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LebensZeichen
Roland Barthes zur Einführung

Für Emanuel Yanick
und die Präsenz seines Lachens

Ottmar Ette

LebensZeichen
Roland Barthes zur Einführung

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Wissenschaftlicher Beirat
Michael Hagner, Zürich
Dieter Thomä, St. Gallen
Cornelia Vismann, Weimar †

Junius Verlag GmbH
Stresemannstraße 375
22761 Hamburg
www.junius-verlag.de

© 2011 by Junius Verlag GmbH
Alle Rechte vorbehalten
Covergestaltung: Florian Zietz
Titelbild: Le grain de la voix, Abb. 1
Veröffentlichung der E-Book-Ausgabe März 2016
ISBN 978-3-86060-002-2
Basierend auf Print-Ausgabe:
ISBN 978-3-88506-694-1
2., unveränderte Aufl. 2013

Die Deutsche Nationalbibliothek – CIP-Einheitsaufnahme

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der
Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten
sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Zur Einführung …

… hat diese Taschenbuchreihe seit ihrer Gründung 1978 gedient. Zunächst als sozialistische Initiative gestartet, die philosophisches Wissen allgemein zugänglich machen und so den Marsch durch die Institutionen theoretisch ausrüsten sollte, wurden die Bände in den achtziger Jahren zu einem verlässlichen Leitfaden durch das Labyrinth der neuen Unübersichtlichkeit. Mit der Kombination von Wissensvermittlung und kritischer Analyse haben die Junius-Bände stilbildend gewirkt.

Von Zeit zu Zeit müssen im ausufernden Gebiet der Wissenschaften neue Wegweiser aufgestellt werden. Teile der Geisteswissenschaften haben sich als Kulturwissenschaften reformiert und neue Fächer und Schwerpunkte wie Medienwissenschaften, Wissenschaftsgeschichte oder Bildwissenschaften hervorgebracht; auch im Verhältnis zu den Naturwissenschaften sind die traditionellen Kernfächer der Geistes- und Sozialwissenschaften neuen Herausforderungen ausgesetzt. Diese Veränderungen sind nicht bloß Rochaden auf dem Schachbrett der akademischen Disziplinen. Sie tragen vielmehr grundlegenden Transformationen in der Genealogie, Anordnung und Geltung des Wissens Rechnung. Angesichts dieser Prozesse besteht die Aufgabe der Einführungsreihe darin, regelmäßig, kompetent und anschaulich Inventur zu halten.

Zur Einführung ist für Leute geschrieben, denen daran gelegen ist, sich über bekannte und manchmal weniger bekannte Autor(inn)en und Themen zu orientieren. Sie wollen klassische Fragen in neuem Licht und neue Forschungsfelder in gültiger Form dargestellt sehen.

Zur Einführung ist von Leuten geschrieben, die nicht nur einen souveränen Überblick geben, sondern ihren eigenen Standpunkt markieren. Vermittlung heißt nicht Verwässerung, Repräsentativität nicht Vollständigkeit. Die Autorinnen und Autoren der Reihe haben eine eigene Perspektive auf ihren Gegenstand, und ihre Handschrift ist in den einzelnen Bänden deutlich erkennbar.

Zur Einführung ist in verstärktem Maß ein Ort für Themen, die unter dem weiten Mantel der Kulturwissenschaften Platz haben und exemplarisch zeigen, was das Denken heute jenseits der Naturwissenschaften zu leisten vermag.

Zur Einführung bleibt seinem ursprünglichen Konzept treu, indem es die Zirkulation von Ideen, Erkenntnissen und Wissen befördert.

Michael Hagner
Dieter Thomä
Cornelia Vismann

Inhalt

Roland Barthes oder ein Wissen im Zeichen des Lebens

Schreiben als Leben-Wollen

Den Schrei im Schreiben hörbar machen

Auf der Suche nach einem Wissen im Zeichen des Lebens

1. Lehren, was man weiß:
Vom »Ersten Text« bis zu »Kritik und Wahrheit«

Literatur als Welt und die Dichte des Lebens

Das pralle Leben und die Lehre des Mythologen

Der Kritiker im intellektuellen Feld

Der Kritiker als Schriftsteller

2. Lehren, was man nicht weiß:
Von »Der Tod des Autors« bis »Die Lust am Text«

Zeichen eines angekündigten Todes

In zeichenreichen Zeichenreichen

Das Eigen-Leben des Lesers im Text

Die Lehre der Lust

3. Das Alter des Verlernens:
Von »Roland Barthes von Roland Barthes« bis »Die helle Kammer«

Nuancen des Lebens und gelebte Theorie

Verhören, Verlernen und Erleben des Künftigen

Zwischen Last, List und Lust

Vergegenwärtigen, Verlernen, Vergessen

Wissen im Zeichen des Lebens

Anhang

Anmerkungen

Literatur- und Siglenverzeichnis

Zeittafel

Über den Autor

»Ich unternehme es folglich, mich von
jener Kraft allen lebendigen Lebens
(la force de toute vie vivante)
tragen zu lassen: dem Vergessen.
Es gibt ein Alter, in dem man lehrt,
was man weiß; doch danach kommt ein anderes,
in dem man lehrt, was man nicht weiß:
Das nennt man Forschen. Es kommt
jetzt vielleicht das Alter einer anderen
Erfahrung: der des Verlernens […].«

Roland Barthes: Lektion
(L, OC III, 814; vgl. LL, 69/71)

Roland Barthes oder ein Wissen im Zeichen des Lebens

Schreiben als Leben-Wollen

Roland Barthes (1915-1980) darf man mit guten Gründen als jenen französischen Denker, Kultur- und Zeichentheoretiker der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begreifen, der für die Gegenwart, vor allem aber auch für die Zukunft das größte Potenzial an Ideen, Entwürfen und Entwicklungsmöglichkeiten bereithält. Denn einerseits sind seine Schriften, betrachtet man sie – wie es in diesem Band geschehen soll – in ihrer Gesamtheit, von einer ihnen eigenen Bewegung und Beweglichkeit geprägt, die sie auf den unterschiedlichsten Ebenen lesbar, ja aufgrund ihrer Vielstimmigkeit geradezu hörbar machen. Und andererseits sind viele seiner Vorstellungen zwar sorgsam und über lange Jahre konzipiert und angedacht, nach seinem Tod aber vielfach nicht konsequent weitergedacht, ja ausgedacht worden. Die Texte dieses großen Impulsgebers und Vordenkers halten noch viele Schätze, viele Überraschungen bereit.

Denn stets sind diese Schriften LebensZeichen im vollen Wortsinn. Damit ist keineswegs eine »nur« autobiographische Lesart gemeint. Barthes’ Texte analysieren auf der Objektebene die Zeichen des Lebens im Leben und verbinden sie mit dem Leben ihrer Leserinnen und Leser auf ebenso subtile wie attraktive und unaufdringliche Weise. Geht es etwa in Roland Barthes’ Mythologies (1957), einem seiner erfolgreichsten Bände, um die »Mythen des Alltags«, so zeigen uns die dort versammelten Analysen von Sport und Massenkultur, von Industriegütern und politischen Parteien, von Kunst und Lebensmitteln nicht nur die uns zu einem gegebenen Zeitpunkt umgebenden Phänomene des Lebens in einem neuen Licht. Sie lassen uns diese Objekte des Wissens nicht nur auf andere, originelle Weise begreifen, sondern zielen darauf ab, unser Erleben und Leben selbst und zwar gerade dort zu verändern, wo es am selbstverständlichsten zu sein schien. Barthes’ Texte greifen auf das Leben in seinen unterschiedlichsten Formen und Normen zu. Er selbst hat, wie wir noch sehen werden, bisweilen von LebensTexten, von Textes de la Vie, gesprochen.

Nichts in Barthes’ Texten ist, analysieren wir sie in ihrem intratextuellen Verwobensein, »natürlich« oder selbstverständlich. Denn die Texte des französischen Schriftstellers und Zeichentheoretikers brechen alle Selbstverständlichkeiten auf. Was uns als »natürlich« erscheint, wird uns als Kultur, als Ergebnis eines kulturellen Prozesses vor Augen geführt und in seinem historischen Gewordensein buchstäblich nahegebracht. Denn Barthes schreibt Texte, die ihr Lesepublikum im doppelten Wortsinn direkt angehen. Und dies, ohne die Leserschaft je in Abgründe stürzen zu wollen, in denen sich Wissen und Objekt ebenso unüberbrückbar wie unversöhnlich gegenüberstehen. So lautet der Schlusssatz der Mythologies nicht von ungefähr: »Und doch ist es eben dies, was wir suchen müssen: eine Wiederversöhnung von Realem und Menschen, von Beschreibung und Erklärung, von Objekt und Wissen.«1 Wie aber könnte diese réconciliation, diese Wiederversöhnung aussehen?

Die Fragmente eines Diskurses der Liebe2 zeigen uns nicht nur auf, inwiefern wir selbst in unseren intimsten Ausdrucksformen von Diskursen und Sprachregelungen durchlaufen werden, die uns in unserem scheinbar hochindividuellen Verhalten prägen und »fernsteuern«. Sie lassen uns auch Subjektpositionen und Stellungen einnehmen, die wir noch nie erprobt haben oder zu erproben wagten. Die damit einhergehende Entautomatisierung eingespielter Verhaltensmuster kann uns frei machen für neue Formen des Erlebens, für andere Ausdrucks- und Darstellungsformen, mit denen wir zuvor im Leben noch niemals experimentiert haben. Selbst die theoretischsten Texte Roland Barthes’ führen uns Termini und Theorien nicht einfach vor, sondern lassen sie auf eine Weise lebendig werden, die uns die Abenteuer dieses Denkens, dieses Denkers, erlebbar macht. Die Deutungskunst des Roland Barthes, die uns auf der Objektebene die altgewohnten Gegenstände in ein verändertes Licht rückt, eröffnet auf der Subjektebene Dimensionen dessen, was man als ein Erlebenswissen und zugleich als eine Lebenskunst bezeichnen kann. Barthes’ Schreibstil ist in einem Wissenschafts- und Denkstil, aber auch in einem Lebensstil verankert.

Schreiben steht bei Roland Barthes stets im Zeichen von Transfer und Transformation. Gerade weil die Gegenstände seines Schreibens so vielgestaltig sind, werden zwischen ihnen Transferprozesse in Gang gesetzt, die es uns erlauben, unsere eigene Gesellschaft zum Beispiel mit den Augen der strukturalen Anthropologie zu sehen, unsere eigenen Liebespraktiken als Ergebnisse vermeintlich ferner, fremder literarischer Traditionen zu erkennen, unsere eigenen Sehgewohnheiten anhand eines Erlebens dessen zu überprüfen, was nicht mehr ist und doch nicht aufhören kann zu sein. Denn finden wir mit Barthes in seinem letzten Buch, Die helle Kammer (1980), nicht die Allgegenwart des Todes in jeder Photographie, die doch so oft nicht mehr als ein Bild des Lebens, als ein Lebensbild zu sein vorgibt?

Es geht Barthes niemals nur um eine Analyse des Vorgefundenen und Aufgefundenen, sondern auch des (einst) Erfundenen und (künftig) zu Erfindenden, die im selben Maße wie das Gefundene in ein Spannungsverhältnis zum Gelebten und noch zu Erlebenden gesetzt werden. Die ständigen Friktionen zwischen Gefundenem, Erfundenem und Erlebtem erzeugen den Funken, der von der Ebene der Objekte auf jene der Subjekte überspringt. Dies macht die Hochspannung aus, die Barthes’ Texte aus den 1940er wie aus den 1970er Jahren prägten.

Dieser elektrisierende Funkenflug trifft und betrifft ganz selbstverständlich auch das Subjekt des Schreibens selbst. Überblickt man das gesamte Schaffen Roland Barthes’, so fällt schon bei einer ersten Annäherung die Schönheit der von ihm gewählten Titel auf. Denn sie lassen sich auf eine immer andere, verborgene und zugleich doch zeigende Weise mit dem Leben des Wissenschaftlers, mit dem Leben des Schriftstellers in Verbindung bringen. Sie sind Zeigen, Zeugen und Zeugnis in einem. Für ein erstes Buch hätte kaum ein besserer Titel gewählt werden können als Am Nullpunkt des Schreibens (1953). Und ist die Wahl des Titels für Die helle Kammer, das wenige Wochen vor seinem Tod erschien, nicht ebenso gelungen? Titel wie Das Reich der Zeichen oder Die Lust am Text sind stets nicht allein auf ihre Objekte, auf die jeweils untersuchten Gegenstände hin geöffnet, sondern zeigen zugleich zurück auf ein schreibendes Subjekt, das sich dieser Lust im eigenen Zeichenreich hingibt. Berührt es nicht eigenartig, wenn man erfährt, dass der letzte Text, der noch in Barthes’ Schreibmaschine steckte, als er am 25. Februar 1980 beim Überqueren einer Straße von einem Lieferwagen angefahren wurde und wenige Wochen später im Krankenhaus starb, den Titel »Man scheitert stets, wenn man von dem spricht, was man liebt« trug?

Es gibt eine innere Logik und Kohärenz, ja eine beeindruckende Schönheit, die sich erschließt, wenn man das Barthes’sche Œuvre in seiner ganzen Vielfalt als Einheit begreifen will. Doch sollten wir uns davor hüten, dieses so facettenreiche und faszinierende Schaffen allein von seinem Ende her zu perspektivieren und ihm von seinem Ausgang her Sinn (frz. sens und damit auch Richtung) zu geben. Roland Barthes selbst hat hier ein Warnschild aufgestellt, als er in seiner Vorlesung vom 8. Dezember 1979 am Collège de France – also wenige Monate vor seinem Tod – bei seiner Erörterung von Arthur Rimbauds Lebensweg unmissverständlich festhielt:

»Es gilt, das evolutive Schema (das ›Schicksal‹) zu verlernen: nicht diesen oder jenen Augenblick im Leben eines Menschen zu privilegieren; es ist eine christliche Tradition, das Ende zu privilegieren, einen Menschen nach seinem Tode zu beurteilen (Vorstellung vom ›guten Ende‹).« (PR, 213; vgl. VR, 244)

Entscheidend für unsere Annäherung an Roland Barthes sollte folglich sein, nicht (wie so oft geschehen) den »späten« gegen den »frühen Barthes« – oder umgekehrt – auszuspielen, sondern die unterschiedlichen Logiken der jeweiligen Augenblicke herauszuarbeiten und in ihrer irreduziblen Vielfalt erkennbar zu machen. Dies bedeutet nicht nur den Verzicht darauf, vom sogenannten Spätwerk her eine Teleologie in die Barthes’sche Entwicklung einzublenden, die es in einem derartigen Sinne gewiss niemals gab, sondern auch die Offenheit vergangener Zukunft und damit jene große Zahl an alternativen Möglichkeiten wiederherzustellen, die sich dem Schreiben und der Suche dieses Autors in den 1940er und 1950er, aber auch in den 1960er und 1970er Jahren darboten.

Es geht daher im vorliegenden Band nicht um die Fixierung eines Lebenswegs, eines scheinbar vorbestimmten Schicksals eines »großen Denkers«, sondern um die große Zahl an schicksalhaften Konfigurationen, welche die Bewegungen dieses Menschen innerhalb des intellektuellen Kräftefeldes seiner Zeit mitbedingten. Mit anderen Worten: Es gilt, durch die Rückgewinnung von Offenheit in unserer Sichtweise der Vergangenheit jene Freiheit wiederzugewinnen, die uns – vor dem Hintergrund einer historisch möglichst exakten Rekonstruktion – die Konstruktion einer Offenheit der Zukunft, ja einer Eröffnung von Zukünften erlaubt. Es ist die Offenheit von Zukünften, bei deren Ausgestaltung das Denken Roland Barthes’ hilfreich, vielleicht sogar unverzichtbar ist. Barthes’ Denken ist prospektiv.

Im unmittelbaren Fortgang seiner soeben zitierten Überlegungen aus Die Vorbereitung des Romans hält Roland Barthes fest, dass die »Idee der (totalen) Muße« als ein »Lebenssystem (système de vie)« zu betrachten sei, insofern sie dem Schriftsteller im Akt des Schreibens »ein Leben-Wollen«, ein Vouloir-vivre vor Augen führe, das immer die »(verborgene) Gewalt eines Ergreifen-Wollens«, eines Vouloir-saisir, in sich trage oder mit sich bringe (PR, 213; vgl. VR, 245). In diesem Spiel eines Schreibens, das sich selbst in all seiner Gewalt als ein Leben-Wollen begreift, lässt sich, so scheint mir, vielleicht am deutlichsten jenes System des Lebens erfassen, in dem sich Schreiben und Leben, Schreiben-Wollen und Leben-Wollen zu einer außergewöhnlichen Intensität verdichten. Diese höchst intensive und intime Verbindung von Schreiben und Leben kennzeichnet den Schriftsteller wie den Wissenschaftler Roland Barthes zu Lebzeiten, aber auch post mortem ebenso wie sein mehr denn je lebendiges Schaffen: sein Lebenswerk.

Dieses Lebenswerk, das in einem fundamentalen Sinne LebensZeichen ist, hat sich im Verlauf der mittlerweile mehr als drei Jahrzehnte nach Barthes’ Tod erheblich verändert und vergrößert. Entgegen manchen Behauptungen, die bisweilen im Stil des Enthüllungsjournalismus vorgeben, die Produktivität des französischen Intellektuellen habe im Verlauf seiner letzten Lebensjahre sehr nachgelassen und einer allgemeinen Erschöpfung, ja Sterilität Platz gemacht,3 zeigt bereits der oberflächlichste Blick auf die Ende der 1970er Jahre entstandenen und veröffentlichten Schriften, mit welcher Intensität, mit welcher Gewalt sich das Schreiben bei Barthes bis zum Ende Bahn brach. Das Denken des »späten Barthes« dünnt nicht aus, es bricht ab – und vor allem bricht es auf.

Es wäre folglich töricht, von einem Versiegen der schriftstellerischen Produktivität des französischen Intellektuellen gegen Ende seines Lebens zu sprechen. Davon zeugen nicht nur die vielen veröffentlichten Artikel und Essays oder ein Band wie Die helle Kammer, sondern auch die im Verlauf der letzten Lebensjahre edierten umfangreichen Vorlesungsskripte und unveröffentlichten Schriften, welche – um es mit einem Ausdruck von Jorge Luis Borges aus dessen Ficción »Pierre Menard, Autor des Quijote« zu sagen – das sichtbare Werk des französischen Denkers postum erheblich vergrößert haben. Die umfangreiche Werkausgabe der 1990er Jahre, aber auch die nachgelassenen Schriften, die Vorlesungsmitschnitte, die Materialienbände zu einzelnen Seminaren des Semiologen wie auch die Tagebuchaufzeichnungen, deren Veröffentlichung bei Weitem noch nicht abgeschlossen ist, haben neue Grundlagen und Herausforderungen für ein komplexeres Verständnis eines Wissenschaftlers und Philosophen, eines Schriftstellers und Kulturtheoretikers geschaffen, dessen Bedeutung seit seinem Tod im Jahre 1980 zweifellos kontinuierlich gewachsen ist. Die Prognose fällt nicht schwer, dass Signifikanz und Relevanz des Barthes’schen Denkens auch im 21. Jahrhundert weiter zunehmen werden. Es ist an der Zeit, Roland Barthes aus einem veränderten Blickwinkel von Schreiben als Leben-Wollen neu zu entdecken.

Den Schrei im Schreiben hörbar machen

Am besten ließe sich Roland Barthes wohl als paradoxer Meisterdenker4 verstehen, der im Verlauf seines Lebens für unterschiedlichste Positionen einstand und die verschiedenartigsten Figuren im intellektuellen Feld seiner Zeit verkörperte. Erwähnt seien an dieser Stelle nur einige dieser Figuren,5 die immer – dies wird in diesem Band zu zeigen sein – figurae vitae waren: die des jungen, schneidigen Marxisten, der Albert Camus im Namen des historischen Materialismus anklagte, oder die des strukturalistischen Erzähltextforschers, der mit Algirdas Greimas oder Claude Bremond nach den Grundformen des Erzählens fahndete; die des gesellschaftskritischen Mythenforschers, der die strukturale Anthropologie eines Claude Lévi-Strauss vom Amazonas an die Ufer der Seine verpflanzte, oder die des Strategen im Literaturkampf, der sich vehemente Debatten mit den Vertretern einer positivistisch ausgerichteten Literaturwissenschaft leistete; die des poststrukturalistischen Reisenden auf der Suche nach dem Anderen, ja nach dem Fremden, das er in Marokko oder Japan weniger vorfand als erfand, oder die des philosophischen Dekonstruktivisten, der die Grenzen zwischen Wissenschaft und Literatur, zwischen Vorfinden und Erfinden nicht einfach übersah, sondern bewusst missachtete. Ließe sich ein spannenderes Bewegungsprofil im intellektuellen Feld der Nachkriegszeit Frankreichs vorstellen als das des Autors von Kritik und Wahrheit?

Wir könnten Roland Barthes mit guten Gründen als einen Meisterdenker verstehen, der uns – anders als der im ersten wie im letzten Barthes’schen Buch präsente und bewusst »verstellte«, deplatzierte Jean-Paul Sartre – nichts vordenkt, was wir bewundernd nachdenken, nichts vorschreibt, was wir gehorsam nachschreiben müssten. Denn die gegen jede feste Lehrmeinung, gegen jegliche zur Doxa erstarrte Lehre gerichtete Paradoxie bestand gerade darin, dass Barthes jene Freiräume schuf, die ein kreatives Denken benötigt, will es seine eigene Stärke nicht durch rigide Exklusion alles Anderen, sondern durch flexible Inklusion all dessen entfalten, was uns ein vielstimmiges und zugleich eigenständiges Denken erlaubt. Dabei stand Barthes stets für eine hohe Attraktivität, ja eine Erotik des Wissens: ein Wissenschaftler, der uns zu Abenteuern des Wissens führt, ohne uns zu einer abenteuerlichen Wissenschaft zu verführen.

Die Faszinationskraft der Texte Roland Barthes’ beruht zu einem nicht geringen Teil darauf, dass sie uns eine Intelligenz6zu lesen geben, die sozusagen bei der Arbeit, als work in progress, beobachtet werden kann. Nicht weniger faszinierend aber ist zu sehen, wie Barthes – und der Titel seines bereits erwähnten letzten Aufsatzes »On échoue toujours à parler de ce qu’on aime« weist darauf hin – gerade auch das Scheitern dieser Intelligenz zunehmend produktiv machte, gleichsam die Dummheit bei den Hörnern packte und vom Standpunkt einer »hergestellten Dummheit« aus die Arbeit einer »inszenierten Intelligenz« vorführte.7 Ob Dummheit oder Intelligenz, ob Dummheit der Intelligenz oder Intelligenz der Dummheit: Barthes’ Denken begeistert, weil es an immer neue, stets mobile Denk- und Subjektpositionen rückgebunden wird, die nicht nur auf ein Sujet, mithin auf einen bestimmten Gegenstand, verweisen, sondern im französischen Sinne auch auf ein Subjekt (sujet), das ständig seinen Standpunkt, seine Blickrichtung, seine Methode und seine Figuration zu verändern vermag. Barthes’ Denken ist ein Denken in Bewegung und aus der Bewegung im Feld. Hierin liegt die Faszinationskraft seiner Texte.

Dies gilt für sein Schreiben auch insofern, als diese Bewegungen über schwankende, sich verändernde Subjektpositionen an ein Leben angekoppelt sind, das viele Biographeme mit dem »realen« R.B. teilt, das wir aber nicht einfach autobiographisch mit dem »realen« Autor gleichsetzen dürfen. Wie eng und intim diese Verklammerung von Schreiben, Bewegung und Leben erfolgen kann, mag eine Passage aus einem der sicherlich berühmtesten Vorträge des Zeichentheoretikers und Schriftstellers belegen:

»Und dann kommt auch eine Zeit (die selbe), in der das, was man gemacht, gearbeitet, geschrieben hat, wie einer Wiederholung überantwortet erscheint: Was denn, ich werde also immer, bis zu meinem Tod, Artikel schreiben, Vorlesungen und Vorträge halten über ›Sujets‹, die sich als einzige, und dabei so wenig, verändern! (Hier stört mich das ›über‹.) Dieses Gefühl ist grausam; denn es verweist mich zurück auf die Ausschließung alles Neuen oder gar des Abenteuers (das was auf mich ›zukommt‹); ich sehe meine Zukunft, bis zu meinem Tod, wie einen ›Zug‹: Sobald ich diesen Text, diese Vorstellung beendet habe, werde ich nichts anderes zu tun haben als wieder mit einem neuen, einer neuen anzufangen? Nein, Sisyphos ist nicht glücklich: Er ist entfremdet, nicht von der Anstrengung seiner Arbeit, nicht einmal von seiner Eitelkeit, jedoch von seiner Wiederholung.« (OC III, 832 f.; vgl. RS, 315 f.)

Als Roland Barthes diese wohldurchdachten, in raffinierter Vieldeutigkeit wie in der Schwebe gehaltenen Sätze formulierte, stand er auf dem Höhepunkt seiner nationalen wie internationalen Berühmtheit. Die hier angeführte Passage entstammt jenem am 19. Oktober 1978 am Collège de France gehaltenen und unter dem Titel »Longtemps, je me suis couché de bonne heure« (»Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen«) geradezu legendär gewordenen Vortrag, in dem der zum damaligen Zeitpunkt knapp dreiundsechzigjährige Barthes eine Vita Nova, eine neuerliche Wendung in seinem Leben und in seinem Schreiben, anzugehen suchte. Der dramatische Höhepunkt des Vortrags, der mit diesen Worten markiert wird und in der Anrufung des Sisyphos gipfelt, steht ganz im Zeichen einer unglückseligen Wiederholung des immer schon Wiederholten, aus dem es bis zum eigenen Tode, bis zum Ende aller Wiederholung, keinen Ausweg zu geben scheint. Es geht hier, daran kann kein Zweifel bestehen, um eine Lebens- und Überlebensfrage: Wie ließe sich die unendliche akademische Repetition mit ihren immer gleichen Riten und Vorträgen, wie ließe sich das Schicksal des Sisyphos in Gestalt des homo academicus vermeiden?

Es sind Worte der Erschöpfung, aber auch der Schöpfung wie des Widerstands gegen ein Leben, das den erfolgreichen Wissenschaftler in eine der bestimmenden und bis heute gewiss einflussreichsten Figuren des französischen Denkens der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verwandelt hatte: gegen ein Leben, das in der Banalität und Sterilität des alltäglichen Wissenschaftsbetriebs zu ersticken drohte.

Warum aber dieser Widerstand? Hatte Barthes sich nicht größtmögliche akademische Freiheiten verschafft? War es ihm nicht gelungen, ein Wissenschaftsprojekt mit einem Lebensprojekt in eine intime Verbindung zu bringen? Hatte er, der ins Collège de France und damit in eine der prestigeträchtigsten Institutionen des wissenschaftlichen Lebens Frankreichs aufgenommen worden war, nicht alles erreicht, was es auf diesem Gebiet überhaupt zu erreichen gab?

Hatte Roland Barthes im ersten Teil seines Vortrags eine Vielzahl von Bezügen seines eigenen Schreibens zum Leben wie zum Schreiben Marcel Prousts hergestellt, dessen berühmtes incipit (s)einer Suche nach der verlorenen Zeit Barthes den Vortragstitel schenkte, so wurden im zweiten Teil alle Überlegungen ausgerichtet an jenem »Intimen, das in mir sprechen und gegenüber der Allgemeinheit, der Wissenschaft, seinen Schrei hören lassen will« (OC III, 832; vgl. RS, 314). Seinen Schrei?

Diese Formulierung ließ und lässt aufhorchen. Denn die Rede vom »intime qui veut parler en moi, faire entendre son cri, face à la généralité, à la science«, zog die damaligen Zuhörer wie auch die heutigen Leser in ihren Bann. An dieser prekären Stelle, anlässlich der Reflexion eines zur Wiederholung verdammten wissenschaftlichen Schreibens, dessen sujets – und der Begriff ist nicht ohne Grund in Anführungszeichen gesetzt – allein variieren, wurde ein Schrei des Intimen hörbar, mitten in einem wissenschaftlichen Vortrag an einer der renommiertesten akademischen Institutionen Frankreichs. Roland Barthes ließ keinen Zweifel daran aufkommen: Er wollte diesen cri inmitten seiner écriture, diesen Schrei inmitten seines auf den ersten Blick akademischen Schreibens nicht nur hörbar, sondern unüberhörbar machen.

Diese kryptographische (und zugleich anagrammatische) Schreibweise, welche die Worte unter den Worten versteckt und sie doch zugleich sichtbar, sinnlich erfahrbar werden lässt, trägt zur schillernden Vieldeutigkeit dieser Textpassage gewiss nicht weniger bei als die hervorgehobene Verwendung jenes Begriffes vom »Subjekt«, der zweifellos zu den umkämpftesten Wortfügungen der 1960er und der 1970er Jahre in Frankreich (und weit über dessen Grenzen hinaus) geworden war. In der obigen Passage meint dieser Begriff auf einer ersten Textebene sicherlich die so unterschiedlichen Sujets, die verschiedenartigen Gegenstände also, denen sich der Strukturalist und Poststrukturalist, der Literatur- und Zeichentheoretiker im Verlauf seiner höchst erfolgreichen wissenschaftlichen Karriere zugewandt hatte. Denn war es in seinen Büchern und Artikeln nicht ebenso um Automobile wie um Architektur, um Photographie wie um Phonologie, um Zeitschriftenwerbung wie um Zentralisierung gegangen?

Doch der Begriff des sujet deutet auch auf jene Debatten, die mit zunehmender Breitenwirkung in den 1960er Jahren um die abendländische Subjektphilosophie geführt wurden. Er blendet jene Theorieentwicklungen ein, in denen Julia Kristeva an die Stelle des Begriffs der Intersubjektivität jenen einer Intertextualität setzte. Mit dieser Begrifflichkeit sollte das logozentrische, ja phallogozentrische Subjekt förmlich »ausgeräuchert« und einer Textualität überantwortet werden, die in sich selbst eine unabschließbare Produktivität8 entfaltet, die folglich ohne jedes steuernde, lenkende und kontrollierende Subjekt auskommen wollte. Die französischen Intellektuellen rund um die 1960 gegründete Zeitschrift Tel Quel hatten zur Jagd auf das abendländische Subjekt geblasen. Barthes war eine jener entscheidenden Figuren, die zeigten, wohin die wilde Jagd ging.

Nicht umsonst hatte Roland Barthes in einem vielbeachteten Essay mit dem Titel »Der Tod des Autors« (OC II, 491-495; vgl. RS, 57-63), der erstmals 1967 erschien, auf öffentlichkeitswirksame Weise die literarische und literaturtheoretische Treibjagd auf jenes Autorsubjekt entscheidend vorangebracht, das bis zu diesem Zeitpunkt im Herzen einer abendländischen Subjekt- und Identitätsphilosophie die »natürlich« sinngebende und alles beherrschende Instanz gewesen war. Nichts aber war mehr natürlich. Indem er es vermochte, die erwähnten Ersetzungen von Intentionalität durch Textualität sowie von Intersubjektivität durch Intertextualität auf den Punkt zu bringen und im Verbund mit der Gruppe um Tel Quel zum sichtbarsten Vertreter einer literatur- und kulturtheoretischen Position zu werden, die sich vehement von der ancienne critique – die gleichsam mit einem vorrevolutionären Ancien Régime der Literaturkritik assoziiert wurde – distanzierte, gelang es Barthes auch, innerhalb eines sich nach den Ereignissen vom Mai 1968 rasch wandelnden akademischen Feldes eine (freilich stets umstrittene) Meinungsführerschaft zu behaupten, die er 1966 mit seinem Band Kritik und Wahrheit nach langen Auseinandersetzungen erkämpft hatte. Spätestens ab diesem Zeitpunkt galt Roland Barthes als die schillerndste Figur im intellektuellen Feld Frankreichs, in dem Jean-Paul Sartre seine lange Zeit dominante Position definitiv eingebüßt hatte. Man las Barthes, schon um zu wissen, wohin die Reise gehen würde.

Barthes kam innerhalb dieses Feldes keine klar definierbare Position, sondern eine Bewegung, keine Verortbarkeit, sondern eine Mobilität zu, die bereits an Ubiquität – wenn auch niemals an Beliebigkeit – zu grenzen begann. Den Begriff des sujet darf man folglich nicht nur auf sich immer wieder wandelnde Gegenstände, nicht nur auf einen spätestens seit der Veröffentlichung von »Der Tod des Autors« unübersehbare Infragestellung des Subjektbegriffs, sondern auch auf jene sich wandelnden Subjektpositionen, auf jene erfundenen Subjekte beziehen, deren Roland Barthes sich bediente, um etwa in seiner experimentellen Autobiographie Roland Barthes von Roland Barthes oder in seinen Fragmenten eines Diskurses der Liebe »Subjekte« sprechen lassen zu können. Subjekte wohlgemerkt, die keine Subjekte im traditionellen Sinne mehr waren.

Betrachtet man die wissenschaftliche Karriere Barthes’ seit Beginn der 1950er Jahre bis zu seinem Vortrag vom 19. Oktober 1978 am Collège de France, so ist es durchaus beeindruckend, wie verschiedenartig all jene Figuren waren, die er im intellektuellen Feld Frankreichs verkörperte oder in Stellung brachte. Wir finden dort den jungen, aufstrebenden Wissenschaftler, der sich in seinem Büro vor Regalen mit Büchern oder Aktenordnern photographieren lässt und Züge jenes engagierten Intellektuellen zeigt, die gerade im Frankreich der 1950er und frühen 1960er Jahre an der Tagesordnung waren. In den Veränderungen seines Habitus lassen sich leicht auch jene sorgfältigen Modifikationen beobachten, die – wie Paul de Man in einem klugen Essay von 1972 formulierte – dafür sorgten, dass gegen Ende der 1960er Jahre an die Stelle von Pernod und Baskenmütze längst Milch und Kaschmirpullover getreten waren.9 Doch zunehmend stoßen wir auf einen Roland Barthes, der sich in seinem privaten Arbeitszimmer wie in einer Werkstatt präsentiert, der sich immer häufiger Formen einer photographischen Selbstinszenierung bedient, die ihn in den Posen des Künstlers oder des Schriftstellers zeigen.10 War es nicht an der Zeit, die Mauern zwischen derartigen Kategorien zu schleifen?

In der Tat: Diese Inszenierungsformen von Wissenschaft sind nicht an eine wie auch immer bestimmbare Identität eines bestimmten Subjekts gebunden, sondern als Subjektpositionen konfiguriert, die immer wieder neue Figuren entwerfen, denen der Autor Roland Barthes Leben einzuhauchen versucht. Was all diese Figuren miteinander verbindet, ist keineswegs ein traditioneller Subjektbegriff, sondern vielmehr die Tatsache, dass sie in ihren unterschiedlichen Inszenierungen auf ein Leben verweisen, dessen Konfigurationen sie als LebensZeichen gleichsam choreographisch vor Augen führen. »All dies«, so heißt es ausgerechnet in einer handschriftlichen Notiz, die dem eigentlichen Text seiner experimentellen Autobiographie paratextuell vorausgeht, »ist so zu betrachten, als hätte es eine Romanfigur gesagt« (RB, OC III, 81; vgl. ÜMS, 5). Hier spricht kein Subjekt, hier wird vielmehr eine »leere« Subjektposition signalisiert. In all diesen »Subjekten«, all diesen sujets aber wird jener Schrei im Schreiben hörbar, der das Schreiben an die Bewegung und damit an das Leben – und sei es an das Leben eines erfundenen, eines sich immer neu erfindenden Subjekts – bindet. Denn manifestiert sich das Leben nicht durch seinen ersten Schrei, von seinem ersten Schrei an?

Auf der Suche nach einem Wissen im Zeichen des Lebens

Wie kein anderer kannte Roland Barthes als das sprichwörtliche enfant terrible der französischen Literatur- und Kulturtheorieszene die verschiedenartigsten Schattierungen des – um mit Pierre Bourdieu zu sprechen – französischen homo academicus.11 Er wusste folglich sehr genau, was er tat, als er in »Longtemps, je me suis couché de bonne heure« eine andere Konfiguration erprobte, die zweifellos mit jener Vita Nova (oder ital. Vita Nuova) verbunden war, die er sich nun, auf dem Höhepunkt seines beruflichen Lebenswegs angekommen, für seine eigene Zukunft erhoffte, ja ersehnte. Es war die konkrete Umsetzung jenes Ausblicks, den er seinen Zuhörern am Ende seiner Antrittsvorlesung vom 7. Januar 1977 am Collège de France geboten hatte, von der aus er sein »neues Leben« in einen Zusammenhang mit seiner bisherigen Tätigkeit als Wissenschaftler zu bringen suchte. Denn diese Überlegungen sind mit dem Konzept des Lebens in der Tat auf intime Weise zusammengedacht:

»Wenn ich also leben will, dann muß ich vergessen, daß mein Körper historisch ist, ich muß mich in die Illusion begeben, daß ich ein Zeitgenosse der jungen gegenwärtigen Körper und nicht meines eigenen, vergangenen Körpers bin. Kurz, ich muß periodisch wiedergeboren werden, mich jünger machen, als ich bin. Mit einundfünfzig Jahren begann Michelet seine Vita Nuova:Vita Nuovala force de toute vie vivanteForschenVerlernensSapientia