Inhaltsverzeichnis

Titelseite

AN DIE FREUNDE.

SCHLAFLOSE NACHT

DURCHSUCHUNG UND FESSELUNG

WÄLDER

SPAZIERGANG DER STRÄFLINGE

BEGEGNUNG IN DER ZELLE

LIED DER EINSAMKEIT

GEFANGENE MÄDCHEN

FABRIKSCHORNSTEINE AM VORMORGEN

DIE MAUER DER ERSCHOSSENEN

DER GEFANGENE UND DER TOD

PFADE ZUR WELT

SCHWANGERES MÄDCHEN AUF DEM GEFÄNGNISHOF

DÄMMERUNG

VERWEILEN UM MITTERNACHT

NÄCHTE

NOVEMBER

EIN GEFANGENER REICHT DEM TOD DIE HAND

BESUCHER

GEMEINSAME HAFT

ENTLASSENE STRÄFLINGE

UNSER WEG

Über den Autor

Impressum

Hinweise und Rechtliches

E-Books Edition Loreart (Auswahl):

 

GEDICHTE

DER GEFANGENEN

 

EIN SONETTENKREIS

VON

ERNST TOLLER

 

Edition Loreart

 

 

*

Kamerad,

in jeder Stadt, in

jedem Dorf begleitet dich

ein Gefängnis

*

 

 

 

Den

namenlosen Toten

deutscher Revolution

*

Wer die Pfade bereitet,

stirbt an der Schwelle.

Doch es neigt sich vor ihm in Ehrfurcht

der Tod.

 

 

 

 

AN DIE FREUNDE.

 

Was ist ein Jahr und was ist eine Stunde,

Im Acker Zeit, der brach zu unsern Füßen liegt.

 

 

 

„Es kann nichts entsetzlicher sein, als daß die Handlungen eines Menschen unter dem Willen eines andern stehen sollen.“

Kant, Fragmente VIII.

 

„Trotzdem sie nur von Gesetzen reden: auch das Gesetz ist nicht frei von Menschlichkeit. Das Gesetz ist für uns Menschen nicht dazu gemacht, andern Menschen durch Ekel oder Schmerz das Leben zu nehmen.“

Kleist

 

 

Geschrieben in den Gefängnissen München

(Militärarrestanstalt Leonrodstraße; Polizeigefängnis;

Neudeck; Stadelheim),

Würzburg, Eichstätt, Neuburg,

Niederschönenfeld.

1918-1921

 

 

 

SCHLAFLOSE NACHT

 

Metallne Schritte in die Nächte fallen,

Die Posten buckeln durch die Höfe ohne Rast.

Oh, jeder Schlag ist Herzschlag ungeheurer Last,

Die uns bedrängt mit immer scharfen Krallen.

 

Wir lauschen schlaflos in das starre Hallen,

Ein schwarzes Schweigen wächst im schwarzen Glast,

Deß toter Atem fröstelnd uns umfaßt,

Zermartert Blicke an die Eisengitter prallen.

 

Warum, mein Bruder, feindlich durch die Höfe schreiten?

Uns alle band ein Schicksal an den gleichen Pfahl,

Uns alle eint der Kreaturen tausendjährge Qual,

 

Uns alle wirbelt dunkler Zwang durch die Gezeiten.

Oh, Fluch gesetzter Grenzen! Menschen hassen ohne Wahl!

Du, Bruder Tod, wirst uns vereint geleiten.

 

 

 

DURCHSUCHUNG UND FESSELUNG

(Dem Andenken des erschoßnen Kameraden Dorfmeister, München)

 

Den nackten Leib brutalen Blicken preisgegeben,

Betastet uns ein schamlos Greifen feiler Hände,

In Fratzenbündel splittern graue Wände,