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Cover

Vorspann

Die Hauptpersonen des Romans

1.

2.

Zwischenspiel

3.

4.

Zwischenspiel

5.

Zwischenspiel

6.

7.

Zwischenspiel

8.

9.

Zwischenspiel

10.

Kommentar

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Glossar

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

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Nr. 2734

 

Der Wald und das Mädchen

 

Ankunft auf Volterhagen – ein Erbe der Vergangenheit erwacht

 

Uwe Anton

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

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Seit die Menschheit ins All aufgebrochen ist, hat sie eine wechselvolle Geschichte hinter sich: Die Terraner – wie sich die Angehörigen der geeinten Menschheit nennen – sind längst in ferne Sterneninseln vorgestoßen.

Immer wieder treffen Perry Rhodan und seine Gefährten auf raumfahrende Zivilisationen und auf die Spur kosmischer Mächte, die das Geschehen im Universum beeinflussen.

Im Jahr 1516 Neuer Galaktischer Zeitrechnung steht die Milchstraße seit nunmehr zwei Jahren unter dem Einfluss des Atopischen Tribunals, einer noch immer weitgehend rätselhaften Organisation, die vorgibt, im Rahmen der »Atopischen Ordo« für Frieden und Sicherheit zu sorgen.

Ihre Macht haben die Atopen mehrfach bewiesen, unter anderem, indem sie Perry Rhodan und Imperator Bostich zu einer 500-jährigen Isolationshaft verurteilten.

Die beiden Gefangenen konnten allerdings entkommen – und befinden sich nun in Larhatoon, der Heimatgalaxis der Laren, die ebenfalls unter der Herrschaft des Atopischen Tribunals steht. Auf dem Planeten Volterhagen erwarten sie DER WALD UND DAS MÄDCHEN ...

Die Hauptpersonen des Romans

 

 

Perry Rhodan – Der Terraner begegnet einem vergessenen Erbe.

Bostich – Der Imperator ohne Reich muss sich mit einer neuen Gegebenheit arrangieren.

Neacue – Der Benetah begegnet den Gefahren Volterhagens.

Than-Deneec – Die Larin wagt sich in einen gefährlichen Wald.

1.

 

Die schwere Erschütterung riss Perry Rhodan von den Füßen. Sie schleuderte ihn durch die Luft, und er prallte mit den Schultern hart gegen die Innenwand des Containers. Wäre der Aufschlagwinkel ein paar Grad steiler gewesen, hätte er sich das Genick gebrochen.

Vor seinen Augen funkelten Sterne. Einen Moment lang konnte er den Inhalt des Behälters, in dem sie sich versteckt hielten, nur verschwommen wahrnehmen. Der massige Schatten an der gegenüberliegenden Wand musste der Lare Avestry-Pasik sein, und Imperator Bostich hatte sich nicht festhalten können und lag zusammengekrümmt auf dem Boden.

Kein Wunder. Der Verlust des rechten Arms hatte den Arkoniden stärker beeinträchtigt, als er es sich und den anderen eingestehen wollte.

Perry Rhodan rappelte sich auf, doch schon erbebte die GYUDOON erneut unter einer Erschütterung.

Er hielt sich an einem Stapel der kleinen Glaswürfel mit Vae-Metall fest, sonst wäre er wieder zu Boden geworfen worden.

Avestry-Pasik wartete, bis der Container wieder zur Ruhe gekommen war, und bahnte sich dann den Weg zu Rhodan. Er packte ihn und zerrte ihn hoch, dabei wirkte er völlig ruhig, als hätten ihn die Erschütterungen nicht im Geringsten überrascht.

Perry Rhodan war als Onryone maskiert. Einen Moment lang befürchtete er, der feste, fast schon brutale Griff des Laren würde seine Drohnen-Kokonmaske beschädigen, doch sie hielt stand.

»Braucht der Hetork Tesser meine Hilfe?«, fragte der Lare spöttisch. »Das kann doch nicht sein! Der mächtige Zerstörer von allem hängt schwach wie ein Kind in meinem Griff?«

Der Terraner hatte sich schon längst daran gewöhnt, von Avestry-Pasik so bezeichnet zu werden. Vor 1500 Jahren hatte er das Konzil zerschlagen, und im Lauf dieser anderthalb Jahrtausende war er bei den Laren zu einer mythischen, dunklen Legende geworden, eben zum Hetork Tesser, dem Zerstörer von allem.

Nicht gewöhnt hatte er sich an den unversöhnlichen Hass, den der Lare ihm entgegenbrachte. Jeder Versuch, ihn davon abzubringen, hatte sich als sinnlos erwiesen. Für Avestry-Pasik war und blieb er jene Person, die das Konzil der Sieben in den Staub getreten und die gesamte Existenzgrundlage der Laren zerstört hatte, obwohl das Konzil die Milchstraße überfallen und die Menschheit an den Rand des Abgrunds gebracht hatte. Der Begriff Selbstverteidigung existierte für Avestry-Pasik nicht.

Der Griff des Laren wurde fester. Avestry-Pasik hatte angedroht, ihn eigenhändig erwürgen zu wollen. War es so weit?

Andererseits hatte er erklärt, den Hetork Tesser seinem Volk ausliefern zu wollen. Was war ihm wichtiger?

Rhodan sah Avestry-Pasik in die Augen. Er konnte ihren Blick nicht deuten. Wieso blieb der Lare so ruhig? Es mussten Explosionen sein, die den Raumvater GYUDOON unter dem Kommando des Onryonen Voccod Zedesser so schwer erschütterten. Explosionen, die das Schiff in schwere Raumnot brachten.

Dann ging Rhodan ein Licht auf. »Du hast damit gerechnet, dass es zu diesem Zwischenfall kommt. Es sind deine Drohnen, die die Explosionen auslösen!« Damit meinte er den Schwarm von Minirobotern, die die Proto-Hetosten ins Schiff geschmuggelt hatten und aus denen auch Rhodans Tarnung bestand.

So verrückt, das Schiff in die Luft zu jagen, in dem er sich verborgen hielt, konnte er doch nicht sein!

»Na endlich!«, hörte Rhodan eine Stimme. Die des Benetahs Neacue, der seinen Körper wie einen schmucken Armring um das Handgelenk des Terraners geschlungen hatte. »Wird auch Zeit, dass ihr aufeinander losgeht!« Besonders amüsiert klang er nicht gerade. Wahrscheinlich hatte er erkannt, dass sein Leben ebenfalls in Gefahr geraten war. Dass aber etwas passierte, schien ihm nicht unbedingt unrecht zu sein.

»Unser Fluchtschiff hat sein Ziel erreicht«, antwortete Avestry-Pasik ruhig. »Wir befinden uns in einer Umlaufbahn um Volterhagen. Ich brauche es nicht mehr. Unsere Reise ist beendet!«

Volterhagen ... die Forschungswelt in der Larengalaxis, auf der er vor 1500 Jahren schon einmal gewesen war. Nun kehrte er dorthin zurück. Schloss sich dort ein Kreis? Oder nahm ein neuer seinen Anfang?

»Deshalb hast du die GYUDOON gesprengt?« Rhodan rang nach Atem. Der neuerliche Aufprall trieb ihm die Luft aus den Lungen. »Weil du sie nicht mehr brauchst?«

»Meinst du wirklich, ich wäre so dumm, die GYUDOON zu sprengen, wenn ich mein Leben damit gefährden würde? Wir sind im Orbit des Planeten. Voccod Zedesser hat den Landeanflug begonnen und wird eine Notlandung hinbekommen!« Die rechte Hand des Laren ließ Rhodans Montur los und rutschte höher, legte sich um seine Kehle.

Wollte er ihn erwürgen? Der Blick des Laren war unstet. Wahrscheinlich schwankte er zwischen Pflichterfüllung und persönlicher Rache.

Rhodan hatte damit gerechnet. Zwischen den Flüchtigen hatten während des gesamten Flugs Spannungen geherrscht, und sie hatten sich voller Misstrauen belauert. Rhodan hatte sich die ganze Zeit über gefragt, was werden würde, nachdem sie auf Volterhagen gelandet waren.

Würde Avestry-Pasik Kontakt zu den Proto-Hetosten aufnehmen können, zu der terroristischen Widerstandsgruppe der Laren gegen die Onryonen und das Tribunal? Sie hatte Avestry-Pasiks Befreiung von der Gefängniswelt geplant und durchgeführt. Dank ihrer Bemühungen waren letztlich auch Rhodan und Bostich freigekommen.

Avestry-Pasik gehörte zu den Proto-Hetosten. Einzelheiten hatte Rhodan nicht aus ihm herausbekommen. Er vermutete, dass er ein hochrangiges Mitglied war. Was plante der Lare mit ihm und Bostich? Sobald er erst einmal Kontakt mit seiner Gruppe bekam, war für Rhodan das Spiel vorbei.

Rhodan hatte im Geist seine Flucht durchgespielt. Er war bereit zu fliehen – aber vor wem nicht alles? Vor Avestry-Pasik und den Proto-Hetosten, vor den Onryonen, vor den Laren an sich? Und wohin sollte er fliehen? Was würde aus Bostich werden, dessen Verletzung eine professionelle Behandlung benötigte?

Er zuckte zusammen. Irgendwo außerhalb des Containers gellte Alarm. Rhodan stellte sich vor, wie heilloses Chaos an Bord der GYUDOON ausbrach, wie Onryonen starben oder um ihr Leben bangten, während das Schiff abzustürzen drohte. Die Serie von Detonationen riss nicht ab, erschütterte den Raumvater weiterhin. All das hatte der Lare initiiert, nur um seine Flucht durchführen zu können.

Diese Explosionen konnten seine Chance sein! Wenn er den richtigen Augenblick abpasste ...

Er tastete blindlings mit der rechten Hand um sich, spürte dann den kalten Glaswürfel, in den das Vae-Metall eingelassen war, und schloss die Finger darum.

Wenn Avestry-Pasik sein Vorhaben ausführte, wenn er den Hetork Tesser während des Absturzes gefangen nahm – und Bostich als Draufgabe obendrein –, war es um die beiden Flüchtlinge aus der Milchstraße geschehen. Dann würde der Lare sie an sein Volk ausliefern, und der Zerstörer von allem stand erneut vor Gericht, diesmal aber wegen einer Tat, die er tatsächlich begangen hatte.

Wenn die Laren nicht kurzen Prozess mit ihm machten und ihn auf der Stelle standrechtlich erschossen ...

Viel Zeit zum Überlegen blieb Rhodan nicht.

Er wartete, bis eine weitere Explosion den Raumvater erzittern ließ, diesmal eine besonders schwere. Vielleicht war ein Teil der Triebwerke detoniert, jedenfalls schien die GYUDOON in die Tiefe zu sacken, bevor die Nottriebwerke einsetzten und den Sturz abfingen.

Diesen Moment nutzte Rhodan. Er holte mit dem Kubus aus Vae-Metall aus und schlug ihn dem Laren an den Kopf.

Avestry-Pasik riss die Augen auf und starrte den Hetork Tesser verblüfft an. Er lockerte seinen Griff ein wenig.

Rhodan holte wieder mit dem Glaswürfel aus, landete einen zweiten direkten Treffer an der Schläfe des Laren.

Und einen dritten.

Avestry-Pasiks Griff um Rhodans Kehle löste sich vollends. Kraftlos stand der Lare da, ein Schleier legte sich auf seinen Blick.

Dann wurden ihm die Augen glasig. Wie in Zeitlupe ging der Lare in die Knie, kippte zu Boden und blieb verkrümmt liegen.

Rhodan bückte sich und legte das Ohr auf Avestry-Pasiks Brust. Sie hob und senkte sich gleichmäßig, und Rhodan hörte kräftige Atemgeräusche. Der Lare war nur bewusstlos. Er würde bald wieder zu sich kommen.

Bis dahin mussten sie von diesem Ort verschwunden sein.

Er drehte sich zu Bostich um. Der Imperator hatte sich am Boden aufgesetzt. Mit einer Hand versuchte er sich hochzuziehen. Er sah fast vorwurfsvoll zu Rhodan empor.

Als würde er mir die Schuld für seinen Unfall geben!, dachte der Terraner.

Der Verlust des rechten Arms machte Bostich wirklich schwer zu schaffen, egal was er sagte. Unterschwellig schien er Rhodan dafür verantwortlich zu machen. Es war der von dem Terraner eingefädelte Fluchtversuch gewesen, der dazu geführt hatte.

Die Wunde war weitgehend verheilt, doch Bostich litt ständig unter Phantomschmerzen und war sehr geschwächt. Auf einer arkonidischen oder terranischen Welt hätte man ihm problemlos einen neuen Arm züchten können, doch in der Larengalaxis bestand diese Möglichkeit aus naheliegenden Gründen nicht. Deshalb stellte die Verstümmelung ein Trauma für Bostich dar. Er litt nicht unter Depressionen, und der Unfall hatte ihn nicht gebrochen, doch viel fehlte daran nicht.

Rhodan wollte dem Arkoniden auf die Füße helfen, doch der schüttelte die Hand des Terraners grob ab und zog sich mühevoll mit dem linken Arm hoch. Er schwankte ein wenig, als er endlich stand.

»Wir müssen hier weg!«, quetschte er zwischen den Zähnen hervor.

Rhodan nickte. Er öffnete die Luke des Containers. Schwaches Licht fiel in den Behälter.

Dann steckte Rhodan einige der kleinen Glaswürfel mit dem Vae-Metall ein. »Schön, dass du an mich denkst!«, vernahm er Neacues Stimme.

Er hatte sie schon vermisst. Der Benetah war während der Explosionen seltsam ruhig geblieben. Sein Lebensinhalt war Amüsement, und er genoss jegliche Action. Doch offensichtlich war ihm klar geworden, dass er weit von der Dunkelwelt entfernt war, auf der er und die Seinen lebten. Vielleicht legte er nun weniger Wert auf Spaß und war einfach nur um sein Leben besorgt. Er war zwar äußerst langlebig, aber keineswegs unsterblich.

Rhodan kletterte die Innenwand des Containers hoch und schaute hinaus. Im Lagerraum waren zahlreiche Behälter aus ihren Verankerungen gerissen worden und umgestürzt. Bostich und er würden über sie hinwegklettern müssen, wenn sie den Raum verlassen wollten. Für den einarmigen Arkoniden würde das ein Problem werden.

Bostich schien das nicht so zu sehen, nachdem Rhodan ihm aus dem Container geholfen hatte. Er stieß Rhodan zur Seite und sprang auf den nächsten Behälter.

Er will sich beweisen!, dachte der Terraner. Oder er will mir beweisen, dass die Verstümmelung kein Handicap für ihn darstellt!

Doch schon beim nächsten Sprung verschätzte der Imperator sich. Er kam auf dem benachbarten Container auf, verlor das Gleichgewicht, wollte es zurückgewinnen, indem er mit beiden Armen balancierte – und kippte zur Seite und stürzte.

Fluchend setzte Rhodan ihm nach. Er ignorierte die wütende Handbewegung des Arkoniden, mit der dieser Rhodans Arm beiseiteschlagen wollte, packte Bostich und zerrte ihn mit sich. Der Imperator taumelte mehr, als dass er lief, auf das Schott des Raumes zu.

Im nächsten Moment erklang ein leises Knirschen. Es pflanzte sich durch die Böden und Wände des Raumvaters fort, wurde immer lauter, bis es schließlich Rhodans gesamte Wahrnehmung ausfüllte. Da war nur noch dieses schreckliche Geräusch, der Klang von berstendem, zerreißendem Metall, den Rhodan aus eigener Erfahrung kannte.

Er wappnete sich gegen den letzten heftigen Schlag, der nun bald kommen würde, wie er ebenfalls wusste, suchte nach festem Halt. Mit etwas Glück war es nur ein einziger Schlag, andernfalls eine verheerende Explosion, die das gesamte Schiff vernichten würde.

Doch er sah nur die glatten Containeroberflächen; daran ließ sich kein Halt finden. »Gaumarol«, rief er, »festhalten, es ist so ...«

Der Aufprall riss ihm die letzte Silbe von den Lippen. Und er riss ihn auch von den Füßen, schleuderte ihn meterweit durch die Luft, zum Glück in Richtung Schott. Der gesamte Lagerraum drehte sich um ihn.

Rhodan ruderte hilflos mit den Armen, wirbelte umher, prallte im nächsten Moment hart auf dem Boden auf.

Etwas knackte. Es war gar nicht so laut, doch Rhodan hörte es genau, weil es plötzlich totenstill um ihn war. Er fragte sich, ob das hässliche Geräusch von der Drohnen-Kokonmaske oder seiner Wirbelsäule gekommen war.

Der Schmerz trieb ihm Tränen in die Augen. Er versuchte, die Arme zu bewegen. Es gelang ihm nicht.

Dann zerriss ein Stöhnen die unnatürliche kurze Stille, und im nächsten Moment setzten die Geräusche wieder ein. Alarmsirenen jaulten. Irgendwo knisterte etwas.

Ein Feuer? Er roch aber keinen Rauch.

Mit einem lauten Scheppern öffnete sich das Tor vor ihm, nur um sich im nächsten Moment mit einem noch lauteren wieder zu schließen.

Ihre einzige Fluchtmöglichkeit! Wollten sie aus der GYUDOON fliehen, mussten sie zuerst den Lagerraum verlassen.

Durch jenes Schott, das sich gerade automatisch geschlossen und verriegelt hatte.

 

*

 

Rhodan schloss die Augen, atmete tief durch, versuchte erneut, die Arme zu bewegen, und diesmal gelang es ihm.

Aber keineswegs mühelos. Die Bewegung fiel ihm unglaublich schwer. Er hatte das Gefühl, fast die Hälfte seines Körpergewichts zusätzlich mit sich herumzuschleppen.

Wahrscheinlich waren die Schwerkraftgeneratoren ausgefallen, und nun herrschte an Bord der GYUDOON die planetare Gravitation. Sie musste fast anderthalbmal so hoch sein wie die der Erde.

Es war nicht das erste Mal, dass er sich auf einem Planeten mit höherer Schwerkraft bewegen musste. Er konzentrierte sich wieder auf die unmittelbaren Probleme.

Seine Wirbelsäule war nicht gebrochen. Also hatte doch die Kokonmaske geknackt. War sie beschädigt? Er konnte es nicht sagen.

Er setzte sich auf, sah sich um.

Bostich lag nicht weit von ihm entfernt auf dem Boden. Das Stöhnen stammte von ihm. Den Arkoniden hatte es offensichtlich schlimm erwischt.

Rhodan wälzte sich auf den Bauch, drückte sich auf Händen und Knien hoch, kam schließlich taumelnd auf die Füße. An dem Schott vor ihm pulsierte in dumpfem Rot eine Sensortaste. Er legte die Hand darauf, und zu seiner Überraschung öffnete sich das Schott umgehend.

Wenigstens funktionieren die Notschalter einwandfrei!

Rhodan spähte in den Gang vor ihm.

Er war verlassen. Stellenweise hatten die Wände nachgegeben und war der Boden abgesackt, aber sie würden ihn durchqueren können.

Rhodan dachte nach, während Bostich sich aufrappelte und neben ihn trat. Wahrscheinlich hatte Avestry-Pasik vorgehabt, ihn auszuschalten, irgendwie bewusstlos zu machen und bei seiner Flucht mitzunehmen. In dem Chaos, das in dem abgestürzten Raumer herrschte, würde das nicht allzu schwer werden.

Das war sein Plan gewesen. Doch nun waren sie getrennt. Rhodan, Bostich und Neacue konnten Avestry-Pasiks Vorhaben nutzen und sich gleichzeitig von dem Laren absetzen. Die Onryonen hatten eine halbwegs saubere Bruchlandung hinbekommen, und die Umstände boten mehr als genug Ablenkung.

Rhodan zerrte Bostich mit sich. Da er schon manche Streifzüge durch den Raumvater unternommen hatte, konnte er sich an der nächsten Abzweigung problemlos orientieren. Sein Ziel war einer der zahlreichen Hangars des Schiffes. Er vermutete, dass der kugelförmige Raumvater ordentlich auf der planetaren Oberfläche aufgesetzt hatte. Stünde er schräg, wären die Gänge gekippt und kaum passierbar. Ob der Triebwerkskegel, der als Landefuß diente, die Notlandung überstanden hatte?

Sie mussten jede Begegnung mit Onryonen vermeiden, zumindest hinauszögern. Rhodan war getarnt. Die Maske beugte nicht nur das Licht entsprechend dem gewünschten äußeren Erscheinungsbild, sondern übersetzte auch die zuvor von den Drohnen analysierte Sprache verlustfrei. Kein technisches Wunderwerk, erinnerte sich Rhodan, mit solchen Gimmicks hatten bereits die Geheimdienste des Solaren Imperiums gearbeitet.

Außerdem hatten er und Bostich mithilfe der Drohnen Onryonisch gelernt. Er würde in diesem Chaos nicht auffallen.

Bostich hingegen war unmaskiert. Der Feind würde ihn sofort als Arkoniden erkennen, zumindest als Nicht-Onryonen.

Rhodan wies dem Arkoniden den Weg. Bostich stöhnte gequält auf und griff sich mit der linken Hand an den Armstumpf. Die Wunde war zwar nicht wieder aufgebrochen, aber der Imperator hatte entweder echte Wundschmerzen oder litt unter starken Phantomschmerzen.

Nach einem Blickwechsel mit Rhodan riss er sich zusammen und ging weiter. Noch immer fiel ihm jede Bewegung schwer. Die Gravitation auf Volterhagen war eindeutig höher als die auf der Erde oder auf Arkon.

Vor ihnen erklangen Stimmen, dann ein metallenes Scheppern. Rhodan hob warnend die Hand. Offensichtlich versuchten dort Onryonen, eingeschlossene Kameraden zu befreien.

Bostich hatte begriffen, drehte sich um und lief den Gang zurück. Der Terraner konnte den Arkoniden nur schwer einschätzen. Manchmal wirkte er ziemlich hilflos, dann wieder übertrieben energisch. Seine Wunde war weitgehend verheilt, doch er war sehr geschwächt. Die Verstümmelung war wie ein Trauma für Bostich, ohne dass sie ihn gebrochen hätte. Er war nicht depressiv, aber auch nicht manisch, schwankte zwischen diesen Zuständen und schien sich in erster Linie selbst beweisen zu wollen, dass er voll handlungsfähig war.

Sie hetzten weiter, einen anderen Gang entlang, kamen wegen Bostichs Behinderung jedoch nur langsam voran. Voccod Zedesser musste befohlen haben, die GYUDOON zu evakuieren, denn nun konnten sie den Onryonen nicht mehr ausweichen. Zuerst stürmte einer an ihnen vorbei, dann drei, dann ein halbes Dutzend. Immer mehr kamen auf den Gang.

Niemand achtete auf sie. Die Onryonen standen kurz vor einer Panik und waren mit sich selbst beschäftigt. Jeder versuchte, sich in Sicherheit zu bringen, den nächsten der sechs Beiboot- bzw. Mehrzweckhangars zu erreichen.

Vor ihnen flackerte es in düsterem Orange. Dort schwelte ein Brandherd. Ein Onryone hielt sie auf und schickte sie einen anderen Gang entlang. Er musterte Bostich misstrauisch, stellte jedoch keine Fragen. Die Zahl der Fliehenden war erdrückend.

Rhodan zog den Imperator mit sich. Sie erreichten den Hangar. Er war leer. Fast jedenfalls. Sämtliche Beiboote hatten ihn verlassen, nur Dutzende von Gleitern flogen durch die große Öffnung in der Schiffshülle ein und aus.

Rhodan erkannte an den Markierungen und Aufschriften, dass es Medogleiter waren, die entweder zur Standardausrüstung eines onryonischen Raumvaters gehörten oder vom Planeten stammten. Rhodan konnte es nicht sagen; vielleicht war schon Hilfe von außen eingetroffen.

Ein Gleiter landete ganz in der Nähe, und Rhodan winkte.

Das Schott des Gefährts öffnete sich. Ein Onryone kam heraus und sah zu ihnen herüber.

Rhodan winkte ihm zu. »Er ist schwer verletzt!«, rief er und zeigte auf Bostich. »Wir brauchen dringend Hilfe!«

Der Onryone, offensichtlich der Pilot des Gleiters, ließ sich nicht von der allgemeinen Hektik anstecken. »Was ist das für einer?«

»Ein Gefangener«, sagte Rhodan. »Ein sehr wichtiger Gefangener. Er untersteht meiner Obhut. Die erste Explosion hat ihm einen Arm abgerissen. Wir müssen ihn unbedingt in Sicherheit bringen!«

»Nicht so schnell!« Der Onryone hob eine Hand. »Ich muss erst über Funk Anweisungen einholen!«

»Neacue!«, sagte Rhodan.

2.

 

Das dekorative Band, das Rhodan um den Arm gewickelt hatte, schnellte vom Körper des Terraners und schmiegte sich um den Kopf des Onryonen. Bevor der Pilot reagieren konnte, drang es rasend schnell in sein Ohr ein, bis der dünne Faden völlig verschwunden war.

Der Onryone richtete sich auf. Sein Gesicht wirkte auf einmal verklärt. »Die Befehle sind in Ordnung«, sagte er. »Kommt an Bord. Ich muss euch so schnell wie möglich in Sicherheit bringen.«

Rhodan zerrte Bostich hinter sich her in den Medogleiter. Während das Schott zufuhr, warf er einen Blick in den hinteren Teil des Gefährts. Es war mit vier Medobetten und zahlreichen medizinischen Apparaturen ausgestattet, deren Sinn ihm verborgen blieb. Er drückte den Imperator auf eine Liege.

Sofort öffnete sich ein Fach in einer Verkleidung, und eine faustgroße Sonde schwebte heraus.

»Untersuchung noch nicht beginnen!«, sagte Rhodan auf Onryonisch.

Die Sonde verharrte bewegungslos in der Luft. Führte sie eine Untersuchung durch, würde sie die Ergebnisse speichern, und bei Nachforschungen könnten die Onryonen anhand der DNS Rückschlüsse ziehen , die sie nicht ziehen sollten.

Der Pilot kümmerte sich nicht um das Geschehen hinter ihm. Er steuerte den Gleiter aus dem Hangar.

Rhodan schaute aus dem großen Panoramafenster. Abrupt wurde es dunkel.