Ich bedanke mich bei

meiner Familie für ihre

Unterstützung.

Weiter wünsche ich meinen Lesern

viel Spaß mit dem

dritten Band aus der Reihe

Dana.

 

Der Autor

 

  

 

Thomas L. Hunter

 

 

 

  

 

D a n a


und die Magie des großen Monolithen


 

© 2016 Thomas L. Hunter

http://thomas-l-hunter.de

Nachweise:

http://de.wikipedia.org/wiki/Greif

https://www.facebook.com/azraelscoverwelten/

 

 

Umschlaggestaltung: Azrael ap Cwanderay

 

Korrektorat: Friederun Baudach - Jäger

Britta Rose

Renate Lammel

 

 

 

 

Verlag: Hunter Verlag

Printed in Germany by Amazon Distribution GmbH Leipzig

 

 

ISBN-13: 978-1532953071

ISBN-10: 1532953070

 

 

 

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlages und des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek:

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Inhaltsverzeichnis:

... es war einmal vor unendlich langer Zeit! 7

Kapitel 1 Bücher, nichts als Bücher 9

Kapitel 2 Fragen und kaum Antworten 13

Kapitel 3 Wo sucht man den versunkenen Kontinent? 20

Kapitel 4 Das Reich der Mitte 29

Kapitel 5 Auf dem Dach der Welt 36

Kapitel 6 Shangri La 51

Kapitel 7 Unter dem Meer 61

Kapitel 8 Die erste Bibliothek 72

Kapitel 9 »Lemuria« 89

Kapitel 10 Das Geheimnis der drei Bücher 103

Kapitel 11 Die Krux mit der Zeit 117

Kapitel 12 Aller nassen Dinge sind drei 131

Kapitel 13 Artilla oder Uluru? 157

Kapitel 14 Leonardo, das Universalgenie 174

Kapitel 15 Eisland 205

Kapitel 16 ... nach heiß folgt Eis 220

Kapitel 17 Avalon 248

Kapitel 18 Elementels 260

Kapitel 19 Im dunklen Wald 270

Kapitel 20 ... zerstört mir meine Kreise nicht 280

Kapitel 21 Alles hört auf mein Kommando 289

Kapitel 22 Ein ... (B)blick in die Zukunft 304

 

Wichtige Personen 315

 

Bücher des Autors: 321

 


 

 

 

 

 

 

 

 

... es war einmal vor unendlich langer Zeit!

 

»So, dies ist das letzte ... fertig!«

Der alte weißhaarige Eremit schrieb das letzte Wort in einer feingeschwungenen Handschrift. Nachdem die Tinte getrocknet war, klappte er das Buch zu und schob es zu den anderen. Zärtlich betrachtete er das kleine Wesen, das friedlich auf dem Rand des Tintenfasses vor sich hin döste. Er konnte nicht anders, als es mit dem Ende der Feder zu kitzeln.

Erschreckt fuhr es hoch, begann zu lachen und wäre beinahe in das Fass gefallen. Schließlich legte er seine Schreibfeder beiseite. Schweigend betrachtete er, im flackernden Kerzenschein, seine Arbeit. Sein halbes Leben hatte es gebraucht, bis er diesen Punkt erreicht hatte. Zufrieden lehnte er sich zurück.

Vor ihm stapelten sich, außer den Büchern, eine Menge Schriftrollen aus unzähligen Jahrhunderten in wilder Unordnung auf dem Tisch.

Müde blickte der Alte sich in seiner Behausung um, einem viele tausend Jahre alten Baum, der langsam wie er selbst dem Ende entgegenging.

Schließlich drückte er sich schwerfällig mit beiden Händen von der Tischplatte ab. Das kleine, geflügelte Wesen gesellte sich nun zu ihm und schmiegte sich eng an seinen Hals. Sachte strich er ihm über den Kopf.

»Es wird schon!«

Langsam schlurfte er zu einem Riss in der Holzwand des Baumes, der ihm als Fenster diente, und betrachtete den beginnenden Sonnenaufgang, der sich mit einem schmalen leuchtenden Streifen am Horizont ankündigte.

»Es wird heute ein schöner Tag werden!«, flüsterte er dem Wesen zu.

»Nun bleibt uns nur noch eins zu tun. Die Bücher müssen an die Richtigen gehen. Irgendwann, in ferner Zukunft, wenn die Zeit gekommen ist, wird jemand die Bücher finden und das Rätsel, welches in ihnen verborgen ist, lösen!«

Kapitel 1

Bücher, nichts als Bücher


Warm schien die Sonne auf diese unvergleichliche Stadt. Ein lauer Wind strich durch die Straßen. Überall herrschte geschäftiges Treiben. Menschen schlenderten durch die Gassen, eine Stadt zum Träumen. Ein kleines Problem hatte diese Idylle jedoch! Nach einem missglückten Experiment hatten es die Einwohner tatsächlich geschafft, ihre Stadt, den dazugehörigen Kontinent und alles, was darauf kreuchte und fleuchte, irgendwo ins Nirgendwo zu verfrachten. Ohne Aussicht, dieses Fleckchen Erde jemals zu verlassen.

»Von der Zeit vergessen, nicht aber von den Menschen«.

Doch schließlich erreichte eine junge Magierin diesen Kontinent und brachte ein Tor zur Alten Welt mit. Nun war der Weg wieder frei und wer wollte, konnte nunmehr zurückkehren. Doch wer wollte das schon?

Dana, so hieß die junge Magierin, saß am Hafen und träumte vor sich hin. Ihr Blick wanderte über die Anlagen und weiter bis aufs Meer hinaus ... Meer war weit übertrieben. Früher hätte der Terminus gepasst, da es vor dem Debakel weit über den Horizont hinaus gereicht hatte. Aber jetzt ..., nach guten zweitausend Metern begann das Nichts, ein undurchdringliches Nichts. Dieser schmale Wasserstreifen verlief, an der schmalsten Stelle gerade mal hundert Meter breit, rund um den Kontinent.

Sie gönnte sich eine Verschnaufpause, hielt ein Buch in der Hand und wollte hier in der Sonne ausspannen und etwas lesen. Oh ja, gelesen hatte sie in den letzten Wochen wirklich genug. Maschgart hatte ihr die alte Bibliothek im Marmorturm gezeigt. Der Turm, von außen und innen recht überschaubar, hatte aber noch eine Überraschung für sie parat. War das ein Anblick, als der Magier die Tür zur Bibliothek aufstieß: Reihen über Reihen nichts als Regale, dichtgepackt mit Büchern und Dokumente, die man bis zur Decke gestapelt hatte. Das alles war für Dana bestimmt nichts Neues, jedoch war dieser Raum mehrere hundert Meter lang und genauso breit. Sprachlos stand sie damals neben Maschgart. Er meinte nur trocken: »Wie du siehst, Größe ist relativ. Viel Spaß«

Anschließend hatte er ihr noch freundschaftlich auf die Schulter geklopft, bevor er sie grinsend stehen ließ. Nun stand sie verlassen da und wusste nicht, wo sie anfangen sollte. Vor allem, wonach sie suchen sollte.

 

Sie hatte die Augen geschlossen und genoss die Ruhe und Wärme auf ihrer Haut, als sich eine Hand auf ihre Schulter legte.

»Kann ich mich zu dir setzten?«, fragte eine einschmeichelnde Stimme hinter ihr.

Dana öffnete die Augen und sah kurz auf. Sie blickte in ein freundlich, lächelndes Gesicht. Es war Maschgart, ihr Onkel.

»Machst du gerade was Wichtiges? Halte ich dich von irgendetwas ab?«

Sie schüttelte nur den Kopf. Mühsam setzte er sich neben sie auf die Treppenstufe.

»Na denn ...« Er versuchte, es sich auf den harten Steinen, so bequem wie möglich zu machen.

»... Konntest du dir keinen besseren Platz für deine Pause aussuchen?«, begann er sein Gespräch.

Sie schüttelte abermals schweigend den Kopf.

»Auch gut. Ich wollte dich mal was fragen« Er hüstelte verlegen. »Vertraust du dem Exdämon?

Sie sah ihn aufgebracht an. »Unbedingt, ihm würde ich sogar mein Leben anvertrauen! Was für eine merkwürdige Frage. Ohne ihn wäre ich nicht hier, und ihr hättet keinen Zugang zur Alten Welt!«

»Ist ja schon gut, ich habe verstanden. Aber es geht mir einfach nicht mehr aus dem Kopf, was er in Erogats Arbeitszimmer gesagt hatte. Von wegen, dass wir die Dämonenfürsten benötigen, um ein Portal in unsere wahre Heimat zu öffnen. Glaubst du das?«

Sie überlegte kurz.

»Aber sicher glaube ich daran. Nur, ich vermute, dass es schwer sein wird, die Orte zu finden, an denen sie eingesperrt wurden. Ich habe schon Hunderte von Büchern durch. Aber ich habe nirgends einen Anhaltspunkt oder etwas über die Standorte ihrer Gefängnisse entdeckt. Ich hab nur ein paar Bücher über Zeitreisen gefunden.«

Sie hob das Buch hoch, in dem sie bis eben gelesen hatte, und schnippte mit dem Finger gegen den Buchdeckel.

»Leider bist du mir in dieser Hinsicht keine große Hilfe«, lächelte sie ihn an. »Es ist gar nicht schlimm. Ich hab dich gefunden, und nur das zählt.«

»Mag sein ...« Maschgart hüstelte wieder verlegen.

»Irgendwann wird dir mein Wissen nützlich sein ... irgendwann.«

Nachdenklich sah er sie an. Er wählte seine nächsten Worte sehr sorgfältig.

»Das Portal ... warum glaubst du, dass du ein großes Portal, ein Portal in unsere Welt, erschaffen kannst? Wo doch schon unsere besten Magier daran gescheitert sind?«

»Ich?« Dana lächelte Maschgart wissend an. »Ich hab Zugang zu einem Wissen, was die anderen nicht hatten.«

»Und das wäre?« Maschgart sah sie herausfordernd an.

»Das Wissen der Dämonen!«, raunte sie ihm zu und sprang auf. Fröhlich verabschiedete sich von ihrem Onkel.

»Ich muss wieder los ... weiter lesen und forschen. Man sieht sich!«

Dana umarmte ihn und machte sich auf den Weg zum weißen Turm. Es lag noch viel Arbeit vor ihr.

Kapitel 2

Fragen und kaum Antworten ...


Tage später trafen sich alle in Erogats Arbeitszimmer. Dana hatte Maschgart aus Atlantis mitgebracht. Gomek saß, wie immer, in seinem Sessel in der Ecke und döste vor sich hin. Er hatte nun sein eigenes Medaillon erhalten. Stolz trug er es auf der Brust.

Wider besseren Wissens hatten einige Magier die Prozedur ein Medaillon zu erschaffen mit ihm versucht. Und es hatte funktioniert. Nun besaß er auch eins. Er war sogar in der Lage es für die Reisen durch die Monolithen zu benutzen. Gomek war damals etwas enttäuscht, als es sich an seinem Hals gebildet hatte. Die Größe des Anhängers stimmte wohl, aber das eingebettete Bild: „ein einzelner Stern und darunter ein kleines Eichhörnchen, das sich putzt“ ... so hatten es jedenfalls die Magier interpretiert.

Shari hingegen“ Danas kleine Fee, sagte irgendwann mal im Scherz: »... Du hast die Magier falsch verstanden. Sie meinten nicht ein sich putzendes Eichhörnchen, sondern ein putziges Eichhörnchen!«

Shari wollte sich damals ausschütteln vor Lachen. Gomek hingegen fand es seinerzeit gar nicht putzig. Danach herrschte eine ganze Weile eisiges Schweigen zwischen den beiden.

Dana sah sich um.

»Wo ist Ses? Er kommt doch sonst nie zu spät.«, wollte sie wissen.

Ses war ein junger, braungebrannter, gutaussehender junger Mann, der übrigblieb, als der Dämon Setesch den Kampf gegen den Energiekristall verlor. Nun lebte Ses in zwei Welten: Einerseits in der der Dämonen und auf der anderen Seite in Danas Welt. Er hatte sich entschieden, ihr mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Vielleicht auch als Wiedergutmachung dafür, was er im Namen des Setesch angerichtet hatte. Dana hatte des Öfteren versucht, ihm die Schuldgefühle auszureden. Es half nichts. Also ließ sie ihn damit in Ruhe.

Erogat grinste sie an. »Ses kommt etwas später. Er hat etwas entdeckt. Es ist eine Überraschung, meint er. Wir werden staunen, hat er gesagt.«

»Na gut, fangen wir an. Also ..., wie ihr wisst, habe ich Wochen damit verbracht in den Archiven von Atlantis Hinweise zu den Dämonengefängnissen und eventuell auch Informationen über Zeitreisen zu finden. Und davor habe ich viel Zeit aufgebracht, um Maschgart ausfindig zu machen ...! Und wie stehen wir da? Wir sind immer noch nicht viel weiter gekommen, als zu Beginn meiner Suche.

Nichts für ungut ...«, brummte sie, dem neben ihr stehenden, verblüfft dreinschauenden, Maschgart zu. »Aber um das Problem mit der Zeit, und den Zeitreisen zu lösen, benötige ich andere Inform...«

Hier unterbrach der Magier sie energisch.

»Über Zeit kann ich dir fast alles erzählen, aber mit Zeitreisen, das hatte ich dir schon mal erklärt, kenne ich mich nur theoretisch aus. Die haben wir vom alten Volk immer abgelehnt, viel zu gefährlich und kaum zu kontrollieren.«

Dana sah ihn nachdenklich an. »Ich weiß! Trotzdem, ich will es versuchen und unsere, in der Zeit verlorengegangene, Gemeinschaft finden und sie in unsere Zeit zurückzuholen.«

»Warum?« Maschgart zog ein verzweifeltes Gesicht.

Dana sah ihn irritiert an. »Zum Ersten, weil ich meine Familie wieder treffen möchte und zum Zweiten ... Ich hab‘s einem Drachen versprochen!«

»Aber ...«, wollte Maschgart einwenden.

Dana unterbrach ihn mit Nachdruck. Sie wollte kein »aber« mehr hören.

»Außerdem, Setesch hat es auch geschafft, ohne das Universum aus den Fugen zu stoßen. Also versuche ich es auch. Helft ihr mir dabei?«

Dana sah bittend in die Runde.

»Natürlich helfen wir dir!«, erklang eine Stimme lachend aus dem Hintergrund.

Mit einem Ruck drehten sich die Anwesenden Richtung Stimme. Ses hatte durch seinen Reisespiegel, der seine Festung mit Erogats Labor verband, den Raum betreten und die letzten Worte gehört. Peinlich berührt sah Dana, dass Shari schon wieder an seinen Hals klebte. Ses bekam es natürlich mit.

»Lass sie doch, sie ist ja noch so klein!«, grinste er und bewegte sich auf Erogats Arbeitstisch zu.

Dort angekommen, selbst Gomek stand mittlerweile an dem Tisch, knallte er mit viel Schwung ein in schweres Leder gebundenes Buch darauf, dass es nur so staubte. Während die Umstehenden außer Erogat, schließlich war er ein Geist, vor lauter Staub husteten, nahm Ses Dana in den Arm, um sie freundschaftlich zu begrüßen. Verlegen befreite sie sich aus der Umklammerung und deutete auf das Buch.

»Was hast du uns denn da Schönes mitgebracht? ... Woher hast du das Buch?«, wollte sie wissen.

Sie sah Ses fragend an. Er machte eine geheimnisvolle Miene:

»Du weißt doch noch, ... die Schatzkammer, ... hinter dem Kamin? In meiner Festung?!«

Er sah Dana fragend an. Sie nickte zur Bestätigung mit dem Kopf.

»Dort, ganz tief verbuddelt!«, strahlte er.

»Und was ist es nun?« Jetzt war sie neugierig geworden.

».Rate mal?«, bettelte er.

»Ein Buch über Zeitreisen?«

»Hmm, nein, rate noch mal!« Ses lächelte sie verlegen an.

Dana betrachtete den Einband genauer. In alter Dämonenschrift stand dort »Dämonenhandbuch« und unter dem Wort war ein Kreis in das dunkle Leder geprägt. Mehr gab es nicht zu entdecken.

»... Hege und Pflege von Dämonen?!« Das kam von Shari. Sie wollte auch etwas beitragen. Alle brachen in herzliches Gelächter aus.

Dana knuffte sie. »Du Dummchen, als wenn Dämonen Bücher über sowas hätten ... äh bräuchten!«

Sie wandte sich wieder Ses zu. »Nun erklär mal? Was ist das?«

Er verschluckte sich fast, als er zerknirscht murmelte: »Ich hab keine Ahnung. Aber als ich die letzte Seite dieses Buches aufschlug, da fand ich das!«

Alle beugten sich über die Seite, die Ses aufgeschlagen hatte. Dort stand ein unvollständiger Spruch. Die fehlenden Passagen waren durch Punkte ersetzt worden. Darunter waren drei gleichgroße Vierecke in einer Reihe und unterhalb diesen, wiederum ein weiteres, das durch Striche mit den darüberliegenden verbunden war. Im ersten der drei Vierecke erkannten sie zusätzlich noch einen Kreis. Dana betrachtete ihn entgeistert.

»Wir reden über Zeitreise. Schade, ich dachte, dieses Buch ist von Setesch und hilft uns dabei weiter!« Etwas enttäuscht tippte er auf die Seite.

»Hast du versucht, Teile des Textes zu verstehen oder eventuell zu übersetzen?« Dana sah ihn fragend an, bevor sie gedankenverloren fortfuhr: »Man kann nicht erkennen, wer der Verfasser dieses Machwerkes ist ... Es ist aus einem besonderen Material und hat es Äonen von Jahren, ohne Beschädigungen davon zu tragen, in unsere Zeit geschafft, erstaunlich!«

Sie fuhr sachte mit der Hand über die Oberfläche des Blattes, als hoffe sie, dort doch noch irgendein Geheimnis zu ertasten. Schließlich begann sie mit leiser Stimme: »Soweit ich diese Seite verstanden habe, ist es eine Anleitung, ein großes Portal oder einen mächtigen Monolithen zu erschaffen! ... Und diese Niederschrift enthält nur einen Teil der Instruktionen hierfür! ... Das allem Anschein nach, ein Rätsel beinhaltet!«

Dana zog Ses das Buch unter dem Finger weg und studierte minutenlang schweigenden kurzen Text, der dort geschrieben stand.

Langsam richtete sie sich auf. »Du bist der Meinung, dass wir erst dieses Geheimnis lüften- und uns danach dem Zeitproblem widmen sollten?«

»Ich vermute eher, dass alles irgendwie zusammenhängt. Wenn wir das eine Problem lösen, kommt der Rest von ganz alleine!« Ses hoffte, die richtigen Worte gefunden zu haben. Da meldete sich eine Stimme aus dem Hintergrund.

»Oh Mädchen, hör mal auf deinen Freund ... oder frag doch einfach mich!«

Diese Stimme kam von dem Kristallschädel, den Dana vor nicht allzu langer Zeit besorgt hatte. Nachdem er mit einem magischen Spiegel verbunden wurde, konnte er, zum Leidwesen von Erogat, sprechen. Er sollte allwissend sein. Leider traf es nur auf die Gegenwart zu. Beim Aufspüren magischer Orte und Gegenstände versagte er völlig. Dana ging Richtung Bildwand, wo sich auch der Schädel befand. Unheimlich leuchteten seine Augen, wenn er wach war. Wie Erogat mit Bedauern festgestellt hatte, viel zu oft.

»Also, sprich dich aus!«, knurrte sie den Schädel an. »Erleuchte uns Unwissende!«

Dana verschränkte die Arme vor der Brust, »Na, was ist nun?«

»Ganz klar. Es muss noch mehr Bücher geben. Suche die anderen und du kannst mit deren Hilfe das Portal erschaffen. Hinterher suchst du deine Leute.«

Dana war sprachlos.

»Zum ersten Mal hat unser Glaskopf etwas Wahres gesagt! Es muss noch mehr Bücher geben.« Dana strahlte die anderen an.

»Mindestens noch zwei weitere«, maulte der Kristallschädel. »... außerdem, ich sag immer die Warh...«

Dana unterbrach seinen Redefluss. Denn, wenn er erst mal anfing zu reden hörte er nicht wieder auf. »Ich glaub es dir. Nur bis jetzt warst du uns keine große Hilfe.«

Nachdenklich ging sie zu den anderen zurück. »Und wo findet man die restlichen zwei? Wo beginnt man mit der Suche?«

Von hinten meldete sich noch einmal, mehr als verärgert, die Stimme des Schädels. »Natürlich in der „Ersten Bibliothek“. Wo denn sonst!«

Dana sah zuerst Erogat und anschließend Maschgart fragend an. »Stimmt das? Gibt es eine „Erste Bibliothek“? Ich dachte, die in Atlantis wäre die erste!«

Bevor einer der beiden antworten konnte, sprach der Schädel: »Vor tausenden von Jahren lebten einige der Magier mit einem, weit fortschrittlicherem, Menschenstamm, weiterentwickelt als es die heutigen Menschen sind, zusammen. Leider ging diese Kultur in einem mächtigen Erdbeben unter. Ihr Kontinent versank und mit ihm alle seine Schätze und Weisheiten. Darunter befand sich auch die „Erste Bibliothek“. Zusammengestellt von den Magiern und dem überaus begabten Volk.«

»Hört sich ganz nach Atlantis an!«, grinste Ses.

»Natürlich nicht!«, wurde der Schädel lauter, »das alles passierte vor ewigen Zeiten.«

Erogat schwebte zu dem Kristallkopf. »Und warum weiß ich nichts davon? Nicht mal in den Unterlagen von Atlantis ist etwas davon vermerkt, oder?«

Er drehte sich zu Dana um. Sie hob nur hilflos die Schultern.

»Vielleicht, wenn ich länger gesucht ...«

Der Schädel unterbrach sie. »Es gibt darüber keine Aufzeichnungen. Atlantis wurde erst danach erbaut. Da ich den Standort des versunkenen Kontinents nicht lokalisieren kann, vermute ich, dass hier Magie im Spiel ist. Sucht bei den Menschen, vielleicht haben sie ja Kenntnisse über diese Katastrophe, vielleicht können sie euch weiterhelfen!«

Dana wollte noch fragen, warum sie bei den Menschen suchen sollte; aber unvermutet schwieg der Kopf, er war wieder einmal beleidigt. Gedankenverloren betrachtete sie das Buch und fuhr mit der flachen Hand über das Relief.

»Also gut. Erst die Bücher suchen, danach das Portal erschaffen und zuletzt ... wenn Ses Recht hat, wird sich das mit den Zeitreisen von alleine regeln!«

Kapitel 3

Wo sucht man den versunkenen Kontinent?


Am nächsten Morgen trafen sich Ses und Gomek sehr früh vor der Regierungspyramide. Sie hatten sich dort mit der jungen Magierin verabredet, um anschließend bei ihr zu Hause das weitere Vorgehen in der Angelegenheit „verlorener Kontinent“ zu besprechen. Natürlich hofften die zwei auf diesem Wege, sich bei Tala, Danas Ziehmutter, zum Frühstück einladen zu können. Sie machte, wie beide von früheren Einladungen wussten, das beste Frühstück im Zwergenreich.

Es klappte auch, wie es die beiden erhofft hatten. Nachdem Tala abgeräumt und sie mit Dana alleine gelassen hatte, begann Dana nachdenklich: »Ich hab das Gefühl, je mehr wir herausfinden, desto weniger verstehen wir. Also, wie geht es jetzt weiter und vor allem, wo fangen wir an?«

Dana warf einen fragenden Blick in die Runde. Es begann eine hitzige Debatte, bis Ses das Wort übernahm.

»Da wir von unseren magischen Freunden, bei diesem Problem keine Hilfe erwarten können, müssen wir«, er deutete mit dem Finger auf Dana, den Zwerg und zuletzt auf sich, »selbst losziehen und in den Bibliotheken des Menschenvolkes nach Verweisen auf diesem Kontinent suchen.«

Gomek sah ihn fragend an. »Wieso sollen ausgerechnet die Menschen darüber Bescheid wissen? Solange können sie doch noch gar nicht schreiben.«

Ses gab ihm recht. »Aber sie erzählten sich schon vor Urzeiten besondere Geschichten, die sie schließlich irgendwann zu Papier brachten.«

»Wenn du das sagst!« Gomek war immer noch skeptisch.

Nun griff Dana in das Gespräch ein. »Ich muss Ses hier recht geben. Keiner, nicht einmal Rudi als ältester Drachen, weiß etwas über diesen Kontinent.«

»Wie auch, wenn man ewig in einer Höhle sitzt!«, knurrte Ses gequält.

Gomek lachte zustimmend. Abschließend verkündete er: »Im Übrigen, ihr müsst ohne mich los. Meine Prinzenausbildung geht weiter. Ich hab sie in der letzten Zeit etwas vernachlässigt. Das sieht der König gar nicht gerne!«

Er stand auf und wahr schon fast an der Tür, als er sich noch einmal umwandte.

»Wenn ihr etwas benötigt, sagt einfach Bescheid. Ansonsten - beim nächsten Mal bin ich dabei! Versprochen!«

Gomek machte noch eine Geste mit Daumen und Zeigefinger, die auf den Kommunikationskristall verwies. Danach war er auch schon weg.

»Er macht es richtig«, maulte Ses, »verdrückt sich, um ja nicht durch die Bibliotheken jagen zu müssen.«

»Ach, lass ihn in Ruhe. Seine Ausbildung ist bestimmt schwerer als ein paar Bücher zu lesen«, verteidigte Dana den jungen Zwerg.

Ses sah sie zweifelnd an. »Wenn du es sagst!«, brummte er.

»Und wohin zuerst?«, Sie sah ihn von Neugier erfüllt an.

»Edinburgh ... danach London, Paris, Alexandria und so weiter, bis wir etwas finden!«, erwiderte er nachdenklich.

»Wieso gerade diese Städte?«, erkundigte sich jetzt Shari wissbegierig.

Die kleine Fee hatte mal wieder fast alles verschlafen und hatte nur die letzten Worte von Ses gehört.

Er lächelte sie an und streichelte ihr über den kleinen Kopf. »Dort befinden sich die größten Bibliotheken der Menschen. Dort könnten wir fündig werden.« Er hatte die kleine Fee in sein Herz geschlossen.

Sie packten einige Sachen zusammen und wollten bereits aufbrechen, als Tala ihnen den Weg versperrte. Sie stand mit Tränen in den Augen vor Dana und nahm sie in den Arm. Sie wollte ihre Tochter nicht ziehen lassen. Mit erstickter Stimme flüsterte sie: »Warum du? Warum immer nur du. Kann das nicht mal ein anderer für dich übernehmen?« Sie sah, an Dana vorbei, Ses vorwurfsvoll an. Der senkte verlegen den Kopf.

»Ich ...«, wollte er sich gerade rechtfertigen, als ihn Dana unterbrach. »Nein, nicht so!«, fiel sie ihm ins Wort. »Es ist meine Aufgabe und ich muss sie lösen. Ses hilft mir dabei. Er kennt die Welt der Menschen besser als irgendeiner von uns. Also Mutter, setz ihn nicht unter Druck. Er macht schon sein Möglichstes, damit uns nichts geschieht.«

Sie schälte sich aus Talas Umklammerung. Anschließend schob sie Ses zur Wohnungstür.

»Wir müssen ... Grüß Vater von mir. Ich bin hoffentlich bald wieder da.«

Vor der Tür murmelte sie: »Immer diese Abschiedszeremonie. Eltern ... sie machen immer so einen Aufstand, als würde man nicht mehr wiederkommen.«

Ses sah sie grinsend an. »Sei froh, dass deine Eltern so sind. Denk an Gomeks Eltern, denen war ihr Sohn früher ... wie auch immer!«

»Ja, früher ...«, nickte Dana. »Doch das hat sich mittlerweile geändert ... als Thronfolger.«

Das Gespräch über Eltern dauerte noch an, als sie den Monolithen erreichten.

 

Zuerst besuchten sie Erogat um von dort, nach einer kurzen Besprechung mit ihm, weiter zur Dämonenfestung zu reisen. Anschließend benutzten sie die Dämonentüren, um Schottland zu erreichen. Schließlich, nach einem langen Fußmarsch, diesmal gab es weit und breit keine Kutsche, standen sie vor den Toren der schottischen Hauptstadt Edinburgh.

 

In Edinburgh konnten sie sich sofort an die Arbeit machen. Dank ihrer Ausweise vom ersten Besuch konnten sie sofort in die altehrwürdige Bibliothek der Universität um sich dort einige Wochen durch die uralten Schriften zu kämpfen. Leider ohne Erfolg, wie Dana irgendwann feststellte.

»Ses, hier finden wir nichts. Das Einzige, was ich gefunden habe, ist, dass es im Laufe der Geschichte einige Kontinente gab, die versunken oder verschwunden sind. Darunter auch Atlantis. Aber sonst ...«

»Willst du schon aufgeben? Wir haben doch erst angefangen!«, lachte er.

Dana verzog verzweifelt das Gesicht.

»Natürlich nicht. Hier werden wir nur nichts finden. Lass uns zur nächsten Stadt reisen. Die wäre ...?«

»London. Das alte London. Die besitzen auch eine uralte Bibliothek. Mal sehen, was wir dort finden.«

 

Am nächsten Tag befanden sie sich, mittels der Dämonentore, schon in London. Mit offenem Mund bestaunte Dana diese prächtige und gewaltige Stadt. Sie bewunderte die altertümlichen Häuser, Brücken und Straßen. Aber sie bedauerte auch, wie viel Natur dadurch zerstört worden war. Shari, unsichtbar auf ihrer Schulter, begann zu kichern. Sie hatte gehofft, auch hier Männer mit Röcken anzutreffen. Aber nein ...:

»Sieh dir mal diese Kopfbedeckungen an. Wie witzig.«

Nun fielen auch Dana diese schwarzen, halbrunden Dinger, die einige Herren auf dem Kopf trugen, auf.

»Dies muss ein anderes Völkchen sein«, murmelte Dana lächelnd.

Ses erklärte ihr, dass es sich bei den Kopfbedeckungen um eine Modeerscheinung handle.

»Sie nennen es Bowler oder auch Melone.«

Dana nickte grinsend. »Aber warum diese Form?«

Er zuckte hilflos mit den Schultern. »Keine Ahnung. Willst du noch weiter lästern, oder können wir weiter zur englischen Nationalbibliothek?«

»Woher weißt du, dass es eine Bücherstube hier in ...«, wollte Dana wissen.

»Bücherstube?«, unterbrach Ses die junge Magierin und sah sie ungläubig an.

»Die Britisch Museum Library gehört mit zu den bedeutendsten Bibliotheken der Welt!«, schnaubte er erbost über ihre Unwissenheit. »Und es ist keine Bücherstube!«

Dana zuckte mit den Schultern.

»Wenn DU das sagst ...! Woher weißt du eigentlich so viel davon?« Sie sah ihn herausfordernd an.

»Ich war schon mal hier. Zwar nur kurz und nicht um zu lesen, aber man hat mir davon berichtet. Belassen wir es dabei. Wir sollten uns auf den Weg machen.«

Auch hier schafften sie es, mit Hilfe der Magie, sich Einlass zu verschaffen. Als Studenten der Naturwissenschaften konnten sie sich durch die Massen von Büchern, durcharbeiten. Leider auch nur mit mäßigem Erfolg. Nach Wochen der Recherche saß Dana irgendwann resigniert an ihrem Pult und starrte auf den riesigen Berg von Büchern, den sie durchgearbeitet hatte.

»Ich glaube, dass wir so nie ans Ziel kommen.«

Ses trat hinter sie und massierte ihr das Genick. »Nur nicht aufgeben. Wir haben ja noch einige vor uns: Paris, Rom, Alexandria ...«, schwärmte er.

Sie wandte sich ihm mit zusammengekniffenen Augen zu. »Da warst du auch schon?«

»Na klar!«, grinste er.

»Nur nicht zum Lesen. Also gut, lass uns weiter reisen. Paris! Hmmm ... Paris ist immer eine Reise wert!«, flüsterte er verträumt.

 

Am nächsten Tag verließen sie London und erreichten noch am selben Tag, dank der Dämonentüren, Paris. Auch hier war Dana von der Größe der Stadt beeindruckt. Selbst die Bauwut und Baukunst der Menschen faszinierte sie. Als sie allerdings zu dem Champ de Mars kamen, musste Shari mal wieder kichernd einen Kommentar abgeben.

»So gut bauen sie anscheinend doch nicht. Bei dem Ding haben sie tatsächlich alle Wände vergessen! Oder ist es noch nicht fertig?«

Ses hatte mitbekommen, was Shari Dana ins Ohr geflüstert hatte.

»Aber nicht doch!« Er musste ebenfalls lachen. »Dies ist ein 324 Meter hohes Kunstwerk und wurde von einem Herrn Eiffel zur Weltausstellung der Kunst, Industrie, Technik und „wer weiß was sonst noch alles“ gebaut. Man behauptet sogar, er habe aus seinem Büro in der Spitze des Turmes eine Wohnung für sich geschaffen.«

Dana sah ihn entgeistert an.

»Woher weißt du ...?«

Er führte sie zu einer Tafel, auf der die Entstehungsgeschichte des Eiffelturms beschrieben stand.

»Aha, daher also. Aber wir sind nicht hier, um die baulichen Leistungen dieses Volkes zu bewundern. Wohin müssen wir jetzt?«

»Bibliothèque nationale de France ...«, beantwortete er ihre Frage. Sie sah ihn irritiert an.

»Französische Nationalbibliothek«, übersetzte er lachend.

Auch hier schafften sie es wieder, sich mit ein bisschen Magie Einlass als Studenten zu verschaffen. Selbst hier, in dieser bestimmt gut ausgestatteten Bibliothek, waren die Informationen mehr als spärlich. Nach wochenlangem Lesen von Büchern und Reiseberichten begann Dana langsam aus den dürftigen Hinweisen, die sie bis jetzt gesammelt hatte, ein Muster zu erkennen. Da sie sich aber noch nicht sicher war, wollte sie Ses eigentlich noch nichts sagen.

»Was ist, was hast du?«

Ses hatte ihren nachdenklichen Gesichtsausdruck erkannt. Sie sah von dem Buch, in dem sie lustlos geblättert hatte, hoch.

»Nichts ...«, murmelte sie. »Wir haben viele Schriften über den Kontinent Mu gefunden und gelesen. Aber alle beinhalteten nur Spekulationen und Halbwahrheiten über die Lage und seines Untergangs ... Oder haben wir etwas übersehen? Ich glaube fast, wir suchen an der falschen Stelle.«

»Wie kommst du darauf?« Ses setzte sich neben sie.

»Nur so ein Gefühl!« Sie schlug kraftvoll das Buch zu, dass es nur so staubte. »Hier finden wir nichts mehr. Wohin jetzt?«

»Was ist mit deiner Ahnung?« Ses tippte mit der Hand sachte gegen ihre Stirn.

»Später, wenn ich mir sicher bin ...«

Mit dieser, für Ses unbefriedigenden, Antwort machten sie sich auf nach Rom. Doch auch hier wurden sie nicht fündig. Also reisten sie weiter nach Alexandria. Hier sollte es ja eine große Bibliothek geben, die die gesamte Welt bewunderte. Die:

Große Bibliothek Alexandriens.

Ses lachte, »Abgebrannt! Da sind wir anscheinend gut zweitausend Jahre zu spät gekommen!«

Dana schmunzelte. »Das kommt mir irgendwie bekannt vor. Trotzdem, auch hier gibt es sicherlich eine Bibliothek, die wir durchstöbern können.«

Es gab sie und nach einigen Tagen hielt Dana ein uraltes Pergament in Händen, auf der von einem Kontinent Mu die Rede war.

»Ses komm doch bitte mal her!«, rief sie quer durch den Saal und heimste unwillige Blicke der anderen lesefreudigen Besucher ein.

»Schhhhht!«, fauchte einer neben ihr und deutete auf ein Schild:

„Bitte leise sein!“

 

»Oh ja, natürlich!«, wisperte sie verlegen.

Ses war unterdessen an ihren Tisch getreten und hatte sich zu ihr gesetzt. Natürlich hatte er die Reaktion der anderen mitbekommen und flüsterte nun ebenfalls. »Was ist? Hast du was gefunden?«

Sie deutete auf das Manuskript auf dem Tisch vor ihr. »Hier wird von einem Kontinent Mu gesprochen, es könnte unserer sein.«

Ses überflog die Seite und nickte heftig mit dem Kopf. »Das ist es ...!«, jauchzte er vor Aufregung laut und erntete von allen Seiten ein erbostes: »Schhhhhht!«

Kleinlaut fuhr er leise fort: »Und wo befindet sich nun dieser sagenumwobene Kontinent?«

Sie wendeten das Papier. Dort standen nur noch die Worte Asien und Pazifik.

»China?«, brummte Ses irritiert.

»China! Dort müssen wir hin. Hier steht, dass es in der Alten Welt eine Legende von einem untergegangenen Reich gibt. Und dort ist China das größte ...«

»... und das älteste Reich!«, ergänzte Ses. »Dort könnten wir tatsächlich etwas erfahren!«

»Haben die dort auch eine alte Bibliothek?«, fragte Dana neugierig.

Ses zuckte die Achseln. »In Asien war ich noch nicht. Wird bestimmt interessant.«

»Wie kommst du darauf?« Dana sah ihn irritiert an.

»Keine Ahnung, nur so. Ob die dort überhaupt Bibliotheken haben?«

Sie machten sich sofort auf den Weg.

Kapitel 4

Das Reich der Mitte


In China angekommen, wurden sie gleich als Ausländer angefeindet.

»So geht es nicht.«

Dana war irritiert. Sie wusste zwar, dass andere Völker auf sie anders reagierten, aber nicht so.

»Wir müssen uns verkleiden. Wir müssen so aussehen wie sie.«

Ses sah sich die Bevölkerung zweifelnd an. »So klein? Und die Form ihrer Augen!«

»... und erst das Gesicht!«, grinste Dana. »Ganz anders, als wir es bisher kannten.«

Ergeben resignierte Ses und ließ Shari ihre Arbeit verrichten. Kurze Zeit später konnte man sie von den Ortsansässigen nicht mehr unterscheiden. Selbst die Größe stimmte. Dana war stolz auf ihre kleine Fee. Das hatte sie gut gemacht.

»Und wo jetzt lang?« Dana sah sich nachdenklich um.

Als ein paar Einheimische vorbeikamen, sprach Dana sie einfach an. Zum Glück funktionierte ihr Medaillon auch bei dieser ungewöhnlichen Ausdrucksweise. Sie konnte ohne Probleme ein Gespräch führen und erfuhr so, dass sie wohl nach Peking, in das chinesische Machtzentrum, reisen müssten. Dorthin, wo die Elite des Landes anzutreffen sei. Oder zumindest einen Ort, vielleicht sogar eine Bibliothek ... ein Kloster, wo das alte Wissen der Chinesen, mit Glück in Form von Schriftrollen, einzusehen ist.

Sie ließen sich den Weg beschreiben und machten sich auf. Es dauerte nicht lange, bis Shari sich zu Wort meldete.

»Die sollten mal ihr Land untersuchen. Hier steht ja alles unter Wasser.«

Dana musste lachen. »Das glaube ich kaum. Sieh dir diese Flächen an. Sie sind künstlich angelegt. Und dort ...«, sie deutete auf eine Handvoll Arbeiterinnen, die in gebückter Haltung irgendwelche Pflanzen ins Wasser steckten. »Diese Leute pflanzen sicherlich etwas! ... Ich glaube eher, dass es gewollt ist. Wartet, ich geh sie fragen!«

Nachdem Dana erstmal ungläubige Blicke auf sich gezogen hatte, erklärte ihr eine der Frauen, dass sie hier Reis, das Grundnahrungsmittel der Bevölkerung anbauten und dieses Gewächs nur im knietiefen Wasser gedeihe.

Den Wissensdurst befriedigt kehrte Dana zu Ses und Shari zurück. Die kleine Fee hatte ungeduldig bei ihm gewartet und lauschte ihr nun gespannt, wie sie ihnen die Sache mit dem Reis erklärte. Shari hätte sich auch in Danas Gedanken einschalten können, aber so war es viel Interessanter für die Fee. Außerdem hatte sie es schlicht vergessen!

»Nun verstehst du, nicht Land unter, sondern Ackerbau!«, wandte sie sich schließlich speziell an Shari.

Anschließend marschierten sie weiter. Sie passierten Bäche, Flüsse und Seenlandschaften. Sie überquerten Gebirge und immer wieder Reisfelder, wohin man auch sah ... Reis.

 

Nach Wochen erreichten sie endlich Peking. Hier herrschte ein geschäftiges Treiben. Dana spürte aber auch die Unzufriedenheit der Bewohner. Hier war einiges im Argen. Sie stupste Ses an.

»Lass uns schnell nach Informationen suchen und ... danach nicht wie weg hier.«

»Warum? Weißt du was, was ich nicht weiß?« Er wirkte unsicher und sah sich vorsichtig um.

»Nein, es ist nur so ein Gefühl. Hier geht irgendwas vor.«

Dana zog ihn in eine Seitenstraße und wollte ihm ihr Gefühl näher erklären, als ihr Blick auf die Auslagen eines kleinen, unscheinbaren, Laden fiel. Heftig zog sie an seinem Ärmel und deutete darauf. Dort lag ein Buch über den verschollenen Kontinent Mu.

»Gibt‘s denn sowas?«, murmelte Ses nachdenklich. »Dann geht dein Wunsch ja schnell in Erfüllung und wir können sofort weiter.«

Dana betrat den Laden und nach kurzem Feilschen hielt sie das Buch in Händen. Sie suchten sich eine ruhige Stelle und studierten das Buch. Enttäuscht wollte Dana das Buch schon wieder zuklappen, als Ses es ihr aus den Händen nahm. Es enthielt viele Informationen und Geschichten von dem Kontinent Mu, nur die Lage gab es nicht preis. Aber, und das hatte Ses gesehen, am Ende des Buches stand eine Notiz, wo es geschrieben worden war:

Bao’en-Tempel von Pingwu

Es enthielt auch eine Wegbeschreibung.

Buddhistischer Klosterkomplex

Nordwestlich von Sichuan

»Ja und?« Dana verstand nicht sofort.

»Das Buch hat dort einer geschrieben. Verstehst du jetzt?« Öffnen Ses ihr die Augen.

Danas Mine erhellte sich. »Na klar, dort müsste man mehr erfahren können ... und außerdem kommen wir hier weg.«

 

Sie machten sich sofort auf den Weg. Es wurde ein langer und beschwerlicher Weg. Trotz der Nörgelei von Ses, doch die Dämonentüren zu benutzen, wollte Dana diese herrliche Landschaft zu Fuß durchwandern.

»Stell dich nicht so an!«, tadelte sie ihn. »Hier kann man was lernen! Sieh dich um, sowas hast du noch nie gesehen.«

»Und will ich auch eigentlich gar nicht«, maulte er.

Aber er fügte sich notgedrungen in sein Schicksal und trottete hinter Dana her. Er wusste, wenn sich Dana etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ sie sich nur selten davon abbringen.

 

Irgendwann erreichten sie den Klosterkomplex mit seinem Tempel. Sprachlos blieb Dana davor stehen und bewunderte die handwerkliche Verarbeitung. Dieser Tempel war, ohne Nägel oder andere Hilfsmittel, aus Holz gefertigt. Die filigranen Schnitzereien, Wandmalereien, Skulpturen und andere ornamentalen Details, verzierten ihn und verliehen ihm sein prunkvolles Aussehen. Dana stieß Ses an.

»Sie mal da hin!«

Mürrisch hob er den Kopf und folgte Danas Fingerzeig.

Er hatte sich gerade erst erschöpft auf einem Stein niedergelassen.

»Ja und? Viele Figuren ... alle aus Holz. Was soll daran Besonderes sein?«

»Oh, bist du blind? Drachen! Überall erkennt man Drachenschnitzereien!« Nachdenklich zog sie die Stirn in Falten und sah Ses fragend an. »Ob die hier in China noch Drachen haben? Sie scheinen sie sogar zu verehren.«

Ses blickte entgeistert zurück. »Woher soll ich das denn wissen?«, knurrte er desinteressiert. »Ich bin, wie du, auch zum ersten Mal in diesem Land. Frag einfach jemanden. Vielleicht bekommst du eine Antwort, oder sie halten dich für verrückt.«

Diese Antwort verleitete sie dazu, lieber nicht nach Drachen zu fragen. Sie suchte nun einen Mönch, der ihr weiterhelfen konnte. Sie wurde an einen Abt verwiesen, der tief im Kloster seiner Meditationen nachging.

 

Um auf sich aufmerksam zu machen und ihn nicht zu erschrecken, räusperte sie sich leise. Nach dem dritten Hüsteln stand der Abt, mit einer Geschwindigkeit, die man ihm nicht zugetraut hätte, auf. Anschließend kam er langsam auf sie zu. Nachdenklich musterte er Dana von oben bis unten.

»Du bist nicht von hier ...«, begann er ohne Umschweife. »Du gehörst nicht einmal zu meinem Volk!« Missbilligend zog er eine Augenbraue hoch.

Doch dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. »Es ist wahrscheinlich besser, verkleidet zu reisen in diesen unruhigen Zeiten. Wie kann ich dir helfen?«

Dana war irritiert. Hatte er sie nun erkannt oder nicht? Sie wollte jedoch nicht weiter darauf eingehen.

»Ich suche den Erschaffer dieses Machwerkes. Wissen Sie, wer es geschrieben hat?«

Damit überreichte sie ihm das Buch über den Kontinent Mu. Er nahm es ihr aus der Hand, schlug es auf und blätterte darin herum. Nach einer gefühlten Ewigkeit gab er es Dana, mit einem zustimmenden Kopfnicken zurück.

»Natürlich! Was möchtest du denn von dem Mönch? Suchst du nach dem verlorenen Kontinent?«

Er sah sie nachdenklich an, bevor er weiter sprach: »Viele haben schon nach ihm gesucht, aber niemand ist von dieser Suche je zurückgekehrt.«

»Das schaff ich schon. Es wäre nicht mein erstes Abenteuer. Bitte! Wo finde ich diesen Mönch? Ich hoffe, dass er auch noch die Lage des Kontinents weiß, denn die fehlt in dem Buch. Oder kennen sie zufällig die genaue Lage?«

Dana sah den Abt forschend an. Der aber zuckte nur bedauernd mit den Schultern. »Leider nicht ... und was den Schöpfer des Buches angeht, er ist schon vor einigen Jahren ...«

»... gestorben?«, beendete Dana entsetzt den Satz.

»Nein! Natürlich nicht! Er ist, auf der Suche nach dem „Kloster der Weisheit und Erkenntnis“, auf das Dach der Welt gestiegen, um dort die Erleuchtung zu finden.«

»Wohin?«, Dana sah ihn irritiert an.

»Ach, du kommst ja nicht von hier. Himalaya, so nennt ihr das Gebirge. Dort, hoch oben, irgendwo auf dem Dach der Welt, soll sich ein Kloster befinden. Keiner hat es je gesehen, obwohl es viele gesucht haben. Es ist genauso sagenumwoben wie dein Kontinent. Dieses Kloster, passender wäre, seine Bewohner, sollen einen geheimnisvollen Ort bewachen. Ihr nennt ihn wahrscheinlich ... Shangri La, oder auch das Paradies.«

»Oh ...!«, Dana lächelte verlegen. »Mein Volk bestimmt nicht. Aber danke für die Informationen. Und wie komme ich nun auf das Dach der Welt?«

Der Abt beschrieb ihr nun ausführlich den Weg: »Also, erstmal Richtung Butan, Nepal, weiter hoch bis zum Himalaya Tempel. Danach weiter hinauf bis ins ewige Eis des Himalaya. Und immer weiter hoch. Vielleicht, mit viel Glück, findet ihr das Kloster der Weisheit und Erkenntnis, ohne dass ihr vorher erfriert.«

Der Abt beendete seine Wegbeschreibung und sah Dana irritiert an. Ihm wurde erst jetzt der letzte Satz von ihr bewusst und hakte nach: »Was meintest du eigentlich damit ... mein Volk bestimmt nicht?«

»Oh, nichts Besonderes, nur eine Eigenheit meines Volkes!«, lächelte sie, um ihm anschließend leise ins Ohr zu flüstern: »Manche Geheimnisse sollte man für sich behalten!«

Fröhlich verabschiedete sie sich von dem nun völlig ratlos dreinblickenden Abt und kehrte zu Ses zurück.

»Und? Alles erfahren?«

»Ja!«, antwortete sie nachdenklich. »Ein Kloster, hoch oben im Himalaya-Gebirge ... Wir müssen aber noch einen alten Freund aufsuchen.«

»Und wen?«, wollte Ses genervt wissen.

»Georg ... den Yeti!«

Nach den letzten Erfahrungen mit Eis und Schnee wollte sie ihn doch lieber um Rat fragen.

Kapitel 5

Auf dem Dach der Welt


Ses wusste, Widerspruch hatte keinen Zweck. Nachdem er schließlich die ganze Geschichte gehört hatte, sah er sich außerstande, ihr zu widersprechen. Er war zwar damals nicht dabei, als Dana mit Gomek in dem Schneesturm festsaßen, aber nach ihrer Schilderung war es bestimmt kein Vergnügen gewesen. Allerdings musste er nun ein Dämonentor zum Reisen suchen. Der Weg zu Georgs Eishöhle war mit dieser Art der Fortbewegung einfach der schnellste. Trotz eines Zwischenstopps in der Festung von Ses erreichten sie die Höhle des Yetis am nächsten Tag. Georg war so begeistert von ihrem Besuch, dass er sofort ein Fest für seine Besucher geben wollte.

»Aber nicht doch!«, blockte Dana seine freundliche Geste ab. »Wir sind nicht zum Feiern hergekommen, obwohl ... vielleicht später.«

Georg bot seinen Gästen einen Platz am Feuer an. »Und? Warum bist du hier, wenn du mit mir nicht feiern möchtest?«

Mit gespielt ernster Miene sah er sie an. Etwas irritiert begann Dana, Georg von ihrer Reise zu berichten: über ihre Nachforschungen und das Durchstöbern der vielen Bücher nach dem Kontinent Mu in den Bibliotheken der Menschenwelt, von ihrer Expedition nach China und von der abenteuerlichen Reise auf das Dach der Welt, dem Himalaya.

»... und hier hab ich an dich gedacht!«, endete sie. »Ich meine, du hast mir mal erzählt, dass du von dort stammst.«

Er unterbrach sie. »Nicht ich, sondern meine Vorfahren ... und das ist schon eine Ewigkeit her.«

Er stand abrupt auf und ging, leise vor sich hin murmelnd, auf und ab. Plötzlich verließ er den Raum. Die kleine Gruppe am Lagerfeuer hörte ihn im hinteren Bereich der Höhle herumwerkeln bis es plötzlich aus seiner Richtung ordentlich schepperte.

»Porzellan ist kaputt!«, mutmaßte Dana leise.

Schließlich erklang ein Jubelschrei und Georg kam, mit einem Horn in der Hand, in den Raum zurück. Strahlend hielt er es in die Höhe. Sogleich führte er es an seine Lippen und blies kräftig hinein. Dana und Ses warfen sich fragende Blicke zu, denn sie hörten - nichts. Shari allerdings presste ihre kleinen Hände fest auf die Ohren und verzog schmerzvoll das Gesicht.

Einen Augenblick später stand eine Handvoll Yetis kampfbereit in Georgs Höhle um ihm, bei was auch immer, beizustehen. Lachend stellte er sich vor seine Leute.

»Fehlalarm, ich hab dies ...«, er hielt das Horn in die Höhe, »Teil ausprobiert! Nur ein Test! Kein Grund jemandem zu malträtieren.«

Fragend sah Dana ihn an. »Und? Was ist das nun?«

»Dies ist ein altes Erbstück meiner Familie, das Horn eines männlichen Himalaya-Tahrs.«

Zärtlich strich er über die raue Oberfläche. Dana stand auf und ging auf ihn zu. Sie legte ihre Hand auf seine, die das Horn hielt.

»Das hab ich schon verstanden, aber was ist das?«, wiederholte sie ihre Frage.

»Es ist ein Signalhorn ... Mein Großvater hat mir früher darüber Geschichten erzählt, dass - sollte ich jemals in die Heimat der Yetis, in meine Heimat, zurückkehren und Hilfe von meinem Volk benötigen, bräuchte ich nur in dieses Horn zu blasen und ...!« Er schwieg gedankenvoll.

»Ah, ich verstehe ...!«, glaubte sie nun zu wissen. »Würde ich das Horn blasen, käme dein Volk mir zu Hilfe ... richtig?«

Er nickte zustimmend mit dem Kopf und übergab ihr das Horn. Dana betrachtete das schöne Stück. Zwischen all den Verzierungen erkannte sie ein Hoheitszeichen.

»Georg, was hat dieses Wappen zu bedeuten?«

Sie zeigte auf ein verwittertes Symbol, das nur noch schwach die Kontur eines Yetis erkennen ließ. Bedauernd zuckte er mit den Schultern.

»Keine Ahnung. Nicht einmal mein Ahne wusste etwas darüber. Ist halt ein Wappen, eine Verzierung, sonst nichts. Bring es mir ja wieder! Es ist schließlich ein Erinnerungsstück meiner Familie.« Mit feierlicher Miene ermahnte er Dana: »Pass gut darauf auf!«

»Werd ich schon!«, lachte sie, ergriff das Horn und wollte schon wieder los.

»Stopp! So nicht kleines Fräulein. Erst feiern wir das noch ein bisschen.«

Dana ergab sich ihrem Schicksal. Georg würde nicht eher aufhören sie zu nötigen, bis sie zustimmen würde.

»Na gut! Aber morgen früh müssen wir wieder los.«

Schweigend setzte sie sich zurück ans Feuer und harrte der Dinge, die da noch kommen sollten.

 

Es wurde ein lustiger Abend. Irgendwann spürte Dana einen warmen Lufthauch im Genick. Erschrocken drehte sie sich um und schaute in Rewinas pechschwarze Augen.

»Hallo, was machst du denn hier?«, wollte Dana wissen und umarmte die Bärin.