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Inhalt

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

1.

Wo immer die Galeere des Piraten Uluch Ali auch auftauchte, erregte sie sofort Aufsehen. Das Aufsehen verwandelte sich jedoch schnell in Schreck und Entsetzen, denn wo Uluch persönlich erschien, da war immer gleich der Teufel los, und die Leute rannten entsetzt davon.

Sogar armselige Fischer zogen es vor, heimlich auszulaufen und zu verschwinden, wenn sie das Schiff sahen.

Dieser Statthalter der Türken war für seine Unberechenbarkeit bekannt, und so ging ihm jeder lieber aus dem Weg, als vielleicht doch auf der Galeere zu landen, falls ihm ein paar Sklaven fehlten.

Hier, in Ras-Skida war es nicht anders, als die Galeere in den Hafen einlief, gerudert von ein paar Dutzend Männern, denen vor Anstrengung bereits der Tod im Gesicht stand.

Der Mann, den die meisten in verehrungswürdigem Wahn als den „Erhabenen“ titulierten, war der Schrecken des Mittelmeeres schlechthin.

Seit einiger Zeit hatte er Rache geschworen, fürchterliche Rache an dem Seewolf und seinen Männern. Gejagt und gehetzt hatte er sie, bekämpft mit allen verfügbaren Mitteln, und trotzdem hatten ihm die Seewölfe eine Niederlage nach der anderen bereitet.

Von einer der erbärmlichsten Niederlagen wußte er noch nichts, die Botschaft erreichte ihn erst am späten Nachmittag.

Am elften Juni hatte Uluch Ali Tripolis an Bord dieser gerade einlaufenden Galeere verlassen, und jetzt war Ras-Skida erreicht. In jedem Hafen wurden die völlig erschöpften Galeerensklaven gewechselt, und dann ging es immer weiter.

Uluch Ali hatte Kamelreiter als Kuriere losgeschickt, mit dem Auftrag an Selim Shanoun, seinen Stellvertreter, das Mittelmeer abzuriegeln, um den Seewölfen den Weg zu verlegen.

Daraufhin war eine ganze Armada in See gegangen, die nach dem Seewolf Ausschau hielten und damit nach dem Flaggschiff des Uluch Ali, das der Seewolf gekapert hatte. Uluch wähnte diesen verhaßten Mann mit seiner Feluke auf Westkurs, aber inzwischen hatten sich einige Dinge ereignet von denen Uluch nichts wußte.

Jetzt nahm er die Sache persönlich in die Hand, um den Seewölfen eine ganz spezielle Sonderbehandlung angedeihen zu lassen. Nach seinem Plan war das kein schwieriges Unternehmen. Die Straße von Gibraltar, durch die die verhaßten Christenhunde hindurch mußten, wurde von starken Kampfverbänden abgeriegelt und das Iberische Meer in langen Suchstreifen gewissermaßen abgeharkt. Die Zinken dieser gewaltigen Harke kämmten alles ab, und diese Zinken würden die Seewölfe gleich Läusen herauskämmen.

So hatte Uluch Ali sich das vorgestellt. Er erwartete jetzt unverzüglich die ersten Meldungen, und da verließ er sich auf Selim Shanoun, der bereits mit zwölf Feluken unterwegs war, um die Seewölfe zu schnappen.

Zwölf Feluken gegen eine! Das waren insgesamt hundertachtzig wilde Schnapphähne und Piraten gegen sechs Männer und zwei halbwüchsige Jungen. Kein Zweifel, wer da der Sieger bleiben würde. Diese gewaltige Massierung mußte es schaffen, die Kerle lebend einzufangen, denn lebend wollte er sie, in jedem Fall lebend, denn er hatte eine ganze Menge mit ihnen vor, ehe sie nach schrecklichen Torturen ihr Leben aushauchen würden.

Uluch sah nach achtern zum Land hin. Dort stand der gewaltige Schlagmann der Galeere, ein ihm treu ergebener Hundesohn, der auch die Funktion des Henkers ausübte.

Er hatte eine kurzstriemige Peitsche in der Hand und schlug wahllos auf die Männer ein, die da herangetrieben wurden.

Frische, ausgeruhte Leute, Sklaven, die sich die Arme aus dem Leib rudern mußten und im übernächsten Hafen wieder durch neue ersetzt wurden. Auch weiße Sklaven waren dabei, die Uluchs Piraten gefangengenommen hatten.

Flüche und Gebrüll schallten herüber, als sich die Kolonne langsam auf die Pier zubewegte. Da knallten die Peitschen der Aufseher, da erhielt ein Mann einen harten Tritt, und ein anderer wurde vorwärtsgestoßen.

Die anderen, die abgeschlafft auf den Ruderbänken hockten, wurden von ihren Eisen losgekettet und fluchend nach oben gejagt. Die meisten konnten kaum noch gehen, so erschöpft waren sie.

Ein Mann hing tot in den Ketten, den Rücken zerschlagen, das Gesicht aufgedunsen, die Hände voller Blut.

„Er ist tot, Erhabener!“ rief ein glatzköpfiger Mann demütig nach oben.

Uluch Ali gab keine Antwort. Sein Gesicht war verkniffen, die Augen zwei schmale Schlitze, in denen es böse glomm.

Mit einer herrischen Bewegung seiner rechten Hand wies er aufs Hafenwasser. Dann fuhr sein Daumen nachdrücklich nach unten.

Der Tote wurde losgeschlossen. Zwei Kerle warfen die Leiche über Bord, die dicht neben der Galeere im Wasser versank.

Die anderen Rudersklaven waren so apathisch, daß sie nicht einmal den Kopf wandten, als der Tote ins Wasser klatschte.

Der Schlagmann trieb sie mit der Peitsche nach oben an Deck und scheuchte sie dann auf die Pier, wo die meisten erschöpft hinfielen.

Uluch Ali schien das alles nicht zu sehen. Er sah auch nicht die Gesichter der neuen Leute. Vor seinem Auge tauchte immer nur ein ganz bestimmtes Gesicht auf. Ein großer breitschultriger, schwarzhaariger Kerl mit langen Haaren, eisblauen Augen und einem verächtlichen Grinsen im Gesicht. Dieses Grinsen war es. So hatte er ihn angegrinst, kurz bevor er seine Flaggschiff-Feluke gekapert hatte. Und einen Streifschuß, der ihn für ein paar Stunden außer Gefecht setzte, hatte Uluch auch noch von den Seewölfen erhalten.

Seither beschäftigte ihn nur noch dieser Mann, und er hatte sich schon tausendmal vorgestellt, wie er sterben würde.

„Ich kriege dich noch“, murmelte er leise. „Dich und die andere verfluchte Gruppe auf der Sambuke. Ich habe noch jeden gekriegt, wenn ich ihn fassen wollte.“

Alis Schlagmann auf der Galeere überprüfte die Ketten, stieß jeden der Ruderer hart in die Bank und überwachte das Anketten. Wer ihn auch nur aus den Augenwinkeln anblickte oder laut hustete, dem zog er blitzschnell eins über.

Dieser Schlagmann hatte schon in Tripolis als Henker fungiert. Ali bevorzugte diesen Kerl, denn der führte jeden Befehl sorgfältig und mit einer inneren Zufriedenheit aus. Es bereitete ihm Spaß, andere zu demütigen, zu quälen und zu foltern.

Weitere Sklaven lüfteten inzwischen das Deck und pützten Seewasser in eine Balje, das in hohem Schwung über die Bänke gegossen wurde. In der Bilge sammelte sich das Wasser wieder, und der Geruch blieb derselbe wie zuvor auch.

Ein Melder hetzte keuchend heran, warf sich vor Uluch Ali auf die Knie und berichtete hastig.

„Selim Shanoun läuft ein, Erhabener.“

„Sehr gut“, sagte Uluch zufrieden. Er ging ein paar Yards über die Pier, bis er die Hafeneinfahrt besser erkennen konnte. Zum erstenmal seit langer Zeit zeigte sein Gesicht wieder einen zufriedenen Ausdruck. Die Feluken seines Stellvertreters waren also zurückgekehrt. Und natürlich hatten sie die verhaßten Christenhunde an Bord. Wenn auch nicht alle, aber einige hatten sie ganz sicher gefangen, und damit war der Seewolf erpreßbar, falls er sich nicht ohnehin unter den Gefangenen befand.

Uluch starrte hinaus aufs Meer, dabei wurde sein Gesicht immer länger, düsterer und finsterer. Er sah sich nach dem Kerl um, der ihm die Meldung überbracht hatte, konnte ihn jedoch nirgends entdecken.

Selim lief mit seinen Feluken ein! Was, zum Teufel, hatte der Kerl denn nur gefaselt? Selim verfügte über eine schlagkräftige Flotte. Aber das, was da mühsam genug heransegelte, waren eine lahme Ente und eine noch einigermaßen intakte Feluke.

Teufel noch mal, dachte er. Die hatten doch mit Selims Flotte nichts zu tun. Am liebsten hätte er diesem Melder in den Hintern getreten, so erbost war er über diesen falschen Alarm.

Gerade als er sich abwenden wollte, fiel ihm etwas auf, und er blickte genauer hin.

Das eine zerrupfte Huhn war tatsächlich Selims Feluke, das erkannte er an der kleinen geschnitzten Figur am Bug. Aber wie sah diese Feluke aus!

Der hintere Mast fehlte, ein Teil des Decks war aufgeplatzt, und das Schiff war so übel zugerichtet, daß Selim es gleich abwracken konnte, denn da war noch viel mehr kaputt, als er auf den ersten Blick sah.

Gerupft und flügellahm schlich es in den Hafen, begleitet von der anderen Feluke, die anscheinend nichts abgekriegt hatte.

Egal, dachte Uluch. Hauptsache, sie brachten ihm ein paar der verteufelten Kerle. An denen konnte er seine Wut dann gründlich auslassen.

Er ging wieder zurück und nahm seinen Platz auf der Galeere ein. Er hatte es nicht nötig, sich an die Pier zu stellen und Selim auszufragen. Der sollte gefälligst untertänigst selbst antanzen und Meldung erstatten.

Während er sich im Schatten niederließ, grübelte er darüber nach, weshalb sein Vertrauter nur mit zwei Feluken ausgelaufen war. Oder sollten die anderen doch noch unterwegs sein und die Seewölfe suchen?

Nein, das war unlogisch. Selim hatte sie selbst an Bord, und es hatte vermutlich einen harten Kampf gegeben, sonst wäre das Schiff nicht so zerrupft und mitgenommen gewesen.

Er spielte mit dem Gedanken, seinem Vertrauten Selim Shanoun eine besondere Vergünstigung zu gewähren. Hatte er den Seewolf persönlich an Bord, dann würde er ihn reich belohnen. Hatte er von seiner Crew ein paar Kerle, gab es natürlich auch eine Belohnung, das war sicher. Sie würde dann nicht ganz so hoch ausfallen, denn diesen schwarzen Teufel wollte er von allen am liebsten haben, um ihm all das zurückzuzahlen, was er ihm im Laufe seines Lebens angetan hatte. Jeden Schmerz kriegte er zurück, jede Narbe, die kleinste Demütigung und Beleidigung.

Die intakte Feluke legte zuerst an, dann schob sich Selims Schiff wie eine Bleiente daran vorbei und wurde vertäut.

Der alte Halunke hatte natürlich Uluchs Galeere längst gesehen, und so beeilte er sich, gleich von Bord zu springen und herüberzulaufen.

Uluch Ali empfing ihn sitzend unter dem Sonnensegel. Sein Gesicht drückte gierige Erwartung aus.

„Du bringst mir gute Nachrichten, mein Freund“, sagte Uluch. „Erzähle, ich höre dir zu. Du hast mit diesen Hunden gekämpft, und du hast sie erwischt. Berichte!“

Selims Vollmondgesicht war grauin grau. Nur die Pausbacken verfärbten sich knallrot, und der Blick seiner stechenden Augen senkte sich, als er vor dem sitzenden Uluch Ali stehenblieb.

„Ich fürchte, Herr, ich bringe schlechte Nachrichten.“

„Schlechte?“ fragte Ali mißtrauisch. „Was heißt das?“

Inzwischen hatten sich, in gebührendem Abstand, etliche Kerle eingefunden, die genauso erwartungsvoll waren wie Ali. Der Kapitän der Galeere stand etwas abseits. Neben ihm befanden sich der Schlagmann und ein riesiger dunkelhäutiger Kerl mit einem kleinen Zopf im Nacken.

„Was heißt das?“ wiederholte Ali etwas schriller, als noch immer keine Antwort von seinem Vertrauten erfolgte.

„Seht, o Herr“, sagte Selim tonlos und verneigte sich ehrfürchtig und mit angemessenem Respekt. „Wir stießen auf diese Kerle, aber wir liefen in eine Falle, in eine schreckliche Falle.“

Uluch saß mit steinernem Gesicht da, während sich Selim vor ihm wie ein kranker Wurm wand.

Uluch Ali schloß die Augen, während sich sein Gesicht immer mehr in die Länge zog und verfinsterte. Aus der Traum, dachte er. Selim hatte es nicht geschafft, die Kerle zu schnappen. Keinen einzigen hatte er an Bord, sonst hätte er ihn längst mit selbstgefälligem Lächeln präsentiert.

Seit Uluch Ali den Kopfstreifschuß erhalten hatte, litt er öfter unter starken Schmerzen. Sie kamen und gingen intervallartig, aber sie verschwanden nie ganz. Seitdem war er noch grantiger und unausstehlicher geworden. Jetzt zuckte ihm wieder einer dieser schnellen schmerzhaften Blitze durch den Schädel, und der Zorn jagte ihn hoch.

„Weiter!“ brüllte er. „Weiter! Verschweige nichts. Du hast versagt, du Jammerlappen!“

„Niemand konnte es ahnen, Herr“, verteidigte sich Selim. „Wir wußten, daß diese Hunde dein Flaggschiff hatten, und so suchten wir es, und wir fanden es auch. Wir alle wußten, daß an Bord dieser Affe war, und schließlich gelang es uns, das Flaggschiff zu stellen.“

„Mit wie vielen Schiffen?“

„Ich bin mit insgesamt zwölf Feluken ausgelaufen, Herr.“

„Weiter!“ Diesmal war Alis Stimme am Überkippen, und ein hysterischer kreischender Ton war darin.

„Es waren keine Seewölfe an Bord, Herr, und auch kein Affe. Wir fielen auf eine Kriegslist herein. Man hat uns einen Köder hingehalten. An Deck deines Schiffes, Herr, tauchten plötzlich spanische Seesoldaten auf. Es waren so viele, daß man sie nicht mehr zählen konnte, und sie nahmen uns sofort unter Feuer.“

„Keine Seewölfe?“ fragte Ali entsetzt. „Spanier? Wie war das möglich?“

„Ich weiß es nicht, Herr. Als wir im Gefecht waren, wir konnten und wollten nicht mehr zurück, da tauchten weitere Spanier auf, eine große Kriegsgaleone und stark armierte Feluken. Sie haben uns aufgerieben, wir konnten nur noch mit Not und Mühe entkommen. Doch dann, Herr, erschien noch ein kleines Schiff, eine Tartane, wie sie die Spanier zu Kurierdiensten verwenden, und diese Tartane befehligte dieser Killigrew. Wir haben ihn ganz deutlich gesehen. Er segelte hohnlachend an uns vorbei und warf eine Zauberflasche an Bord unseres Schiffes. Dann gab es einen riesigen Blitz, und wir mußten flüchten. Es war eine Falle, Herr“, schloß Selim, „wir wußten davon nichts. Niemand konnte ahnen, daß dieser verdammte Engländer das Schiff gewechselt hat.“

Alis Schultern sanken nach vorn. Er stieß ein Röcheln aus, sein Gesicht verzog sich zu einer gallebitteren Fratze. Dann explodierte er, und die Männer, die weiter abseits standen, rannten voller Entsetzen davon. Über dem Hafen lag plötzlich der Pesthauch des Todes.

Wenn Uluch Ali diese Anfälle kriegte, stand es um die Versager immer schlecht. Dann zitterten alle, einschließlich Diener, Eunuchen, Kapitäne und Befehlshaber der anderen Schiffe.

Ali ging so jähzornig in die Luft wie immer und begann, Selim in der übelsten Art laut zu verfluchen.

Es dauerte lange, bis er sich ausgetobt hatte. Was danach folgte, kannten die anderen ebenfalls bis zur Genüge. Ali würde Punkt für Punkt „erleuchten“, wie er es nannte, und anschließend würden Köpfe rollen.

Diese Zwischenphase war sozusagen die Ruhe vor dem Sturm, der dann mit der Heftigkeit wilder Orkane blies.

Jetzt war es soweit. Alis Gesicht war krebsrot angelaufen. Selim dagegen sah bleich und verstört aus und wagte nicht, den Blick noch einmal zu erheben.

„Du bist also mit zwölf Feluken ausgelaufen“, stellte er fest. „Von diesen zwölf Schiffen kehrt ein ganzes und ein halbes zurück. Dieser Punkt muß einmal erleuchtet werden. Zehn Schiffe sind demnach verloren. Jetzt zu Punkt zwei: Der verfluchte Engländer segelt auf einer Tartane und hat mein Schiff wahrscheinlich an die Spanier verschachert. Daß die zusammenhalten, das ist mir übrigens ganz neu. Punkt drei: Du bist wie ein ahnungsloser Trottel in die Falle gelaufen und hast die Leute und die Schiffe verloren. Und du jämmerlicher Versager willst mein Stellvertreter sein?“

„Herr!“ flehte Selim.

„Halt die Schnauze!“ brüllte Uluch Ali. „Jetzt werden wir Punkt vier erleuchten. Du willst mir also erzählen, daß man dir eine Zauberflasche an Bord geworfen hast, du verlogener Schakal. Und aus dieser Flasche schoß ein Blitz, was? Ein Blitz! Vielleicht hat dieser Killigrew im Gewitter ein paar Blitze eingefangen und sie in eine Flasche gesteckt. Du hast versagt, du jämmerlicher Kerl, und jetzt willst du mir Lügen auftischen. Ihr seid alle feiges Gesindel. Ihr kneift aus, sobald ihr nur den Bartschatten eines dieser Kerle seht. Aber du bist zum letztenmal in deinem Leben ausgekniffen, Selim Shanoun. Ich hielt dich immer für einen großen und gnadenlosen Kämpfer. Dabei hast du Angst vor einer Tartane. Wenn die Kerle dich wenigstens noch umgelegt hätten, dann hätte ich dir verziehen, und meine Gnade wäre dir gewiß gewesen. Aber du kehrst mit leeren Händen und vollen Hosen zurück. Schande über dich, Selim Shanoun. Du bist nicht wert, daß dich die Sonne bescheint, du lausiger Köter. Ich will dein Gewinsel erst gar nicht hören!“ brüllte Ali. „Die Tatsachen haben mir alles bewiesen. Du hast keinen einzigen Gefangenen an Bord. Du hast nur einen abgesägten Mast und zehn andere Schiffe verloren. Du wirst jetzt sterben, Selim Shanoun, vor den Augen aller hier wirst du wie ein Feigling sterben.“

„Das ist ungerecht!“ brüllte Selim, der sich erlauben konnte, bei Uluch Ali einen anderen Ton anzuschlagen als die anderen. „Du hast mich nur angehört, und du glaubst mir nicht. Ich aber habe dir die Wahrheit gesagt. Wir liefen in eine Falle, und ich habe das Recht, mich zu verteidigen.“

„Du hast keinerlei Rechte mehr, du hast sie alle verwirkt.“

Ali drehte sich um und winkte herrisch die Männer heran, die noch zitternd auf ihrem Posten ausgeharrt hatten.

„Packt ihn!“ rief Ali.

Vier Männer stürzten sich auf Selim und rissen ihm die Arme auf den Rükken. Dann winkte Ali seinen Henker zu sich. Diesmal war selbst der Schlagmann bleich, als er gehorsam Aufstellung nahm.

„Er wird um Haupteslänge verkürzt“, befahl Ali voller Wut. „Hier, jetzt gleich, und vor aller Augen. Jeder soll zusehen, wie ich mit Dummköpfen, Feiglingen und Versagern umspringe. Dieser Anblick wird den Eifer und die Kampfeslust bei den anderen wecken. Es wird ihnen deutlich vor Augen geführt, daß man lieber stirbt, als sich von einem Christenhund besiegen zu lassen. Und schon gar nicht verschwindet man einfach.“

Selim Shanoun kriegte wegen dieser Ungerechtigkeit Haß in die Augen. Er wußte, daß Ali nicht mehr umzustimmen war, denn was der beschloß, war anschließend auch gleich erledigt.

Natürlich hatte er Angst um sein Leben, aber er war hart im Nehmen, und so schluckte er diese Angst hinunter.