonders nach dem wochenlangen Aufenthalt in der Wildnis, unerträglich. Die Hun-Krieger ritten in einer Traube um ihren Anführer, der sich mit seinen wehenden langen schwarzen Haaren deutlich von den kahlgeschorenen Köpfen der übrigen abhob und der sich wie ein Khagan aufspielte.

Noch wichtiger für uns war jedoch der Umstand, dass wir uns ungestört unterhalten konnten, ohne die fremden Ohren der Hunnen ständig in unserer Nähe zu wissen. Hagan drehte sich zu den Reitern um und stöhnte leise auf:

»Ich kann die ekelhaften Kerle nicht mehr sehen. Ich kann sie nicht mehr riechen und ihre Unterwürfigkeit nicht mehr ertragen. Schau sie dir nur an, die kleinen Teufel mit ihren hässlichen Gesichtern.«

Ich musste laut lachen über seinen plötzlichen Ausbruch. Seit geraumer Zeit hatte ich bemerkt, dass Hagan immer unzufriedener wurde mit seinem Leben hier im Land der Hunnen.

Und in der Tat waren die Gesichter der Krieger von zahlreichen Narben durchzogen, aus denen ihre wenigen Barthaare nur in einzelnen kleinen Büscheln hervorstanden.

Aber so deutlich wie jetzt hatte er sein Unbehagen noch nie herausgelassen.

»Du hast ja recht«, gab ich zur Antwort, »auch ich sehne mich immer öfter nach einem anderen Ort als diesem. Seit über zehn Jahren sind wir beide nun schon hier, und wir haben schlimme Zeiten durchgemacht. Du musst aber zugeben, manches, was wir zusammen erlebt haben, war auch gut. Wir haben viel gelernt und vieles gesehen.«

»Schon«, lenkte er ein, »aber, um ehrlich zu sein, ohne unsere enge Freundschaft hätte ich diese lange Zeit nicht lebend durchgestanden. Besonders seit dem Tag, als unser römischer Freund Aetius19 aus der Geiselhaft entlassen wurde und nach Rom zurückkehren durfte, fühle ich mich fremd hier und will nur noch weg.«

Hagan schaute mich eine Zeit lang mit einem prüfenden Blick von der Seite an, um dann mit einem spöttischen Unterton fortzufahren:

»Dir scheint es hier immer noch gut zu gefallen. Aber du hast ja wohl einen besonderen Grund dafür.«

Ich fühlte mich unbehaglich. Gegen meinen Willen stieg mir das Blut ins Gesicht. Über dieses Thema wollte ich nicht mit Hagan sprechen, obwohl er mein einziger wirklicher Vertrauter war und wir ansonsten über alles reden konnten.

Er spielte auf Hildigund an, die burgundische Geisel hier bei den Hunnen, der ich seit unserer Kindheit durch unsere Familien versprochen war und in die ich unsterblich verliebt war. Man hatte uns einander versprochen, als die Burgunden sich mit den Visigoten verbünden wollten. Dann aber zogen die Burgunden es vor, mit den Vandalen20 westwärts über den Rhenus zu ziehen. So trennten sich die Wege unserer beiden Völker. Das Versprechen aber war nie wieder gelöst worden.

Ich hatte bemerkt, dass auch Hagan Hildigunds in den letzten Jahren langsam erblühende Schönheit aufgefallen war und dass er bei jeder sich bietenden Gelegenheit ganz offen ihre Nähe suchte. Auch Hildigund schien seine Aufmerksamkeit nicht entgangen zu sein und, was mich besonders ärgerte – sie schien ihr keineswegs unangenehm zu sein.

Dieser Gedanke bereitete mir zunehmend Pein: Ich war eifersüchtig!

Aber ihr Interesse an Hagan war auch nicht verwunderlich. Mit einem gewissen Neid musste ich anerkennen, dass Hagan ausgesprochen attraktiv für die Frauen im Palas war. Hoch gewachsen und ungewöhnlich muskulös, mit langen dunkelblonden Haaren, die jetzt am Ende des Sommers etwas gebleicht waren und sein verwegenes Aussehen unterstrichen, war er für viele der Inbegriff eines Kriegers. Da er drei Jahre älter war als ich, stand er immer auch weit mehr im Mittelpunkt. Auch jetzt, nur mit einem weiten Wollhemd und einer Hirschlederhose bekleidet, wirkte er beeindruckend.

Ich war einen Kopf kleiner als er und auch ein gutes Stück gedrungener; allerdings war ich ebenso muskulös wie Hagan. Da wir immer wieder von Läusen geplagt wurden, hatte ich meine Haare bis auf einen kleinen Rest kurz rasiert, sodass ich eher wie ein hunnischer Krieger aussah als einer vom Stamm der Visigoten.

Ich tröstete mich damit, dass ich trotz meiner Jugend bereits ein gleichrangiger, in mancher Hinsicht sogar ein besserer Krieger war. Besonders mein Geschick bei der Führung von Kriegerscharen in Scharmützeln war den Hunnen aufgefallen. Attila, der junge Führer der Hunnen, hatte mich zu einem Anführer ernannt, dem selbst einige hunnische Anführer unterstellt waren.

Um von dem mir unangenehmen Thema etwas abzulenken, knüpfte ich an unser vorheriges Gespräch an:

»Warum ausgerechnet jetzt dieses Unbehagen? Hat das einen besonderen Grund?«

»Dir kann man nichts verheimlichen, oder? Ich habe ein großes Problem in einer Angelegenheit, die ich schon seit einer Weile mit dir besprechen wollte, aber es ergab sich leider bisher keine günstige Gelegenheit dazu. Ich habe einen Entschluss getroffen, und der könnte auch für dich und Hildigund unangenehme Folgen haben.«

Ich stutzte. Ich wusste zwar nicht genau, worauf er hinaus wollte, aber es konnte nach diesen ernsten Worten nur etwas Bedeutendes sein.

»Wovon redest du?«

»Ich habe schlechte Nachrichten aus Warmazia erhalten. Wie du weißt, ist Hrothger21 vor Kurzem aus seiner Heimat im Westen zurückgekommen und hat mir eine Nachricht zukommen lassen, noch bevor er den Hunnen Bericht erstattet hat. Attila22 dürfte aber schon Bescheid gewusst haben, als Hrothger hier eingetroffen ist. Den verdammten Hunnen bleibt doch nichts verborgen!«

Ich sagte nichts, weil ich langsam ahnte, worauf er hinaus wollte. Ich war jetzt mehr als nur beunruhigt.

Er fuhr fort: »Gibica23, der König der Burgunden, ist vor Kurzem gestorben und sein ältester Sohn, Gundahari24, wurde zu seinem Nachfolger ausgerufen.«

»Ja und, was schert dich das? Gibica ist König der Burgunden gewesen? Du bist Franke.«

Ohne auf meinen Einwand einzugehen, fuhr Hagan fort:

»Dieser Mensch hat sofort alle Tributzahlungen an die Hunnen eingestellt. Dass er dabei das Leben von Hildigund und vielleicht auch mein Leben riskiert, scheint ihm völlig gleichgültig.«

Im gleichen Augenblick wurde mir klar, dass sich Hildigund in großer Gefahr befand. Aber Hagan? Was hatte er mit den Burgunden zu schaffen?

»Dann geh zu Väterchen und erzähl ihm alles. Er schätzt dich und wird dich nicht opfern. Alle unsere Freunde werden dich unterstützen. Wir haben großen Einfluss hier, wie du weißt.«

»Und Hildigund?«

»Die werde ich zu schützen wissen. Außerdem wird Helche sie beschützen.«

Er hatte immer noch nicht auf meine Frage geantwortet, deshalb wiederholte ich sie:

»Aber eines verstehe ich nicht: Was hast du mit der Angelegenheit zu tun?«

»Es handelt sich um etwas, was ich dir bisher, vielleicht aus Scham, vielleicht auch, weil ich dachte, dass es dich nicht weiter interessiert, verschwiegen habe.«

»Oh Gott, jetzt scheint die Stunde der Bekenntnisse angebrochen zu sein.« Ich versuchte, meine tiefe Sorge und Beunruhigung herunterzuspielen, doch meine Stimme war rau und verriet mich.

»Die Geschichte liegt lange zurück. Mein Vater wurde, als alle Welt hinter ihm herjagte und ihn vernichten wollte, von Gibica freundlich in seinem Palas aufgenommen. Mein Vater hat ihm deshalb einen Treueeid geleistet und seine Nachkommen dabei gleich mit einbezogen. Ich weiß, dass dieser Schwur für mich eigentlich keine Bedeutung hat. Und doch empfinde ich gegenüber der gesamten Familie des Königs, ja gegenüber dem gesamten Volk der Burgunden, eine große Verpflichtung. Ich werde nach Warmazia fliehen und bei erster Gelegenheit den Treueschwur meines Vaters gegenüber Gundahari erneuern. Außerdem leben mein jüngerer Bruder Thankward und die Familie meiner Schwester noch im Palas in Warmazia.«

»Diesem Menschen, der deinen Tod leichtfertig aus Gier in Kauf nimmt, willst du die Treue schwören?«, staunte ich und schüttelte verständnislos den Kopf.

»Du kannst es nicht verstehen, Walthari, da du nicht die ganze Geschichte kennst und natürlich auch nicht wissen kannst, was damals vorgefallen ist.«

»Dann sag es mir; es bleibt unter uns, du kannst dich auf mich verlassen.«

Also begann Hagan zu berichten: »Mein Vater war ein Herzog der Franken in Traiana am Rhenus. Er war immer ein treuer Diener des fränkischen Königs. Doch er beging aus Sicht der fränkischen Edlen einen großen Fehler: Er ließ in einer aussichtslosen Schlacht seine Männer geordnet zurückweichen und rettete so vielen von ihnen das Leben. Die Männer, die er gerettet hat, waren ihm dankbar, aber die übrigen Heerführer taten sich zusammen und nutzten die Gelegenheit, ihn öffentlich anzuklagen. Mein Vater wurde zum Thing geladen und die Gegner brachten viele Zeugen mit, die gegen ihn aussagten. Er wurde schuldig gesprochen und sollte wegen Heeresflucht verurteilt werden, was zu seiner Hinrichtung geführt hätte. Er konnte sich jedoch einer Gefangennahme entziehen, indem er mit unserer Familie floh.

Frei wie ein Vogel, den jeder fangen und töten kann, irrte er mit unserer Familie und wenigen Getreuen am Rhenus entlang. Als er sich unvorsichtigerweise zu weit nach Süden vorwagte, nahmen ihn die Burgunden gefangen und lieferten ihn mitsamt seinen Leuten König Gibica in Warmazia aus.«

»Von Gibica habe ich bereits viel gehört. Seit der zum König der Burgunden ausgerufen wurde, hat er am Rhenus ein kleines Reich geschaffen. Es herrscht Friede mit den alteingesessenen Galliern25 und mit den Nachbarn.«

Hier im Siedlungsgebiet der Hunnen waren ständig Fremde anwesend: Händler, Reisende, Vasallen, die über alles Wichtige berichteten. Und wir bekamen viel mit.

»Ja, das stimmt wohl. Aber er war auch ein listenreicher Führer. Als meine Familie in Warmazia eintraf, hatten die Burgunden gerade ein großes Gebiet am Rhenus eingenommen und versuchten, sich mit Erlaubnis der Römer dort festzusetzen. Damit wurden sie zu Feinden der Franken, die dieses Gebiet ebenfalls beanspruchten und die zum Teil von den Burgunden von dort vertrieben wurden.

Da sie nun in ständigem Streit mit den Franken lagen, nahm Gibica meine Familie – nicht ohne Hintergedanken – auf. Mein Vater diente der königlichen Familie und den Burgunden mit wichtigen Informationen über das fränkische Heer, über dessen Stärke und die neuesten Kampftechniken der Franken. Damit wurde er zu einem Feind der Franken, aber zu einem wertvollen Verbündeten der Burgunden. Schließlich schwor er Gibica ewige Treue als Gefolgsmann.«

Ich war verwirrt. Davon hatte ich bisher keine Ahnung. Obwohl wir enge Freunde waren, gab es offensichtlich doch einiges, was wir nicht voneinander wussten. Die etwas verzwickte Geschichte begann mich zu fesseln.

»Wieso haben die Burgunden damals Hildigund als Geisel angeboten und nicht den ältesten Sohn des Königs?«

»Sie hatten bereits Hildigund als burgundische Geisel akzeptiert, bevor die Boten damals nach Warmazia kamen. Wusstest du das nicht? Warst du nicht auch dabei auf dem Weg hierher? Ihr wart euch doch damals schon versprochen.«

»Nein, ich bin auf einem anderen Weg hier her gekommen. Wir lebten damals noch südlich der großen Berge und waren direkte Nachbarn der Hunnen«, entgegnete ich.

»Außerdem habe ich gehört, dass die Hunnen auch bei den Burgunden in Warmazia nach Geiseln verlangt haben«, fuhr Hagan fort, »doch soll sich Gundaharis Mutter Oda26 den Unterhändlern der Hunnen vor die Füße geworfen und um Verschonung des ungewöhnlich zarten und schwächlichen Kindes gebeten haben, das seine Mutter noch für Jahre um sich brauchen würde. Dabei war Gundahari bereits im Knabenalter.«

»Das wirkte bei den Hunnen?«

»Ja, die Männer ließen ihn zurück. Aber es waren keine Hunnen. Die Hunnen hatten Krieger ihrer Verbündeten geschickt. Und selbst die Hunnen wollen nicht riskieren, dass eine Geisel unter ungeklärten Umständen stirbt. Aber möglicherweise ist hier auch sehr viel Gold und Schmuck im Spiel gewesen. Attila hat schon mehrmals im Suff von einem Schatz des Königs Gibica geredet.«

 

 

 

 

 

2

 

 

W

ir waren inzwischen an einer kleinen Baumgruppe angelangt, an der wir unser Nachtlager aufschlagen wollten. Das Blattwerk der wenigen Bäume leuchtete golden im Licht der untergehenden Sonne und die Luft war immer noch angenehm warm. Etwas steif stiegen wir von unseren Pferden und begannen damit, unser Lager einzurichten.

Müde kauten wir an unseren Vorräten und legten uns bald zum Schlafen nieder. Doch ich lag in dieser Nacht lange wach. Was ich gehört hatte, bedeutete nichts anderes, als dass Hagan uns verlassen würde. Und dies schon bald. Er würde nicht mit Attila reden und er würde sich in einer langen dunklen Herbstnacht davonschleichen und, mit Gottes Hilfe, nach Warmazia fliehen. Und ich würde meinen besten Freund vielleicht für immer verlieren.

Allerdings würde seine Flucht auch einen gefährlichen Konkurrenten um die Gunst Hildigunds aus dem Spiel werfen.

Mit sehr widersprüchlichen Empfindungen, die diese Gedanken bei mir hervorriefen, fiel ich schließlich in einen kurzen unruhigen Schlaf.

 

Früh, noch vor Sonnenaufgang, brachen wir auf und setzten unseren Ritt in westliche Richtung fort. Die Reise war ereignislos und auch das Wetter meinte es gut mit uns. Es hatte längere Zeit nicht geregnet. Die Ebene war jetzt gelb, das Gras kurz, der Boden hart und fest, sodass wir gut vorankamen.

Hagan und ich ritten schweigend wieder mit einem möglichst großen Abstand zu den Hunnen vor dem Trupp her.

»Auch bei uns gibt es Neuigkeiten«, begann ich nach längerem Schweigen eine Unterhaltung. »Die Visigoten haben sich, wie du sicher weißt, seit Längerem im Streit mit den Römern befunden. Nachdem sie Rom lange Zeit belagert haben, konnten sie die Stadt schließlich vor ein paar Wochen einnehmen und plündern. Die Römer waren so geschockt über die Entschlossenheit, mit der die Visigoten vorgingen, dass sie uns jetzt endlich ein eigenes Land zugestehen wollen. Es soll irgendwo im Süden Galliens liegen.«

»Respekt. Ihr seid ein starkes Volk. Ihr könntet sogar den Franken gefährlich werden.«

Hagan war ganz begeistert von der Vorstellung.

»Wer ist euer Anführer?«, fragte er.

»Ein Mann namens Alarich27, den ich nicht kenne.«

»Gab es viele Tote?«

»Nein, und das ist das Erstaunliche. Die ersten Berichte aus Rom, die mir zu Ohren gekommen sind, sprechen von einer freundlichen Plünderung.«

»Was soll das denn sein?« Hagan lachte bei dem Gedanken.

»Nachdem ihnen freiwillig die Tore geöffnet worden waren, haben sie unter mäßiger Anwendung von Gewalt nur das genommen, was ihnen nach ihrer Vorstellung zustand. Sie haben besonders die Kirchen und Klöster geschont. Wer sich wehrte, wurde natürlich niedergemacht. Sind wir nicht ein zivilisiertes Volk?«

»Zivilisierter als der jetzige König in Burgund auf jeden Fall«, schloss Hagan lachend.

Wir ritten schweigend weiter. Jeder hing seinen Gedanken nach und ich war froh, als gegen Mittag in der Ferne die Zeltstadt der Hunnen als ein riesiger heller Fleck vor uns am Horizont auftauchte. Es war eine gigantische Siedlung rund um eine kleine, aus Holz gebaute Stadt mit einem hölzernen Palas und einem großen Versammlungsplatz in der Mitte.

Beim Näherkommen konnte man allmählich einzelne der zahllosen Zelte und Jurten unterscheiden. Diese Ansammlung von Behausungen bot den Familien der Hunnen für längere Zeit Schutz, war aber nicht so fest gefügt, dass sie nicht in kürzester Zeit hätte abgebrochen werden können.

Vor den Zelten grasten vereinzelt Pferde und Kleinvieh. Die meisten Pferde waren jedoch in größeren Gruppen in eigens für sie eingezäunten Bereichen untergebracht. Zwischen den Zelten gab es breite Wege für Gruppen von Reitern und Wagen.

Es waren nur wenige Leute zu sehen. Doch als wir in die Zeltstadt einritten, stürmte eine größere Zahl von Kindern mit lautem Geschrei auf uns zu, um uns und unsere Jagdbeute fröhlich zu begrüßen.

Der Fluss, den die Römer Tisia nennen, lief mitten durch die Zeltstadt. Wir überquerten ihn bequem auf einer flachen Furt.

Die Furt diente aber nicht nur zur Querung des Flusses, sondern teilte ihn auch: Flussaufwärts der Furt war das Wasser sauber und wurde als Tränke für die Tiere und zum Wäschewaschen genutzt, flussabwärts stank er dagegen wie eine Jauchegrube. Hier wurden Abfälle aller Art und ein Teil der Fäkalien entsorgt.

Auf der westlichen Flussseite lag das Zentrum dieser eigenartigen Stadt. Hier befanden sich vereinzelte Gebäude aus Holz, in denen die engsten Vertrauten Mundiuchs und Ruas, der Führer der Hunnen, und die Vertreter und Führer der Vasallen mit ihren Familien wohnten. Keines der Häuser war aus Stein gebaut wie in den Städten der Römer, die wir gesehen hatten.

Die Siedlung war eine Welt für sich. Hier lebten überwiegend Krieger mit ihren Familien, ihren Knechten und ihren Sklaven. Neben den Hunnen und einem Völkergemisch aus allen möglichen Stämmen aus den weiten Gebieten in Asia befanden sich hier zahlreiche Krieger der verschiedenen Vasallen, vor allem Ostrogoten28.

Entsprechend herrschte ein Gewirr verschiedener Sprachen. Am häufigsten hörte man hier die Sprache der Ostrogoten. Sie wurde von den meisten gesprochen oder doch wenigstens verstanden. Die germanischen Vasallen, die Langobarden, Rugier, Skiren, Gepiden, Heruler29 und all die anderen hatten verschiedene Sprachen, doch konnten sie sich untereinander einigermaßen verständigen.

Die Hunnen hatten ihre eigenen Sprachen, von denen ich inzwischen die wichtigste auch leidlich verstand. Daneben hörte man häufig Latein und Griechisch, die Sprachen, in denen wir uns mehr oder weniger gut mit den Händlern aus den südlichen Ländern verständigen konnten.

Auch die Kleidung und die Bräuche der verschiedenen Völker waren unterschiedlich. Und doch lebten hier viele unterschiedliche Kulturen friedlich nebeneinander und verschmolzen zum Teil sogar miteinander. Die germanischen Vasallen übernahmen vieles von den Hunnen und diese wiederum von ihren Vasallen. Und alle schauten auf die Griechen und Römer und deren beeindruckenden Reichtum und versuchten, so wie sie zu leben.

 

Die Straße quer durch die Siedlung führte auf einen großflächigen Platz im Zentrum, in dessen Mitte auf einem kleinen Hügel der riesige hölzerne Palas Mundiuchs und Ruas stand. Hier lebten auch die beiden Söhne Mundiuchs, Bleda30 und der junge Krieger, den die Goten hier in der Siedlung ungeachtet seiner Jugend respektvoll Attila, Väterchen, nannten.

In einem kleineren Anbau auf der linken Seite befanden sich die Unterkünfte der Dienerschaft und der Leibwache. In einem weiteren Anbau auf der rechten Seite waren alle männlichen Geiseln untergebracht. Hildigund lebte als einzige weibliche Geisel in der Nähe von Helche, der Frau Attilas, im Hauptgebäude.

Auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes dehnte sich eine schier endlos scheinende hölzerne Halle aus, die für alle öffentlichen Auftritte, Versammlungen aber auch für Feste und Trinkgelage errichtet worden war.

 

Als wir uns dem Palas näherten, trat Attila, gefolgt von zwei seiner Leibwächter, aus dem großen Eingangstor und kam lächelnd auf uns zu.

»Willkommen zurück, Waldaharjis! Wie ich sehe, hattet ihr großes Jagdglück. Wir werden morgen ein Fest feiern und einiges von dem auftischen, was ihr uns mitbringt.«

Attila, der jüngere der beiden Brüder, sprach mich immer mit meinem gotischen Namen an. Alle anderen bevorzugten dagegen die kürzere Form Walthari, die auch Hagan immer benutzte.

Seit seiner Entlassung aus der Geiselhaft bei den Römern und seiner Rückkehr aus Rom war Attila der starke Mann im Land der Hunnen. Er war ein stattlicher junger Mann, nur wenig älter als Hagan. Sein dunkles Haar trug er damals lang herabhängend nach dem Brauch seines Volkes.

Uns fiel schon damals auf, dass er sich im Aussehen deutlich von vielen Männern seines Stammes unterschied: Seine Nase ist weniger platt als die seines Vaters, seine Augen sind weniger stark geschlitzt und er ist deutlich größer als die meisten der anderen Hunnen. Das liegt sicher daran, dass seine Mutter eine Germanin war.

Ich verhielt mich ihm gegenüber immer freundlich, ohne mich unterwürfig zu geben. Andernfalls hätte er mich vermutlich verachtet. Der junge Fürst, den auch wir immer nur mit seinem gotischen Namen Attila ansprachen, hatte uns Geiseln, insbesondere mich, als wertvolle Verbündete akzeptiert. Ich glaube sogar, dass er mehr für uns sein wollte als unser Herr und Gebieter. Er, der selbst das Los einer Geisel in Rom kennengelernt hatte, konnte uns gut verstehen: unsere Zerrissenheit zwischen der Pflicht für unsere Familien und unsere Völker, die man uns auferlegt hatte, ohne uns zu fragen, und unserer ständigen Sehnsucht nach der Heimat, der Familie und dem Leben, das wir so jung hatten aufgeben müssen.

»Ja, mein Herr, wir waren erfolgreich und wir nehmen die Einladung gerne an«, entgegnete ich und verbeugte mich leicht.

Er zeigte wieder sein charmantes Lächeln. Er wollte unsere Freundschaft, doch ich ließ mich nicht täuschen. Wenn es nötig wäre, würde er uns, ohne auch nur einen Augenblick zu zögern, die Kehle durchschneiden. Und dies wäre noch ein gnädiger Tod.

Während die Krieger der Hunnen und einige Sklaven unsere Jagdbeute abluden und in die große Halle trugen, schaute ich mich suchend nach Hildigund um, konnte sie aber nirgends entdecken.

Hagan, der seit unserer Ankunft kein Wort gesprochen hatte, und ich folgten Väterchen in das Innere des großen Hauses. Der eigentliche Wohnraum befand sich im Zentrum dieses Holzgebäudes. In einer Ecke saßen einige der Frauen des Hauses und einige Sklavinnen bei der Strick- und Näharbeit. Hildigund, die zur Rechten Helches saß, blickte kurz auf, als wir eintraten. Ein freundliches Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie uns bemerkte. Ich war versucht, zu ihr zu gehen und sie in den Arm zu nehmen, aber die Anwesenden hätten es nicht zugelassen.

Und zugleich spürte ich wieder den Stachel der Eifersucht. Hatte sie Hagan nicht länger angesehen als mich? Hatten ihre Blicke nicht sowieso nur ihm gegolten und hatte sie mich einfach übersehen?

Jäh wurde ich in meinen Gedanken durch Attila unterbrochen.

»Heute Nacht ist Herminafrid31 geflohen. Die Thuringi haben ihre Tributzahlungen eingestellt und einige Familien haben sich gegen uns erhoben. Daraufhin hat er es wohl vorgezogen, sich heimlich davonzumachen.«

Herminafrid war ein etwa zwölfjähriger Junge, den die Thuringi den Hunnen als Geisel überlassen hatten. Ich kannte ihn nicht besonders gut, doch ich hatte ihn immer als einen fröhlichen, stets gut gelaunten Jungen kennengelernt, den alle Welt mochte.

Ich ahnte, was jetzt folgen würde: Wir würden das tun, was wir in solchen Fällen immer getan hatten. Wir würden eine Strafaktion gegen die Thuringi unternehmen, wir würden sie mit Sicherheit schlagen, ihre wichtigsten Edlen enthaupten und neue, treue Vasallen einsetzen, und wir würden neue Geiseln von ihnen verlangen.

»Ist Herminafrid entkommen?«, meldete sich jetzt Hagan besorgt zu Wort.

Väterchen sah ihn lange mit einem merkwürdigen Blick an, ehe er antwortete:

»Wir haben eine große Anzahl berittener Verfolger losgeschickt. Er ist zu Fuß geflohen. Wir werden ihn bald haben. Wahrscheinlich hat sich der Narr direkt nach Norden gewandt. Dorthin haben wir einen Trupp meiner besten Krieger gesandt.«

Ich konnte mir nur allzu gut vorstellen, wie die Schar mit einer entflohenen Geisel umgehen würde. Diese Krieger gehörten zu dem Teil der Hunnen, der schon vor vielen Jahren seine Heimat verlassen hatte. Sie waren gut an ihren spitzen Köpfen zu erkennen, die man von ihrer Kindheit an mit Bändern so eng eingeschnürt hatte, dass sie wie ein Kegel wirkten. Ein Schönheitsideal, genau wie ihre zur Schau gestellten Narben im Gesicht, die sie durch Einreiben mit Kräutern, besonders mit Senf, noch verstärkten. Ich fand sie abstoßend hässlich. Aber es waren unbestreitbar die härtesten und grausamsten Krieger, die ich je erlebt hatte.

Ich schaute zu Hagan hinüber, doch dessen Blick war ausdruckslos. Ich hätte zu gerne gewusst, was jetzt in ihm vorging. Doch hier konnten wir nicht reden.

 

 

 

 

 

3

 

 

A

ls ich am nächsten Morgen hinaus auf den Platz ging, war Hagan bereits auf den Beinen und beobachtete die Vorbereitungen für das große Gelage, das am Abend stattfinden sollte. Ich war jedoch sicher, dass er in Gedanken ganz woanders war. Und ich hatte recht: Immer wieder glitt sein Blick in nördliche Richtung, von wo er die Rückkehr der Verfolger erwartete.

Es war fast Mittag, als großer Lärm darauf hindeutete, dass sich etwas Wichtiges ereignete, dass die Verfolger tatsächlich zurückkehrten. Und dann kamen sie heran. Es waren gut zwanzig Krieger. Quer über dem Rücken des Pferdes ihres Anführers lag ein blutiges, erbärmlich zugerichtetes Bündel Mensch. Achtlos warf der Anführer das Bündel neben seinem Pferd auf den Boden. Herminafrid, um den es sich offensichtlich handelte, war noch am Leben, doch er hatte nur noch wenig mit dem fröhlichen strahlenden Jüngling, den wir kannten, gemein. Wir konnten sehen, dass sich sein Brustkorb noch sacht bewegte.

Der Anführer besprach sich einen Moment mit Attila. Bleda, der ältere Bruder Attilas, war ebenfalls hinzugetreten. Er flüsterte Attila etwas ins Ohr, doch der schüttelte entschieden den Kopf und gab einem der berittenen Krieger ein Zeichen. Dieser nahm seine Seilschlinge, die er locker und griffbereit um seinen Oberkörper gelegt hatte, warf sie einem anderen zu, der sie dem blutigen Bündel um die Schultern legte. Sofort zog der Reiter das Seil straff und ritt los. Unter dem lauten Gejohle und unter Beschimpfungen gegen den hilflosen Jungen wurde der geschundene Körper im Kreis rund um den Platz geschleift, bis er nur noch aus einem Knäuel von Fleischfetzen und gesplitterten Knochen bestand.

Ich hoffte, dass der Tod des armen Jungen recht schnell eingetreten war und unserem Schicksalsgenossen noch größere Qualen, als er ohnehin bereits ertragen hatte, erspart geblieben waren. Angewidert von dem Schauspiel wandte ich mich ab. Nicht die Art der Hinrichtung, die ich schon öfter erlebt hatte, hatte mich ergriffen, aber mir war einmal mehr deutlich vor Augen geführt worden, wie dicht wir Geiseln immer über einem Abgrund schwebten, solange wir hier bei den Hunnen lebten. Und ich musste an das denken, was mir Hagan auf unserem Ritt anvertraut hatte. Sollte Gundahari die Tributzahlungen eingestellt haben, schwebten Hildigund und er in großer Gefahr. Ich war mir sicher, dass diese Nachricht der Wahrheit entsprach. Warum sollte der König der Burgunden Rücksicht nehmen auf eine Geisel, die nicht aus seiner Familie stammte oder gar auf eine fränkische Geisel. Den Versprechungen und Vereinbarungen seines Vaters brauchte er nicht zu folgen. Und was ich bisher über ihn gehört hatte, war alles andere als beruhigend.

 

Das Fest begann am frühen Abend. Alle aßen und tranken in fröhlicher Ausgelassenheit, gerade so, als ob es kein Morgen gäbe. Keiner erwähnte mehr die grausame Hinrichtung der jungen Geisel. Man ließ sich ein solches Fest nicht vermiesen.

Hagan saß in Gedanken versunken am Tisch und trank kaum etwas. Ich konnte beobachten, dass Hildigund, die auf der anderen Seite der Halle am Tisch Helches saß, immer wieder verstohlen zu uns herüber blickte, wobei ich das Gefühl hatte, dass sie nicht mich, sondern Hagan ansah. Es war gut möglich, dass auch sie spürte, dass etwas mit ihm nicht stimmte. Ich war mir inzwischen sicher, dass er seine Flucht nicht nur bereits gut geplant hatte, sondern dass diese auch kurz bevor stand.

Die anderen Gäste feierten immer ausgelassener. Gegen Mitternacht, als die meisten der Anwesenden volltrunken unter den Tischen lagen, die anderen grölend irgendwelche Lieder anstimmten, die ich nicht kannte und deren Text ich nicht verstand, bedeutete mir Hagan, ihm nach draußen zu folgen.

Wir gingen ein wenig abseits, um ungestört reden zu können, doch konnte man hier eigentlich nie sicher vor ungebetenen Lauschern sein. Deshalb unterhielten wir uns untereinander zumeist in der Sprache der Ostrogoten, in der Hoffnung, von ungebetenen Mithörern weniger gut verstanden zu werden.

»Ich habe mich entschlossen«, flüsterte er mir zu. »Bei der nächsten Gelegenheit verschwinde ich.«

Obwohl ich mit einer solchen Entscheidung gerechnet hatte, war ich doch entsetzt, nachdem er es offen ausgesprochen hatte.

»Bist du dir sicher? Hast du auch alle Risiken gut bedacht? Denke daran, was erst heute Morgen hier geschehen ist. Sollten sie dich so zurückbringen, wäre dies auch mein Tod, denn ich würde die Waffe gegen Attila und seine Leute richten und bis zum letzten Atemzug um dein Leben kämpfen.«

»Ach, mein treuer Freund!« Hagan umarmte mich und schluckte heftig.

»Nein!«, fuhr er nach einer Weile fort. »Mach dir keine Sorgen. Ich setze alles auf einen Wurf. Ich werde mir ein schnelles, ausdauerndes Pferd beschaffen und Tag und Nacht reiten, so rasch es mich von hier fortträgt. Sollte das Pferd unter mir zusammenbrechen, werde ich mir irgendwo ein anderes besorgen. Schließlich haben wir das Beutemachen von den Besten gelernt.«

Er lächelte mich an, und plötzlich traten mir Tränen in die Augen. Was würde ich ohne ihn anfangen? Wir waren seit Beginn unseres Daseins als Geiseln der Hunnen immer zusammen gewesen. Wir hatten gemeinsam eine gute Erziehung erhalten. Wir waren zu hervorragenden Kämpfern ausgebildet worden und seit Attila zurück war, hatte man uns zu Befehlshabern ernannt.

Für mich war Hagan immer wie der ältere Bruder gewesen, den ich nicht hatte. Am Anfang unserer Geiselhaft ersetzte er mir sogar den Vater. Ich blickte zu ihm auf. Er war stark und man konnte sich zu jeder Zeit blind auf ihn verlassen, in der Schlacht ebenso wie in kleinen Dingen des Alltags. Wie oft hatte er mir das Leben gerettet oder mir meine Gesundheit bewahrt!

Ohne ihn würde das Leben hier nicht mehr dasselbe sein.

Doch es drängte sich in das Gefühl der bedingungslosen Freundschaft etwas, das ich ansprechen musste – und zwar jetzt! Ich musste Klarheit haben.

»Was ist mit Hildigund? Ich weiß, dass du ein Auge auf sie hast. Weiß sie, was du für sie empfindest?«

»Ehrlich gesagt, ich weiß selbst nicht so genau, was ich für sie empfinde«, gab er nachdenklich zurück.

»Fällt es dir leicht, sie zurückzulassen? Wenn du gehst, wirst du sie niemals wiedersehen.«