Cover

Impressum

© 2016 by Studienverlag Ges.m.b.H., Erlerstraße 10, A-6020 Innsbruck

E-Mail: order@studienverlag.at

Internet: www.studienverlag.at

Alle Rechte vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (Druck, Fotokopie, Mikrofilm oder in einem anderen Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

Abhängig vom eingesetzten Lesegerät kann es zu unterschiedlichen Darstellungen des vom Verlag freigegebenen Textes kommen.

ISBN 978-3-7065-5859-4

Buchgestaltung nach Entwürfen von hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Satz: Da-TeX Gerd Blumenstein, Leipzig

Umschlag: hœretzeder grafische gestaltung, Scheffau/Tirol

Umschlagabbildung: Fotos verschiedener Szenen während des Projekts „Personale Bildungsprozessein heterogenen Gruppen“

Dieses Buch erhalten Sie auch in gedruckter Form mit hochwertiger Ausstattung in Ihrer Buchhandlung oder direkt unter www.studienverlag.at.

Siegfried Baur/Hans Karl Peterlini (Hg.)

An der Seite des Lernens

Erfahrungsprotokolle aus dem Unterricht an Südtiroler Schulen – ein Forschungsbericht

Mit einem Vorwort von Käte Meyer-Drawe und einem ­Nachwort von Michael Schratz

Gastbeiträge von Dietmar Larcher und Stephanie Risse

Mitglieder der Forschungsgruppe: Evi Agostini, Siegfried Baur, Doris Kofler, Helmuth Mathà, Hans Karl Peterlini, Barbara Saxer, Gerda Videsott

Siegfried Baur/Hans Karl Peterlini (Hg.)

An der Seite des Lernens

Erfahrungsorientierte Bildungsforschung

Band 2

Im Bildungsbereich werden täglich vielfältige Aktivitäten initiiert, Prozesse in Gang gesetzt und Aufgaben bearbeitet. Wenig ist darüber bekannt, wie sie vollzogen werden. Die Reihe erschließt einen in den Bildungswissenschaften vernachlässigten Bereich, indem sie den Erfahrungen nachspürt, die sich in Bildung und Erziehung zeigen. Die einzelnen Bände machen die Erfahrungsmomente pädagogischen Handelns versteh- und erfahrbar. Über dichte Beschreibungen (z. B. Vignetten, Anekdoten) werden Erfahrungsdimensionen erschlossen, welche zum Überdenken der eigenen pädagogischen Erfahrungen beitragen können.

Herausgegeben von Markus Ammann, Siegfried Baur, Michael Schratz, Johanna F. Schwarz und Tanja Westfall-Greiter

Siegfried Baur

Zum Projekt

Einleitung

Das Forschungsprojekt „Personale Bildungsprozesse in heterogenen Gruppen“, dessen Ergebnisse in diesem Buch dargestellt werden und die weit über eine reine Dokumentation hinausweisen, wie das Vorwort von Käte Meyer-Drawe zeigt, ist im Kontext einer zunehmenden Vielfalt von Lebenszusammenhängen zu sehen, die durch demographische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklungen zu einer starken Durchmischung der Schüler/innen an allen Schularten und Schultypen geführt hat. Kinder und Jugendliche weisen in ihren Sozialisationserfahrungen große Unterschiede auf und erhalten im Alltag derartig viele außerschulische Entwicklungsanstöße, dass sich die Begabungspotenziale in unterschiedlichste Richtungen entwickeln. Diese Heterogenität, die sich auch in Südtirol durch die Integration von Schüler/innen mit besonderen Bedürfnissen in die Regelklassen und durch die Einführung der Ganztagsklassen seit den 1970er Jahren verstärkt dargestellt hat, ist durch Migrationsprozesse zusätzlich angestiegen. Maßnahmen äußerer Differenzierung sind im Pflichtschul- wie im Sekundarschulbereich nicht möglich und werden auch nicht mehr angestrebt. Das gesellschaftspolitische Desiderat nach hohen Bildungsabschlüssen möglichst vieler Bürger/innen bedarf daher einer die Heterogenität nicht aussparenden, sondern kreativ nutzenden Didaktik. Dazu ist es nötig, Lernprozesse aus der Sicht des Kindes in heterogenen Lernfeldern zu erforschen, um einerseits individuell bzw. institutionell/organisatorisch bedingte Lernhemmnisse, andererseits Lernressourcen besser zu erkennen.

Forschungsgegenstand dieses Projektes war das Lernen ausgewählter Schüler/innen in der 1. Klasse von 14 deutschsprachigen und zwei ladinischen Mittelschulen Südtirols im Schuljahr 2012/2013.

In der Übergangsklasse von der Primarschule zur Sekundarstufe nehmen einerseits die Heterogenitätsphänomene in sozialer und kultureller Hinsicht noch einmal zu (Mittelpunktschulen, Wechsel von Land-, Berg- und Randgebieten in zum Teil urbane Zentren), andererseits zeigen sich eine Reihe von Transitionsproblemen durch eine unterschiedliche Organisation von Bildungsprozessen und unterschiedliche Lehr- und Lernparadigmen. Dazu kommt die hohe, territorial unterschiedliche, sprachliche Komplexität an den Südtiroler Mittelschulen (Dialekt-Hochsprache, Deutsch-Italienisch, Fremdsprache Englisch sowie die besondere Situation der paritätischen Schule in den ladinischen Tälern), weshalb durch die Studie an 16 Schulen eine möglichst große territoriale Abdeckung angestrebt wurde.

Die Auswahl der Mittelschulen erfolgte nach soziokulturellen und geographischen Kriterien und fußte auf einer Diskussion mit Expert/innen des Deutschen und Ladinischen Schulamtes, einer sogenannten expert validity. Dabei wurde darauf geachtet, dass in der Studie nicht nur Stadtgebiete und Landgebiete in ihrer geographischen Verteilung über das gesamte Land vertreten waren, sondern auch besondere wirtschaftliche, kulturelle und sprachliche Lebensräume (z. B. große relativ abgeschlossene Talschaften, vorwiegend italienischsprachige Gebiete, Gebiete mit einer gleich starken italienischsprachigen und deutschsprachigen Bevölkerung, wie auch Gebiete, in denen die deutsche Sprache stark überwiegt).

Im Sinne der Grundlagenforschung war es wichtig, zu untersuchen, ob die von den „Rahmenrichtlinien für die Grund- und Mittelschule in Südtirol“ (Beschluss der Landesregierung 2009) stark betonte Individualisierung und Personalisierung der Lernprozesse „lernseits“ ankommt. Die Vergabe der Noten 6 (Genügend) und 7 (Zufriedenstellend) zu fast 52% bei den Abschlussprüfungen der Mittelschule nach acht Pflichtschuljahren (Deutsches Schulamt 2011) deutet auf lernseitige Schwierigkeiten hin, die mit diesem Projekt nicht nur ins Licht gehoben werden, sondern Gegenstand einer Neubewertung in der Beziehung von Lernen und Lehren sein sollen. Der Lernbegriff wird in den bereits erwähnten Rahmenrichtlinien im Bereich der fachlichen und fächerübergreifenden Richtlinien wie folgt definiert:

„Lernen ist ein individueller, aktiver und ganzheitlicher Prozess, der auf Vorwissen aufbaut, mit Erfahrungen zusammenhängt und eine nachhaltige Veränderung im Verhalten und in den Einstellungen zur Folge hat. Die Lernenden erwerben auf der Grundlage der eigenen Erfahrungen und Wahrnehmungen, an konkreten Situationen, im Dialog mit anderen und in einem Klima des Vertrauens und der Wertschätzung neues Wissen und erweitern dadurch ihre Handlungskompetenz“ (ebd., 16).

In phänomenologischer Hinsicht müsste das Lernen allerdings radikaler gefasst und definiert werden. Meyer-Drawe tut das, wenn sie in „Diskurse des Lernens“ argumentiert:

„Lernen ist in pädagogischer Perspektive und in strengem Sinne eine Erfahrung. Das ist die Kernthese […]. So schlicht diese Aussage klingt, ihre Tendenz ist subversiv und anachronistisch. Während Störungen, Schwierigkeiten und andere Inadäquationen unpopulär sind, weil reibungslose, hochtourige Anpassung in einer stressfreien Atmosphäre das Ideal der Zeit ist, misst eine pädagogische Theorie des Lernens gerade der zeitraubenden Irritation eine erhebliche Bedeutung zu“ (Meyer-Drawe 2012b, 15).

Lernen hängt nicht nur mit Erfahrungen zusammen, es „gehört zu den elementarsten Erfahrungen des Menschen. Es wird, wenn durch es ein neuer Horizont eröffnet wird, als schmerzhafte Umkehr erlebt, in der eine Wiederbetrachtung, eine Revision statthat, die nicht nur das eigene Wissen, sondern die eigene Person zur Disposition stellt“ (ebd., 206). Lernen ist eben nicht nur ein kognitiver Prozess, sondern vor allem auch eine leibliche Erfahrung. „Diese umfasst aber nicht – sozusagen als Addition – dazu noch die emotionalen und sozialen Beziehungen des Lernenden, seine Empfindungen und Wahrnehmungen, sondern umfasst den ganzen Leib. Die Wendung ‚sich etwas einverleiben‘“ gibt es auch in der italienischen Sprache, wenn von ‚incorporarsi qualcosa‘1 die Rede ist“ (Baur & Schratz 2015, 162). An dieser Stelle ist es notwendig, einen Exkurs zum Kompetenzbegriff einzufügen. Zwei Zitate sollen diesen kurzen Abschnitt einleiten:

„Kompetenzorientierter Unterricht verfehlt die in ihn gesetzten hohen Erwartungen, wenn er nicht die Tiefenstruktur in der Beziehung zwischen Lehren und Lernen neu bestimmt. Die Tiefe des Verstehens in Beziehung zum Unterrichtsgegenstand bestimmt die Intensität der (fachlichen) Auseinandersetzung von Schülerinnen und Schülern“ (Schratz 2012, 17).

„Auf Kompetenzaufbau ausgerichtete respektvolle Aufgaben sind Begegnungspunkte am Wege eines Bildungsprozesses, sie beinhalten im günstigen Fall ‚bildende Erfahrungen‘, wie sie John Dewey (1949) nennt. Es lohnt daher, beim Stellen einer Aufgabe die Frage zu beantworten: Was ist das Bildende der Aufgabe? Bildende Aufgaben sind immer auch respektvolle Aufgaben, wenn sie lernseitig angelegt sind. Aus der Erkenntnis, dass ‚jede/r anders anders ist‘ (Arens/Mecheril 2010, 11) und lernt, ist die lernseitige Orientierung eine Voraussetzung für persönliche und bildende Lernerfahrungen“ (ebd., 19).

Es geht also nicht nur um ein Lernen als bildende Erfahrung, das vorwiegend an fachliche Kompetenzen denkt, es geht ebenso, wenn nicht noch mehr um übergreifende, überfachliche Kompetenzen, sogenannte soft skills wie Teamfähigkeit, Kompromissfähigkeit, Kooperationsfähigkeit, Flexibilität, emotionale Belastbarkeit, sprachliche und mediale Kommunikationsfähigkeit (auch inter- und transkulturelle). In diesem Sinne versteht sich Bildung als permanente und gezielte Förderung der gesamten Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen, ist in erster Linie diesen verpflichtet.

Führt nun Lernen als Erfahrung zum Erwerb genereller Fähigkeiten, zur Fähigkeit, sich auf neue Situationen einzulassen, dann stellt sich die Frage, wo denn dieses praktische Wissen lokalisiert ist? Kompetenzen werden im Leib inkorporiert: „Der Leib ist geradezu der Inbegriff dessen, was ‚ich kann‘, ohne dass ich es mir ausdrücklich vorstellen muss2, und teilweise auch, ohne dass ich es mir ausdrücklich vorstellen kann“ (Waldenfels 2000, 169). Dieses praktische Wissen ist vor allem ein „implizites“ Wissen (vgl. Polanyis „tacit knowledge“, 1985), das sich nur begrenzt explizit machen und in Worte fassen lässt.

Der empirische Zugang zum Projekt erfolgte über einen Forschungsansatz, der nahe an den Akteurinnen und Akteuren im Feld (Schule bzw. Unterricht) angesiedelt war. Im Mittelpunkt standen die Schüler/innen, deren individuelle Entwicklung über einen überschaubaren Zeitraum verfolgt wurde. An den 16 ausgewählten Schulen wurden jeweils zwei Schüler/innen mit unterschiedlichen Entwicklungs- und Leistungsvoraussetzungen von den Lehrpersonen benannt, um deren Bildungsverläufe über den Zeitraum eines Jahres zu verfolgen. Der phänomenologische Forschungsansatz konkretisierte sich in der miterfahrenden Erfahrung der personalen Bildungsprozesse der einzelnen Lernenden.

Diese bildenden Erfahrungen aus dem Schulalltag wurden in Vignetten verschriftlicht: das heißt, Miterfahrenes wurde wahrgenommen und in Sprache gekleidet. Die Vignette aber bleibt eine Erfahrung der/des Forschers/in, die/der sie schreibt, auch wenn sie ihren Ursprung in der Erfahrung der/des Schülers/in hat und somit eine geteilte Erfahrung ist. Sie deutet, indem sie auf etwas zeigt, auf etwas verweist, da die Erfahrung der/des Schülers/in als solche nicht fassbar ist. Wie Peterlini in seinem Beitrag „Fenster zum Lernen“ in diesem Buch ausführt

„(zeigt) die Vignette weder Erfahrung noch Lernen in reiner Essenz, sie zeigt Abschattungen dessen, was sich im Feld – in diesem Fall im Unterricht – ereignet; es ist nicht zwingend mehr, aber auch nicht weniger, als sich durch Tests, Messmethoden, Befragungen, Ausforschungen, Video- oder Tonaufnahmen, Computertomographien über Lernen erfahren lässt. Es ist etwas anderes, als gemeinhin gesehen, gemessen oder getestet wird, und kann gerade dadurch, durch Lektüre und Reflexion, durch Dialog und Austausch, fruchtbar für die ‚Diskurse des Lernens‘ (vgl. Meyer-Drawe 2012b) gemacht werden.“ (vgl. Peterlini in diesem Buch)

Die/der aufmerksame Leser/in steht notwendigerweise in einer Differenz zur Vi­gnette, sie/er befindet sich in einer unhintergehbaren Situation des Deutens eines Gedeuteten. Wichtig ist nur, dass die Vignetten nicht als Interpretationen, als Wertungen gelesen werden, sondern mit einer Haltung, die die Vignette als etwas sprachlich Verfasstes annimmt und wiederum neuerdings als etwas deutet. Vignetten werden zu Resonanzkästen der eigenen Reflexion, wenn man sich auf sie einlässt und sich ihrem Text aussetzt. Dann sprechen sie die/den Leser/in an und berühren, gehen in die Tiefe, verstören, irritieren, überraschen und erhellen. Nur so kann sich der Blick über einen Prozess der Selbstreflexion von der Klasse, der Gruppe, der/dem „Standardschüler/in“ auf die/den einzelne/n Schüler/in richten und erkennen, dass alle „anders anders sind“ (Arens & Mecheril 2010, 11).

Das Buch entwickelt sich weiter über eine Einführung zur „Lektüre von Vignetten“ hin zum zentralen Bereich, der die Vignetten und einige dazu gehörigen Lektüren enthält, mit Gastlektüren von Stephanie Risse und Dietmar Larcher. Es ist der Aufforderungscharakter der Vignette, ihr Überschuss an Sinn, den Waldenfels (2000, 367) als „symbolischen Überschuss“ bezeichnet und der dazu drängt zu den Vignetten Lektüren zu schreiben. Buck (1989) bringt es auf den Punkt, wenn er festhält:

„Jede Kenntnisnahme – und das heißt: jede aktuale Einzel-Erfahrung – geschieht von einem Vorverständnis her. Nur weil die Erfahrung an jedem Punkt ihres Ganges prinzipiell über jede einzelne Kenntnisnahme bzw. über den Gesamtbestand aktualer Kenntnisnahmen hinausgreift, diese transzendiert, kann sie überhaupt einzelnes kennenlernen und von da aus weiter zu umfassenderen Erfahrungen fortschreiten, d. h. einen Gang haben. Husserl (1949, 30) spricht von der ‚Sinnestranszendenz‘“ (Buck 1989, 62f.).

In der Lektüre deute ich mein Deuten in der Vignette. Deuten bedeutet jedoch nicht erklären oder begreifen, es bedeutet eher verstehen und auslegen, in eine Richtung zeigen, in etwas Offenes, das ich verschieden ausfüllen kann. Lektüren sind in diesem Sinne auch Positionierungen und Abgrenzungen von anderen Zugängen.

„Die Lektüre faltet die Vignette auseinander, führt […] zu einem staunenden Weiterschreiben darüber, was nicht gesehen oder übersehen wurde. Im Sinne Husserls (1993, 78) ist dies ‚das Merklichsein selbst‘ oder die Antwort auf eine ‚spezifische Affektion auf das Ich‘. In der Lektüre, die sich auf Referenzen stützt und diese deutlich macht, kommt immer mehr zum Vorschein als die Vignette scheinbar beinhaltet. Waldenfels (2000, 70) sagt: ‚Wir sehen immer mehr, als das was wir sehen‘ und Polanyi (1985, 14) hält fest: ‚Ich werde das menschliche Erkennen ausgehend von der Tatsache betrachten, dass wir mehr wissen, als wir zu sagen wissen‘ (Polanyi 1985, 14)“ (Baur & Schratz 2015, 171).

Lektüren sind wie Erkundungen, zu denen man durch das Lesen von Vignetten gedrängt und angehalten wird. Diese Erkundungen sind wie Wege, die man in eine Landkarte mit noch vielen weißen Flecken zeichnet, indem man diese Wege erfindet aus dem Mehr an Wissen, das sich nicht sofort erschließt. Aber jeder Weg ist wie eine Reduktion. Er schließt andere Wege aus, ist wie eine Entscheidung, eine Auswahl, die nicht nicht getroffen werden kann. Diese Erkundung geht aus von einer verdichteten Erfahrung in der Vignette, von einem oder mehreren Phänomenen, von denen man affiziert wird, und bewegt sich rekursiv auf dem Hintergrund der eigenen lebensweltlichen Erfahrungen in einem unbekannten Land, das erst durch das Einzeichnen erster Wege und das Anbringen von Wegweisern (theoretische Referenzen und Hinweise) lesbar wird, und zwar nicht als etwas Abschließendes, sondern als eine Leseart unter vielen möglichen.

Jedes Buch sollte ein Ziel, eine Aufgabe und Ansprechpartner/innen haben. Wir wollen es mit einer Anleihe bei Meyer-Drawe (1987a) unter das Motto „Die Belehrbarkeit des Lehrenden durch den Lernenden“ stellen und dieses Motto durch ein Zitat erschließen:

„Jenseits des Scheinalternativen von Kollektivität und Individualität, von ‚Führen‘ und ‚Wachsenlassen‘, von Geregeltem und Ungeregeltem zeigt sich in der Belehrbarkeit des Lehrenden durch den Lernenden sein Respekt vor der Andersheit des Lernenden, seine Offenheit für die andere Sichtweise mit deren Grenzen und Möglichkeiten, wie sie uns im sokratischen Fragen vorbildlich vor Augen geführt wird. Unsere Überlegungen zur Belehrbarkeit des Lehrenden durch den Lernenden sollten die Selbstverständlichkeit des Primats des Pädagogischen Bezugs in der Weise in Frage stellen, dass sie den Lernenden als Mit-Subjekt, als Mit-Konstituierenden im Erziehungs- und Unterrichtsgeschehen sehen lassen. Der Lernende sieht nicht nichts, er sieht aber auch nicht alles, er sieht die Dinge anders. Diese andere Sicht der Dinge wiederzugewinnen, ist eine schwierige und unabschließbare Aufgabe auf allen Stufen des Lehrens“ (ebd., 72).

Sind die Vignetten und Lektüren in diesem Buch, sind die Auszüge aus Interviews und Gruppengesprächen darüber, was Schüler/innen von ihrem Lernen erzählen, nicht auch Explorationen in die eigenen Erfahrungswelten? Leser/innen können so in einer Art reflektierenden Rückblende auf ihre eigenen Erfahrungen rückgewiesen werden, wenn sie es zulassen, und diese mit Blick auf die Zukunft bearbeiten. Wenn allerdings die bisherigen Erfahrungen zu festen Meinungen erstarrt sind, wenn das Denken erstarrt ist, dann wird die Wahrnehmung zugeplombt und neue andere Erfahrungen werden verunmöglicht. Der besondere Wert von Irritationen und möglichen Widerfahrnissen liegt eben gerade darin, Verhärtungen aufbrechen zu können. Widerfahrnisse sind wie Frakturen, die ein Dazwischen eröffnen, einen Spalt zwischen festgefahrenen Meinungen, Routinehandlungen, Theorien und Verfahren und dem Unerwarteten, dem erst Vorgedachten, als mögliche neue Erfahrungsperspektiven im unaufhebbaren Spannungsfeld zwischen pädagogischer Praxis, dem Partikulären, und pädagogischer Theorie, dem Allgemeinen. So kann die lernseitige Sichtweise eine neue, balancierende Perspektive – jenseits von Diagrammen, die Empirie dort suggerieren, wo sie eigentlich gar nicht möglich ist – nämlich beim Lernen der Schüler/innen eröffnen und als Ergänzung, vielleicht auch Neubegründung der didaktischen Diskussion, wertvolle Beiträge leisten.

Dies war schon August Hermann Niemeyer bekannt, als er 1796 sein Buch „Grundsätze der Erziehung und des Unterrichtes“ verfasste, eines der ersten Lehrbücher der Pädagogik. Sein pädagogisches Prinzip war die Eklektik und sein Kriterium für die Auswahl die Erfahrung. In einem Beitrag für die „Zeitschrift für Pädagogik“ führt Zierer aus, dass „eklektisches Vorgehen notwendige Kompetenz in der Handhabung pädagogischen Wissens (ist)“ (ebd., 933) und er paraphrasiert Schwab (1978), wenn er schreibt, dass „erstens Theorie ihrem Anspruch nach immer durch Generalität ausgezeichnet (ist), wohingegen Praxis durch Partikularität bestimmt ist. Zweitens wird eine Theorie durch erziehungswissenschaftliche Forschung gewonnen, die jedoch mit Blick auf den Untersuchungsgegenstand und die eingenommene Perspektive begrenzt ist“ (ebd., 323). Insofern ist jede erziehungswissenschaftliche Theorie durch Generalität, aber auch durch Begrenztheit charakterisiert. „Keine Theorie (zumindest im pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Bereich; A. d. A.) kann Allgemeingültigkeit für sich erheben, vielmehr ist sie stets durch weitere Theorien ergänzbar. Und keine Theorie kann Eins zu Eins in die Praxis übertragen werden, da sich beide auf unterschiedlichen Ebenen befinden, verschiedene Weltbezüge haben“ (Zierer 2009, 932).

Wissenschaftliche Verantwortliche der Studie: Univ.-Prof. Dr. Michael Schratz – Universität Innsbruck: School of Education und Prof. Dr. Siegfried Baur – Freie Universität Bozen (Koordinator des Projektes).

Träger und Mitkoordinator des Projektes: Insp. Dr. Rudolf Meraner, Deutsches Bildungsressort Bozen, Bereich Innovation und Beratung.

Käte Meyer-Drawe

Über die Kunst des Erzählens

Vorwort

„Ich glaube zum Beispiel, wenn die Begegnung mit dem Konkreten das Ziel des Wissens ist, nun, dann müssen wir in gewisser Hinsicht die Kunst über die Wissenschaft stellen, insofern sie einen Ausdruck des konkreten Menschen erreicht, den die Wissenschaft nicht anstrebt.“

(Maurice Merleau-Ponty)

Walter Benjamin malt uns ein Denkbild über die „Kunst des Erzählens“. Hier kommt es für ihn insbesondere auf die Differenz von Information und Erzählung an. Die Information lebt davon, dass sie neu ist und dass sie sich gänzlich an den Augenblick ausliefert. Die Erzählung ist dagegen eine Kunst: Sie „verausgabt sich nicht“ (Benjamin 1980b, 437). „Es ist nämlich schon die halbe Kunst des Erzählens, eine Geschichte, indem man sie wiedergibt, von Erklärungen freizuhalten“ (ebd.). In seinen Erinnerungen an die Berliner Kindheit um Neunzehnhundert gibt er unter dem Titel „Zu spät gekommen“ ein Beispiel: „Die Uhr im Schulhof sah beschädigt aus durch meine Schuld. Sie stand auf ‚zu spät‘. Und auf den Flur drang aus den Klassentüren, die ich streifte, Murmeln von geheimer Beratung. Lehrer und Schüler dahinter waren Freund. Oder alles schwieg still, als erwarte man einen. Unhörbar rührte ich die Klinke an. Die Sonne tränkte den Flecken, wo ich stand. So schändete ich meinen grünen Tag und öffnete. Niemand schien mich zu kennen. Wie der Teufel den Schatten des Peter Schlemihl, hatte der Lehrer mir meinen Namen bei Beginn der Stunde einbehalten. Ich sollte nicht mehr an die Reihe kommen. Leise schaffte ich mit bis Glockenschlag. Aber es war kein Segen dabei“ (Benjamin 1980a, 247). Kein Zweifel kann darüber herrschen, dass es sich hier nicht um wahrheitsfähige Aussagen oder um einen Bericht handelt. In dieser Erzählung geht es nicht um richtig oder falsch und nicht um „logische Präzision“, sondern um „ästhetische Prägnanz“ (vgl. Gabriel 2010). Der Erzähler informiert uns nicht über Fakten, sondern malt ein Sprachbild voller Wahrnehmungen und Empfindungen. Schuld beschädigt hier die Uhr im Schulhof, nicht der Steinwurf. Gnadenlos verkündet sie das Urteil „zu spät“. Die anderen, jene in den Klassenräumen, verbünden sich für den buchstäblich Außenstehenden zu Freunden, die sich untereinander beraten. Auch ein Warten ist zu spüren, das Gefühl, dass einer fehlt. Doch als dieser sich beinahe unhörbar unter die Anwesenden reihen will, ist es, als ob ihn keiner kenne, obwohl er im Scheinwerferlicht der Sonne steht. Wieder ist von Schande die Rede, obwohl noch kein einziges Wort der Ermahnung gefallen ist. Namenlos, unsichtbar wird der Zuspätkommende verachtet. Er ist keines Blickes würdig. Noch nicht einmal ein Tadel bestätigt ihn in seiner Anwesenheit für andere. Vor unseren Augen spielt sich das „Drama eines übersehenen Kindes“ ab (vgl. Peterlini H. K. in diesem Buch).

Auch wenn wir die Bilder im Einzelnen nicht verstehen oder deuten müssen, diese erzählte Erinnerung fängt eine Situation ein, die wir vielleicht kennen, die auch wir so erfahren haben könnten. Von wissenschaftlicher Erkenntnis ist nicht die Rede. Die Situation wird nicht erklärt. Sie appelliert an unsere sinnlichen Wahrnehmungen und Gefühle. Sie zeigt im Besonderen des zu spät kommenden Schülers auf das Allgemeine der Verfehlung und ihrer Folgen. Viele, die diese Erzählung lesen, werden bei ihren Erinnerungen gefasst. Es ist zwar unwahrscheinlich, dass es die gleichen sind. Aber es gibt Verwandtschaftsbeziehungen. Dabei herrscht ein Verstehen, das nicht in ein mitteilbares Wissen mündet (vgl. Gabriel 1990, 10). Eine gelungene Erzählung ermöglicht die Teilnahme an Stimmungen und Handlungen in unserer Abwesenheit. Sie gestattet es, als eigene Erfahrung zu verarbeiten, was man selbst nicht erlebt hat (vgl. Gelhard 2013, 107). Das Vielsagende steht im Vordergrund, in das man lesend eintauchen kann. Was vom Standpunkt einer Definition als bloße Verworrenheit und aus dem Blickwinkel einer propositionalen Aussage als ungenau erscheint, erweist sich in der Hinsicht einer literarischen Erzählung als mehrdeutig, als vielsagend, insgesamt nicht als Mangel, sondern als Überschuss, als Reichtum an Bedeutung. In Wortbildern werden Gefühle gemalt, die weit über das Private hinausgehen. Erzählungen sind bedeutungsschwanger, prägnant.

In diesem Sinne sind auch Vignetten, wie sie in diesem Band versammelt sind, Narrationen. Sie widmen sich den Lernerfahrungen anderer. Sie informieren uns nicht über Tatbestände. Sie suchen nicht nach Definitionen, die sie auch angesichts der Brüchigkeit konkreter Situationen nur auf Kosten eines vielsagenden Kontextes finden könnten. Vignetten werden aus der Perspektive dessen geschrieben, der mit erfahren möchte, was er gerade nicht selbst erlebt. Es geht um die Erfahrungen von Lernenden, wie sie in der Erfahrung der Vignettenschreiber/innen gegeben sind. Die Brixener Vignettenforschung folgt hier dem Innsbrucker Konzept (vgl. Meyer-Drawe 2012a).

Im vorliegenden Buch lernen wir das fruchtbare Zusammenspiel von Vignetten und Lektüren kennen. Vignetten erklären nicht. Sie verausgaben sich nicht. Lektüren dagegen suchen nach Begründungen, aber ebenfalls – und das unterscheidet auch sie von bloßen Informationen – nach Möglichkeiten. So zeigt die Gastlektüre von Stephanie Risse, was man alles aus Schüleräußerungen machen kann, wenn man einen festen Stand in der Sache hat. Grammatik, so wird deutlich, ist eine produktive Möglichkeit zu sagen, was man meint. Vignetten werden daher unter dem Blick eines reichen Wissens redselig, ohne dass sie jemals auszulesen sind. „Vignetten können uns darauf aufmerksam machen, dass Menschen als ‚Erfahrungstiere‘ […] stets mehr tun, als lediglich neutrale Fensterblicke auf eine unbewegliche und wohlgeordnete Wirklichkeit zu werfen. […] Lektüre ist, vereinfacht ausgedrückt, der Versuch zu verstehen, was sich zwischen Menschen und Welt, Wahrnehmenden und Wahrgenommenen ereignet.“ „Während sich das Schreiben der Vignette am Konzept des Beispiel-Gebens orientiert, richtet sich die Lektüre einer Vignette am Beispiel-Verstehen aus“ (Agostini in diesem Buch).

Es ist eine besondere Herausforderung, die Bedeutung der vorreflexiven Verflochtenheit der Lernenden mit ihrer Welt für das Unterrichtsgeschehen empirisch aufzuweisen. Ein Schwerpunkt der Brixener Vignettenforschung liegt deshalb darin, unterrichtliche Interaktionen nicht auf das gesagte Wort zu reduzieren, sondern die gelebte Zwischenleiblichkeit zu berücksichtigen, und zwar derart, wie sie sich in den Erfahrungen der Vignettenverfasser/innen zeigt. So ist von „leuchtenden Augen“ und „breitem Lächeln“ oder von einem „erwartungsvollen Blick“ zu lesen. Ob man etwa von Blicken, Starren, Sehen oder Wegschauen spricht, alle Male handelt es sich um andere Situationen mit anderen Verweisungen. Die Aufmerksamkeit der Erzählung gilt fortwährend dem tatsächlichen Handeln von Lernenden, das oft im Schatten des Leistungs- sowie Zeitdrucks blüht oder verkümmert und ungemein schwer in Worte zu fassen ist. Auch Lehrende kommen als Lernende in den Blick, etwa Frau Alessi (in diesem Buch), die sich angesichts der Übermacht der Argumente ihrer Schüler/innen geschlagen geben muss.

Es hat sich binnen kurzer Zeit eingebürgert, im erziehungswissenschaftlichen Diskurs erzählte pädagogische Erfahrungen als Vignetten zu bezeichnen. Wie ein Zitat soll die Vignette Aussagen belegen und damit auf Wahrheitsansprüche reagieren sowie die Lesenden von ihnen überzeugen. Eine solch unspezifische Verwendungsweise wird dem Brixener Forschungsansatz nicht gerecht. Die Vignette ist nicht lediglich eine nachgetragene Veranschaulichung einer Beobachtung, die es auch ohne sie gibt. Vignetten sind sprachliche Gestaltungen konkreter, sinnlicher Erfahrungen. Die Vignettenschreiber/innen können die Unterrichtssituation nicht einfach protokollieren. Ihr Blick bleibt an einem bestimmten Verhalten hängen. Ihr Ohr öffnet sich den Stimmen, z. B. ihrer „mechanisch-abgehackten und knarzenden Sprechart“ (Baur in diesem Buch). Ihre Worte nehmen eine Artikulation der Situation auf. Ansonsten verfehlen sie ihre Aufgabe. Schließlich entsteht jeweils ein bestimmtes Bild vor Augen. So kann ein Blick ruhen, aber auch umherschweifen. Es gibt verlorene Blicke, klebende, flackernde. Blicke können erwidert werden, sich kreuzen. Sie können voller Bitterkeit sein, zum Schweigen bringen. Die Klasse kann still sein oder verstummen. Ein Schweigen kann drückend sein. Ein Verstummen ist meistens jäh. Stets ändern sich die Szenen. Deutlich kann „das implizite, hintergründige, noch nicht ins Bewusstsein getretene Wissen durch den kerzengerade aufgerichteten Oberkörper in das Blickfeld“ geraten (Baur in diesem Buch).

Vignetten verhindern, falls ihnen die Verdichtung gelungen ist, eine unmittelbare Interpretation. Weil wir stets mehr gesehen haben und wissen, als wir sagen können, erzeugen wir im Vignettenschreiben unbemerkt Überschüsse für die Lesenden. Dieses Surplus kann dazu führen, dass man in die Vignette hineingezogen wird, sie gleichsam von innen erlebt, ohne Zeuge des Unterrichtsgeschehens gewesen zu sein. Von gelungenen Vignetten wird unsere leibliche Responsivität angesprochen. Wir rekonstruieren nicht nur sprachliche Aussagen. Wir können etwa die Enttäuschung des zu Unrecht abgekanzelten Schülers empfinden, seine Sorgfalt bewundern, die der Aufmerksamkeit der Lehrerin entgeht, oder uns durch das Strahlen des Erfolgreichen anstecken lassen. Damit haben Vignetten einen zündenden Effekt. Diese Einstellung zur Vignette, die sie nicht am Maßstab begrifflicher Präzision und Generalisierung scheitern lässt, ermöglicht uns, ihren Reichtum auszuschöpfen. Die Vignette hat eine Genauigkeit eigener Art. Sie ist nicht präzis im Sinne definitorischer Ansprüche. Sie ist prägnant, d. h. „trächtig“. Sie begrenzt nicht, sondern verführt durch Üppigkeit, welche die bändigende Macht der Sprache in Erinnerung hält. „Weil die Handelnden nie ganz genau wissen, was sie tun, hat ihr Tun mehr Sinn, als sie selbst wissen“ (Bourdieu 1987, 127). Dieser Sinn kann sich dem anderen anbieten, ihn aufzugreifen, an ihn anzuknüpfen.

Insbesondere die Phänomenologie von Maurice Merleau-Ponty bietet der Vignettenforschung viele Anregungen und Blick- sowie Hörschulungen (vgl. Agostini und Peterlini H. K. in diesem Buch). Seine Philosophie war vor allem aufgrund seines literarischen Stils zu seiner Zeit sehr umstritten. Erkenntnis sei nach vorherrschender Auffassung nur aus wahrheitsfähigen Aussagen zu gewinnen. Merleau-Ponty verteidigt dagegen eine sinnliche Erkenntnis, welche die wissenschaftliche nicht bestreitet, sondern ergänzt. Sein Versuch, die Engführungen der rationalistischen Tradition zugunsten einer Vielfalt von Erkenntnismöglichkeiten aufzuheben, stellte ihn vor das nicht unerhebliche Problem, auf eine Sprache angewiesen zu sein, die das, was in Zweifel gezogen wird, permanent beglaubigt. Einen Ausweg bieten Sprachbilder, die nicht in Begriffe zu übersetzen sind. Deshalb wirft Émile Bréhier ihm einmal vor: „Ich sehe, dass Ihre Vorstellungen sich eher durch den Roman oder die Malerei als durch die Philosophie ausdrücken lassen. Ihre Philosophie führt zum Roman“ (Merleau-Ponty 2003, 59f.). Diesem Vorwurf sieht sich auch die Vignettenforschung ausgesetzt, wenn man sie mit anderen empirischen Forschungsmethoden vergleicht. Richtig daran ist, dass sich Merleau-Pontys Verständnis von Philosophie und damit auch Vignetten als literarische Form der Kunst nähern. „Die phänomenologische Welt ist nicht Auslegung eines vorgängigen Seins, sondern Gründung des Seins; die Philosophie nicht Reflex einer vorgängigen Wahrheit, sondern, der Kunst gleich, Realisierung von Wahrheit“ (Merleau-Ponty 1966, 17). Problematisch ist es jedoch, der literarischen Form abzusprechen, zu Erkenntnissen führen zu können. Man kann den Kummer einer Schülerin oder die Begeisterung eines Schülers erkennen, ohne mit Sicherheit zu wissen, was der Fall ist. Eine Rückkehr zum Unmittelbaren ist unmöglich. Das Schweigen der „sozusagen noch stumme[n] Erfahrung“ (Husserl 1977, 40) ist nicht vollständig zu brechen. Vignetten führen deshalb an keinen letzten Anfang und bilden keine Wirklichkeit ab. Sie brechen ein Schweigen des stillen Einvernehmens mit der Welt, in dem wir uns alltäglich aufhalten. Dieser Bruch ist der Preis, den jedes Verstehen zahlt.

Sprache ist kein Ersatz der gelebten Welt, auch keine Verdoppelung, in der sich Zeichen und Bezeichnetes entgegenkommen. Sprache ist tätig, nämlich als jene Sprache, „die sich selbst nur von innen her und durch die Praxis kennenlernt, sie ist offen für die Dinge, aufgerufen von den Stimmen des Schweigens und führt einen Artikulationsversuch fort, der das Sein eines jeden Seienden ist“ (Merleau-Ponty 2004, 168). Jedes Verstehen profitiert von der Lebendigkeit des Vollzugs, der weder eine völlig transparente Welt noch ein unantastbares Bewusstsein kennt. Als leibliche Wesen stehen wir in Beziehung zu unserer Welt, die ihre Existenz nicht nur unserer Initiative verdankt. In der Versagung einer letzten Verschmelzung entspringt unsere Möglichkeit, unsere Welt zu gestalten und sie nicht nur hinzunehmen oder in einem „überfliegenden Denken“ (ebd. 2004, 103) zu ignorieren. Unser Wahrnehmen und Sprechen schlagen sich an den Dingen nieder. In dieser Brechung sind sie uns zugänglich. Jenseits dieser Matrix breitet sich die Nacht der Identität aus, die jede Artikulation unmöglich macht. Sprache leiht sich ihren Sinn nicht lediglich vom Denken. Sie selbst verleiht Sinn, der sich gerade dann bemerkbar macht, wenn er am Sprechen scheitert. Vignettenschreiber/innen blinzeln zu den glücklichen Schriftsteller/innen, die sich nicht „mit der Leidenschaft der Sprache [aufhalten], die unter dem Zwang steht, alles zu sagen, wenn man etwas sagen will. Sie richten sich glücklich im Schatten dieses großen Baumes ein, sie setzen mit lauter Stimme den inneren Monolog fort, ihr Denken keimt in den Worten, sie werden verstanden, ohne sich darum gekümmert zu haben, sie machen sich zu Anderen, indem sie ihr Eigenstes ausdrücken. […] sie überqueren Schneebrücken, ohne zu sehen, wie zerbrechlich diese sind […]“ (Merleau-Ponty 1993, 160). Sie unterscheiden sich von diesen, weil sie die Schneebrücken nicht glücklich überqueren und weil sie sich darum kümmern, verstanden zu werden. Dass Erfahrungen nur erzählt werden können und dass dabei Erfahrung und das, wovon die Rede ist, niemals zusammenfallen, bedeutet eine Not, die Möglichkeiten freigibt. Die Versagung der unmittelbaren Erfahrung erinnert daran, dass Vignetten nicht mit der Wirklichkeit verschmelzen. Ihre Autorinnen und Autoren blicken und fühlen aus ihrem Winkel, den sie jedoch überschreiten, indem sie ihren Erfahrungen Ausdruck verleihen. „So wie die Forschenden ‚affiziert‘ vom Geschehen sind, ist das, was sich ihnen zeigt, ‚infiziert‘ von all dem, was sie in die Forschung mitbringen, was sie überhaupt zu Forschenden werden ließ, was sie bewegt, was sie berührt, was sie wütend macht, was sie traurig macht, was ihr Herz vor Freude springen lässt. All dies lässt sich nur zu einem Teil vor sich selbst, geschweige denn gegenüber anderen transparent machen, ablegen lässt es sich gar nicht oder kaum“ (Peterlini H. K. in diesem Buch).

Hans Karl Peterlini

Fenster zum Lernen

Forschungserfahrungen im Unterrichtsgeschehen – Einführung und Einblicke in die Suche nach einem neuen Verständnis von Lernen

Frau Galvan schreibt gerade Wörter an die Tafel, da springt Gilbert, der am Fenster sitzt, aufgeregt in die Höhe. „Frau Lehrerin“, deutet er hinaus, „was ist das für ein Vogel?“ Frau Galvan zögert, dann geht sie zum Fenster: „Eine Elster … ein bissl zerzaust“, sagt sie. „Da ist noch eine“, ruft Gilbert. „Ja“, lächelt Frau Galvan, „die sind gern zu mehreren.“ Gilbert strahlt: „Ich habe beobachtet, die kommen immer um 12.“ (BG2S7)

Lernen ist in gegenwärtigen Bildungsdiskursen ein ebenso klangvoller wie strapazierter Begriff: als fast schon bedrohlich gewordenes Pflichtprogramm für „lebenslanges Lernen“ (vgl. Europäische Kommission 1995, OECD 1996), um den sich rasch wandelnden Erfordernissen des modernen Lebens und globalisierten Arbeitsmarktes gerecht zu werden; als Verheißung von Emanzipation und Selbstverwirklichung in der Gleichsetzung „Lernen ist Leben“ (Peterlini H. K. 2012a), das in einem verkürzten Verständnis, wie Käte Meyer-Drawe (vgl. 2012b, 133) kritisch anmerkt, nur einer stimulierenden Animation bedürfe und „gleichsam nebenher im Sinne einer unvermeidlichen Begleiterscheinung jeden Lebens“ (ebd., 17) geschehe; dann wieder enggefasst als Leistungssoll, an dem nicht nur die immer schon testerprobten Schülerinnen und Schüler, sondern auch ihre Lehrkräfte und Schulen, ja ganze bildungspolitische Systeme und Staatsgemeinschaften gemessen werden (vgl. Weinert 2001). So schlägt die Wünschelrute um das Lernen verwirrend aus, zwischen dem Druck von Notenzwang, Leistungstest und lebenslänglicher Zertifizierungsnot einerseits und dem Glücksversprechen eines Lernens andererseits, das im intrinsisch befeuerten Gehirn fast von alleine abläuft, wenn es nur von Schulstress, Anstrengung, elterlichem und gesellschaftlichem Druck entlastet wäre (vgl. u. a. Elschenbroich 2002; Stern & Plorin 2013).

Eine solche euphorische Aufmerksamkeit hatte Lernen nicht immer. Wiewohl seit der Antike Gegenstand intensiver poetischer, philosophischer, theologischer Exploration, später psychologischer und jüngst neurowissenschaftlicher Befassung stand und steht Lernen oft im Schatten des Lehrens und Bildens (vgl. Meyer-Drawe 2012b, 18ff.), in aktuellen Diskursen zusätzlich überlagert vom allseits sprießenden Kompetenzbegriff (vgl. Schratz 2012, 17). Auch darin schimmert der immer aufs Neue tradierte Glaube an die Machbarkeit von Lehren mittels didaktischer Techniken und bestmöglicher schulischer Arrangements durch (vgl. ebd.), für Terhart „eine der Ersatzreligionen der säkularen Moderne“ (2006, 87). Von der Philosophie der Aufklärung inspiriert, hat die pädagogische Reflexion das Lernen in das Innere eines zu erziehenden Subjektes verpflanzt, das durch pädagogische Intervention aufgrund seiner Bildsamkeit zum Guten geführt werden kann, aber auch durch Zwang von seinen Schwächen befreit werden muss (vgl. u. a. Rutschky 2001; Glantschnig 1987; Rathmayr 2012, 89f.).

Dass die lernenden Subjekte in der damit beginnenden Geschichte einer Schule für möglichst alle (vgl. Blankertz 1982, 28f.) auch den Erfordernissen veränderter gesellschaftlicher und ökonomischer Bedingungen angepasst werden sollten (vgl. Ribolits 1997, 19), haftet als wohl unaufhebbare Ambivalenz zwischen Erziehung als Anpassung und Erziehung zur Mündigkeit den noch so unterschiedlichen Bildungskonzeptionen der Gegenwart an. Die Diskrepanz zwischen Bildung als Befreiungshoffnung und ihrer Funktionalisierung prägt nach Ribolits nicht nur die dunklen, sprich schwarzen Seiten der Pädagogik (vgl. Rutschky 2001), sondern auf subtile Weise auch deren Überwindung in der gegenwärtigen Lernindustrie (frei nach Horkheimers & Adornos Kulturindustrie, 1969). Mit dem Versprechen von Selbstverwirklichung durch lebenslanges Lernen wird demnach nicht mehr nur die rudimentäre Arbeitskraft, sondern die gesamte Kreativität eines Menschen in den Dienst seiner Verwertbarkeit genommen (vgl. Ribolits 2009, 26).

In einem solchen Zuschnitt von Bildung ist auch das Lernen vorrangig den zu erreichenden Zielen und den zielführenden Techniken untergeordnet, die es bewerkstelligen sollen. Ob mehr oder weniger freundlich, schüler- und kundenorientiert oder lehrseits verordnet, ob durch Drill oder Selbstzwang, hartem Training oder freundlicher Animation – im Blickfeld steht Lernen als steuerbares Mittel zu einem vorgegebenen Zweck. So wie u. a. psychologische Modelle das Lernen präzise nach den sechs oder sieben Sinnen ordnen, in Phasen einteilen oder als kognitiven Prozess entzaubern, macht die kunterbunt entfesselte Dienstleistungsbranche Lehrende zu Coachs, Schulen zu Agenturen, Weiterbildungsorganisationen zu Begleitservices eines alles ermöglichenden Lernens, das von emanzipierten Lerner/innen selbst gestaltet und verwaltet wird (vgl. Peterlini H. K. 2012,167ff.). Am Ende des Fließbandes einer derart intensivierten Produktion des Lernens steht die Output-Messung (vgl. Merkens 2006, 24), was nun in welcher Qualität und zu welchem – persönlichen, sozialen oder volkswirtschaftlichen – Vorteil gelernt wurde: „Dem Prozess selbst, in dem Lernen sich vollzieht, ist demgegenüber […] weniger Aufmerksamkeit geschenkt worden“ (ebd.).

Wie Kinder, Jugendliche, Schülerinnen und Schüler, Erwachsene lernen, wird paradoxerweise vorrangig von der Frage aus betrachtet, wie sie gelehrt werden sollten. So strahlt der Leitsatz des Comenius, dass „allen alles allseitig gelehrt“ werden sollte (zit. nach Fauth 2006, 156), weit über das „Jahrhundert der Pädagogik“ hinaus. Dieser Anspruch aber setzt voraus, dass Lernen – wenn auch zu steigenden Preisen und mit immer raffinierteren Methoden, Kniffen, Skills, in immer diversifizierteren Settings – letztlich doch arrangierbar und lehrbar ist. Der ungebrochene Glaube in die Allmacht des Lehrens (vgl. Baur & Larcher 2011, 164f.) als Machbarkeit des Lernens ist dabei freilich nur die Kehrseite der vielfach erfahrenen Ohnmacht von Lehrenden und Lernenden, die in Luhmanns Befund vom „Technologiedefizit der Erziehung und Pädagogik“ (Luhmann & Schorr 1982) in desillusionierend nüchterner Sprache zum Ausdruck kommt.

Momente von Ohnmacht im Lernen und dem Aufblitzen von dem, was Lernen sein kann, wechseln sich auch in den Erfahrungsberichten aus dem Forschungsprojekt ab, das mit dieser Publikation dargelegt wird und damit auch Rechenschaft ablegt. In je zwei mal drei Besuchstagen an 16 Mittelschulen in Südtirol haben sechs Forscher/innen im Rahmen des Projektes „Personale Bildungsprozesse in heterogenen Lerngruppen“ versucht, so unbefangen wie möglich das Geschehen im Unterricht auf sich wirken zu lassen. In der phänomenologischen Haltung, eigene Vorannahmen möglichst einzuklammern und sich in einer offenen Haltung von dem affizieren zu lassen, was sich zeigt, sind dichte Beschreibungen von „gelebten Erfahrungen“ (Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter 2012, 17) entstanden. Zusätzlich zu diesen „Vignetten“ aus der Praxisforschung (ebd.) wurden Interviews mit Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften, Schulführungskräften und Eltern geführt. Sie werden in einem eigenen Kapitel dieser Publikation auf die darin zum Ausdruck kommenden Vorstellungen untersucht: was Lernen sein kann, wozu es dient und in den Dienst genommen wird, was dem Lernen helfen kann, was es möglicherweise auch behindert oder erschwert, in welchem Rahmen es – bezogen auf Schule – stattfindet oder auch nicht, scheinbar nach Plan oder anders als erwartet und didaktisch angeleitet.

Die Forschungshaltung im Unterrichtsgeschehen selbst, in medias res, ist durch das Bemühen um Nähe zum Kind (vgl. ebd.) gekennzeichnet. Diese Zuwendung zum Lernen, die teilweise auch eine Abwendung vom Lehren bedeutet und sich eines evaluatorischen Blicks bewusst enthält, schafft jene Nähe, die Affizierung ermöglicht. Nicht der kritische und distanzierte Blick auf das Kind, auf das Unterrichtsgeschehen, auf die Lehrkraft, auf die Lernergebnisse, sondern das Sich-Einlassen auf das, was geschieht und sich im Raum vollzieht, ermöglicht jenes Miterfahren von Erfahrungen, das sich – in dem hier vorgestellten Forschungsverständnis – von teilweise auch nahen oder verwandten Methoden unterscheidet. Schon Beekman hat auf der Grundlage seiner Arbeit mit Kindern anstelle von teilnehmender Beobachtung das Konzept einer teilnehmenden Erfahrung (1987, 16) bevorzugt, als eine „sich befremden lassende Grundhaltung“ (Stieve 2010, 27).

Mit den subtilen, oft schwer nachvollziehbaren Abgrenzungen zwischen hermeneutischen und phänomenologischen Ansätzen (vgl. Meyer-Drawe 2003, 511) soll kein Anspruch auf höhere Wertigkeit oder „umfassende“ Gültigkeit der dadurch gewonnenen Daten erhoben werden. Die Betonung, dass es sich bei den Verdichtungen von Unterrichtsgeschehen in der Vignette – in einer neuerlichen Weiterentwicklung von Beekmans Begriff – um miterfahrene Erfahrungen handelt, verweist im Gegenteil auf eine zurückgenommene Wahrheitsbehauptung. Was die Schülerin, der Schüler in den zur prägnanten Erzählung (vgl. Meyer-Drawe 2012a 14) verdichteten Momenten wirklich erlebt, erfährt und lernt, können wir nicht wissen. Es würde sich auch nicht durch Interviews mit den Schülerinnen und Schülern selbst und mit den Lehrkräften letztgültig entschlüsseln: Das beobachtete und in der Vignette beschriebene Geschehen muss weder den Kindern selbst noch den Lehrkräften besonders aufgefallen und bewusst sein. Erfahrungen entziehen sich, auch wenn in statu nascendi wahrgenommen, diesem sicheren Zugriff (vgl. Meyer-Drawe 2003, 509). Allein schon der Umstand, dass den Forschenden das eine auffällt und das andere nicht, dass ein Geschehen also in die Aufmerksamkeit gelangt, das andere nicht (vgl. Waldenfels 2004a, 67; vgl. Brinkmann 2012a), bedeutet eine intersubjektive Objektivierung und Mit-Strukturierung des wahrgenommenen Geschehens durch die Forschenden. Im Niederschreiben der miterfahrenen Erfahrung im Medium der Sprache wird diese noch einmal verändert: „Was sich zeigt, deckt sich niemals völlig mit dem, was darüber zu sagen ist“ (Waldenfels 2004a, 31). Die sprachliche Prägnanz der Vignette (Meyer-Drawe 2012a, 14) verweist, gemäß der Bedeutung des englischen pregnant, auf trächtig, schwanger im Sinne eines unausschöpflichen Bedeutungsüberschusses. Was sich zeigt, geht über das, was sich in Worte fassen lässt, hinaus.

Entgegen der Behauptung der Hirnforscher, dass sie „dem Gehirn beim Lernen zuschauen“ (Spitzer 2002, 165), beansprucht die phänomenologische Lernforschung nicht, das Lernen selbst in seiner reinen Form erkennen zu können. Es gehört für Meyer-Drawe mit Verweis auf Walter Benjamin (1980) zur „Struktureigentümlichkeit“ des Lernens, dass sich sein Vollzug „ins Dunkle zurückzieht“ (Meyer-Drawe 2003, 509). Mit dem Erlebnis, etwas gelernt zu haben, ist das Lernen selbst nicht mehr greifbar: „Nun kann ich gehen; gehen lernen nicht mehr“ (Benjamin 1980, 267, Herv. durch H. K. P.). Wohl aber bleiben Spuren zurück, die aufgenommen und abgesucht werden können (vgl. Buck 1989, 145). In der Husserl’schen Sprachregelung könnte man von Abschattungen sprechen (Husserl 2010b, 165), die in immer neuen Suchbewegungen erschlossen werden müssen, ohne je ganz fassbar zu sein.

Diese Spurensuche nach Phänomenen des Lernens ist in der hier dargelegten Unterrichtsforschung auf leibliche Äußerungen gerichtet, eben nicht in das Kind oder gar seinen Kopf hinein, sondern auf das, was sich sichtbar zeigt. In Anlehnung an die von Merleau-Ponty (u. a. 1966) begründete Leibphänomenologie – von Waldenfels (u. a. 2000) weitergeführt und von Meyer-Drawe (u. a. 2012) pädagogisch neu vertieft – achtet die „Vignettenforschung“ besonders „auf die Sprache des Leibes, auf die Verkörperung des Erfahrenen und Durchlebten“ (Schratz, Schwarz & Westfall-Greiter 2012, 36). Daraus entstehen die Anregungen zur Vignette, möglichst freigehalten von eigener Interpretation und vorschneller Zuschreibung: „Wir stellen dar, ohne zu deuten. Wir illustrieren und malen sprachliche Stimmungsbilder. Wir suchen nach Verben, die den Ton wiedergeben, in dem etwas gesagt wird, und den Klang, in dem es hörbar wird. […] Wir zeichnen die Blickrichtungen nach, die zwischen einer Sache und einer Person hin- und hergehen, verhelfen den Bewegungen, die ein Kind im Raum macht, zu sprachlichem Ausdruck. […] Wir prüfen die Wörter sorgfältig, die wir verwenden“ (ebd., 37).

Dies ist Möglichkeit und Begrenzung zugleich. Der Leib entzieht sich einer klaren Zuordnung zwischen „Ding“ und „Idee“ (Merleau-Ponty 2004, 199). Er ist einerseits unser Zugang zur Welt überhaupt und zugleich „inkarnierte Ambivalenz“ (Meyer-Drawe 2000, 105), für Waldenfels ein beseelter Körperan sich