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Nr. 101

 

Eiswind der Zeit

 

 

 

 

Pabel-Moewig Verlag GmbH, Rastatt

Ende des 36. Jahrhunderts: Roboter erbauen über dem Mond ein riesiges Raumschiff – die BASIS. Der Bauherr ist NATHAN, das Mondgehirn, und kein Mensch ist beteiligt.

 

Mit der BASIS soll eine Expedition in eine weit entfernte Galaxis gestartet werden. Ziel ist das geheimnisvolle Objekt PAN-THAU-RA. Was die Terraner zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Das Experiment muß erfolgreich sein, sonst drohen Chaos und Agonie für weite Teile des Universums.

 

Zur gleichen Zeit erwacht auf der Erde eine »Göttin« aus jahrtausendelangem Schlaf. Ihr Name ist Demeter. Sie findet eine Welt voller Bedrohungen – und sie will an der Reise der BASIS teilnehmen ...

»Wer glaubt, dass der Begriff ›Mensch‹ die Bezeichnung für das Endprodukt einer Evolution ist, der irrt. Wir sollten vielmehr unter der Bezeichnung ›Mensch‹ ein Ziel verstehen, ein Programm der Evolution. Nichtsdestoweniger haben wir zweifellos ›Menschliches‹ in uns, aber die Tatsache, dass wir zugleich tierischer als jedes Tier sein können, weist darauf hin, dass wir nichts anderes als ein Übergangsstadium verkörpern.

Diese Erkenntnis stammt nicht erst aus dem 36. Jahrhundert, sondern wurde schon im 20. Jahrhundert von dem Zoologen und Verhaltensforscher Konrad Lorenz ausgesprochen, der auf die Frage, wie das bislang unentdeckte Zwischenglied zwischen Tier und Mensch beschaffen gewesen sein könnte, einmal antwortete: ›Das missing link? Das sind wir!‹

Wir sollten uns davor hüten, angesichts der uns gestellten gewaltigen Aufgabe die Begriffe ›Mensch‹ und ›Terraner‹ zu verwechseln. Unter die Bezeichnung ›Mensch‹ fallen alle intelligenten Lebewesen, die wie wir ein Übergangsstadium der Evolution verkörpern. Erst wenn alle diese Lebewesen und wir uns untereinander als solidarische Schicksalsgemeinschaft verstehen und danach handeln, wird das schwelende Feuer des Geistes zum Licht werden können, das die große Finsternis erhellt und in der ›Menschwerdung des Menschen‹ das Begreifen des allumfassenden Sinnes des Universums ermöglicht.«

 

Julian Tifflor anlässlich seines Amtsantritts als Erster Terraner und der Ausrufung der Liga Freier Terraner in einer Ansprache vor den Terranischen Räten am 2. Januar 3586 in Terrania.

1.

 

 

Der Ort: Eine Space-Jet nahe des Planeten Olymp. Die Zeit: 20. Dezember 3585, 10:35 Uhr.

Rund zwei Tage waren vergangen, seit Kershyll Vanne die Botschaft von ES empfangen hatte, er sollte Olymp verlassen und sich bereithalten, einen Auftrag von kosmischer Bedeutung für die Menschheit einzuleiten.

Endlich vernahm er wieder die lautlose Stimme, die zu ihm und seinen übrigen sechs Bewusstseinen sprach: Fliege nach Porpoulo-Danger! Dort wirst du erkennen, warum ich dich gerufen habe.

Kershyll Vanne holte sich die nötigen Informationen von der Bordpositronik. Porpoulo-Danger, eine rote Riesensonne, war im Jahr 2471 entdeckt und von dem Forschungsschiff EX-7117 vermessen und katalogisiert worden. Ein außergewöhnlich dichter Mantel aus interstellarer Materie umgab den Stern, doch Planeten hatten sich nicht gebildet.

Porpoulo-Danger lag 12.640 Lichtjahre entfernt und damit innerhalb der Reichweite der Space-Jet.

Kershyll Vanne fragte sich, ob ES diese Sonne lediglich als Zwischenstation vorgesehen hatte. Für ein Treffen mit Unbekannten?

Er beschleunigte die Space-Jet und ging kurz darauf in den Überlichtflug ...

 

Der Mann trug eine hellblaue Raumkombination und eine zerknautschte weiße Schirmmütze mit blauem Rand. An der Vorderseite der Mütze prangte ein Metallschild, das einen saturnähnlichen Planeten mit zwei kleinen goldfarbenen Flügeln und davor ein raketenförmiges Raumschiff zeigte.

Sein gebräuntes Gesicht war schmutzverkrustet, Bartstoppeln stachen durch den Dreck. Aber die scharf geschnittenen Gesichtszüge und die unter buschigen Brauen leuchtenden wasserblauen Augen verrieten Energie und Abenteuerlust.

Er musterte seine Umgebung. Ein grünliches Halbdunkel herrschte, denn das Laubdach des Dschungels hielt einen großen Teil des Sonnenlichts fern. Trotzdem hatte er die seltsame Säule sofort entdeckt. Sie ragte vor einem halb vermoderten Baumriesen in die Höhe, durchmaß etwa einen halben Meter und ließ weder Erosion noch Rost erkennen. Keine der Schlingpflanzen, die sich um den Baum wanden, kam auch nur in die Nähe der Säule – und nicht ein einziger Moosfleck hatte sich auf dem glatten Material angesiedelt.

Der Mann löste eine Hand von seinem Nadelgewehr und wischte sich über das Gesicht. »Ein Königreich für einen Bourbon!«, sagte er rau, dann packte er die Waffe wieder mit beiden Händen und ging weiter auf die Säule zu. Auf seiner Stirn bildete sich eine Unmutsfalte.

»Sie will mich tatsächlich von sich fernhalten«, sagte er entrüstet. »Mich, einen Nachfahren des Admirals Viscount Horatio ...«

Dicht vor der Säule blieb er stehen. In der nächsten Sekunde ließ er die Waffe fallen, presste beide Hände an seine Schläfen und wich stolpernd zurück.

Sein Gesichtsausdruck zeigte erst Verwunderung, dann Verstehen – und plötzlich überzog ein breites Grinsen sein Gesicht. »Tlagalagh!«, stieß er triumphierend hervor. »Ich habe Tlagalagh gefunden, die ›Ewige Stadt‹ der frühen kosmischen Zivilisation!«

Fast verzückt starrte er auf die makellos schimmernde Säule, schließlich kniff er die Augen zusammen.

»Aber der Wächter lässt mich nicht an sich herankommen«, stellte er verärgert fest und löste ein ovales Gerät von seinem Gürtel. »Ob ich ihn mit dem Gedankentransmitter rufe? Aber nein, ein Nelson braucht keine Hilfe.«

Flüchtig dachte er daran, dass er ohne die Verkettung von Zufällen niemals Tlagalagh erreicht hätte. Der erste Zufall war das Stasisfeld gewesen, das ihn und seine Schwester für längere Zeit festgehalten hatte, der zweite die Begegnung mit dem Hathor und dessen rätselhafte Bitte, ihn in eine entlegene Region des Universums zu begleiten. Diese Begegnung lag rund hundertsiebenundzwanzig Jahre zurück – und seitdem waren Guy Nelson und Mabel nicht mehr gealtert.

Er begriff immer noch nicht, warum der Hüter des Lichts ausgerechnet ihn als Begleitung ausersehen hatte. Der Tatsache, dass seine Schwester Mabel ebenfalls eingeladen war, maß er keine besondere Bedeutung zu, denn Mabel gehörte zu ihm wie früher das Inventar der guten alten HER BRITANNIC MAJESTY.

Guy Nelson massierte seinen Nasenrücken. Ob die alte H.B.M. noch auf Last Port stand? Hoffentlich hatte George sie laufend gewartet, damit sie nicht auseinander fiel. Hundertsiebenundzwanzig Jahre waren eine lange Zeit, auch wenn der Zahn der Zeit dem Roboter, den Guy aus hochwertigem Schrott selbst zusammengebaut hatte, eigentlich nichts anhaben konnte.

Aus dem schmutzigen Beutel, der an seinem Gürtel hing, kramte Guy seinen Kautabak hervor und biss mürrisch einen pflaumengroßen Priem ab. Den Rest schob er in den Beutel zurück.

Nachdem er eine Weile mühsam auf dem ausgedörrten Stück gekaut hatte, spuckte er etwas davon auf die Säule. Er grinste.

»Damit weißt du nichts anzufangen, wie! Aber mir nützt das auch nicht viel. Wenn ich mich nur noch an das Lied des Glasharfenpfeifers erinnern würde, das Tengri gesungen hat ... Ihm soll sich angeblich die ›Ewige Stadt‹ öffnen. Aber ich habe es vergessen, hatte wohl damals einen zu viel getrunken.«

Guy pfiff einige Töne. Im nächsten Moment riss er verblüfft die Augen auf, denn die Pfeiftöne waren als leises Echo zu vernehmen.

Argwöhnisch blickte er auf die Säule. Der Tabaksaft war verschwunden, außerdem erschien es ihm, als hätten sich auf der Oberfläche der Säule hauchdünne Linien gebildet.

Abermals pfiff der Raumkapitän einige Töne – und jäh entsann er sich der Melodie des Glasharfenpfeifers! Als er geendet hatte, hörte er die Wiederholung der Weise, zugleich entstanden weitere dünne Linien auf der Säule.

Wieder näherte er sich dem Gebilde, und diesmal verspürte er nichts von dem brennenden Schmerz, der zuvor seinen Kopf durchtobt hatte. Er hob sein Nadelgewehr auf, ging weiter und stand schließlich dicht vor der Säule.

Langsam streckte er eine Hand aus, und dann war es ihm, als berührte er den warmen Körper eines Menschen. Ein angenehmes Pulsieren übertrug sich von der Säule auf ihn selbst.

Hinter dem Baumriesen musste die Ewige Stadt liegen. »Tlagalagh, ich komme!«, rief Guy Nelson enthusiastisch und schritt an der Säule vorbei.

 

Vor ihm fiel der Boden zu einem kleinen flachen Talkessel ab. Dort unten gab es keine Vegetation, nur eine Fläche, die aus Marmor zu bestehen schien, und Treppen, die ringsum hinabführten.

Im Zentrum der Kreisfläche stand ein gut fünf Meter hoher Würfel. Er wirkte wie aus milchigem Glas und war undurchsichtig – bis auf einen mannshohen roten Fleck. Durch diesen Fleck hindurch konnte Nelson in das Innere des Würfels schauen, und was er sah, stürzte ihn in tiefste Enttäuschung.

Er sah eine unvergleichlich schöne Stadt, aber eine Miniaturstadt aus Millionen winziger Bauwerke, die eine Fläche von fünfundzwanzig Quadratmetern bedeckten und teilweise drei Meter hoch aufragten.

Tlagalagh? Verbittert setzte Guy Nelson sich auf die oberste Stufe der Marmortreppe und verwünschte den unbekannten Raumfahrer, der irgendwann tief in der Vergangenheit das Gerücht über die unvorstellbaren Schätze der Ewigen Stadt in Umlauf gesetzt hatte. Seitdem waren Hunderttausende auf der Suche nach Tlagalagh durch den Kosmos gestreift. Viele von ihnen waren verschollen und das nur wegen eines Phantoms. Was sonst war eine Miniaturstadt, die von keinem normal großen Lebewesen betreten werden konnte? Ihre Schätze waren ebenso mikroskopisch klein.

Guy Nelson spie seinen Priem aus, zog seine kurzstielige Pfeife hervor und stopfte sie mit den Tabakkrümeln, die er in sämtlichen Außentaschen seiner Raumkombination zusammensuchte. Schließlich zündete er sie an, paffte blaugraue Rauchwolken und überlegte.

Vor rund einem Jahr war er während der Mission des Hathors zufällig auf das Archiv eines ausgestorbenen Volkes gestoßen. Das Semorgehirn des Ewigkeitsschiffs hatte ihm geholfen, die Aufzeichnungen mit dem entscheidenden Hinweis auf die Position von Tlagalagh zu übersetzen. Er hatte von dem Wächter der Ewigen Stadt erfahren, und Tengri Lethos hatte das Kodesignal herausgefunden, das er pfeifen musste, um dem Wächter zu beweisen, dass er Tlagalagh aufsuchen durfte.

Da der Hüter des Lichts wegen der Dringlichkeit seiner Mission unabkömmlich war, hatten sie sich vorübergehend getrennt. Guy und Mabel waren mit einem Beiboot in Richtung Tlagalagh geflogen, während Lethos mit dem Ewigkeitsschiff seinen Weg fortgesetzt hatte. In drei Monaten wollten sie sich dort wieder treffen, wo sie sich getrennt hatten.

Abermals geriet Guy in Versuchung, den Gedankentransmitter zu benutzen, um Tengri Lethos zu kontaktieren. Doch er war zu stolz, seine Ratlosigkeit einzugestehen. Ebenso verzichtete er darauf, Mabel anzurufen, die in dem Beiboot zurückgeblieben war.

Guy Nelson stieg die Stufen hinab. Unten angekommen, klopfte er den Pfeifenkopf aus und verstaute die Pfeife wieder. Er ging auf den transparenten Fleck zu, um das Innere des Würfels eingehender zu betrachten.

Vielleicht konnte er das Gebilde aufbrechen und sich wenigstens eines der Miniaturbauwerke holen. Wenn er schon keine Schätze fand, würde er nach der Rückkehr in die Milchstraße wenigstens ein Fragment von Tlagalagh zeigen und damit beweisen können, dass er die Ewige Stadt der kosmischen Frühzivilisation gefunden hatte.

Was für Wesen konnten hier gelebt haben? Geschöpfe so winzig wie Ameisen?

Guy Nelson beugte sich nach vorn und stützte sich dabei mit den Händen an der durchsichtigen Wandung ab. Im nächsten Moment verlor er den Halt und fiel nach vorn.

Der Fleck ist kein Fleck, sondern eine Öffnung!, erkannte er, während er stürzte. Zugleich bedauerte er, dass er beim Aufprall zahllose der winzigen kunstvollen Bauwerke zerstören würde.

 

Guy Nelson blieb reglos liegen. Keineswegs, weil der Aufprall ihn betäubt hätte, sondern weil er Mühe hatte, zu verstehen, dass er nicht auf Tausende von Miniaturbauten, sondern auf eine glatte Fläche gefallen war.

Als er den Kopf hob, schloss er verwirrt die Augen. Er glaubte, an riesigen Bauwerken hinaufgeblickt zu haben.

Im nächsten Moment sprang er auf und starrte wild um sich. Guy Nelson wollte es nicht wahrhaben, aber er stand tatsächlich auf einem großen Platz, der von monumentalen Bauwerken eingerahmt wurde. Er befand sich in einer Stadt – und über der Stadt wölbte sich ein violetter Himmel.

Guy drehte sich langsam um. Er ahnte, was geschehen war – und als er das gigantische Tor entdeckte, das an einer Seite des Platzes aufragte, wurde seine Ahnung zur Gewissheit. Ich bin miniaturisiert worden! Er stand geraume Zeit wie versteinert da und starrte durch das Tor, hinter dem er ebenso gigantische braune Säulen sah.

Diese Säulen waren nichts anderes als die Stämme von Urwaldbäumen. Guy Nelson stöhnte erst, dann fluchte er – und endlich vermochte er wieder klar zu denken. Was seine Verkleinerung ausgelöst hatte und wie dieser Vorgang abgelaufen war, interessierte ihn gar nicht. Er wollte nur noch aus dem riesigen Würfel heraus, der Tlagalagh und ihn einschloss, und wieder zu seiner normalen Größe anwachsen. Seine Neugier auf die Schätze der Ewigen Stadt war ihm gründlich verleidet worden.

Er hob sein Gewehr auf, das ebenfalls verkleinert worden war, und lief los.

Erst eine halbe Stunde später erreichte Guy Nelson das Ende des Platzes. Aufatmend eilte er durch das Tor. Er war sicher, dass seine Verkleinerung aufgehoben werden würde, sobald er die geheimnisvolle Grenze in umgekehrter Richtung passierte.

Draußen reckte er sich, stolperte und stürzte einen Steilhang hinab. Unten raffte er sich wieder auf und schaute sich prüfend um. Er hatte den Steilhang nicht gesehen, als er angekommen war, nur eine glatte Fläche aus marmorähnlichem Gestein. Jetzt aber ragten vor und hinter ihm poröse Steilhänge auf, während sich links und rechts eine Art Graben erstreckte, dessen Sohle mit lockerer Erde bedeckt war.

Es dauerte eine Weile, bis Guy Nelson einsah, dass dieser Graben nichts anderes sein konnte als eine Fuge, die zwei Platten trennte – und dass er folglich klein geblieben war.

Panik riss ihn weiter. Er rannte auf den Steilhang zu und arbeitete sich an der porösen Wand hinauf, hastete über eine holperige, von Rissen durchzogene und mit Löchern bedeckte Marmorfläche und hielt erst vor dem nächsten Graben an.

Keuchend kam Guy Nelson wieder zur Besinnung. Inzwischen war er nicht mehr zu stolz, um Hilfe zu bitten. Er schaltete den Gedankentransmitter ein.

Bitte, melde dich, Tengri!, dachte er konzentriert. Ich habe Tlagalagh gefunden und bin auf Ameisengröße verkleinert worden. Ich brauche deine Hilfe!

Aber Tengri Lethos antwortete nicht. Auch nicht, nachdem Nelson seinen Hilferuf eine halbe Stunde lang wiederholt hatte.

Guy wollte sich einreden, dass der Hüter des Lichts sich vorübergehend außerhalb der Reichweite des Gedankentransmitters befand. Doch er wusste, dass das nur eine fromme Lüge sein konnte. Sein technisches Wissen war groß genug, ihn erkennen zu lassen, dass gewisse hochenergetische Prozesse offenbar nicht mehr abliefen, wenn das betreffende Gerät extrem verkleinert wurde. Auch sein Armbandfunk versagte.

Der Raumkapitän überlegte, dass er bestenfalls noch einen halben Zentimeter groß sein konnte. Er würde es nie schaffen, die rund fünfunddreißig Kilometer bis zum Landeplatz des Beiboots zu überwinden.

Unter diesen Umständen blieb ihm nichts anderes übrig, als sich in den Würfel zurückzuziehen. Wenn er seine Verpflegung rationierte, reichte sie für mindestens eine Woche. Das Problem war nur, in Tlagalagh Wasser zu finden. Gelang ihm das, hatte er zunächst eine brauchbare Frist.

Mabel würde unruhig werden, wenn er sich innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden nicht meldete, und nach ihm suchen. Letztlich würde sie sich an Tengri Lethos wenden. Guy Nelson war zuversichtlich, dass der Hathor ihn befreien konnte. Er musste nur verhindern, dass der Hüter des Lichts ebenfalls in die Falle tappte.

 

Kershyll Vanne blickte auf die Wand aus rötlich leuchtendem Staub vor der Space-Jet. Das kleine Diskusschiff war nur wenige Tausend Kilometer vor diesem Wall in den Normalraum zurückgefallen.

Im nächsten Augenblick tauchte die Jet in die Staubmassen ein. Mit flammendem Schutzschirm jagte sie dahin, während Vanne auf Gegenschub schaltete.

Dass die Space-Jet zum Stillstand kam, registrierte der Sieben-D-Mann schon nicht mehr, er war über dem Steuerpult zusammengebrochen. Etwas Ungeheuerliches schien sein Gehirn verbrennen zu wollen.

Auf dem Höhepunkt der Qual brach der Schmerz abrupt ab.

Vannes Mitbewusstseine hatten sich zurückgezogen. Er begriff, dass sie den Schmerz auslösenden, unheilvollen Einfluss in sich aufgesogen hatten.

In den Aufzeichnungen der EX-7117 war von solchen Problemen keine Rede. Folglich hatte sich seit der Entdeckung dieser Sonne einiges verändert. Kershyll Vanne erkannte auf einem der Orterschirme das Reflexbild eines großen Himmelskörpers neben der Sonne.

Ein Planet!

Sekundenlang war das Konzept verblüfft. Porpoulo-Danger hatte vor rund tausend Jahren keinen Planeten besessen – und tausend Jahre waren eine viel zu geringe Zeitspanne für das natürliche Entstehen eines Himmelskörpers. Diese Welt konnte demnach nur durch einen »übernatürlichen« Eingriff geschaffen oder in diese Umlaufbahn versetzt worden sein.

Vanne fragte sich, ob das Kollektivwesen diesen Planeten womöglich eigens für ihn geschaffen hatte.

ES dachte in anderen Bahnen als ein Mensch – und Kershyll Vanne war trotz allem Mensch geblieben. Er stellte fest, dass die Space-Jet erst bis zu einem Drittel in den Staubmantel eingedrungen war. Deshalb entschied er sich, umzukehren und den Wall mit einem Linearmanöver zu überwinden. Entscheidend für diesen Entschluss waren allerdings seine Mitbewusstseine, die sich mit einem drängenden Impuls meldeten. Sie litten unter dem unheilvollen Einfluss, der von der Staubwolke ausging – und sie würden diesen nicht für unbegrenzte Zeit von Vanne fernhalten können.

Während des Flugmanövers versuchte Kershyll Vanne mehrmals, ES zur Kontaktaufnahme zu bewegen. Die Superintelligenz hüllte sich jedoch in Schweigen. Hätte das Konzept aus seiner privaten Auseinandersetzung mit ES nicht gewusst, dass das Kollektivwesen weder unmenschlich noch heimtückisch handelte, Vanne hätte eine Falle befürchtet. So aber vertraute er der Superintelligenz. Über seine Motivation war er sich jedoch selbst nicht klar. Er spürte einen gewissen Argwohn, der sich aber eher auf den Planeten bezog als auf ES.

Endlich lag der Staubmantel hinter ihm.

Vanne stellte fest, dass der Planet etwas größer als die Erde war und eine Schwerkraft von 1,34 Gravos aufwies. Viel wichtiger erschien ihm jedoch die Tatsache, dass die Energieortung unerhört starke Kraftfelder zeigte, die ihre Quelle auf dem Planeten hatten und teilweise weit in den Raum hinaus wirkten.

Hätte ES nicht von einer Mission von kosmischer Bedeutung für die Menschheit gesprochen, er wäre vielleicht wieder umgekehrt.

 

Kershyll Vanne schlich um den Planeten herum wie die Katze um den heißen Brei.

Er wusste inzwischen, dass die Kraftfelder zwar fünfdimensionaler Natur, aber keineswegs von paramechanischer Wirkung waren. Sie konnten nicht direkt mit der Aufladung der Materiewolke zu tun haben, die ihm ohne seine Mitbewusstseine zum Verhängnis geworden wäre. Tief in der Kruste des Planeten arbeiteten normale Kraftwerke. Die Oberfläche selbst wirkte verödet, obwohl die Ortung zahllose Ansammlungen von Bauwerken zeigte.

Vanne entschied sich, auf einer weitläufigen Ebene in Äquatornähe zu landen, die offensichtlich künstlich angelegt worden war und von klobig wirkenden Bauwerken umgeben wurde. Diese Ebene konnte nur geschaffen worden sein, um Großraumschiffen Starts und Landungen zu erleichtern und einen großzügigen Güterumschlag zu ermöglichen.

Kershyll Vanne registrierte außerhalb der Anlage zahlreiche kreisrunde und flache Seen. Ob sie ursprünglich als Wasserreservoir gedient hatten, konnte er nicht feststellen. Aktuell waren sie jedenfalls mit Wasser gefüllt, dessen Temperatur nur geringfügig über dem Gefrierpunkt lag.

Die tote Oberfläche dieser Welt stand in einem beunruhigenden Gegensatz zu der energetischen Aktivität. Vanne fühlte sich zudem unangenehm von der Düsternis der Bauwerke berührt. Es erschien ihm, als besäßen diese Zeugnisse einer unbekannten Zivilisation so etwas wie ein Seelenleben, eine finstere Psyche, die von einer absolut nichtmenschlichen Mentalität zeugte.

Vanne merkte, dass er die Space-Jet nur deshalb so langsam absinken ließ. Ärgerlich beschleunigte er den Landevorgang.

Als die Space-Jet ohne Zwischenfall mit ihren Landestützen auf der staubbedeckten Ebene aufsetzte, schalt Vanne sich einen Narren. Nur noch die Aktivität der subplanetaren Kraftwerke zeugte von einer längst vergangenen Zivilisation.

Sekunden später wurde das Konzept eines Besseren belehrt. In den nächststehenden klobigen Bauwerken glitten staubgraue Tore auf. Seltsame Gebilde tappten oder rollten aus den Öffnungen auf die Ebene – und alle bewegten sich auf die Space-Jet zu.

Das Ortungsergebnis verblüffte Vanne nicht besonders. Er hatte schon vermutet, dass es sich bei den Gebilden um mobile Maschinen – kurz gesagt, um Roboter – handelte. Sie waren unterschiedlich geformt, wenngleich alle so plump konstruiert waren wie die Bauwerke rings um die Ebene, und bestanden aus grauem Metallplastik.

Vorsichtshalber ließ Vanne den Schutzschirm der Space-Jet eingeschaltet und aktivierte zudem die leichteren Energiewaffen. Das Transformgeschütz ließ er unangetastet; er wollte nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen.

Langsam näherten sich die Roboter. Sie erweckten nicht den Anschein, als könnten sie der Space-Jet gefährlich werden. Andererseits bildeten sie einen mehrfach gestaffelten Ring um das Diskusschiff.

Warnanzeigen leuchteten auf.

Der Schutzschirm schwächte sich ab! Erste Instabilitätszonen wurden erkennbar und weiteten sich aus.

Etliche Roboter hatten sich in ein fahles Leuchten gehüllt. Es waren ausnahmslos sehr große Maschinen mit Aufbauten, die – Vanne erkannte das erst jetzt – Hochenergiekondensatoren ähnelten. Offenkundig entzogen sie dem Schutzschirm Energie.

In Vannes Erstaunen über die Leistungsfähigkeit dieser Maschinen mischte sich ernste Sorge. Der Schutzschirm wurde automatisch mit zusätzlicher Energie versorgt, sobald seine Stabilität bedroht war – und die Reaktoren der Space-Jet verfügten über eine Kapazität, die deutlich über der Leistungsgrenze von Robotern liegen musste. Wenn der Schirm jedoch Instabilitätserscheinungen zeigte, bedeutete dies, dass die Kraftwerke ihre Reserven schon eingesetzt hatten – und dass diese nicht ausreichten.

Der Alarm wurde schriller, weil in dem Moment auch die Energiereserven für die Notstartautomatik angegriffen wurden.

Das machte eine Flucht unmöglich.

Kershyll Vanne nahm die Kampfansage an. Mit einer blitzschnellen Schaltung gab er die Kontrollen der Transformkanone frei.

Doch die Feldleiter brachen zusammen, kaum dass sie sich aufgebaut hatten. Sämtliche erzeugte Energie wurde abgezapft. Nicht einmal das Leistungsmaximum versorgte noch die Transformkanone.

Unterdessen war der Schutzschirm erloschen. Die ersten Roboter machten sich an der Bodenschleuse zu schaffen. Sie »knackten« die Impulsschlösser.

Kershyll Vanne schloss seine Raumkombination und aktivierte den Individualschutzschirm. Die Energiesphäre gab ihm noch ein Gefühl der Sicherheit. Aber nur für wenige Sekunden, dann erlosch der Schirm fast ebenso schnell, wie er sich aufgebaut hatte. Vanne hätte das Kanzeldach der Jet absprengen und fliehen können, doch er wusste bereits vorher, dass sein Flugaggregat keine Energie haben würde.

Sekunden später drangen die ersten Roboter in die Steuerzentrale ein. Sie packten Vanne an Armen und Beinen – es gab nichts, was er dagegen tun konnte. Immerhin trafen sie keine Anstalten, ihn zu verletzen oder gar zu töten.

 

Eigentlich, dachte Guy Nelson zuversichtlich, wäre ohne diese entsetzlichen Erschütterungen alles in Ordnung. Mabel hatte Tengri Lethos alarmiert, und der Hüter des Lichts hatte sie, ebenso wie den Würfel mit der Ewigen Stadt, in den Heliopark des Ewigkeitsschiffs geholt.

Dann war Mabel ebenfalls nach Tlagalagh gekommen. Nicht gerade freudestrahlend, aber voll unverhohlener Neugierde.

Mittlerweile spürte Guy die Vibrationen nicht mehr, die Tlagalagh bis in die Grundfesten gebeutelt hatten. Bis auf unbedeutende Risse waren die Bauten der Miniaturstadt intakt geblieben.

Mit seinen derben Händen strich er erstaunlich sanft über Mabels Haar. »Wahrscheinlich befinden wir uns schon in Andromeda«, sagte er rau, und dann zog er zum wiederholten Mal die Folie hervor, die Tengri Lethos durch das Tor geschoben hatte, und las die gedruckte Nachricht.

»Liebe Freunde, ein alter Bekannter meiner Eltern hat mich dringend gebeten, ihn bei einem sehr wichtigen Vorhaben zu unterstützen. Deshalb habe ich den Intermitter auf volle Leistung geschaltet und mich auf die Rückreise begeben. Ich werde in einem uralten Stützpunkt meines Volkes Mittel und Wege finden, euch wieder zur normalen Körpergröße zu verhelfen. Bald sehen wir uns in der Zentrale des Ewigkeitsschiffs wieder.«

Guy Nelson räusperte sich. »Du hast es gehört. Tengri wird uns helfen.«

Mabel zog die Nase kraus. »Deine Vorwitzigkeit hat uns zu Gefangenen dieser Geisterstadt gemacht.«

»Wir können Tlagalagh jederzeit verlassen.«

»Aber wir finden uns draußen nicht zurecht. Und überhaupt: Glaubst du wirklich, diese Vibrationen wären normale Begleiterscheinungen des Intermissionsflugs gewesen? Wir haben diesen Antrieb zur Genüge kennengelernt, um zu wissen, dass er keine Erschütterungen verursacht. Ich fürchte, das Ewigkeitsschiff hat Probleme.«

Guy Nelson griff in eine Beintasche seiner Kombination, holte eine Flasche hervor und trank den Rest aus. Die leere Flasche ließ er achtlos fallen.

»Du irrst dich, Schwesterlein. Die hathorische Technik ist unerreicht – und der Hüter des Lichts ist unüberwindlich. Hicks!«

»Auch das Ewigkeitsschiff arbeitet nur mit normalen technischen Mitteln – und die sind, wie alle Technik, unvollkommen«, beharrte Mabel. »Schließlich befördert der Intermitter das Schiff nur in einer unwahrscheinlich schnellen Folge von Transmissionen durch den Raum – zwischen einem Sprung und einer Milliarde Sprüngen pro Sekunde – sodass es für Außenstehende wirkt, als bewegte sich das Schiff mit hoher Überlichtgeschwindigkeit. Das ist keine Beherrschung von Raum und Zeit durch geistige Kräfte, sondern ein trivialer Vorgang.«

Guy wandte sich um. Mabel sollte seine Sorge nicht bemerken. Er war keineswegs so optimistisch, wie er sich gab. Auch seiner Ansicht nach konnten die heftigen Erschütterungen bedeuten, dass das Ewigkeitsschiff Schwierigkeiten hatte.

»Du bist mit deinem Latein am Ende, was?«, schimpfte Mabel. »Ich kenne dich lange genug, um zu wissen, dass du dir ebenfalls Sorgen machst.«

»Du kennst mich viel zu gut«, gab Guy Nelson zu. »Schön, ich mache mir Sorgen, aber ich weiß auch, dass Tengri mit allen Schwierigkeiten fertig werden kann. Ich schlage vor, wir gehen zum Tor. Bestimmt hat er inzwischen eine weitere Nachricht für uns hinterlassen.«

 

Die Geschwister verließen den Raum in der Spitze eines Turmes, der für sie eine Höhe von schätzungsweise fünfhundert Metern hatte. Die Einrichtungen dieses Gebäudes waren ebenso wenig vom Zahn der Zeit angenagt wie alles andere in der Ewigen Stadt. Es gab tadellos funktionierende Antigravschächte, Klimaanlagen und Versorgungssysteme, die alles lieferten, was Menschen zum Leben benötigten.

Nur die geheimen Schätze von Tlagalagh waren bisher jedem Zugriff entzogen. Es gab große Hallen, deren Tore sich nicht öffneten, und weder Mabel noch Guy zweifelten daran, dass sich dort Wertvolles verbarg.

Ein Antigravschacht brachte sie in die Tiefe. Sie wurden von klarer Luft und einem hellen Kunsthimmel empfangen, als sie den Turm verließen. Vor ihnen erstreckte sich der Platz, an dessen jenseitigem Ende das Tor zur Außenwelt aufragte.

Mabel wollte weitergehen, aber Guy hielt sie am Ärmel fest. »Wir können uns die Mühe sparen«, sagte er schwer. »Das Tor besteht nicht mehr.«

Mabel starrte ihren Bruder ungläubig an, dann blickte sie über den Platz hinweg. Das Tor war tatsächlich verschwunden. »Oh, Gott!«, entfuhr es ihr. »Jetzt sind wir wirklich Gefangene dieser verdammten Stadt!«

»Du solltest nicht Gott anrufen und fluchen in einem Atemzug«, sagte Guy. »Wahrscheinlich hat Tlagalagh das Tor nur verschlossen, weil es außerhalb Gefahren gibt, die die Stadt nicht haben will. Sie wird sich wieder öffnen, sobald die Gefahr vorbei ist.«

»Du sprichst von Tlagalagh wie von einem lebenden Wesen.« Mabel seufzte.

»In gewissem Sinne ist die Stadt das auch: ein hochkomplizierter technischer Organismus, der für seine Bewohner sorgt und sie behütet.«

»Dieser Organismus hat uns zu Ameisen gemacht!«, sagte Mabel vorwurfsvoll.

»Tlagalagh hat uns verkleinert, damit wir eintreten konnten. Du wusstest, was geschieht, wenn du durch das Tor gehst. Dennoch hast du es nicht erwarten können. Warum bist du nicht einfach draußen geblieben, Mabel?«

Sie stemmte entrüstet die Fäuste in die Hüften und funkelte ihren Bruder an. »Auch wenn du das schwarze Schaf der Familie bist, Guy, ich konnte dich nicht allein in dieser lasterhaften Stadt lassen.«

»Lasterhafte Stadt?«, entgegnete er verblüfft. »Nenne mir ein einziges Laster, dem man hier frönen kann – und ich werde es tun!«

»Du säufst!«

»Nur meinen eigenen Bourbon-Vorrat – und auch den nur in Tausendsteln eines Tropfens.«

Guy Nelson blickte aus zusammengekniffenen Augen zu dem violetten Himmel hinauf, der sich über der Stadt wölbte. »Ich schlage vor, du gehst in unsere Wohnung zurück«, sagte er bedächtig. »Ich werde noch eine Weile hier warten und später nachkommen.«

»Worauf willst du warten?«

»Auf ein Zeichen von Tengri Lethos – oder auf etwas anderes, das mir verrät, was geschehen ist.«

Mabel zögerte eine Weile. »Wenn du hier bleibst, kannst du wenigstens keinen Whisky trinken«, meinte sie schließlich.

Nachdem seine Schwester wieder in dem Turm verschwunden war, wartete Guy Nelson noch einige Minuten, dann schlenderte er zum Nachbargebäude. Er betrat eine große Halle, in deren Wände zahlreiche Vertiefungen eingelassen waren. In den Nischen standen die Statuen unterschiedlicher Lebewesen. Keines glich einem Menschen oder dem Vertreter einer anderen bekannten Spezies.

»Bitte entschuldige die Störung, Bruder!«, sagte Guy zu einer der Statuen. Er griff um sie herum und holte eine mit Bourbon gefüllte Flasche dahinter hervor.

Anschließend verließ er das Gebäude wieder. Draußen setzte er sich, lehnte sich mit dem Rücken an die Wand, öffnete die Flasche und nahm einen großen Schluck. Blinzelnd schaute er über den weiten Platz.

»Ich trinke auf dich, Tengri Lethos!« Nach einem zweiten kräftigen Schluck fügte er hinzu: »Und ich trinke darauf, dass Mabel nichts davon merkt, dass die Zeit in Tlagalagh schneller abläuft als draußen. Dank der semiorganischen Fäden in den Anzügen, die der Hüter des Lichts uns gab, altern wir nicht, noch erkranken wir. Wir werden also auch nach tausend Jahren so jung wie heute sein.«

Er stieß auf, dann trank er weiter – und während sein Geist sich angenehm vernebelte, überlegte er, ob Tengri Lethos ebenfalls den Zeitunterschied bemerkt hatte, der zwischen Tlagalagh und draußen herrschte. Der Hüter des Lichts wusste vielleicht nichts davon, er mochte die minimalen Anzeichen, aus denen Guy Nelson auf den Zeitunterschied geschlossen hatte, übersehen haben. Schließlich war er längere Zeit nur damit beschäftigt gewesen, Tlagalagh aus der unsichtbaren Verankerung auf dem Planeten zu lösen und in dem Heliopark seines Ewigkeitsschiffs abzusetzen.

Danach hatte der Hathor die Botschaft bekommen, die ihn veranlasste, den Rückweg nach Andromeda anzutreten. Guy fragte sich, wer der alte Bekannte von Tengris Eltern sein mochte. Es musste sich ebenfalls um einen Unsterblichen handeln, denn soweit Guy wusste, waren Tengri Lethos' Eltern seit Jahrhunderttausenden tot, ums Leben gekommen bei der Verteidigung von Andromeda gegen Invasoren, von denen es keine Spuren mehr gab.

»Nichts besteht ewig«, sagte Guy angestrengt und trank einen weiteren Schluck.

 

Wie ein Blitzschlag durchfuhr den Hathor die Erkenntnis, dass sein Ewigkeitsschiff unbekannten Gewalten zum Opfer gefallen war. Die Bildflächen an den Wänden der Steuerzentrale schimmerten in bläulichem Licht, in dem immer wieder ultrahelle Funken aufleuchteten. Sie zeigten nicht die Umgebung des Schiffes, wie sie es hätten tun sollen.

»Ich brauche eine Lageanalyse!«

»Die Außensensoren liefern keine Informationen«, teilte das semiorganische Gehirn des Ewigkeitsschiffs mit. »Die Reparatursysteme arbeiten mit höchster Intensität, um alle Schäden nach der Strukturerschütterung zu beheben. Fast alle inneren Systeme haben den Schock unbeschädigt überstanden. Durch Experimente konnte ich feststellen, dass von außen eine Schwerkraft von 1,34 Gravos auf das Schiff einwirkt. Es scheint sich auf einem festen Himmelskörper von der Größe eines mittleren Planeten zu befinden. Unmittelbare schädliche Einwirkungen sind nicht festzustellen.«

Der Hüter des Lichts spürte die Nachwirkungen der schweren Vibrationen, die ihn trotz des Konturschutzschirms seiner Kombination bis ins Mark getroffen hatten. »Du sprachst von einer Strukturerschütterung«, stellte er fest. »Welcher Art war sie – und wie konnte sie auf das Schiff einwirken?«

»Es handelte sich um eine Erschütterung fünfdimensionaler Art. Sie wurde von Energien ausgelöst, die prinzipiell den Trägerenergien unseres Intertransmitters glichen. Danach versagten die Außensensoren. Seitdem fehlen mir weitere Informationen.«

»Wir müssen also während einer unserer Transmissionen in das Transportfeld eines anderen – und wahrscheinlich stärkeren – Transmitters geraten sein«, sagte Lethos zu sich selbst. »Eine Kollision, die eigentlich unmöglich sein sollte, denn die Zeittaster zeigen jedes Hindernis entlang der temporalen Route.«

»Wenn ein Phänomen nicht zur Zukunft unseres Universums gehört, lässt es sich mit den Tastern nicht vorhersehen«, kommentierte das Semorgehirn. »Die Wahrscheinlichkeit, dass wir mit einem Transportfeld kollidierten, das aus einem anderen Raum-Zeit-System, also aus einem anderen Universum kam, ist hoch.«

»Ist unser Spontantransmitter funktionsfähig?«

»Soll ich einen Transport einleiten?«

»Vorläufig nicht«, erwiderte der Hüter des Lichts. »Ich wollte nur wissen, ob uns jederzeit ein Rückzug möglich ist. Weil ich annehme, dass wir auf einem Planeten stehen, der aus einem anderen Universum kam. Möglicherweise leben auf dieser Welt Intelligenzen, mit denen sich ein Kontakt herstellen lässt.« Er überlegte eine Weile, dann sagte er: »Übermittle mir ein Bild des Helioparks, in dem Tlagalagh steht!«

Das holografische Abbild eines sonnenüberfluteten Parks entstand. Inmitten einer kreisrunden Rasenfläche ragte der Würfel auf. Tengri Lethos wusste nicht, ob Tlagalagh schon immer eine Miniaturstadt gewesen war oder ob sie einst aus unbekannten Gründen verkleinert worden war.

Der Hüter des Lichts erschrak, weil der zwei Meter hohe torähnliche Fleck, der Tlagalagh zugänglich gemacht hatte, verschwunden war.

Er versetzte sich mit Hilfe seines Spontantransmitters in den Heliopark. Vorsichtig ging er um den Würfel herum und betastete schließlich die Stelle, an der sich der Durchlass befunden hatte. Sie widerstand seinen Bemühungen ebenso wie die anderen Würfelflächen. Mabel und Guy Nelson schienen Gefangene der Ewigen Stadt geworden zu sein.

Sicher hatte der Effekt mit der Kollision im Hyperraum zu tun, aber Tengri Lethos tröstete dieser Gedanke wenig. Er wusste nicht einmal, ob die beiden Menschen noch lebten, und wenn ja, wie sie ihre Abgeschiedenheit verkraften würden.

Das alles wäre wahrscheinlich nicht so schlimm gewesen, wenn die Zeit innerhalb des Würfels nicht schneller abliefe als außerhalb. Die Geschwister würden also Monate oder Jahre subjektiven Erlebens als Gefangene verbringen müssen – ohne zu ahnen, dass in ihrer gewohnten Welt die Zeit siebzigmal langsamer verging.

Tengri Lethos konnte sich dieses Problems nicht annehmen, solange er nicht wusste, wie es außerhalb des Ewigkeitsschiffs aussah. Aus diesem Dilemma heraus verstieß er gegen seine Grundsätze und entschied, sein Schiff zu verlassen und sich ins Ungewisse zu begeben ...

2.

 

 

Kershyll Vanne redete auf die Roboter ein, die ihn aus seinem Schiff trugen. Er war nicht etwa wütend, sondern versuchte lediglich, die Maschinen darauf aufmerksam zu machen, dass er nach einer Möglichkeit suchte, sich mit ihnen zu verständigen.

Die Roboter reagierten nicht.

Nach einiger Zeit gab Vanne seine Bemühungen auf. Beinahe gleichgültig nahm er es hin, dass die Roboter ihn einer größeren Maschine übergaben. Dieses Monstrum fuhr elastische Stahlplastikbänder aus und fesselte ihn.

Kershyll Vanne konnte noch einen letzten Blick auf die Space-Jet erhaschen und sah erstaunt, dass die Roboter sich nicht länger um das Diskusschiff kümmerten. Sie haben es demnach nicht auf das Schiff, sondern nur auf mich abgesehen!, überlegte er. Ob diese Erkenntnis Gutes verhieß, hielt er indes für fraglich.

Das Verhalten der Roboter war für ihn undurchsichtig. Er versuchte, sich einzureden, dass ES schon wissen würde, wozu es ihn auf diese Welt geführt hatte. Aber ES kümmerte sich selten um Details und steckte nur den Rahmen ab, innerhalb dessen seine Beauftragten – oder auch Sklaven, dachte Vanne grimmig – agieren konnten.

Nach seiner Schätzung waren rund drei Stunden vergangen, als sein Träger abrupt anhielt. Die Stahlplastikbänder öffneten sich. Sekunden später stand Vanne wieder auf den eigenen Füßen und kämpfte gegen ein irritierendes Schwindelgefühl an.

Er erholte sich relativ schnell, denn die Schwerkraft von 1,34 Gravos warf ihn nicht um. Eine höhere Schwerkraft als die der Erde wirkte sich längst nicht so schlimm aus, wie manche Menschen glaubten, die ihre Heimatwelt niemals verlassen hatten. Bei seinem normalen Körpergewicht von 81,5 Kilogramm bedeutete eine Schwerkraft von 1,34 Gravos eine zusätzliche Gewichtsbelastung von 27,71 Kilo. Das war ein Wert, den mancher Übergewichtige zeitlebens mit sich herumschleppte.

Kershyll Vanne schaute sich aufmerksam um.

Die Roboter umstanden ihn in einem weiten Halbkreis, dessen Öffnung den Blick auf einen der kreisrunden Seen freigab. Die unbewegte und kristallklare Wasserfläche durchmaß etwa zweihundert Meter. Der Rand des Gewässers bestand aus glattgeschliffenem natürlichen Felsgestein.

Vanne klappte den Druckhelm zurück, atmete die Luft, die irgendwie abgestanden schmeckte, und aktivierte seinen Translator. Die Roboter verhielten sich abwartend.

Kershyll Vanne wünschte sich, die Führung des Körpers und die Initiative an Albun Kmunah abgeben zu können. Das Bewusstsein des Alpha-Mathematikers war als einziges in der Lage, über den Rahmen der normalen n-dimensionalen Mathematik hinaus verfremdete Begriffe zu verarbeiten, die Verhaltensweisen fremdartiger Intelligenzen und ihrer Roboter rechnerisch zu erfassen und auf ihre Logik einzugehen.

Aber Kmunah meldete sich ebenso wenig wie die übrigen Bewusstseine. Vanne musste allein mit der Situation fertig werden – und wieder einmal begriff er, wie sehr er bereits daran gewöhnt war, sich als Teil einer Gesamtheit zu verstehen, und wie leer und schal er sich fühlte, sobald er auf sich allein gestellt war.

»Ich heiße Kershyll Vanne und strebe eine Kommunikation mit euch an«, sagte er. Der Translator sprach nicht an, denn noch hatte er keine Gelegenheit erhalten, die fremde Sprache zu analysieren – falls die Roboter überhaupt eine eigene Sprache hatten.

Vanne fühlte sich erleichtert, als er die Roboter Laute ausstoßen hörte, die für ihn zwar unverständlich waren, aber immerhin bewiesen, dass die Maschinen ihn gehört hatten und prinzipiell fähig waren, sich mit ihm akustisch zu verständigen. Er wollte warten, bis sein Translator die fremde Sprache analysiert hatte, doch die plumpen Maschinen gaben ihm mit Gesten zu verstehen, dass sie kein Gespräch, sondern Aktionen von ihm erwarteten. Sie deuteten mit ihren Greifwerkzeugen in Richtung des Sees.

Vanne entschied, ihnen den Gefallen zu tun. Während er sich dem künstlichen Ufer näherte, redete er allerdings ununterbrochen auf die Roboter ein, um sie zu weiteren Lautäußerungen zu verleiten. Nach einer Weile gewann er den Eindruck, dass ihre Sprache äußerst einfach beschaffen sein musste. Fast alles, was sie akustisch von sich gaben, klang auf eigentümliche Weise lallend.

Schließlich erreichte er den See und konnte einen Blick in das unglaublich klare Wasser werfen.

Was er sah, erschreckte ihn. Auf dem ebenen Grund lagen unterschiedliche Lebewesen. Sie bewegten sich nicht, sondern wirkten, als befänden sie sich in tiefem Schlaf.

Das Wesentliche war sofort erkennbar: Diese Wesen stammten von unterschiedlichen Welten – was zu dem Schluss verführte, dass sie, wie Vanne ebenfalls, aus dem Weltraum gekommen, von den Robotern überwältigt und in den See gelegt worden waren, um dort im Tiefschlaf oder einer anderen Art der Konservierung auf etwas zu warten.

Vanne blickte sich gehetzt um und versuchte, eine Lücke in der Phalanx der Roboter zu entdecken, durch die er fliehen konnte ...

 

Die Roboter schienen zu wissen, dass ihr Gefangener sich nicht widerstandslos in sein Schicksal fügen würde. Sie rückten dichter zusammen.

Kershyll Vanne riss seinen Impulsstrahler aus dem Gürtelhalfter und feuerte. Der Energiestrahl ließ die Hülle eines der Roboter aufglühen, dann erstarb er. Rasch verblasste die Lademarke der Waffe, ihre Energie wurde von Robotern abgesaugt.

Vanne resignierte, als ihn die drei kleineren Roboter wieder ergriffen. Doch sie warfen ihn nicht etwa in den See, sondern legten ihn auf dem Rückenteil des Transportroboters ab. Wollten sie ihn nicht ...? Nachdem die Stahlplastikbänder Vanne wieder fixierten, setzte sich der Roboter in Bewegung und ließ den See hinter sich.

Was immer die Maschinen mit ihm vorhatten, alles erschien dem Sieben-D-Mann weniger bedrohlich als das Versetzen in einen tiefschlafartigen Zustand.

Nach einiger Zeit wurde er in ein Gebäude gebracht. Tiefblau leuchtende Halbkugeln verbreiteten künstliche Helligkeit. Vanne wunderte sich darüber, dass das Kunstlicht blau und nicht rot war wie die Sonne. Dann entsann er sich seiner Überlegungen hinsichtlich der Entstehung des Planeten. Lavallal war nicht das Kind von Porpoulo-Danger, sondern das einer tiefblau leuchtenden Sonne.

Lavallal ...? Erheitert stellte Kershyll Vanne fest, dass er diese Welt soeben auf die denkbar simpelste Weise nach den eintönigen Lautäußerungen der Roboter benannt hatte.

Gleich darauf fielen seine Fesseln zum zweiten Mal und er wurde vom Rücken des Trageroboters herabgehoben.

Vanne sah sich um und erkannte, dass er in eine Schaltzentrale gebracht worden war. Unterschiedlichste Bildflächen bedeckten die Wände, außerdem gab es plump wirkende Schaltkonsolen.

Die Roboter, die sich hinter Vanne in den Schaltraum drängten, stießen wieder ihre einfachen Laute aus. Zweifellos wollten sie etwas von ihrem Gefangenen, doch Vanne erriet nicht, was sie erwarteten. Sicher sollte er irgendwelche Schaltungen vornehmen, aber dazu hätte er wissen müssen, zu welchem Zweck, um sich nach und nach an die richtigen Möglichkeiten heranzutasten.

Seine erneuten Versuche, mit Hilfe des Translators eine akustische Verständigung aufzubauen, scheiterten.

Völlig klar, Kershyll!, vernahm er plötzlich die Gedanken von Albun Kmunah. Wozu, glaubst du, hat man dir die Schläfer im See und anschließend diese Schaltungen vorgeführt? Zwischen beiden Demonstrationen kann es nur eine Verbindung geben: Die Roboter wollen, dass du die Schläfer aufweckst!

Einigermaßen frustriert erkannte Kershyll Vanne die Logik dieses Gedankengangs. Natürlich war der Alpha-Mathematiker prädestiniert, Sinnzusammenhänge aus fremdartigen Verhaltensweisen herauszulesen, aber im Nachhinein erschien seine Schlussfolgerung so zwingend logisch, dass Vanne sich ärgerte, weil er nicht von selbst darauf gekommen war.

Du scheinst dich gar nicht zu freuen, dass ich wieder präsent bin, stellte das Kmunah-Bewusstsein fest. Seit wann beschäftigt sich ein Psychomathelogist wie du mit selbstquälerischen und frustrierenden Rückblicken?

Das schreckte Vanne vollends auf. Ich war lange allein!, gab er zurück.

Nun kannte er das Ziel. Natürlich würde es Probleme geben, aber alle Schwierigkeiten ließen sich überwinden, wenn genügend Zeit zur Verfügung stand.

Kershyll Vanne war sicher, dass auf Lavallal eine Notlage herrschte. Keinesfalls durfte er annehmen, die Hilfe Außenstehender wäre für die Erweckung der Schläfer eingeplant gewesen. Zweifellos hätte eine Automatik das zu einem bestimmten Zeitpunkt vornehmen sollen. Doch etwas war schiefgegangen. Die Automatik erfüllte ihre Aufgabe nicht – und die Roboter konnten mit den Schaltungen nicht umgehen.

Albun Kmunah verhielt sich wieder schweigsam. Vanne wusste, dass der Alpha-Mathematiker erst wieder eingreifen würde, wenn seine Fachkenntnisse gebraucht wurden. Mit Schaltungen aller Art konnte Vanne selbst folgerichtiger umgehen. Der Einzige, der auf diesem Gebiet – vor allem, was die Funktionsprinzipien artfremder Geräte anging – besser war als Vanne, war der Totalenergie-Ingenieur Hito Guduka. Aber da er sich nicht meldete, litt er offenbar noch unter den Auswirkungen des mentalen Schocks.

Entschlossen konzentrierte Kershyll Vanne sich auf die größte Schaltkonsole.

 

Zwei Roboter traten unbeholfen neben ihn. Mit tentakelförmigen Greiforganen kopierten sie seine Bewegungen.

»Ihr hindert mich daran, mich auf meine Aufgabe zu konzentrieren!«, fuhr Vanne sie ärgerlich an. »Kontrolleure, die weniger verstehen als der, den sie kontrollieren, sind Störfaktoren!«

Die Roboter reagierten nicht darauf. Es war, als hätte das Konzept gegen die Wand gesprochen.

Was wird hier eigentlich gespielt?, meldete sich Indira Vecculi mürrisch.

Lies die Antwort in meinem Gedächtnis! Vanne war entschlossen, alle weiteren Äußerungen der Positronikerin zu ignorieren. Indira konnte penetrant zänkisch und rechthaberisch sein, aber wenn sie einsah, dass sie sich im Gesamtinteresse des Konzepts zurückhalten musste, gelang es ihr meist, sich zu beherrschen.

Bildflächen zeigten Korridore und Räume, von denen Vanne nicht wusste, wo sie sich befanden. Nach einigen weiteren Schaltungen ließ eine der großen Wiedergaben einen Ausschnitt der Oberfläche erkennen. Es handelte sich um die nähere Umgebung des Raumhafens. Vanne sah in einem Felsbuckel der Oberfläche ein riesiges stählernes Tor, das offenbar einen Zugang in die Tiefe versperrte.

Prompt baute sich in seinem Bewusstsein eine Assoziation zur Unterwelt des Planeten Olymp auf. Vanne schob diesen Gedanken jedoch als störend beiseite. Schließlich interessierte ihn nicht die Unterwelt von Lavallal, sondern eine Möglichkeit, die Schläfer in dem See – oder in den Seen – zu wecken.

Und wenn es mir gelingt? Wie werden sie auf meine Anwesenheit reagieren?

Kershyll Vanne hatte gezögert. Die Roboter reagierten prompt darauf. Sie stießen ihn unsanft an und machten ihm damit klar, dass sie keine weiteren Verzögerungen dulden würden. Für sie war er nur ein Werkzeug, das zu funktionieren hatte.

Bist du in Gefahr?, meldete sich Ankameras Bewusstsein zaghaft.

Vorläufig nicht!, gab Vanne zurück. Es tut gut, dich wieder zu spüren, Ankamera!

Es war grauenhaft, aber allmählich erhole ich mich!, teilte Ankamera ihm mit. Allerdings will ich dich nicht länger ablenken, Kershyll.

Vanne war ihr dankbar dafür. Da er die Ungeduld der Roboter spürte, erfolgten seine Schaltungen nun noch wahlloser als zuvor. Immer neue Bilder leuchteten auf – nichts, was Vanne sonderlich interessant erschienen wäre – mit einer Ausnahme. Jene Wiedergabe zeigte das Innere einer halbkugelförmigen Halle, deren gewölbte Wandung mit Tausenden Gebilden gespickt war, die an ein Zwischending von Hochspannungsisolator und Phasenkompensator denken ließen.

Doch das erregte Vanne nicht so sehr wie der Anblick des goldfarbenen kugelförmigen Raumschiffs, das dicht über dem Hallenboden schwebte. Es war weder ein terranisches Schiff noch gehörte es einer anderen bekannten Zivilisation. Die Außenhaut war glatt, ohne Ringwulst und Düsenöffnungen. Es gab keine Geschütz- und keine Aussichtskuppeln, offenbar auch keine ausfahrbaren Landestützen.

Der Anblick erinnerte Kershyll Vanne an Aufnahmen, die er zur Zeit der Aphilie in einem Geheimdienstarchiv gesehen hatte. Aber für jenes archivierte Objekt war ein Durchmesser von dreißig Kilometern vermerkt gewesen – und das Schiff, das er jetzt sah, konnte nicht viel größer als eine Korvette sein.

Ihm wurde sofort klar, dass die Größeneinschätzung des goldenen Raumschiffs auf seinem rein subjektiven Eindruck beruhte. Tatsächlich konnte er die Größe überhaupt nicht kalkulieren, da es in der Halle nichts Vertrautes gab, das ihm als Anhaltspunkt hätte dienen können.