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Emilia Jones

THE BLACK CLUB, LONDON

Erotischer Roman

 

© 2016 Plaisir d’Amour Verlag, D-64678 Lindenfels

www.plaisirdamourbooks.com

info@plaisirdamourbooks.com

© Covergestaltung: Mia Horn

© Coverfoto: Period Images

ISBN Taschenbuch: 978-3-86495-193-0

ISBN eBook: 978-3-86495-251-7

 

Sämtliche Personen in diesem Roman sind frei erfunden. Dieses eBook darf weder auszugsweise noch vollständig per E-Mail, Fotokopie, Fax oder jegliches anderes Kommunikationsmittel ohne die ausdrückliche Genehmigung des Verlages oder der Autorin weitergegeben werden.

 

Inhalt

 

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Epilog

Autorin

 

Kapitel 1

 

Nach London

 

Cedric war müde von seinem ewigen Dasein und den Erinnerungen der Vergangenheit, die ihn jetzt auf grausame Weise einzuholen drohten. Er musste sich eingestehen, dass er sich in den vergangenen Jahren etwas vorgemacht hatte. In der Zeit seines Versteckspiels. Durch die ganze Welt war er gereist, bis er in London einen Ort zum Verweilen gefunden hatte. Doch viel zu kurz, um die Stadt tatsächlich kennenzulernen.

„Ich werde zurückgehen.“

„Nach London?“ Andrew zeigte ein wenig verständnisvolles Lächeln. Ein Schatten zog über sein makelloses Gesicht und ließ die hohen Wangenknochen stark hervortreten. Seine Erscheinung war nicht weniger dunkel als die Cedrics, jedoch jünger und kräftiger.

Ein normaler Mensch würde in diesem Augenblick sagen, er wirkte gefährlich – und vermutlich würde derjenige sogar die Flucht ergreifen.

„Was hat London, das dir Brüssel nicht bieten kann?“

Cedric riss sich vom Ausblick auf die Stadt los und lehnte sich mit dem Rücken gegen die Balkonbrüstung. Ein kalter Windhauch streifte ihm um die Nase. Im großzügigen Wohnzimmer entdeckte er Jesse, Andrews Geliebte und Gefährtin für die Ewigkeit. Cedric konnte ihre starken Gefühle füreinander spüren. Sie machten sich in ihm breit, vergifteten seine Gedanken. Sie versprühten ihre Liebe mit jeder Pore ihres Seins. Wie eine Dunstwolke hüllte es ihre Körper ein, und reichte weit darüber hinaus.

Cedric fühlte sich nicht stark genug, um dagegen anzukommen. Es war ihm schier unmöglich, die Liebe der beiden zu ertragen.

Sie waren so glücklich, wie Cedric es bis ans Ende aller Zeiten nicht mehr werden würde. Verbittert wandte er sich ab.

„Einen Neuanfang“, sagte er schließlich mit rauer Stimme. „Das ist es, was London mir bieten kann.“

„Nun gut.“ Andrew ließ ein tiefes Seufzen verlauten.

Er schien zu wissen, dass er Cedric nicht aufhalten konnte – und auch niemand sonst wäre in der Lage gewesen, dies zu tun.

„Dann heißt es wohl Abschied nehmen.“

„Ja, das heißt es.“ 

 

Cedric verließ den „Club Noir“, als besäße er keine übernatürlichen Kräfte, die ihn durch Raum und Zeit katapultieren konnten, indem er den Weg durch die Eingangstür nahm. Ein letztes Mal warf er einen Blick auf die verschlungenen Buchstaben oberhalb der Tür, die im Dunkel der Nacht beinahe verblassten.

Andrew sollte die Schrift erneuern lassen, überlegte Cedric. Er musste über diesen Gedanken lachen, als er sich von seinem alten Freund abwandte.

Innerhalb weniger Minuten hatte Cedric den Vampirclub hinter sich gelassen und erreichte den Grand’ Place, den Mittelpunkt Brüssels, an dem sich das wahre Leben abspielte. 

Er blieb stehen, als ein verliebtes Paar seinen Weg kreuzte. Eng umschlungen stiegen die beiden die Treppenstufen zum Eingang einer Bar hinauf und ließen nicht einmal voneinander ab, als der Mann die Tür öffnete. Wie eine perfekte Einheit schoben sie sich ins Innere. Cedric schaute weg. Er wollte dieses Paar nicht sehen, ebenso wenig wie er Andrew und Jesse weiterhin sehen wollte.

Liebe! Er schnaufte verächtlich. Einst hatte er sich diesem Gefühl hingegeben und wahrhaft geliebt. Doch diese Liebe war ihm auf brutale Weise entrissen worden und alles, was übrig blieb, war ein tiefer Schmerz und der Schwur, sich niemals wieder einer solchen Schwäche hinzugeben.

Er ging weiter, bis er mit dem Dunkel der Nacht verschmolz und für das menschliche Auge unsichtbar wurde. Dann öffnete er die Arme, streckte seine imaginären Flügel zu den Seiten aus. Er spürte den kräftigen Antrieb, dem ihm die Schwingen verliehen. Sie ließen ihn langsam hinauf in die Lüfte gleiten. Erst nach einigen Metern setzte er zur Verwandlung an. Seine kräftige, große Gestalt schrumpfte zusammen und er wurde zu einem pechschwarzen Vogel. Einer Krähe, aus deren gefährlich spitzem Schnabel ein ohrenbetäubendes Krächzen erklang und weit durch die Straßen hallte.

Für einen Moment hielten die Menschen in Brüssel aufgrund dieses Grauen erweckenden Geräusches den Atem an, und kehrten den Laut vergessend zu ihren alltäglichen Beschäftigungen zurück.

 

Andrews traurig in die Ferne gerichteter Blick und seine wehmütigen Gedanken über den Verlust seines besten Freundes und Mentors, der ihn nun für immer verließ, verfolgten Cedric bis zum Morgengrauen.

 

Der Wind glitt angenehm kühl durch das Federkleid der Krähe. Cedric flog schneller und schneller, bis es nichts mehr gab, was sich mit seiner Geschwindigkeit hätte messen können. In einem solchen Augenblick durchbrach er Raum und Zeit. Sein Körper sauste durch eine Art Tunnel und steuerte einem hellen Licht entgegen. Er spannte sämtliche Muskeln an und machte sich auf einen gewaltigen Sprung gefasst, in dem er aus der Vogelgestalt am Himmel fiel und als Mensch am Boden aufkam. Mitten im Zentrum von London.

Ein Ruck ging durch seinen Körper, wie ein Blitz, der mit einem einzigen Schlag sämtliche Energien aus ihm herauspeitschte. Ächzend richtete Cedric sich auf und stellte fest, wie seltsam verschwommen alles um ihn herum war.

Der Flug hatte ihn ein enormes Maß an Kraft gekostet. Zu viel für einen hungrigen Vampir, der seine letzte Mahlzeit vor zwei Tagen zu sich genommen hatte. Wie dumm von ihm, sich selbst zu quälen.

London war voll von Menschen. Auch nachts. Er würde keine Probleme haben, auf der Stelle ein williges Opfer zu finden, an dem er seinen Durst stillen konnte.

Als er den Kopf aufrichtete, um seine Umgebung zu durchforsten, legte er ein gefährliches Funkeln in seine Augen. Bereits nach wenigen Sekunden nahm er eine Witterung auf. Ein süßer, verführerischer Duft schlich sich in seine Nase. Traurigkeit lag ebenfalls darin, und je näher er kam, desto mehr spürte er auch eine Spur von Furcht.

 

„Du brauchst dich nicht zu fürchten.“ Eine Aussage, mit der er die Fremde hatte beruhigen wollen. In Wahrheit redete er sich nur selbst gut zu. Die Gier nach ihrem pulsierenden Lebenssaft überfiel ihn mit voller Wucht, sodass er Schwierigkeiten hatte, die Kontrolle zu behalten.

Lächelnd brachte die Frau sich in Pose und zeigte Cedric ihre prallen Rundungen, schaffte es aber nicht, die perfekte Verführerin zu spielen. Als sie sich an der Hauswand abstützen wollte, rutschte sie ungeschickt ab und gab eine eher lächerliche Figur ab. Sie war so betrunken, dass ihre Alkoholfahne vermutlich jeden anderen Vampir in die Flucht geschlagen hätte. Cedric hingegen rümpfte nur die Nase. Sein Hunger war zu übermächtig, um sich davon beeindrucken zu lassen.

Das Mondlicht zauberte ein sanftes Schimmern auf ihre langen, seidigen Locken. Die blonde Schönheit kam ihm gerade recht. Ebenso wie er war sie auf der Suche. Das machte die Sache ungeheuer leicht.

„Ganz allein?“, hauchte Cedric mit rauer Stimme.

Sie senkte den Blick und errötete unter einem frivolen Lächeln, während sie damit beschäftigt war, eine ihrer Haarsträhnen um den Zeigefinger zu wickeln. Ihr üppiges Dekolleté hob und senkte sich schnell durch ihre flatternden Atemzüge. Cedrics Blick wanderte zu der verführerischen Spalte, die ihr freizügiges Oberteil offenbarte.

Vermutlich hätte sie auch jeden anderen Mann begleitet, aber das interessierte Cedric in diesem Moment wenig. Ihr Blut würde seinen Zweck erfüllen, und gegen ein wenig körperliche Leidenschaft hatte er auch nichts einzuwenden.

„Komm mit mir, meine Hübsche.“

Widerstandslos ließ sie sich an seine Brust pressen. Sie sollte nicht einmal bemerken, wie er sie in seinen Bann zog und plötzlich den Ort wechselte. 

Als wäre sie aus einem Traum erwacht, sah die Blonde sich in ihrer neuen Umgebung, einem mit Kerzenschein erhellten Raum, um. „Entschuldige“, stammelte sie. „Ich hatte wohl einen Drink zu viel.“

Cedric erwiderte ihre Worte mit einem Kuss. Einem derart heftigen und besitzergreifenden Kuss, dass er deutlich spürte, wie die Knie der Blondine nachgaben. Ihr Körper wurde zu Wachs in seinen Händen. Gerade noch hatten ihre Füße den Boden berührt, im nächsten Moment lag er mit ihr ausgestreckt auf dem Bett. Der seidig-zarte Stoff ihrer Bluse schälte sich wie von selbst von ihrem Körper. Cedric schickte ein erregendes Prickeln über ihre Haut. Sie keuchte, konnte es scheinbar kaum erwarten, bis er, dessen Namen sie bislang nicht einmal wusste, endlich mit seinen Händen von ihr Besitz ergriff. Von ihren Brüsten, hinunter zu ihrer Taille, bis hin zu ihrem Venushügel, der unter seinen fordernden Berührungen zu pochen begann.

Keuchend drückte sie den Rücken durch. Sie bäumte sich auf. Gleichzeitig streckte sie ein Bein aus. Sie wollte es um Cedrics Oberkörper legen, um ihn näher an sich heranzuziehen. Es gelang ihr nicht. Ungeschickt fischte sie mit dem Fuß in der Luft herum. 

Als sie ihn auch beim zweiten Versuch nicht ertasten konnte, richtete sie sich irritiert auf. Plötzlich griff er mit beiden Händen nach ihrem Gesicht. Er hielt sie fest und presste ihr erneut einen Kuss auf die Lippen. Ungeduldig drückte er sie zurück in die Kissen, bis jeder Widerstand von ihr darin versank. Im nächsten Moment ließ er sie seinen Mund überall auf ihrem Körper spüren. Er zeichnete Spuren auf ihre Haut, die trotz ihrer Feuchte ein Feuer in ihr auslösen sollten. Nie zuvor mochte sie solch ekstatische Lust empfunden haben.

Er leckte und knabberte an ihren Brustwarzen, bis sie hart wurden und sich ihm entgegenreckten. Heftig saugte er die Nippel in seinen Mund, bis die Blonde wollüstig aufstöhnte und die Beine unter ihm weit auseinanderspreizte, da sie es wohl gar nicht mehr erwarten konnte, ihn in sich zu spüren.

„Fick mich endlich“, forderte sie außer sich. Ihre Finger verkrallten sich in der Bettwäsche. Cedric wusste, dass es für sie kaum noch zu ertragen war, und als er schließlich mit einem heftigen Stoß in sie eindrang, entrang sich ihrer Kehle ein schriller Schrei. Sie ergab sich seinem Rhythmus und zuckte hemmungslos unter seinem wilden Ritt. Ihre kreischenden, monotonen Laute zeugten davon, wie sehr sie den Akt genoss.

Cedrics Lippen näherten sich ihrem Hals. Zunächst liebkoste er zärtlich die Haut, dann bohrten sich seine Fangzähne in sie. Die Blonde hielt inne. Sie versuchte ganz offensichtlich zu erfassen, was mit ihr geschah. Einige wenige Stöße genügten, um sie in einem berauschenden Orgasmus versinken zu lassen. Sie klammerte sich ein letztes Mal an seinen Körper, ehe sie das Bewusstsein verlor und einem glückseligen Schlummer verfiel.

 

Kapitel 2

 

Libbas Auftrag

 

„Mit diesem stinkenden Black führe ich keine Verhandlungen. Das kannst du gleich wieder vergessen.“ Jason verzog das Gesicht zu einer angewiderten Fratze. Er schob die Akte, die vor ihm auf dem Tisch lag, von sich. Gleich darauf betrachtete er seine Finger, als fürchte er, von dem Papier Ausschlag zu bekommen.

„Es war keine Bitte, als ich mit diesem Auftrag zu dir gekommen bin.“

Russell Roxburgh blieb vor dem Schreibtisch stehen und vergrub die Hände in den Hosentaschen. Das aufsässige Verhalten seines Sohnes beeindruckte ihn wenig. Er spürte seine Überlegenheit wie einen Rausch. Ein herrliches Gefühl, wie er jedes Mal in einer solchen Situation feststellte, und er wunderte sich, warum Jason nicht ebenso sein wollte.

Inständig wünschte er sich, sein widerspenstiger Sohn könne disziplinierter sein. Zu seinem Leidwesen war dieser ein regelrechter Tunichtgut, der seine Fälle lieber abschob, als sie selbst zu bearbeiten.

Russell legte einen strengen Ausdruck in sein breites, faltenloses Gesicht, als er seinen Spross betrachtete.

 „Dir sollte klar sein, dass Highfield unser bester Mandant werden könnte, wenn es uns gelingt …“

„… diesem Black seinen Club abzuschwatzen“, vollendete Jason den Satz. „Ich weiß.“ Er sprang vom Stuhl auf und trat fluchend gegen das nächste Tischbein, um seinem Unmut Ausdruck zu verleihen.

„Vater, ich kann da nicht hin. Erinnerst du dich etwa nicht an mein letztes Gespräch mit Black? Und da ging es nur um eine Beschwerde wegen Ruhestörung.“

Russell Roxburgh zeigte keine Regung, lächelte jedoch in sich hinein. Damian Black war der erste, der seinem überheblichen Sohn eine Lektion erteilt hatte. Nicht nur, dass Jason seitdem eine feine Narbe quer über der rechten Augenbraue als Erinnerung trug. Auch eine Anzeige wegen Körperverletzung hatte Black erwirkt, und war so weit gekommen, ein Schmerzensgeld in vierstelliger Höhe zu kassieren. Natürlich aus der Tasche von Russell, denn sein Sohn war auch mit seinen 32 Jahren längst nicht in der Lage, etwas anderes als Kosten zu verursachen.

„Du schuldest es mir“, stellte er fest. „Entweder gehst du selbst zu ihm und schwatzt ihm seinen Club ab – wie du es nennst – oder du findest einen anderen Weg, das zu erledigen.“

Jason faltete die Hände vor seinem Mund, als wolle er ein stilles Gebet sprechen. Dann veränderte sich seine Miene und bald machte es den Eindruck, als entwickelte sich in seinen Gedanken ein teuflischer Plan.

„Einen anderen Weg“, sinnierte er.

Russell wandte seinem Sohn den Rücken zu. Er beschloss, dass ihm der Weg egal war, Hauptsache, die Angelegenheit wurde gelöst.

 

Libba Hope war neu in der Kanzlei. Genauer gesagt war es ihre erste Anstellung als Anwältin, nachdem sie ihr Studium beendet hatte. Seit einer Woche durchforstete sie die Akten mehrerer Nachbarschaftsstreitigkeiten. Offensichtlich die Aufgabe, die ihr Chef ihr am ehesten zutraute. Umso mehr überraschte es sie, als Jason Roxburgh sie rufen ließ, um mit ihr einen neuen Fall zu besprechen.

Zaghaft trat Libba an Jasons Schreibtisch heran. Zwar nahm sie sich jedes Mal vor, als selbstbewusste, emanzipierte Anwältin aufzutreten, doch genauso oft ging dieses Vorhaben gründlich in die Hose. Sie hatte sich selten so unsicher gefühlt wie in diesem Moment, in dem Jason Roxburgh lässig in seinem Bürostuhl versunken saß und sie in unfassbar abschätzender Weise musterte.

Libba musste zugeben, dass Jason trotz seines widerwärtigen Charakters sehr attraktiv war. Seine schlanke, hoch gewachsene Gestalt steckte in einem feinen grauen Anzug. Die rubinrote Krawatte passte perfekt zu seinem dunkelbraunen Haar. Das fiel ihm in kurzen Strähnen in die hohe Stirn und leuchtete stellenweise in einem rostigen Ton. Seine unsagbar blauen Augen rundeten das vollkommene Erscheinungsbild ab. Außerdem gab es da noch sein Lächeln, das mitunter extrem verführerisch wirkte.

Libba konnte sich lebhaft vorstellen, wie ihm die Frauen reihenweise verfielen.

Sie räusperte sich, ehe sie zum Sprechen ansetzte. „Sie wollten mit mir einen neuen Fall besprechen, Mr. Roxburgh?“ Wie kläglich sich ihre Stimme anhörte. Sie stellte alles andere als eine selbstbewusste Anwältin dar. Am liebsten wäre sie auf der Stelle im Boden versunken.

„Jep!“ Jason brachte sich in eine aufrechte Sitzposition. Seine Hände begannen, zwischen den unordentlichen Papierbergen auf seinem Tisch zu graben, bis er gefunden hatte, wonach er suchte. Eine dicke graue Akte, auf der in großen Lettern „Highfield“ geschrieben stand.

Highfield, den Namen hatte sie in einem Kanzleigespräch fallen gehört. Aber sie konnte ihn nicht gleich zuordnen.

Jason warf ihr die Akte über den Tisch hinweg zu. Sie wäre über die Kante gerutscht und zu Boden gefallen, hätte Libba nicht einen schnellen – und äußert undamenhaften – Schritt nach vorn gemacht, um sie aufzufangen.

„Sie sind doch neu hier und an einer Herausforderung interessiert?“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage, und so fuhr Jason ohne Umschweife fort. „Dann ist dieser Fall genau das Richtige für Sie. Highfield will eine Häuserzeile in der River Street abreißen lassen, um ein Shoppingcenter hochzuziehen. Und natürlich hat jedes dieser Häuser einen Besitzer, den wir überzeugen mussten, zu verkaufen. Im vergangenen Monat haben wir es geschafft, die Besitzer von der Unterzeichnung der Kaufverträge zu überzeugen. Alle, bis auf einen.“

Libba konnte sich nicht helfen, der Gesichtsausdruck ihres Gegenübers hatte etwas geradezu Diabolisches an sich.

„Ein gewisser Damian Black verweigert jedes Angebot.“

„Wo liegt das Problem?“, fand sie endlich ihren Part in dem Gespräch. „Familie? Erinnerungen? Zu wenig Geld?“ Die Fragen kamen ihr ungeschickt und unüberlegt über die Lippen. Sie wollte einfach etwas sagen und zum Fall beisteuern.

Jason wirkte belustigt. „Nuuuun.“ Er dehnte das Wort wie Kaugummi. „Damian Black ist der Besitzer eines gut gehenden Nachtclubs in der River Street.“

„Oh.“ Libba errötete.

Im Grunde war sie von schüchterner Natur und hatte bisher niemals Wert auf den Besuch eines Nachtclubs oder ähnlicher Lokalitäten gelegt. Trotz ihres Alters von 30 Jahren gehörte sie eher zu der Gattung schrulliger alter Jungfern.

Sie pflegte keinerlei Freundschaften, ging niemals aus und empfand diesen Umstand nicht einmal als besonders eigenartig. So war es schon immer gewesen. Also warum sollte gerade London an diesem Umstand etwas ändern? Es genügte ihr weiterhin, sich in ihre kleine Wohnung zurückziehen und die Nase in Bücher stecken zu können. Das war meist alles, was sie in ihrer Freizeit tat.

„Sie wissen, was Sie zu tun haben?“, riss Jason sie aus ihren Gedanken.

„Wie?“ Irritiert starrte Libba ihn an.

Für einen Moment hatte sie den Faden verloren. Keine gute Taktik, um endlich einen richtigen Fall zugewiesen zu bekommen. Doch die Aussicht, mit einem Nachtclub-Besitzer in Verhandlungen treten zu müssen, beflügelte sie nicht gerade.

„Damian Black“, kam es zögernd über ihre Lippen. „Sie meinen, ich soll ihm ein neues Angebot machen? Mehr Geld?“

„Von mir aus.“ Jason machte eine wegwerfende Handbewegung. „Geld ist für Highfield kein Problem. Überzeugen Sie diesen Black einfach, dass er verkauft.“

„Und wie stelle ich das an?“

„Das ist mir vollkommen egal. Hauptsache, Sie erledigen das.“

Er wies mit dem Zeigefinger auf die Akte und widmete sich dem nächsten Papierberg auf seinem Schreibtisch.

„Gut“, sagte Libba mehr zu sich als zu Jason Roxburgh, „ich gebe mein Bestes.“

„Das will ich doch hoffen. Und lassen Sie sich bloß nicht so viel Zeit für Ihr Bestes. Highfield will das Ding Ende nächsten Monats hochziehen.“

„Sicher.“ Libba musste tief durchatmen, als sie vor dem Büro stand. Sie konnte sich nicht erklären, warum, aber sie hatte ganz und gar kein gutes Gefühl bei diesem Auftrag.

 

Zwei Tage hatte Libba versucht, Damian Black ans Telefon zu bekommen. Die einzige Person, die sie erreichte, war eine gewisse Molly. Offensichtlich die Sekretärin – oder wie auch immer ein Nachtclub-Besitzer seine Mitarbeiterin nannte. Bei dem Gedanken an die Kaugummi kauende und desinteressierte Stimme dieser Molly, musste Libba den Kopf schütteln.

„Dann kommen Sie halt heute Abend vorbei. Er wird schon da sein und Ihnen einen Drink spendieren. Seien Sie nur nicht so zugeknöpft“, hatte sie in den Hörer geschmatzt.

Was für eine unmögliche Person.

Aber schließlich war Libba ihrem Vorschlag gefolgt. Es schien der einzige Weg zu sein, mit diesem Damian Black ins Gespräch zu kommen.

Da stand sie nun vor dem Nachtclub in der River Street, in ihrem besten Kostüm. Grau-schwarz kariert. Eine bordeauxfarbene Aktenmappe klemmte unter ihrem Arm. Die schulterlangen braunen Haare hatte sie zu einem Knoten auf dem Hinterkopf festgesteckt. Mehr schlecht als recht, denn Libba war vollkommen ungeschickt in solchen Dingen. Sie gehörte nicht zu den Frauen, die sich gerne hübsch machten. Daher war ihre äußere Erscheinung schlicht und bürokratisch, wie es ihr für eine Anwältin angemessen erschien.

Sie straffte die Schultern. „Na, dann mal los.“

Eine Wolke diverser intensiver Gerüche strömte ihr aus dem Club entgegen. Es überwältigte sie, sodass sie am liebsten rückwärts hinaus gestolpert wäre. Ihr Pflichtgefühl zwang sie allerdings zum Bleiben. Sie musste diesen Job erledigen – und das möglichst schnell.

Libba bemühte sich, das flaue Gefühl im Magen zu unterdrücken. Doch alles, was sie um sich herum entdeckte, verunsicherte sie noch mehr.

Da gab es die Stoffbahnen aus schwarzem Samt, die überall an den Wänden hingen. Ihr Anfang fand sich an goldenen Ringen an der hohen Decke und ihr Ende in einem kleinen Stoffberg am Boden. In diese Stoffberge bohrten sich die Füße von goldenen, zwölfarmigen Leuchtern mit schwarzen Kerzen, die ein unheimliches Licht verströmten. Über den gesamten Flur lagen rote Rosenblätter auf dem schwarzen Teppich verteilt. Alles erinnerte sie an obskuren Messen - ungewöhnlich und unheimlich.

Als sich ein Frösteln in ihre Nackengegend schlich, wurde Libba bewusst, dass sie allein war. Zwar vernahm sie das Dröhnen einer Musikanlage, jedoch schien diese weit entfernt.

Sie setzte ihre Erkundungstour fort. Der Flur erstreckte sich zu beiden Seiten in die Länge. Wohin die Wege führten, konnte sie nicht erkennen, denn sie verliefen nicht gerade, sondern in einem Bogen. Libba atmete tief durch und entschied sich für die rechte Seite.

Tatsächlich wurde die Musik lauter, je weiter sie voranging. Sie meinte, Stimmen zu hören, und entdeckte sie voller Erleichterung eine Tür, die allem Anschein nach in den Club führte. 

Dann hielt sie inne. Sie hätte nicht sagen können, was sie dazu brachte, aber einen Moment lauschte sie einfach nur. Da war dieses eigenartige Wispern. Rau, fast kratzig, und doch mit einem verlockenden Unterton. Was er sagte – oder war es eine Sie? – verstand Libba nicht. Vermutlich eine andere Sprache.

Als sie es endlich wagte, den Kopf zur Seite zu drehen, blickte sie durch ein Fenster, direkt vor ihr in der Wand, im Inneren des Hauses. Wie merkwürdig. Sie blinzelte. Nein, sagte sie zu sich selbst, sie bildete sich diese Scheibe nicht ein. Es war ein richtiges Fenster, das sie vom Flur aus in den nächsten Raum hinein blicken ließ.

Libba trat einen Schritt vor und ihre Hände gerieten in Versuchung, sich gegen das Glas zu pressen. Sie hielt sich zurück, krallte sich an ihrer Aktenmappe fest, sodass ihre Fingernägel wohl für immer Abdrücke in dem Leder hinterließen.

In dem Raum herrschte Dunkelheit. Gerade, als sich Libba abwenden wollte, flammte Kerzenlicht auf. Es erhellte den Raum Stück um Stück. Schließlich tauchten die Schemen eines Körpers aus dem Dunklen auf. Die ausgeprägten Rundungen einer Frau waren zu erkennen. Sie war nackt.

Libba biss sich auf die Unterlippe, während Schamesröte in ihr Gesicht schlich. Das wäre der richtige Zeitpunkt, um sich von der Szenerie abzuwenden und weiterzugehen. Sie konnte nicht. Ein starker innerer Drang zwang sie zum Bleiben.

Eine zweite Frau tauchte neben der ersten auf. Auch diese war nackt, abgesehen von einer langen Perlenkette um den Hals. Das Schmuckstück fiel über ihre enormen Brüste und schaukelte bei jeder Bewegung zu ihrer rasierten Scham hin und wieder zurück. Hin und wieder zurück. Fasziniert beobachtete Libba, wie die Frau mit Daumen und Zeigefinger den Perlenstrang hinab fuhr. Unten angekommen nahm sie eine der glänzenden Kugeln und tauchte sie in ihre Spalte ein.

Libba zuckte zusammen und griff sich an die Kehle. Sie verspürte Heiserkeit und das heftige Verlangen, etwas trinken zu müssen. Doch sie verharrte – sah zu, was als Nächstes geschah.

Ein kräftig gebauter Mann von dunkler Hautfarbe näherte sich der Frau mit Perlenkette. Seine glänzenden schwarzen Haare reichten ihm bis knapp über den Po. Ein äußerst knackiges Hinterteil, wie Libba feststellte. Ihr wurde heiß. Als der Mann sich halb in ihre Richtung drehte und sie einen Blick auf sein erstaunlich großes und aufgerichtetes Glied werfen konnte, glaubte sie endgültig, es würde ihre Kehle zuschnüren. Sie schnappte nach Luft. Eine ähnliche Hitzewallung hatte sie niemals zuvor verspürt. Zu allem Überfluss begann es, in ihrem Unterleib zu pochen. Ein heftiges Gefühl von Lust breitete sich aus. Sie konnte nicht fassen, dass sie dabei war, sich an dem Gesehenen aufzugeilen. Obwohl sie entsetzt von ihrem Verhalten war, wandte sie sich nicht ab.

Der Mann schnappte sich die Frau mit der Perlenkette, als wäre er ein Löwe auf der Jagd, die Beute in seinen Fängen. Er umschlang sie mit beiden Händen. Seine Berührungen wirkten keineswegs zärtlich. Es sah grob aus, wie er nach ihren Brüsten griff, sie quetschte und drückte und sich von hinten an ihrem Körper rieb. Die Frau stöhnte ekstatisch auf und streckte die Hände nach der anderen Frau aus, offensichtlich nach ihren Handgriffen verlangend.

Libba riss die Augen auf, als sie sah, wie die Andere ihre Hände nach der mit der Perlenkette ausstreckte, sie um die Hüfte fasste und vom Boden hochhob.

Aus dem Dunkel tauchte plötzlich ein Tisch auf. Die Frau mit der Kette ließ ihren Oberkörper von ihren beiden Gespielen darauf ablegen. Ihre Brüste pressten sich auf die Tischplatte, während ihre Arme schlaff zu den Seiten herabhingen. Schon im nächsten Moment drang der Mann von hinten in sie ein. Er nahm sie mit schnellen, heftigen Stößen. Ihr schien diese Behandlung nach wie vor zu gefallen. Sie keuchte derart stark, dass es Libba heiß-kalt den Rücken hinunterlief. Schließlich beendete der Mann das Liebesspiel mit seinem Orgasmus. Sein Körper versteifte sich und er warf seinen Kopf in den Nacken. Aus seiner Kehle drang ein unmenschlicher Laut. Außerdem meinte Libba, eine Reihe viel zu langer und spitzer Zähne zu erblicken, was sie letztendlich dazu brachte, sich loszureißen. Taumelnd bewegte sie sich von dem Fenster fort auf die Tür zu. Sie hatte beinahe das Gefühl, am Liebesspiel beteiligt gewesen zu sein. Allein durch ihre stille Anwesenheit war das womöglich sogar der Fall.    

 

Libba stolperte mitten in das Clubgeschehen. Eine wahre Meute hatte sich versammelt, die sich feiernd und tanzend durch das Halbdunkel schob. Hier gab es keinen Mangel an schönen Frauen und attraktiven Männern. Sie alle wirkten perfekt in der ebenso perfekten Kulisse, sodass Libba sich fehl am Platz fühlte. Dies war nicht das richtige Umfeld für eine bürokratisch anmutende Anwältin.

„Na, Mädchen, hast du dich verlaufen?“, wurde sie von einer Blondine in hautengem schwarzen Overall angesprochen.

„Nein.“ Libba wollte sich ihre Unsicherheit nicht anmerken lassen, doch die Frau lachte sie bereits aus.

„Ich bin auf der Suche nach Damian Black.“

„Oh“, spottete die Blondine, „da bist du nicht die Einzige. Stell dich hinten an, Mädchen.“

Libba kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. In ihren beklommenen Zustand schlich sich ein Funke von Wut.

„Hören Sie mal, ich bin kein Flittchen, das Damian Black an die Wäsche will. Ich habe etwas Geschäftliches mit ihm zu besprechen. Es wäre sehr freundlich, wenn Sie mir verraten könnten, wo ich ihn finde.“

„Geschäftlich. Hm? So siehst du auch aus.“ Wieder dieses Lachen, das Libbas Nerven strapazierte. Doch schon warf die Frau ihre blonden Haare mit einer lockeren Handbewegung zurück und hakte sich bei Libba unter.

„Dann komm mal mit. Ich bring dich zu Damians Büro. Da ist er nämlich die meiste Zeit und beschafft sich sein ganz persönliches Vergnügen. Die wenigsten hier wissen, wo sein Büro ist. Aber ich weiß es. Ich bin eine von seinen Lieblingen.“

Ihre Erzählungen klangen wie die eines Schulmädchens, das stolz war, seine Hausaufgaben ordentlich erledigt zu haben. Die Frau tat ihr leid.

Wenigstens brachte sie Libba tatsächlich zu dem Büro von Damian Black.

 

Libba hatte einen gut aussehenden Mann erwartet. Ein dunkelhäutiges Prachtexemplar, wie sie es vor wenigen Minuten durch die Scheibe im Flur beobachten konnte.

Sie musste sich eingestehen, dass sie nicht nur vielleicht, sondern ganz bestimmt mit einem solchen Mann gerechnet hatte. In dem finsteren Büro, halb verborgen hinter einem alten Schreibtisch, lauerte jedoch das genaue Gegenteil.

Auf einem schwarzen Schild stand in weißen Buchstaben „DAMIAN BLACK“ geschrieben, darunter „Manager“. Anstelle eines Computers stand eine alte Underwood Schreibmaschine auf dem Tisch. Daneben brannte eine Kerze in einem grauen, kugelförmigen Gefäß. Sie flackerte und warf beängstigende Schatten auf das Gesicht des Mannes, der in seinem Bürostuhl versunken zu schlafen schien.

„Mr. Black?“ Libbas Stimme klang leise und vorsichtig, sodass sie sich selbst kaum hörte. Sogleich wollte sie sich räuspern und erneut zum Sprechen ansetzen. Ein eigenartiges Knurren hielt sie davon ab.

„Warum stören Sie mich?“

Der Mann hinter dem Schreibtisch richtete sich in seinem Bürostuhl auf. Er beugte sich nach vorne, so weit, dass sein Gesicht in den Schein der Kerze glitt. Tiefe Furchen zeichneten seine Haut. Einige von ihnen wirkten wie frische Narben. Als wären sie noch mit einer Blutkruste überzogen.

Seine Augen zeigten eine tiefe Dunkelheit.

Die langen Haare fielen ihm in verklebten Zotteln über die Schultern. Auch der Rest seiner Erscheinung machte einen abgerissenen und ungepflegten Eindruck.

Libba zwang sich zu einem Lächeln. Innerlich erschauderte sie.

„Sind Sie Damian Black?“

„Können Sie lesen?“

Libba legte den Kopf zur Seite. „Natürlich.“

„Was steht wohl da drauf?“ Mit einer seiner prankenartigen Hände hob er das schwarze Schild mit seinem Namen in die Höhe.

„Damian Black“, sagte Libba ernüchtert. „Natürlich. Verzeihen Sie.“

„Und – warum stören Sie mich nun?“

„Ich komme von Roxburgh & Partner ...“ Weiter kam sie nicht. Damian Black unterbrach sie, indem er laut und schmerzvoll aufheulte. Er warf das Schild mit seinem Namen in die nächste Ecke, sprang auf die Füße und hämmerte im nächsten Augenblick wild auf seine Schreibtischplatte ein.

Libba war viel zu überrascht, als dass sie zurückgewichen wäre. Sie versteifte sich und starrte ihn wortlos an.

„Meine Antwort ist: nein. Nein! Nein! Und noch mal nein!“ Er fletschte die Zähne. Speichel flog aus seinem Mund, rann über sein Kinn und tropfte auf den Schreibtisch. Angewidert schüttelte sich Libba.

„Wie viel wollen Sie für Ihren Club haben?“, fragte sie. „Wir bieten Ihnen das Doppelte des gewöhnlichen Preises.“

„Und wenn Sie mir das Zehnfache bieten“, fauchte Damian Black, „ich werde nicht verkaufen. Verstehen Sie das? Und jetzt verschwinden Sie aus meinem Büro!“

Libba spürte, dass er etwas hinter ihr her warf. Es verfehlte sie, und für eine ganze Weile blickte sie sich auch nicht mehr um.

Flucht – das war ihr einziger Gedanke.

 

Kapitel 3

 

Begegnungen

 

Cedric vergnügte sich zwei weitere Nächte mit der Blondine. In der dritten stellte er fest, dass ihn ihre jugendliche Naivität langweilte. Ihre Schönheit und ihr frisches Blut hatten ihm für einen kurzen Zeitraum gefallen. Nun wurde er ihrer überdrüssig und schickte sich an, sie zu verlassen.

„Gib mir mehr von deiner Liebe“, bettelte sie wie eine Drogensüchtige. „Immer mehr ... Fick mich und fick mich und fick mich ...“ Heulend warf sie sich auf dem Bett zur Seite.

Cedric empfand Mitleid für das schwache, einfältige Mädchen, das nicht aus seiner Haut heraus konnte.

„Dann muss ich dich wohl vergessen lassen“, sagte er. Behutsam drehte er sie um. Sogleich klammerte sie sich an ihn, als hätte sie die geringste Chance, ihn zu halten.

Er legte ihr eine Hand auf die Stirn. Wärme breitete sich darunter aus und durchströmte den Körper der Blondine, bis sie in einen schwerelosen Zustand verfiel. Sie schloss die Augen und empfing in ihren Träumen die Erinnerungen, die Cedric ihr vermittelte. Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen sank sie in die Kissen. Am nächsten Morgen würde sie erwachen und nichts mehr von ihrem leidenschaftlichen Liebhaber wissen.

Cedric bezahlte das Hotelzimmer für eine Woche im Voraus und verließ den Ort. Die Blondine würde später glauben, sie hätte die Übernachtungen von ihren letzten Ersparnissen bezahlt. Aber das spielte keine Rolle.

Draußen, auf den Straßen Londons, wurde Cedric von seiner alten Freundin, der Nacht, umfangen. Er fühlte sich wohl in der Dunkelheit. Mehrmals tauchte er in sie ein, verschmolz mit ihr, sodass er für niemanden sichtbar war.

Er hatte zuvor keinen Gedanken daran verschwendet, wie sich sein Dasein in London gestalten würde. Hier gab es keinen Kontakt zu anderen Vampiren oder einen Club, in den er sich zurückziehen konnte. Hier hatte er nie jemand anderen als sich selbst gesucht. Daher beschloss er, seine Fühler auszustrecken. Er würde sie aufspüren, die Kreaturen der Nacht, die in London zu Hause waren.

 

Cedric suchte lange und fand nur wenige und meist sehr verschwommene Impulse, die er verfolgen konnte. Der stärkste führte ihn in die River Street, wo er auf eine Reihe verlassener Häuser stieß. Große Schilder zeugten davon, dass hier in nächster Zukunft ein Shoppingcenter entstehen sollte.

Lediglich in einem Teil eines hohen, verfallen wirkenden Gebäudes schien Leben zu pulsieren. Eine vertraute Form von Leben. Sie war anders als die vampirische Aura, die Cedric bekannt war.

Nichtsdestotrotz bewegte er sich auf das Haus zu. Bevor er sich Zutritt verschaffte, verweilte er in seiner Bewegung. Er machte einen Schritt zur Seite.

Seine Vorahnung bestätigte sich nur wenige Sekunden später. Die Tür wurde von aufgestoßen und eine Frau in dunklem Kostüm stürmte auf die Straße. Sie vermittelte einen aufgewühlten und desorientierten Eindruck. Zuerst lief sie einige Schritte, hielt dann inne, um nach Luft zu schnappen. Als sich ihre Atmung scheinbar normalisiert hatte, fuhr sie zusammen und machte sich aus dem Staub.

Eine naive Frau, der sämtliche ungewöhnlichen Dinge fremd waren, entschied Cedric.

Er hatte die Tür mit einer Hand offen gehalten und trat in den Eingangsflur. Der Stil der Ausstattung erinnerte ihn an den Brüsseler „Club Noir“. Ein Treffpunkt für Vampire. Ein Ort, den er lange Zeit seine Heimat genannt hatte. In diesem Londoner Gebäude musste es ebenfalls einen Zusammenschluss nächtlicher Kreaturen geben. Die Anzeichen dafür waren allzu deutlich.

Ein langer Flur führte Cedric zu einer weiteren Tür, die ihn schließlich in das Geschehen des Clubs brachte. Es waren gewöhnliche Menschen, zwischen die er geriet. Sie trugen schwarze Kleidung, vornehmlich in Lack und Leder, und aus ihren puderweißen Gesichtern starrten sie mit düster geschminkten Augen. Die Szene ließ sich lediglich ansatzweise mit dem „Club Noir“ vergleichen. Hier ging es wesentlich skurriler zu.

Cedric fragte sich, wer einen solchen Laden betrieb. Vor allem, wo sich die Vampire versteckten, die er zu erspüren glaubte. Früher oder später würde er es herausfinden. Das war sein erklärtes Ziel, doch bis dahin verhielt er sich wie ein gewöhnlicher Gast. Er ging an die Bar und bestellte einen Rotwein.

„Wer hat dich eingeladen?“, wurde er von der Seite angesprochen. Ein junger Vampir war wie aus dem Nichts neben ihm aufgetaucht.

Cedric war bewusst, dass seine Anwesenheit nicht unbemerkt geblieben wäre, daher betrachtete er den Fremden ruhig. Er war von kleiner, schmaler Gestalt und die blassblonden Haare fielen ihm in dünnen Strähnen auf die Schultern. Über seine Nase und die Wangen breitete sich eine Vielzahl an Sommersprossen aus. Am Ungewöhnlichsten waren seine Augen. Groß und hell strahlten sie keinen Funken der Finsternis aus, die einem Vampir innewohnen sollte. Einem solchen Vampir war Cedric nie begegnet.

„Sind hier nur geladene Gäste willkommen?“

„Es weiß also niemand von deiner Anwesenheit?“ Je mehr sich die Augen des Fremden weiteten, umso lächerlicher sahen sie aus. Er war schlichtweg keine Person, die man ernst nehmen konnte.

„Ich wüsste nicht, warum.“

„Das ist sehr dumm von dir.“

„Wie süß“, frotzelte Cedric, „aber ich denke, ich kann gut auf deinen Rat verzichten.“

Was bildete sich dieser Jüngling ein? Wusste er nicht, dass er einem der ältesten und mächtigsten Vampire gegenüberstand?

„Dein Sarkasmus wird dir schon vergehen. Wenn dich Damian erst mal in die Finger kriegt … dann wird er …“

Cedric unterbrach ihn wirsch: „Ah, dann ist Damian euer Boss?“ Dieses Geplapper war schlichtweg nicht auszuhalten.

„Schhhhht … nicht so laut.“ Eigenartigerweise zitterte der Fremde, und erst, als er sich offenbar nach möglichen ungebetenen Zuhörern umgesehen hatte, wandte er sich Cedric ruhiger zu. Dieses Mal beugte er sich vor und sprach im Flüsterton.

„Du bist neu hier und kennst dich anscheinend nicht aus“, stellte er fest. „Du tätest gut daran, meine Warnung anzunehmen. Damian ist kein Vampir, das solltest du wissen, und du solltest dich davor fürchten. Es gibt in London nicht mehr viele von uns. Die anderen haben die Macht übernommen.“

„Die anderen?“ Cedric zog die Augenbrauen zusammen. „Was meinst du damit?“

Der Fremde schwieg. Stattdessen hielt er sich eine Hand vor die Brust und machte ein Zeichen, das Cedric vergessen geglaubt hatte. Das Untier. – Der Werwolf.

 

Schwer atmend erreichte Libba ihre Wohnung. Diese kurze Begegnung mit Damian Black hatte sie an ihre Grenzen getrieben. Sie schaffte es kaum, den Türschlüssel ins Schloss zu stecken und sich Einlass zu verschaffen. Als es ihr endlich gelang, verlor sie keine Zeit, hinter sich alles wieder zu verriegeln.

Vermutlich bildete sie sich nur ein, dass Damian Black sie den ganzen Weg über verfolgt hatte. Allerdings wollte sie lieber sicher gehen und warf einen Blick durch den Spion auf den Flur.

Nichts.

Dann fiel ihr etwas Entscheidendes ein. Sogleich wirbelte sie herum und kontrollierte, ob alle Fenster in ihrer Wohnung geschlossen waren.

Natürlich fand sie keines, das offen stand, und seufzte sie erleichtert auf. Sie sank in ihren Lesesessel, verschränkte die Arme und dachte über das Geschehene nach. Vor ihren Augen hatte Damian Black sein Äußeres verändert. Den bedrohlichen Schatten über seinem Gesicht mochte sie sich eingebildet haben, nicht aber die Reißzähne. Ganz zu schweigen von den Krallen, die aus seinen Fingern gewachsen waren.

Zuletzt erinnerte sie sich an seine geschwollene Brust und die geplatzten Nähte seines dreckigen Hemdes. Erschrocken hatte sie aufgeschrien. Er hatte gelacht, wobei der Sabber immer weiter aus seinem Mundwinkel gelaufen war.

Was hätte sie anderes tun sollen, als Hals über Kopf zu fliehen? Es schüttelte sie bei dem Gedanken, eine Minute länger als notwendig in der Gesellschaft dieses … sie schluckte … dieses Monsters … zu verbringen.

Vom ersten Augenblick hatte er sie angewidert. Wenn sie an sein abscheuliches Gesicht dachte, an das Knurren und … Sie schüttelte den Kopf. Wie sollte sie mit so jemandem eine vernünftige Verkaufsverhandlung führen?

Libba begann, sich mit beiden Händen die Schläfen zu massieren. Sie fragte sich, ob das alles tatsächlich geschehen war. Sie konnte – nein, sie wollte – das ganz einfach nicht glauben.

Komm schon, reiß dich zusammen. So etwas gibt es doch gar nicht, ermahnte sie sich.

Kein Mensch hatte derart gewaltige Reißzähne, wie sie es bei Damian Black zu sehen geglaubt hatte. Und erst recht keine Krallen, die aus den Fingern wuchsen. Was für ein Unsinn!

Sie schloss die Augen und kuschelte sich in ihren Sessel. Es musste doch Angenehmeres geben, an das sie denken konnte. Als ob der Club sie nicht loslassen wollte, war es der sexy Dunkelhäutige, der ihr als Erstes in den Sinn kam. Die Szene hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt. Es erschien ihr unsagbar anstößig, wie das Beobachtete sie verfolgte und erregte. Auf der anderen Seite erinnerte es sie schmerzlich an ihre Bedürfnisse. Wann hatte sie sich das letzte Mal mit einem Mann vergnügt? Sie wusste es nicht mehr.

Hitze erfasste sie, als sie sich vorstellte, wie sie selbst nackt dem Mann gegenüberstand. Es musste ein prickelndes Gefühl sein, die lange Perlenkette um den Hals zu tragen. Wie sich die glatten Kugeln an ihren harten Brustwarzen rieben und wie sie mit einer von ihnen ihre eigene Perle rieb, bis sie die heiße Feuchte der Lust zwischen ihren Schenkeln spüren konnte.

Im Halbschlaf zog Libba die Beine eng an ihren Oberkörper. Es war ihr peinlich, sich solch frivole Dinge auszumalen. Solange jedoch niemand davon wusste, ergab sie sich bereitwillig dieser Fantasie und schloss die Augen.

Der Dunkelhäutige tauchte hinter ihr auf. Sie erschauderte, noch bevor er sie berührte. Seine Hände fuhren von ihrem Nacken über ihre Schultern und ihre Arme hinab. Er nahm die Perle, mit der sie sich rieb, und tauchte damit in ihre Feuchte. Hinein und wieder hinaus. Hinein und wieder hinaus. Bis es Libba schwindelig wurde. Ihre Knie gaben nach. Sie wäre gefallen, hätte er sie nicht mit seinen starken Armen aufgefangen. Er hielt sie so fest, dass es ihr den Atem raubte. Dennoch genoss sie seine rauen Berührungen. Sie stöhnte auf unter dem stetig ansteigenden Druck, mit dem seine Finger sie rieben, bis sie schließlich glaubte, zu kommen.

In diesem Augenblick hörte er auf. Er wollte sie offensichtlich quälen, indem er ihren Höhepunkt hinauszögerte. Grob drehte er sie zu sich herum. Ihr Busen presste sich gegen seine muskulöse Brust. Libba streckte sich ihm entgegen, sie wollte seine Lippen auf den ihren spüren. Von seinem wilden, männlichen Geschmack kosten. Aber er verweigerte ihr den Kuss. Er sah sie nur an.