cover.jpg

Im Sommer 2051 leben die Bewohner der Erde in Frieden, es droht keine Gefahr mehr. Die Menschheit kann weiter an ihrer Einigung arbeiten, gemeinsam blickt man in die Zukunft. Nach dem fürchterlichen Krieg zwischen den Maahks und den Arkoniden herrscht zudem Ruhe in der bekannten Milchstraße.

Doch wie aus dem Nichts tauchen fremde Raumschiffe über der Erde auf. Ihre Übermacht ist erdrückend, ihre Technik weit über dem Niveau der Menschen. Die Fremden nennen sich Sitarakh, sie scheinen in einer direkten Beziehung zur Sonne zu stehen.

Perry Rhodan und seinen Gefährten bleibt nichts anderes übrig, als die Flucht anzutreten. Sein Ziel ist, Hilfe bei den Arkoniden zu holen. Doch wie wird sich der neue Imperator gegenüber den Menschen verhalten?

 

Cover

Vorspann

Band 131 – Der Kontrakt

Vorspann

Vorspiel: Helle Schatten

1. Schlaglicht: Die Glut der Sonne

2. Dortmund/Ruhr-Arena: Hymne

3. Schlaglicht: Die Kälte des Mondes

4. Dortmund/Ruhr-Arena: Rhodans Rede

5. Schlaglicht: Der Atem der Erde

6. Dortmund/Ruhr-Arena: Ankunft

7. Schlaglicht: Die erste Verkündigung

8. Dortmund/Ruhr-Arena: Fluchthilfe

9. Dortmund/Ruhr-Arena: Wer zurückbleibt ...

10. Dortmund/Ruhr-Arena: Fluchtweg

11. Schlaglicht: Lakeside View

12. LESLY POUNDER: Flucht

13. Schlaglicht: Die Erste Verlautbarung

14. Erde: Flugzeit

15. LESLY POUNDER: Sitarakh-Reflex

16. LESLY POUNDER: Falle

17. Schlaglicht: Die Zweite Verlautbarung

18. LESLY POUNDER: Fluchtpunkt

19. Erde: Krisenstab

20. LESLY POUNDER: Geisterschiff

21. Terrania: Invasorentreff

22. LESLY POUNDER: Wasserspiele

23. Terrania: Invasorengespräch

24. Schlaglicht: Kollaps

25. Sonnensystem: Asteroidengestöber

26. LESLY POUNDER: Spuk

27. LESLY POUNDER: Unverhofft

28. Terrania: Exzess

29. Schlaglicht: Die Dritte Verlautbarung

Band 132 – Melodie des Untergangs

Vorspann

1. Sankt Petersburg, 5. Juni 2051

2. Presseamt der Regierung von Großrussland, 4. Juni 2051

3. Sankt Petersburg, 5. Juni 2051

4. Terrania, Stardust Tower, 5. Juni 2051

5. LESLY POUNDER: Tom

6. LESLY POUNDER: Rhodan

7. LESLY POUNDER

8. Terrania

9. LESLY POUNDER

10. Let's fly ...

11. LESLY POUNDER, 6. Juni 2051

12. LESLEY POUNDER

13. Luna, 6. Juni 2051

14. Terrania, 6. Juni 2051

15. Luna

16. Luna

17. Peking, 7. Juni 2051

18. Weit, weit draußen

19. LESLY POUNDER, 7. Juni 2051

20. Peking

Band 133 – Raumzeit-Rochade

Vorspann

Prolog: 7. Juni 2051, zwischen Erde und Mond

1. 1864, nahe Redwood, Mississippi

2. 1649, Hathorsystem

3. 13.000 v. Chr., Palagola

4. 1864, Tamaániu

5. 1649, Wanderer

6. 1864, Redwood

7. 13.000 v. Chr., Palagola

8. 1649, Wanderer

9. 1864, zwischen den Inseln

10. 1864, nahe Redwood

11. 1864, Liduur

12. Dezember, 50.939 v. Chr., Velcitna – Rico

13. Dezember, 50.939 v. Chr., Velcitna – Tuire Sitareh

Intermezzo: 7. Juni 2051, zwischen Erde und Mond

14. vor 85 Millionen Jahren, Liduur

15. vor 85 Millionen Jahren, an Bord der ATRASTAU – Rico

16. vor 85 Millionen Jahren, an Bord der ATRASTAU – Anathema di Cardelah

17. vor 85 Millionen Jahren, Liduur – Tuire Sitareh

18. vor 85 Millionen Jahren, Liduur – Anathema di Cardelah

19. vor 85 Millionen Jahren, Liduur – Tuire Sitareh

20. vor 85 Millionen Jahren, Liduur – Anathema di Cardelah

21. vor 85 Millionen Jahren, Liduur – Rico

22. 1864, nahe Redwood

23. 1864, Liduur

24. vor 85 Millionen Jahren, Liduur – Billy Ray Dawson

25. vor 85 Millionen Jahren, Liduur – Tuire Sitareh

26. Dezember, 50.939 v. Chr., Velcitna – Billy Ray Dawson

27. Dezember, 50.939 v. Chr., Velcitna – Tuire Sitareh

28. 13.000 v. Chr., Palagola

Epilog: 7. Juni 2051, zwischen Erde und Mond

Band 134 – Das Cortico-Syndrom

Vorspann

1. Peking, 7. Juni 2051

2. Sternhaufen M 15, 7. Juni 2051

3. Peking, 7. Juni 2051

4. Chaysystem, 7. Juni 2051

5. Zwischen Mond und Erde, 8. Juni 2051

6. Chaysystem, 7. Juni 2051

7. Peking, 8. Juni 2051

8. Chaysystem, 7. Juni 2051

9. Straßburg, 8. Juni 2051

10. Chaysystem, 7. Juni 2051

11. Terrania, 9. Juni 2051

12. Chaysystem, 7. Juni 2051

13. Straßburg, 9. Juni 2051

Band 135 – Fluch der Bestie

Vorspann

1. LESLY POUNDER, 7. Juni 2051

2. Straßburg, 10. Juni 2051

3. SHOSHIDA CARDELI, 7. Juni 2051

4. SHOSHIDA CARDELI, 7. Juni 2051

5. Terrania, 10. Juni 2051

6. LESLY POUNDER, 7. Juni 2051

7. Terrania, 10. Juni 2051

8. LESLY POUNDER, 7./8. Juni 2051

9. Dubai, 11. Juni 2051

10. Terrania, 10. Juni 2051

11. Dubai, 11. Juni 2051

12. Terrania, 10. Juni 2051

13. Nahe Dubai, 11. Juni 2051

14. Nahe Dubai, 11. Juni 2051

15. Terrania, 10. Juni 2051

16. LESLY POUNDER, 8. Juni 2051

17. Nahe Dubai, 12. Juni 2051

Band 136 – Tod eines Mutanten

Vorspann

1. Primärdiagnose: Das Hippokratische Protokoll

2. M 15: Rollin', rollin' ...

3. Das Hippokratische Protokoll

4. Asteroidengestöber

5. M 15: Flüssigkristall

6. Aussichten, Einsichten

7. Das Hippokratische Protokoll

8. Kontaktfläche

9. M 15: Bernsteinleben

10. Das Hippokratische Protokoll

11. Drohende Absichten

12. Untergrund

13. M 15: Bohrungen

14. Das Hippokratische Protokoll

15. New York, New York!

16. Augenöffner

17. M 15: Ein genauer Blick

18. Get out!

19. Das Hippokratische Protokoll

20. Our way!

21. M 15: Quarzgeschichten

22. Das Hippokratische Protokoll

23. Bestialität

24. Fluchthilfe

25. Das Hippokratische Protokoll

26. Wenn die Bestie spricht ...

27. M 15: Erschöpfung und andere Zustände

28. Das Hippokratische Protokoll

29. Wellenbewegung

30. Einfach zu viel ...

31. M 15: Flamingo

32. Das Hippokratische Bulletin

Band 137 – Schlacht um die Sonne

Vorspann

1. Julian Tifflor

2. Tuire Sitareh

3. Belle McGraw

4. Cheng Chen Lu

5. Koruman Ran-Tschak

6. Thora da Zoltral

7. Cheng Chen Lu

8. Tuire Sitareh

9. Fähnrich Juan Carnerero

10. Julian Tifflor

11. Abha Prajapati

12. Professor Ephraim Oxley

Band 138 – Die Weißen Welten

Vorspann

Prolog

Teil I – Die schlaflose Stadt

1. Leyle

2. Christophe Lente

3. Leyle

4. Christophe Lente

5. Leyle

Teil II – Das Auge im Zentrum der Nacht

6. Julian Tifflor

7. Gucky

8. Julian Tifflor

9. Perry Rhodan

10. Julian Tifflor

11. Perry Rhodan

12. Julian Tifflor

Teil III – Welt der Erleuchteten

13. Perry Rhodan

14. Julian Tifflor

15. Der Weiße Magier

16. Perry Rhodan

17. Julian Tifflor

Teil IV – Nocturne

18. Die Logik des Arkoniden

19. An Bord der TERRANIA

20. Eine Frage des Geschmacks

21. Die Crew der SD 23

22. Marshalls Weitsicht

23. Der Wert des Lebens

24. Der Rat des Administrators

25. Der Kater und die Anchet

26. Thoras Stärke

Epilog

Band 139 – Schicksalswaage

Vorspann

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

Band 140 – Der längste Tag der Erde

Vorspann

1. 17. Juni 2051, Julian Tifflor

2. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

3. 17. Juni 2051, Julian Tifflor

4. 17. Juni 2051, Reginald Bull

5. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

6. 17. Juni 2051, Reginald Bull

7. 17. Juni 2051, Thora

8. 17. Juni 2051, Sue Mirafiore

9. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

10. 17. Juni 2051, Reginald Bull

11. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

12. 17. Juni 2051, Reginald Bull

13. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

14. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

15. 17. Juni 2051, Reginald Bull

16. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

17. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

18. 17. Juni 2051, Perry Rhodan

19. 17. Juni 2051, Thora

Impressum

PERRY RHODAN – die Serie

 

img1.jpg

img2.jpg

 

Band 131

 

Der Kontrakt

 

Rainer Schorm

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag KG, Rastatt

Nachdem der Astronaut Perry Rhodan im Jahr 2036 auf dem Mond ein außerirdisches Raumschiff entdeckt hat, einigt sich die Menschheit – es beginnt eine Zeit des Friedens. Auch im Weltall erringt Rhodan beeindruckende Erfolge.

Er beendet den verheerenden Krieg der fremdartigen Maahks gegen das Große Imperium der Arkoniden. Rhodan rettet sowohl Arkon als auch die Erde vor dem Untergang.

Dennoch sehen sich die Menschen im Jahr 2051 weiterhin großen Bedrohungen gegenüber. Ein gewaltiger Riss in der Sonne birgt unbekannte Gefahren.

Perry Rhodan und seine Gefährten versammeln sich in der Dortmunder Ruhr-Arena, um die Menschheit auf eine neue, verheißungsvolle Zukunft einzuschwören. Da fallen ohne Vorwarnung blutrote Schatten über Terra, und eine geheimnisvolle Stimme verkündet den Kontrakt ...

Vorspiel:

Helle Schatten

 

DAEDALOS SCU-XVIII näherte sich der Sonne. Die Kontrolleinheit mit der Aufgabe, die Datenströme der Ikaroiden zu sammeln, sofern diese in der Lage waren, Entsprechendes zu liefern, war ein kleines Einmannraumschiff. Es war derart dick gepanzert, dass sich Jeremy Haikännen unwillkürlich fühlte wie in einer Zwangsjacke. SCU stand für »Supervising Collector Unit«.

Der Finne fluchte leise. Die Einsätze an Bord der überwachenden DAEDALOS-Einheiten waren alles andere als beliebt.

»Gut bezahlt ... Ha!«, murmelte er. »Ich werde noch klaustrophobisch in dieser überkandidelten Sardinenbüchse. Und warum muss in so 'nem Ding überhaupt ein Pilot mitfliegen?«

Die Antwort kannte er selbstverständlich. Die Ikaroiden, die Sonden, welche die Sonne und speziell das absurde Sonnenchasma untersuchten, führten nur ein kurzes Leben. Die Daten, die sie in dieser Zeit sammelten, waren derart kostbar – und selten –, dass man die positronischen Leitsysteme durch die Intuition eines Menschen ergänzen wollte. Das rechtzeitige Eingreifen des menschlichen Instinkts mochte die eine Zehntelsekunde liefern, die den entscheidenden Ausschlag gab.

»Everybody needs somebody ... to burn!«, brummte Haikännen.

Er startete ein Simulationsprogramm. Die zehn Standard-Ikaroiden, die er zu überwachen hatte, bildeten eine Formation und nahmen ebenfalls Kurs auf die Sonne – nur sehr viel näher.

DAEDALOS SCU-XVIII umkreiste Sol auf einem weiteren Orbit, deutlich außerhalb der Chromosphäre, knapp innerhalb der Bahn des Kleinstplaneten Vulkan. Die Gegend, wohin die Ikaroiden vordrangen, war weitaus gefährlicher. Sie würden dort verglühen, wie Motten im Licht verbrannten. Doch in den ein, zwei Sekunden, die ihnen in dieser Hölle aus fusionierendem Wasserstoff blieben, beobachteten sie das Chasma, so gut das menschlicher Technik möglich war.

Angeblich arbeiten sie auf RA an einer neuen Keramikverbundlegierung, mit der die Lebensdauer verdoppelt werden soll!, dachte er. Na klasse. Statt zwei Sekunden lebt so ein Ding dann vier!

Die Simulation endete genau so, wie die Realität es später wiederholen würde: Die Ikaroiden verglühten. Zehn grelle Funken, die vor dem gleißenden Licht des Zentralgestirns beinahe dunkel wirkten. Sonnenflecken der anderen Art.

»Simulation abgeschlossen!«, meldete die Positronik. »Prioritätsmeldung: Die Sensoren zeigen Abweichungen!«

»Erklärung!«, forderte Haikännen. Er schwitzte. Zwar lief die Klimaanlage auf Hochtouren, aber die bloße Nähe der Sonne genügte; allein die Vorstellung davon, welche Hitze unter seinem DAEDALOS brodelte! Haikännen wischte sich die Stirn trocken. »Welche Einheit?«

»SCU. Kontrolleinheit!«, sagte die Positronik. Übergangslos wurde Haikännen kalt; ein absurdes Gefühl.

»Was für Abweichungen?«, fragte er rau. Das bin ich!, dachte er.

»Gravimetrische Messungen zeigen Interferenz-Musterbildung. Verifizierung durch potentere Sensorausstattung empfehlenswert; Defekt als Ursache nicht ausgeschlossen.«

Haikännen starrte auf die sehr spärliche Sammlung von Kontrollholos. Eine Verbindung mit RA war von dieser Position aus nicht möglich. Die Zentrale des Sonnenkorps befand sich momentan auf der anderen Seite der Sonne.

»Das kann uns gleichgültig sein!«, entschied er. »Ein gravimetrisches Muster hat keine Auswirkungen auf uns. Im Vergleich zur Sonne sind diese Abweichungen irrelevant.«

Warum diskutiere ich eigentlich mit einer Positronik?, fragte er sich. Sie weiß das besser als ich! Dabei war ihm klar, dass es sich um den kläglichen Versuch handelte, sich selbst zu beruhigen. Gravimetrische Anomalien mochten keine große Wirkung entfalten, doch die Alternative war deutlich unangenehmer: Ein Defekt der Instrumente in einer derart höllischen Umgebung war grundsätzlich ein schlechtes Zeichen. Die Vorstellung, was aus der DAEDALOS-Einheit bei einem Ausfall wichtiger Systeme werden würde, sorgte bei Haikännen für einen gepflegten Anfall prophylaktischer Panik.

Da bleibt nicht mal eine erhöhte Plasmadichte!, schoss es ihm durch den Kopf.

»Fehlerdiagnose! Analyseprogramme starten. Staffeln nach Priorität Alpha!«, ordnete er an. Priorität Alpha bedeutete, dass das Überleben von Boot und Pilot die alleinige Maßgabe war. »Kursänderung vorbereiten. Trajektorie Vektor RA. Ich will so schnell wie möglich weg von hier, wenn was Wichtiges ausfällt!«

Eine grüne Leuchtanzeige bestätigte seinen Befehl. Obwohl es keine Schadensmeldung gab, obwohl die Autoreparatursysteme keinen Fehler anzeigten, fühlte er sich miserabel.

Eine Ahnung! Was ist die schon wert?, dachte er. Das ist nicht mein Tag. Verdammt. Ich sollte mit Helena Bulgakowa in einer stillen Ecke von RA den Sex meines Lebens haben ... Stattdessen muss ich Trottel hier einspringen! Das ist nicht nur bescheuert, das ist ...

»Fremdmassenkontakt!«, warnte die Positronik. Im nächsten Moment schien eine unsichtbare Faust den DAEDALOS zu packen und gegen eine ebenso unsichtbare Mauer zu werfen.

Haikännen verlor beinahe das Bewusstsein. Die Alarmpfeifen waren derart laut und grell, dass er fürchtete, taub zu werden. Er wurde umhergeschleudert. Ohne die Gurte und Prallfeldstützen wäre er längst gegen die dick gepanzerten Wände geprallt.

Ihm war schwindlig und er übergab sich. »Hilfe ...!«, krächzte er nur.

»Kein Kontakt!«, sagte die Positronik, als sei nichts geschehen. »Möchten Sie ein Memo speichern?«

»Was?«, entfuhr es Haikännen.

Ein weiterer Schlag traf das Raumboot und trieb es wie einen Ball auf die lodernde Chromosphäre der Sonne zu. Die Außentemperatur stieg sprunghaft an. Die Schirmfelder waren stabil, aber erste Funkenbögen zeigten eine Zunahme der Teilchendichte. Der Fusionsreaktor arbeitete an der Leistungsgrenze. Haikännen wusste, dass er für kurze Zeit über das Standardmaximum hinausgehen konnte, aber das war keine taugliche Option.

Ein leises Singen, wie schwingendes Metall, machte ihm klar, wie entsetzlich seine Lage tatsächlich war.

»Kurs ... ändern! ... Sofort!«, schrie er, während ein weiterer Stoß das Raumfahrzeug erschütterte. Panisch sah er sich um. Unwillkürlich suchte er nach Glutflecken, mit denen sich die Hitze ins Innere des kleinen DAEDALOS brennen würde. Eine psychische Fehlleistung. Es würde so schnell gehen, dass er selbst nichts davon bemerken würde. Im Bruchteil einer Sekunde mussten ihn Glut, Hitze und Schwerkraft in eine verbackene Murmel verwandeln ... bevor er sich im Plasmameer auflöste.

»Kursänderung nicht möglich!«, erwiderte die Positronik. Die Stimme klang blechern.

»Warum nicht?«, brüllte Haikännen entsetzt.

»Fremdmassenkontakt!«

»Was soll das heißen? Sind das diese gravimetrischen Anomalitäten?« Haikännen erkannte seine eigene Stimme nicht wieder. Sie glich unangenehm jener der Positronik, die offenbar ebenfalls Schäden davongetragen hatte – wie das ganze Schiff.

»Nein. Die Ursache dafür!« Die Positronik gab ein metallisches Knarzen von sich.

»Und ... was ... ist ... es?«, schrie Haikännen, dessen Wut kurzfristig die Panik nach hinten drängte.

»Analyse nicht möglich. Sensorenpakete eins bis sieben außer Betrieb! Reparatur und Neukalibrierung empfohlen.« Dann schwieg die Positronik endgültig.

Der DAEDALOS vibrierte. Die Außenbeobachtungsholos funktionierten nur rudimentär. Für einen kurzen Augenblick glaubte Haikännen, etwas zu sehen. Einen Schatten, mehr nicht. Ihm war nicht mehr heiß.

Ein roter Schatten!, dachte er, sonderbar distanziert.

Das Rot nahm überhand, bis es den ganzen Himmel bedeckte. Dann wurde alles schwarz. Bevor DAEDALOS SCU-XVIII in einem jämmerlichen Feuerball explodierte, sandte die Kontrolleinheit eine finale Positionsmeldung. Sie erreichte RA exakt um 10.37 Uhr Terrania Standardzeit.

Es war der 2. Juni 2051.

1.

Schlaglicht:

Die Glut der Sonne

 

Eric Leyden konnte den Blick nicht abwenden.

Die Oberfläche der Sonne schien die gesamte Stirnseite des Raums einzunehmen: ein brodelndes Höllenfeuer, nur im Zaum gehalten von der Schwerkraft und den gewaltigen magnetischen Feldlinien. Was er da vor sich sah, waren etliche Tausend Grad Kelvin Hitze und Glut. Ein Fusionsofen im wahrsten Sinne des Wortes.

Obwohl seine Umgebung klimatisiert war, standen dicke Schweißtropfen auf der Stirn des Hyperphysikers. Das wirre, hellblonde Haar war verschwitzt. Es war ein rein psychosomatischer Effekt, und er hatte etwas Bizarres an sich. Der Körper versuchte, sich abzukühlen, weil der Organismus wegen der herrschenden Lichtfülle zum Ergebnis gelangte, es müsse heiß sein. Dass der Verstand sich des Gegenteils bewusst war, spielte kaum eine Rolle.

»Dabei käme man nicht mal mehr zum Schwitzen!«, murmelte Leyden. Nachdenklich beobachtete er in der Echtzeitwiedergabe eine Protuberanz, die in greller Gelbglut eine der wirr verdrehten Magnetfeldlinien entlangfloss. »Plasma zu Plasma!«

Ein absurder Gedanke drängte sich ihm auf: Als Norweger besaß er eine eher helle Haut. Wie würde ein Sonnenbrand wohl wirken? Verheerend! Da bekommt die Epidermis nicht mal mehr die Gelegenheit, sich zu schälen. Von einer Rötung ganz zu schweigen!

Grüne Linien zeichneten die Feldlinien des solaren Magnetfelds nach. Sie bildeten ein verschlungenes Knäuel, das chaotisch wirkte, es aber nicht war. Besonders eindrucksvoll waren die Farbadern, die sich wie herausgezogene Maschen eines Wollpullovers weit in den Raum hinausstreckten. Glühendes Plasma umspielte ihre Form. Eric Leyden kannte diese Abläufe – aber etwas hatte sich verändert.

Er trat ein paar Schritte zurück. Der Raum, in dem er sich aufhielt, befand sich im Auswertungsareal, das sich ringförmig durch das Zentrum der Sonnenforschungsstation RA zog. Die Station, ein aufwendig ausgebauter, kleiner Asteroid, umkreiste das Zentralgestirn in einer Entfernung von 500.000 Kilometern. Sie diente der Erforschung des Sonnenchasmas – dieses klaffenden Risses im Innern von Sol. Ein Abgrund, von dem niemand zu sagen vermochte, aus welchem Grund es ihn gab oder wie er entstanden war. Das von Eric Leyden ins Leben gerufene Sonnenkorps beschäftigte sich damit auf vielerlei Art und an vielen Orten. Hier indes lag – buchstäblich – der Brennpunkt.

Noch immer bekam Leyden Schluckbeschwerden, wenn er an die Schwierigkeiten der Finanzierung zurückdachte. Denn in der Nähe einer gewaltigen, ständig fusionierenden Kugel aus ultrahoch erhitztem Wasserstoff gab es die Option günstig nicht. Die Stationstechnik war auf dem neuesten und leistungsfähigsten Niveau. An diesem Ort war das Beste gerade gut genug – andernfalls war man tot. Die Sonne nahm keine Rücksicht. Bereits im normalen Zustand schleuderte sie Unmengen an Strahlung, Energie und Sonnenmasse von sich. Alles, was sich dieser Hölle stellte, war ohne Schutz verloren.

Leyden schaltete mit einem Blinzeln einen Filter vor. Das Holo verschob das abgebildete Spektrum in den Bereich der Röntgenstrahlung. Das Chasma an sich war bereits absurd genug; was die jüngsten Messungen allerdings angedeutet hatten, war derart abwegig, dass Eric Leyden sogar sein obligatorisches Frühstück verkürzt hatte. Der Hyperphysiker stand vor einem Rätsel, das ihn stärker beschäftigte, als ihm lieb war.

»Phase vier analysieren!«, befahl er leise. »Ich will eine komplette Darstellung aller Änderungen im Strahlungsprofil über einen Zeitraum von fünf Tagen. Mit G-Wellen-Profil korrelieren!«

Etliche Subholos bildeten sich, Tabellen, Grafiken, Kurven. Leyden ordnete sie mit einigen kurzen Bewegungen seiner Finger und starrte darauf wie auf ein grünes Schwarzes Loch.

»Was zum Teufel ist das nur?«, flüsterte er entgeistert. »Was kann das sein?«

Schritte hinter ihm verrieten, dass jemand den Raum betreten hatte, aber er drehte sich nicht um. Das ganze Sonnenkorps setzte sich aus etwa 80 Wissenschaftlern, Spezialisten und Technikern zusammen. Zu diesem Raum hatten momentan die wenigsten Zutritt. Eric Leyden brauchte Ruhe; keine Horde neugieriger Kollegen, die ihm ihre neuesten Geistesblitze vortragen wollten.

»Eine Idee?«, fragte Dr. Olaf Vennegutt und trat neben den Hyperphysiker. Der ältere Mann war einer von Leydens engsten Mitarbeitern und zusammen mit ihm und Pablo Ramirez die Führungsspitze des Korps. Vennegutt kannte Leydens Eigenheiten wie kaum ein Zweiter. Ihm entging die Nervosität nicht, die Leyden im Griff hielt.

Leyden wiegte den Kopf. »Nein. Eben nicht! Siehst du das?«

Er deutete auf eine Gravitationsanalyse. Ein sonderbares Muster bildete sich, verschwand und tauchte erneut auf. »Das sind eindeutig Interferenzmuster. Das ist unstrittig, denke ich. Die Positronik hatte nicht mal den Hauch einer Alternative zu bieten. Woher kommen sie?« Er unterbrach sich kurz, als zweifle er an dem, was er gerade gesagt hatte. »Ich meine: Was sollte es sonst sein?«

»Planetare Einflüsse können wir ausschließen?«, erkundigte sich Vennegutt und nippte an einem jovianischen Sunspot. Der Cocktail war auf RA außerordentlich beliebt und eine Art von ironischem Kommentar der Wissenschaftler darauf, dass man mit der Erforschung des Chasmas nicht weiterkam. Sogar die Einsätze der ILIOS, des liduurischen Sonnenkreuzers, der auf RA stationiert war, hatte keine verwertbaren Ergebnisse gebracht.

»Planetare Einflüsse ... Das war das Erste, was wir überprüft haben!«, stieß Leyden hervor. »Sogar ich hatte damit gerechnet, dass Vulkan etwas damit zu tun haben könnte. Weiß der Geier, was die durchgedrehte Halatonintelligenz dort an technischen Spielereien hochfährt, nur weil sie Lust darauf hat. Aber nein. Das ist es nicht. Und der Einfluss Merkurs ist derart minimal, dass man verzweifeln könnte. Er verursacht keine derartigen Interferenzen. Weißt du was, Olaf? Es klingt völlig verrückt, aber ich halte das mittlerweile für auftreffende Gravitationswellen, die von außen kommen! Es hat nichts mit der Sonne zu tun ... nicht primär! Das sind nur Symptome. Das Chasma hat uns bereits derart im Bann, dass der Begriff Scheuklappen die reinste Untertreibung ist. Wir sind blind für alles andere.«

Vennegutt stellte den Cocktail ab und kniff die Augen zusammen, während er die Kurven musterte. »Von außen ...«, echote er leise. »... von außen. Aber woher von außen?« Er drehte sich zu Leyden und starrte ihn kurz an. »Diese Muster – für den Fall, dass du recht hast – haben ständig andere Ausgangspunkte. Als werfe jemand mehrere Steine in einen Teich. Die Wellen interferieren nicht nur mit dem Gravitationsfeld der Sonne, sondern gleichfalls untereinander. Wie soll das denn gehen? Du weißt, wie Gravitationswellen entstehen. Wenn in der Nähe des Sonnensystems oder darin Schwarze Löcher kollidieren würden, wüssten wir das! Die arkonidischen Strukturtaster würden Zeter und Mordio schreien!«

»Ja«, sagte Eric Leyden abwesend. »Das täten sie ... Nicht? Es sei denn ...«

Vennegutt stutzte. »Es sei denn ... was?«

Leyden schwieg zunächst. Er dachte intensiv nach. Arkonidische Strukturtaster hatten eine sensorielle Reizschwelle. Unterschritt die Intensität eines Struktureffekts dieses Minimum, verhielt sich ein Standardtaster, als sei nichts gewesen. Dennoch waren diese Interferenzmuster so deutlich, dass sie niemand übersah.

»Das ist nur die letzte Auswirkung!«, murmelte Leyden. »Egal was diese Wellen verursacht, es bleibt im Wesentlichen unterhalb der sensortechnischen Schwelle. Ein Zeitfenster vielleicht? Warum also wird der Effekt hier sichtbar, in der Nähe der Sonne?«

»Könnte ganz simpel an dem liegen, was die Arkoniden unter Gravitonendichte zusammenfassen«, spekulierte Vennegutt. »Die Sonne als Quelle der Schwerkraft, der raumzeitlichen Krümmung, ist derart nahe, dass diese Interferenzen hier ein Medium finden, in dem sich alles abbildet. Immerhin: Befänden wir uns nicht auf RA, ich wette, wir hätten nicht das Mindeste bemerkt!«

»Könnte es so einfach sein?« Leyden fluchte leise. »Wenn man ein Schwarzes Loch gepulst abschirmen könnte ... In so einem Fall käme der Schwerkrafteinfluss rhythmisch zum Tragen. Aber wer zum Teufel kann eine Singularität abschirmen? Mikrosingularitäten vielleicht, aber die hätten nicht die gemessene Wirkung. Das macht alles verrückter, als es ohnehin ist!« Er war nach wie vor unschlüssig riss sich aber zusammen. »Was ist mit dem Ikaroiden?«

Vennegutt aktivierte eine Verbindung in die kleine Kommandozentrale des Asteroiden. Pablo Ramirez' Kopf erschien, neben das Haupt von Dr. Janina Lefcourt. Die Plasmaphysikerin ähnelte einem gerupften Huhn. Allerdings war sie, wie Leyden nur zu genau wusste, ein unglaublich fähiges Huhn. Der Spitzname wäre längst in Vergessenheit geraten, wenn ihre gackernde Stimme nicht für eine ständige Neuassoziation gesorgt hätte. Ramirez, ein klein gewachsener Mexikaner, war ehemaliges Mitglied von SPEC und überwachte das Ikaroiden-Programm.

»Ikarus 159 ist unterwegs, seit ...« Er unterbrach sich und schielte auf die Zeitangabe. »... genau zwei Minuten und ... achtundzwanzig Sekunden. Erreicht in weiteren dreißig Sekunden die untere Grenze der Chromosphäre. Die neue Praecello-Keramik-Verbundlegierung wird gleich zeigen, wie gut sie ist. Die Schirme halten sicher nicht länger als bei den bisherigen Versuchen. Aber vielleicht reicht die Widerstandsfähigkeit des Verbundstoffs, den Ikaroiden zurückzuholen. Und sei's nur als zusammengebackener Klumpen. Ein paar Nahdaten sind genau das, was wir brauchen. Ich schalte euch zu.«

Vor Leyden und Vennegutt baute sich ein weißgelbes, schaumig wirkendes Bild auf. Die Sonne.

»Verbindung steht!«, meldete Janina Lefcourt mit greller Stimme. »Daten kommen rein.«

Neben der brodelnden Plasmahölle formten sich Messwert-Anzeigefelder. Leyden und Vennegutt beobachteten gebannt die auflaufenden Zahlen sowie gleichzeitig die Belastungsdaten der schützenden Energiekokons, die den Ikaroiden mehrfach gestaffelt umgaben. Deren Stärke war durch die geringen Dimensionen der Ikarus-Sonden sehr begrenzt. Der aktuelle Versuch, durch einen neu konzipierten Rumpf eine ausreichende Überlebenszeit für die Instrumente herauszuschinden, war nicht mehr und nicht weniger als eine letzte Hoffnung.

»Abbau setzt ein ... setzt sich fort ...«, kommentierte Ramirez emotionslos. »Letzte Schale. Belastung einhundertundfünf Prozent. Einhundertzwanzig. Einhundertfünfunddreißig. Zusammenbruch! Rückrufbefehl ist draußen und wird bestätigt.«

»Die Panzerung hat gerade mal fünf Komma acht Sekunden gehalten. Die Triebwerke haben den Aktivierungsbefehl bestätigt, aber den Umkehrschub nicht mehr einleiten können. Ikarus 159 ist Toast.« Ramirez schaltete ab.

»Mist!«, schimpfte Leyden. »Aber ich habe nichts anderes erwartet. Die Idee, eine materialwissenschaftliche Lösung könne den Ausfall von Energieschirmen kompensieren, ist schon beinahe Verzweiflung.«

Vennegutt grinste schmal. »Das war deine Idee!«

»Weiß ich.« Leyden winkte ab. »Einen Versuch war's wert. Schwamm drüber. Aber diese andere Sache geht mir nicht aus dem Kopf.« Er reckte sich. »Ich gebe der Orterstation auf Pluto die Anweisung, sie sollen sich mal umsehen. Die haben vor ein, zwei Monaten aufgerüstet. Vielleicht war das gut so. Diese Gravitationswellen müssen ja irgendwo herkommen. Von außen hat Edwina vielleicht einen klareren Blick.«

»Edwina?«, fragte Vennegutt.

»Edwina Kerpen. Die neue wissenschaftliche Leiterin auf Pluto. Ich glaube, du hattest noch nie mit ihr zu tun.«

Vennegutt dachte nach. »Ich habe ein ziemlich gutes Namensgedächtnis ... Nein. Ich denke nicht. Aber ich halte das für einen guten Vorschlag. Wir können denen da draußen ja sagen, wonach genau sie suchen müssen. Und sonst?«

Leyden grunzte. »Ich habe Hunger. Mein Frühstück heute Morgen war ... unzulänglich!«

Vennegutt lachte leise. »Ach, tatsächlich? Wieso das?«

Leyden runzelte wütend die Stirn. »Ein Anruf von der Erde. Ich muss zu dieser Jubelveranstaltung. Als ob ich nicht was anderes zu tun hätte! Ich habe vorgeschlagen, stattdessen Belle, Abha und Luan einzuladen. Sie waren alle mit dabei auf unserem großen Weltraumausflug. Jeder Einzelne von ihnen fühlt sich auf Partys wohler als ich!«

»Ich schätze, sie waren bereits eingeladen?«, schmunzelte Vennegutt.

»Waren sie.« Eric Leyden starrte ihn an. »Woher weißt du das? Aber egal: Mich braucht dort keiner. Und ich brauch's auch nicht.«

»War nur so 'ne Ahnung. Eric, du bist ein Symbol, ob du das sein willst oder nicht.«

Leyden schnaufte. »Symbol. Blödsinn!«

Vennegutt griff nach seinem Cocktail und leerte ihn. »Du hast nicht nur das Sonnenkorps initiiert. Das ARC, das ›Ancient Recognition Center‹, ist ebenfalls deine Schöpfung. Innerhalb der Flotte bist du dadurch so etwas wie eine Legende. Eine wissenschaftlich orientierte Einheit aufzubauen, das hat sogar die Admiralität aufmerken lassen. Deine anderen Erfolge kommen dazu. Für viele Menschen ist das beeindruckend, weißt du?«

»Wichtig ist nur, dass wir mehr über die liduurische Hinterlassenschaft erfahren.« Leyden winkte ab. »Das geht nur mit Raumschiffen im Portfolio. Das ist keine Forschung, die man im heimeligen Labor – oder weitaus schlimmer: im Büro – erledigen könnte. Auf die Idee wäre jeder andere ebenfalls gekommen, wenn er länger als fünf Sekunden über das Thema nachgedacht hätte! Ich wette mit dir, dass die Kommissköppe nur deshalb beeindruckt waren, weil sie sich neue Spielzeuge aus dem Arsenal der Liduuri erhoffen.«

»Mag alles stimmen, Eric.« Vennegutt musterte intensiv die überaus real wirkende Sonnenoberfläche, als suche er dort nach Antworten. »Aber sieh's mal positiv: Du wirst viele Leute treffen, die wichtig sind; die dir helfen können und werden, wenn du ihnen nicht dauernd auf die Füße trittst. Geld können wir gar nicht zu viel auftreiben. Dasselbe gilt für neue Technologie. Wenn irgendeine Techno-Stelle etwas Interessantes entwickelt, müssen wir das wissen. Und danach müssen wir es erst einmal bekommen!«

»Ich soll also betteln!«, sagte Eric Leyden bitter.

Olaf Vennegutt winkte ab. »Eben nicht. Diese Leute wollen dir helfen. Du sollst ihnen das nur nicht durch dein unmögliches Verhalten erschweren. Wie sollen wir Phänomenen wie diesen Gravitationsinterferenzen auf die Spur kommen, wenn uns die Mittel fehlen?« Er leerte sein Glas. »Ich gebe zu, dass Mangel schwer zu vermitteln ist, wenn die Station sich definitiv auf dem neuesten Stand der Technik befindet. Versuchen müssen wir das trotzdem – immer wieder. Forschung ist kein Zustand, sie ist ein Prozess! Wer wüsste das besser als du. Sei einfach mal nett, auch wenn's schwerfällt.«

Eric Leyden schnaufte und gab keine Antwort. Aber als er eine gute halbe Stunde später an Bord einer Korvette zur Erde aufbrach, hatte er beschlossen, sich jedes Wort, das er sagen würde, zweimal zu überlegen.

Also auf ins Gefecht!, dachte er, als die SOLAR FIRE ihre Triebwerke hochfuhr. Mischen wir uns unters Volk ...

Es war der 4. Juni 2051.

2.

Dortmund/Ruhr-Arena:

Hymne

 

»Da ist Ngata!« Reginald Bulls Stimme ließ keinen Zweifel daran: Er mochte den neu in seinem Amt bestätigten Administrator nach wie vor nicht. Daran würde sich in naher Zukunft nichts ändern. Bull war nicht vorschnell mit seinen Urteilen; hatte er aber eines gefällt, blieb es lange Zeit stabil.

Perry Rhodan verkniff sich ein Grinsen. Sie alle standen unter medialer Beobachtung, jede Geste, jedes bisschen Mimik würde ausgiebig analysiert und kommentiert werden. Bull wusste das ebenso genau wie er selbst. Das Gesicht des Systemadmirals blieb freundlich, wenn auch recht ausdruckslos. Es war eine Maske, mehr nicht.

Wir wollten nie Schauspieler sein. Jetzt sind wir es, weil es nicht anders geht!, dachte Rhodan mit leiser Bitterkeit. Eine weitere Idealvorstellung, die an der Realität zerschellt! Ich glaube, ich verstehe Atlans Zynismus allmählich. Das ist wie Ärztehumor: Man erträgt es nur auf diese Weise!

»Er ist der erste Redner. Zweifellos genießt er das!«, fuhr Bull fort. »Ich hoffe, er und die anderen lassen das Geschwätz nicht zu sehr ausarten.«

»Wir haben uns bemüht, die Redebeiträge kurz zu halten«, sagte Rhodan. »Ich denke, dass die Holopräsentation viele ablenken wird. So sieht der Plan aus.« Genau wie Bull hatte er sich angewöhnt, bei Gesprächen, die er in der Öffentlichkeit führte und die medial begleitet wurden, beim Sprechen die Hand vor den Mund zu führen.

Die Lippenleser waren überall, und die positronischen Translations-Apps leisteten Enormes. Jede Äußerung wurde nicht nur protokolliert, sie wurde sofort interpretiert und kommentiert. Ansätze hierzu hatten sich bereits seit der digitalen Medienrevolution der Jahrtausendwende entwickelt. Aber die Nutzung der potenten Positroniken machte aus solchen Beobachtungen ein Kinderspiel. Rhodan hatte festgestellt, dass sich Menschen in offiziellen Positionen in der Öffentlichkeit kaum noch bewegten, weil Mimik und Körpersprache ebenfalls analysiert wurden.

Bald sind wir Puppen!, schoss es ihm durch den Kopf.

Cheng Chen Lu, die neue Vizeadministratorin und Koordinatorin für Außenbeziehungen, schob sich vor Rhodan und Bull durch die Reihen. Ihr Ziel waren einige Politiker und Prominente aus dem asiatischen Raum, darunter der Präsident von Neukorea. Sie blieb kurz stehen und verbeugte sich vor Rhodan. »Protektor!«

Rhodan erwiderte den Gruß. Cheng Chen Lu sah ihn intensiv an. Ihr Blick war berühmt, bisweilen berüchtigt. Die junge Chinesin mit dem langen, glatten, schwarzen Haar hatte Charisma, darin war man sich einig. Jede Menge davon!

»Sie haben mit der Wahl des Termins Gespür bewiesen, Protektor«, sagte die Chinesin. »Der vierte Juni. Die Zahl des Todes. Welcher Tag wäre besser geeignet, der Toten zu gedenken?«

Rhodan verbeugte sich erneut. »Ich habe das Privileg, über wirklich gute Berater zu verfügen. Vizeadministratorin. Ich möchte mir das ungern als persönliche Leistung anrechnen lassen.«

Cheng Chen Lu zögerte kurz, als wollte sie etwas hinzufügen. Dann jedoch wandte sie sich ab und ging zu den Repräsentanten hinüber, die ihr ursprüngliches Ziel gewesen waren.

»Zahl des Todes!«, knurrte Bull leise. »Ich war schon in der Gefahr, gute Laune zu bekommen! Aber in diesem Sammelsurium aus allen Schönen und Berühmten wäre das sicher nicht angebracht!« Er strich sich über das rote Stoppelhaar.

Und das wird ebenfalls interpretiert werden!, dachte Rhodan. Er bewegte sich zwischen all den anderen Prominenten, Politikern, VIPs und sonstigen Vertretern wichtiger Institutionen auf der Empore der Ruhr-Arena, die wie kein zweiter Ort für eine solche Gedenkfeier prädestiniert war. In dieser Arena hatte der Oberkommandierende des arkonidischen Protektorats Erde ein Exempel statuiert; ein mörderisches Exempel. Man glaubte, Chetzkels Gegenwart spüren zu können. Nach all den Jahren fühlte sich Rhodan in dieser Umgebung nicht wohl, obwohl er damals nicht persönlich hier gewesen war. Die Toten schwiegen nicht an diesem Ort. Sie flüsterten ihren Schmerz in jeden wachen Geist, der bereit war, zuzuhören.

Als Protektor trug er eine weinrote Galamontur, die dem Anlass angemessen war. Niemand konnte ihn übersehen. Diese Art der Zurschaustellung gefiel Rhodan kein bisschen, aber er hatte gelernt, dass man als Person des öffentlichen Interesses in vielerlei Hinsicht kein freier Mensch mehr war. Man erwartete ein bestimmtes Verhalten von ihm – auch bei diesem Anlass. Betroffenheit und Trauer zu zeigen würde ihm nicht schwer fallen: nicht hier!

Für Thora wird die Erinnerung sehr viel plastischer sein, dachte er. Ich kenne nur die Bilder, die Aufzeichnungen oder Erzählungen. Sie hat es erlebt, Fancan Teiks Eingreifen, die vielen Toten.

Auch der Tod des Haluters würde Erwähnung finden, obwohl Teik nicht hier gestorben, sondern von der Bestie Masmer Tronkh ermordet worden war. Rhodan hatte seinen gesamten Einfluss geltend gemacht, um selektionistische Untertöne auszuschließen. Fancan Teik war ebenso ein Opfer wie viele andere. Sein Andenken war nicht weniger wert als das der anderen.

Ngatas Rede war professionell, aber nicht mehr als Standard. Von den Zuhörern würde dies wahrscheinlich nicht einmal bemerkt werden, denn Ngata war ein engagierter Redner. Rhetorik hatte in der Antike zu Recht als Kunst gegolten; für Männer wie Ngata indes war es nur ein Handwerk. Eins, das der Administrator perfekt beherrschte.

Perry Rhodan betrachtete nachdenklich seine Frau. Thora war nicht mehr Botschafterin, und sie trug Nathalie auf dem Arm. Die Kleine war nun eineinhalb Jahre alt und schlief, völlig unbeeindruckt vom Rummel und all dem Lärm ringsum. Rhodan bemerkte, dass Tom seine kleine Schwester beobachtete. Gleich darauf begann der Blick des Jungen umherzuschweifen, als suche er nach etwas.

Einen derartigen Beschützerinstinkt hätte ich in diesem Alter niemals vermutet!, dachte Rhodan. Er macht sich beinahe größere Sorgen um Nat als seine Mutter ... oder ich! Mag sein, dass er zu viel erlebt hat. Das ist nicht normal für einen Zehnjährigen; und die Umgebung war häufig alles andere als ideal. Aber er hat sich trotzdem gut entwickelt ... oder vielleicht gerade deswegen?

Bull neigte sich zu Rhodan herüber. »Der Kurze hält sich echt klasse!«, sagte er leise. »Nicht, dass mich das überraschen würde. Schwierigkeiten stärken den Charakter!«

Rhodan versuchte, zuversichtlich zu wirken. »Das mag sein. Aber Lebensgefahr birgt die Gefahr in sich, dass man nicht überlebt. Ich glaube nicht, dass jemand sich das für den eigenen Sohn oder die eigene Tochter wünscht. Vielleicht verstehst du das schneller, als dir lieb ist! Wo ist Autum?«

Bull deutete nach rechts. Die Agentin von GHOST, des Geheimdiensts der Terranischen Union, stand nur drei Meter entfernt über eine Brüstung gebeugt und starrte nach unten. Sie strahlte Energie, Kraft und Präsenz aus, wie immer. Ihr Haar trug sie an diesem Tag lang, mit einem künstlichen Wirbel über der linken Schläfe. Changierende, bläuliche Muster tauchten in der Haarflut auf und verschwanden wieder.

»Interesse am Styling?«, erkundigte sich Bull amüsiert. »Frag mich nicht, wie man so was macht oder wie es heißt. Sie hat mir ziemlich deutlich mitgeteilt, dass ich mich um Dinge kümmern soll, von denen ich was verstehe!«

Rhodan musste trotz aller Beherrschung grinsen. »Aha. Ihr unterhaltet euch über wichtige Dinge, ich seh's ...! Ich lehne mich jetzt mal aus dem Fenster und sage: Ich will wahrscheinlich gar nicht so genau wissen, wovon du im Folgenden was verstanden hast, oder?«

Bull musterte Autum Legacy lange und intensiv. Seine immer etwas hart wirkenden Züge wurden weicher. »Witzig. Aber ernsthaft: Das ist das Tolle an ihr. Ich kann mit ihr reden. Sie versteht, was ich sagen will, auch wenn ich's schlecht sage. Manchmal ist das unheimlich. Aber ich genieße jede Minute mit ihr ... Und weißt du was?«

»Hm?«

»Ich fühle mich sicher bei ihr«, sagte Bull. »Ja, klar: Sie ist vom Geheimdienst, und wenn sie wollte, könnte sie mich mit einer Handbewegung in einen Korkenzieher verwandeln – so wie jeden Angreifer. Aber das ist es nicht. Sie gibt mir Sicherheit in ganz anderen Dingen. Mental. Das kannte ich in dieser Form nicht, bevor ich sie traf!«

Rhodan dachte an Thora. »Ich verstehe dich ausgezeichnet.« Er deutete nach oben. Gleichzeitig klang ein lautes »Ooohh!« auf.

Über der Arena wurde die LESLY POUNDER sichtbar – die ehemalige CREST. Der gewaltige Rumpf schälte sich aus der diesigen, hochnebelartigen Wolkendecke, wie ein Phantom, das nur langsam Gestalt annimmt. Der Riese hing im Himmel wie ein fliegender Berg. Acht Korvetten begannen einen Reigen um das zentral platzierte Kugelraumschiff. Sie symbolisierten die acht Planeten des Sonnensystems. Die musikalische Untermalung war an dieser Stelle dezent, ein projiziertes Farbenspiel sorgte dafür, dass das Bild nicht bedrohlich wirkte.

Die Ehrentribüne der Arena war ausgebaut worden. Die Anzahl der Gäste war enorm, einschließlich der zu diesem Anlass angereisten Ferronen. Rhodan bedauerte es, aber Naats fehlten. Die Situation der Riesen war zumindest prekär. Genaue Informationen aus M 13, besonders dem Arkonsystem, fehlten weitgehend. Meistens handelte es sich nur um Gerüchte. Eins allerdings war unstrittig: Die Lage auf Naat musste zwei Jahre nach dem Angriff der Maahks weiterhin katastrophal sein. Arkon setzte seine Prioritäten anders. Die Rettung oder der Wiederaufbau einer nicht-arkonoiden Zivilisation war nicht auf der Liste zu finden.

Vieles hatte sich im Großen Imperium geändert. Crest hatte sich verändert. Unter anderem deshalb galten Atlan und Theta, die ehemalige Imperatrice, nun als Persona non grata. Das war die höfliche Bezeichnung. Hochverräter war die andere.

Rhodan sah die beiden Arkoniden ein wenig abseits stehen, als scheuten sie die Nähe der Offiziellen. Direkt davor wimmelte ein Pulk von Kindern in Toms Alter. Eine Schulklasse vom Mars, die auf Rhodans persönliche Einladung gekommen war. Er sah, dass Tom, nach einem kurzen Blick auf Thora und einem kaum sichtbaren Nicken seiner Mutter, sich in Bewegung setzte und unter die marsianischen Kinder mischte.

»Angst hat er keine, oder?«, fragte Bull lächelnd.

Rhodan schüttelte den Kopf. »Nein. Es sei denn, er hat einen guten Grund dazu. Ansonsten ist er lediglich neugierig, wie das ein Zehnjähriger eben so ist. Was das angeht, ist er völlig normal. Mit marsianischen Kindern hatte er bisher nie zu tun. Um ehrlich zu sein, die Idee, sie einzuladen, stammt von Thora. Sie hat in einem Livestream einiges über den Mars erfahren und war fasziniert von der Arbeit der ersten Kolonisten. Sie kennt das arkonidische Planetenforming selbstverständlich, aber direkten Kontakt zu Erstsiedlern hatte sie bisher nie.«

»Sie sehen anders aus, nicht?« Bull kniff die Augen zusammen. »Das ist mir bisher gar nicht aufgefallen. Na gut, ich habe mich bisher nicht drum gekümmert. Schande über mich.«

»Die Haut hat sich bei manchen merklich verändert«, bestätigte Rhodan. »Sie ist rau. Ein bisschen wie Sandpapier. Viele von ihnen haben zudem sehr früh die ersten grauen Haare, und auch weitere Veränderungen zeichnen sich bei den Marsgeborenen bereits ab.«

»Sie passen sich dem Mars an, kann das sein?«, staunte Bull. »So schnell?«

Rhodan beobachtete, wie sich Tom mit einem der Jungs seines Alters unterhielt. »Die Exomediziner sind nicht erstaunt. Ich habe bei Gelegenheit mit Abha Prajapati darüber gesprochen. Er meinte, die neue Umgebung sei ein derart potenter Stressor, dass die Reaktion des Organismus sehr schnell erfolge. Er war nicht beunruhigt – zumal es schädliche Nebenwirkungen oder Mutationen nicht zu geben scheint – bisher. Seit einiger Zeit deuten sich jedoch psychologische Auswirkungen an.«

»Wie das?«, fragte Bull verblüfft.

Rhodan rieb sich nachdenklich die Nase. »Sie haben wohl eine eigene Mythologie entwickelt. Oder sollte ich Mystizismus sagen? Ich weiß es nicht. Der Sand steht im Mittelpunkt, habe ich gehört. Sie führen kurz nach der Geburt eines Kindes Rituale in der Marswüste durch. Näheres erfährt man nicht, sie schweigen sich darüber aus!«

»Wenn du nach Athen gehst, nimm eine Eule mit!«, brummte Bull.

»Was?«, fragte Rhodan irritiert.

»Na ... oder so ähnlich!« Bull hob die Schultern. »Denk mal dran, was sich alles aus arkonidischen Siedlern entwickelt hat. Erinnerst du dich an Quiniu Soptor?«

Rhodans Miene wurde starr. »Oh ja.«

Applaus brandete auf. Die Choreografie endete.

»Ngata macht weiter!« Bulls Antipathie wurde deutlich sichtbar. Während der im Vorjahr in seinem Amt bestätigte Administrator seine Rede fortsetzte, verzog Bull den Mund. »Kann der nicht einfach mal still sein?«

Rhodan vermied den Augenkontakt. »Ich fürchte, du wirst mit ihm leben müssen. Die Wahl hat er eindeutig gewonnen – für die nächsten vier Jahre bleibt er dir erhalten.«

»Hat nur gewonnen, weil er mal wieder den Standpunkt gewechselt hat. Politiker eben. Auf einmal waren Forschung und Raumfahrt ein Muss. Nachdem er uns zuvor ständig gepredigt hat, das sei schuld an allem: an Arkoniden, Fantan, schlechtem Wetter und Pickeln. Ich kann diese Wendehälse nicht ausstehen. Hat er nicht Leuten, die seinen Wechsel nicht mitmachen wollten, Populismus vorgeworfen? Als ob je ein Politiker populistisch gewesen wäre. Unvorstellbar!«

»Sarkasmus von dir?« Rhodan lachte leise. An Bulls Aversion Ngata gegenüber würde er nichts ändern können.

Der Administrator blieb in seiner Rede sehr allgemein und kam alsbald auf die Opfer zu sprechen, zu deren Ehren diese Veranstaltung abgehalten wurde. Dabei betonte er, ganz im Sinne seiner neuen Politik, die Opferbereitschaft der Menschheit.

Fehlt noch, dass da eine Blut-Schweiß-und-Tränen-Rede draus wird!, dachte Rhodan, dem nun selbst unwohl wurde. Er fühlte, wie sich hinter ihm etwas – jemand – bewegte.

Tuire Sitareh beugte sich nach vorn. »Ich stelle fest, dass Politgerede überall im Universum gleich ist: allgemein, langweilig und belanglos!«, sagte der Aulore leise. »Nicht böse sein, aber geht das weiter so?«

Bull grinste breit. »Was dachten Sie denn, Tuire? Seien Sie stark. Bei dieser Veranstaltung bleibt Ihnen nichts erspart!«

Der Aulore stieß ein sonderbar gepresstes Geräusch aus. »Wäre jemand beleidigt, wenn ich einschlafe?«

Rhodan hätte am liebsten laut aufgelacht. »Alle, Tuire! Alle! Und alle würden Ihren Kopf fordern für diesen Eklat!«

Tuire Sitareh richtete sich ein wenig auf. »Ah. Das klingt vielversprechend. Ich könnte ein wenig zum kulturellen Programm beitragen, indem ich an ein oder zwei besonders großen Langweilern den Weg der Schwingen demonstriere.«

Bull riss die Augen auf. »Oh bitte, Tuire! Tun Sie mir den Gefallen!«

»Beherrscht euch!«, tadelte Rhodan belustigt. »Körperverletzung ist in diesem Umfeld besonders strafbar ... weil der Drang danach so schwer bezähmbar ist. Ihr seid nicht allein.«

»Dort sitzen Eric Leyden und sein Chaosteam!«, brummte Bull. »Ob die einander vermisst haben?«

»Kaum«, sagte Rhodan. »Alle haben ihre neuen Aufgaben und sind zufrieden damit. Zumindest war Abha Prajapati dieser Meinung. Er meinte, Eric Leyden werde ihre Abwesenheit erst bemerken, wenn das neue Jahrtausend anbricht.«

Sie folgten den offiziellen Reden mehr oder weniger konzentriert. Auch die Aufmerksamkeit der versammelten Massen galt eher der Holoaufführung, die besondere Szenen der damaligen Geschehnisse wiedergab; mit einer gewollten Unschärfe, die etliche Details gnädig verdeckte.

Der letzte Redner vor Rhodan beendete seinen Vortrag. Die Bilder wurden heller, bis sie schließlich verschwanden. Die LESLY POUNDER schwebte langsam davon. Sie würde auf dem nächstgelegenen Landefeld niedergehen. Niemand wollte auf Dauer diesen Berg aus Stahl über der Arena schweben sehen.

Neue Bilder entstanden. Es waren Menschen. Einzelne Menschen, Ferronen, Naats und Arkoniden. Die Toten der Vergangenheit bekamen erneut ein Gesicht. Die Musik verklang, anschließend betrat Graashuko die kleine Bühne, deren Plattform speziell zu diesem Anlass nach vorne ausfuhr. Die ferronische Sopratenörin war ein Ehrengast der besonderen Art. Dem Thort selbst war ein Kommen nicht möglich gewesen. Deshalb war Graashuko hier. Eine Verbeugung vor den Opfern. Nie zuvor hatte die Sopratenörin außerhalb von Ferrol und Rofus gesungen.

Ferronische Sopratenöre gab es nur sehr wenige. Eine Modifikation gestattete ihnen, mehrstimmig zu singen. Zwerchfellresonanz und ein geheimes, wohl extrem anspruchsvolles Training verwandelten die Sänger in nicht weniger als einen kleinen Chor.

Graashuko verbeugte sich. Sie war eine kleine, gedrungene Frau, deren Kupferhaar dickem Draht ähnelte, den man zu einem Spiralmuster gewickelt hatte. Die blaue Haut war dunkler als die des durchschnittlichen Ferronen; sie galt als die beste Sopratenörin, die Ferrol jemals hervorgebracht hatte.

Sie verbeugte sich, und ein unsichtbares Orchester setzte mit einem sanften, melancholischen Vorspiel ein. Erst zwei Minuten später begann die Sängerin. Ihre Stimme – vielmehr ihre Stimmen – waren kraftvoll, ein zauberhaftes Geflecht aus Harmonien und kontrapunktischen Sequenzen.

Rhodan spürte, wie die Musik ihn zutiefst rührte. Sie war nicht irdisch, das war jedem Menschen sofort klar, der zuhörte. Die Wirkung allerdings ...

Die »Hymne lichten Lebens«!, dachte Rhodan. Sie hat das Lied gewählt, das unter Ferronen als das Schönste gilt, das ihre Kultur zu bieten hat. So einfach. So ganz ohne Pathos. Sie singt keine Worte. Sie singt nur die Melodie. Jeder wird es verstehen. Jeder wird verstehen, dass die Opfer zu uns allen gehören. Wir haben sie verloren ... bis auf die Erinnerung. Die bleibt uns allen!

3.

Schlaglicht:

Die Kälte des Mondes

 

Der Himmel war von absoluter Schwärze. So schwarz, wie man es von der Erde her nicht kannte. Omar Shea hatte den Kopf nach hinten gelegt, so weit das im Innern einer Raummontur möglich war. Die Sterne waren hell und klar. Ohne das bekannte Flackern, das die Erdatmosphäre erzeugte, waren sie erschreckend kalt.

Das All wirkt an diesem Ort so bedrohlich, wie es tatsächlich ist!, dachte der Xenomonteur. Seine Aufgabe war, die aus Fremdtechniken adaptierten Elemente hinsichtlich Funktionalität und Kompatibilität zu überprüfen. Pläne und Simulationen waren das eine; Realität das andere. Hier bedeutete Realität eine deutlich reduzierte Schwerkraft sowie Atmosphärelosigkeit.

Dazu kam der überall vorhandene Mondstaub.