cover

Ulrich Offenberg

DIE VÖLKERWANDERUNG

EUROPA IN AUFRUHR

© Verlag KOMPLETT-MEDIA GmbH

2008, München/Grünwald

www.komplett-media.de

eBook-Herstellung und Auslieferung:
HEROLD Auslieferung Service GmbH
www.herold-va.de

Inhaltsverzeichnis

Die Teutonen drohen

Hinterlist der Römer

Germanische Brutalität

Der Untergang der Kimbern

Das Barbaren-Trauma

Cäsar schlägt Ariovist

Die Schlacht im Teutoburger Wald

Arminius’Abenteuer

Komplott gegen Varus

Gekauftes Wohlverhalten

Koalition gegen Rom

Die Wulfila-Bibel

Friedensschluss im Niemandsland

Die Hunnen kommen

Europa auf der Flucht

Die Schlacht von Adrianopel

Die Hunnen helfen Rom

Attila, der Fluch Gottes

Die Westgoten erstürmen Rom

Alarichs Grab

Die Vandalen

Schlacht auf den Katalaunischen Feldern

Attlilas Ende

Der Marsch der Vandalen

König Geiserich

Die Vandalen plündern Rom

Das Ende der Vandalen

Das Schicksal der Alemannen

Die Burgunden

Das Ende des Weströmischen Reiches

Theoderich der Große

Die neue Blüte Italiens

Der Untergang der Ostgoten

Justinians Reconquista

Die Langobarden

König Alboins Heerzug

Die Geburt des italienischen Volkes

Die Findelkinder der Völkerwanderung

Die Westgoten in Spanien

Der Siegeszug des Katholizismus

Spanien als geistliches Zentrum

Invasion von Allahs Kriegern

Angeln und Sachsen in England

Der Widerstand der Briten

Missionierung des Kontinents

Der Apostel der Deutschen

Die Gewinner der Völkerwanderung

Die Taufe Chlodwigs

Germanen als Wirtschaftsflüchtlinge

Die Teutonen drohen

Es waren zwar die Hunnen, die mittelbar das Römische Reich zum Einsturz brachten. Aber eigentlich beginnt die Geschichte der Völkerwanderung bereits mit dem Marsch der Kimbern und Teutonen um 120 v. Christus. Dieser erste große Germanenzug Richtung Süden gab einen Vorgeschmack auf das spätere Drama der Völkerwanderung. Nach diesem ersten Schock hörten die Römer nie mehr auf, mit einer Mischung aus Misstrauen und nackter Angst ihre Nordgrenzen zu beobachten. Waren diese blonden Hünen vielleicht die Vorboten immer neuer Barbarenhorden, die sich des Südens bemächtigen wollten?

Die furiosen Kämpfe der Germanen gegen die römische Weltmacht ließen den römischen Dichter und Staatsmann Tacitus einen sehr respektvollen Satz über die Kimbern verfassen, die er als „jetzt noch ein kleiner Stamm, aber von ungeheurem Ruhm“ bezeichnet.

Die Teutonen kommen bei ihm nicht vor, dafür aber beim griechischen Seefahrer Pytheas, der nach seiner spektakulären Reise in den Norden über das heutige Helgoland um 325 v. Christus berichtet: „Dort wird im Frühling reichlich Bernstein angespült, der ein Auswurf des gefrorenen Meeres ist. Die Inselbewohner verwenden ihn zum Heizen, auch verkaufen sie ihn an die Teutonen, die ihnen auf dem Festland am nächsten wohnen.“ Mit dieser ersten Nennung des Stammes der Teutonen – so die Auffassung vieler Historiker – beginnt die Geschichte der Germanen.

Was ließ nun diesen germanischen Stamm der Teutonen ihr angestammtes Territorium verlassen und auf Wanderung gehen? Alles fing wohl mit einer Sturmflut an. Sie soll Jütland, die Heimat der Kimbern, überschwemmt haben. Versalzte Böden und eine damit einhergehende Hungersnot zwangen den größten Teil des Stammes zum Verlassen ihres Siedlungsgebietes – die Teutonen haben sich ihnen später angeschlossen.

Die riesige Wandergemeinde, es mögen an die 150.000 Menschen gewesen sein, setzten sich nach Süden in Marsch. Sie zog nach Böhmen, Schlesien und Mähren, schließlich ins Donaugebiet und in die Ostalpen.

Den Städte bauenden Römern waren Naturvölker suspekt. Die Informationen über die wandernden Germanen, die in Rom kursierten, hörten sich nicht gut an – und sollten von den späteren Ereignissen sogar noch übertroffen werden: Zwei gigantische Marschsäulen von insgesamt 300.000 Menschen seien unterwegs, erzählte man sich am Tiber, riesengroße, bewaffnete Krieger mit blauen Augen, dazu noch größere Scharen an Kindern und Frauen. Diese erbarmungslosen, hünenhaften Barbaren seien auf der Suche nach Land und nach Beute in den Städten. Wer sich ihnen entgegen stellte, würde niedergemacht.

Und tatsächlich erfolgte schon bald der ersteAngriff der Kimbern und Teutonen. Ziel war zunächst das mit Rom verbündete Norikum, das heutige Elsass. Der römische Konsul Papirius Carbo ließ sogleich die Alpenpässe besetzen, um die Germanen am Durchmarsch nach Italien zu hindern. Als sie jedoch nicht angriffen, beging Carbo aus Überheblichkeit seinen ersten Fehler: Er rückte gegen die Kimbern vor und beschuldigte sie, die Noriker, die Verbündeten Roms, angegriffen zu haben.

Die Kimbern versicherten eilfertig, von dieser Freundschaft nichts gewusst zu haben und versprachen, friedlich wieder abzuziehen. Denn sie seien lediglich auf der Suche nach Siedlungsland, um sich dort niederzulassen. Carbo gab ihnen darauf Führer mit, angeblich, um ihnen bei der Suche nach einem geeigneten Gebiet behilflich zu sein.

Das war allerdings nur ein Vorwand. Der Konsul hatte seine Führer angewiesen, mit den Barbaren einen längeren Umweg zu machen, während er ihnen mit seinen beiden Legionen in Eilmärschen den Weg abschnitt und Posten bezog, um sie aus dem Hinterhalt zu vernichten. Der Konsul sollte für seine Heimtücke bitter bezahlen. Die Schlacht fand 113 v. Chr. bei Noreia statt, einem Ort nördlich des heutigen Klagenfurt.

Carbo überfiel die Kimbern während einer Rast. Warum der Konsul glaubte, die Barbaren leicht besiegen zu können, wird für immer sein Geheimnis bleiben. Der primitiven aber durchaus wirkungsvollen Kampfweise der Germanen waren die überraschten Römer nicht gewachsen. Zwei Legionen – 12.000 Mann – wurden von den furios dreinschlagenden Kriegern aufgerieben. Dass sie nicht völlig vernichtet wurden, verdankten sie dem Aberglauben der Germanen. Als ein schweres Gewitter einsetzte, brachen sie den Kampf ab. Sie fürchteten den Zorn der Götter.

Hinterlist der Römer

Am Anfang des langen römisch-germanischen Ringens standen also List und Heimtücke sowie eine Selbstüberschätzung eines bis dahin meist siegreichen Großreichs. Das war nicht unbedingt der beste Einstieg für eine vertrauensvolle Zukunft. Die Römer wurden zwar heftig inAngst und Schrecken versetzt, doch das Schicksal meinte es noch einmal gut mit ihnen. Die Kimbern und Teutonen setzten ihren Marsch nicht weiter nach Süden fort, sondern zogen in den Nordwesten, zu den keltischen Helvetiern in der heutigen Schweiz. Einige wenige ließen sich an Neckar und Main nieder.

Der Großteil der vereinigten Kimbern und Teutonen jedoch wanderte weiter nach Gallien, einer Odyssee entgegen, die sie etwa nach 15 Jahren über Spanien zurück nach Gallien und Italien führen sollte. Es muss eine riesiger Marschkolonne gewesen sein: Die besten Krieger an der Spitze und in der Nachhut, Mütter und Kinder in der Zugmitte in Ochsenkarren, die Reiter an den Flanken mit dem Vieh, und ganz vorne die alten Frauen, die den richtigen Weg aus dem Blut von Gefangenen weissagten.

Zeitgenössische Chronisten schilderten das dazu gehörige Prozedere ganz genau: „Unter ihren Frauen, die an dem Heereszug teilnahmen, waren auch weissagende Priesterinnen mit ergrautem Haar, in weißen Gewändern, leinenen, mit Fibeln zusammen gehaltenen Mänteln, mit Bronzegürtel, barfüßig. Diese gingen im Heerlager mit gezückten Schwertern auf die Gefangenen zu, bekränzten sie und führten sie zu einem Bronzekessel, der etwa 20 Amphoren fasste. Dort stand auch eine Leiter, die eine der Priesterinnen bestieg, um dann oberhalb des Gefäßes einem nach dem anderen der empor Gereichten die Kehle durchzuschneiden. Mit dem in den Kessel fließenden Blut praktizierten sie eine Art Weissagung. Anderen schlitzten sie den Leib auf und prophezeiten aus den Eingeweiden, wobei sie ihren Leuten laut den bevorstehenden Sieg verkündeten. Während des Kampfes trommelten sie auf die Felle, die über die Wagenkörbe gespannt waren, so dass ein ungeheurer Laut entstand.“

Völkerwanderung zu jener Zeit bedeutete, mühsam, Tag für Tag, Monat für Monat, bei jedem Wetter den Weg zu suchen. Je weiter die Kimbern und Teutonen nach Süden vorrückten, desto erträglicher wurde es. Wenn möglich, folgten sie den Flüssen, denn sie gaben ihnen Richtung und Ziel. Die Flüsse konnten aber zugleich unüberwindbare Hindernisse darstellen. Es sei denn, die Führer fanden eine Furt für die Durchquerung. Das konnte allerdings Tage dauern.

109 v. Chr. trafen die Kimbern und Teutonen an der Rhône auf das Heerlager des römischen Konsuls Marcus Junius Silanus und baten um die Vergabe von Siedlungsgebieten, denn sie wollten keinen Krieg führen. Für das ihnen zugewiesene Land wollten sie als römische Bundesgenossen bezahlen. Damit wiederholten sie die gleich lautende Bitte, die ihre Gesandten vorher in Rom vorgetragen hatten. Diese hatten wegen ihrer äußeren Erscheinung allerdings nur Erstaunen und Spott ausgelöst. Ihr Gesuch nach Land wurde vom römischen Senat kategorisch abgelehnt.

Kurz nachdem die Gesandten zu ihrem Volk zurückgekehrt waren, wurden die Barbaren von Silanus angegriffen. Aber auch diese zweite Schlacht konnten die Römer nicht gewinnen, sie geriet erneut zum Debakel. Diesmal fielen vier Legionen auf dem Schlachtfeld, etwa römische 24.000 Soldaten. Und wieder geschah das Unbegreifliche: Statt sich nach Rom zu wenden und Rache zu nehmen, setzten die Kimbern und Teutonen ihren Wanderzug durch Gallien fort. Die weisen Frauen hatten es so entschieden.

105 v. Chr. stieß die kimbrisch-teutonische Hauptmacht auf drei starke römische Kräfte, die an der Rhône standen. Wieder das alte Spiel. Sowohl die Legionen des ehemaligen Konsuls Scaurus als auch die des Konsuls Mallius Maximus und des Prokonsuls Servilius Caepio wurden bei Arausio – dem heutigen Orange – besiegt. Diese Schlacht war mit schätzungsweise über 80.000 gefallenen Soldaten eine der größten Niederlagen in der langen römischen Geschichte.

Germanische Brutalität

In diesen Kämpfen müssen die Germanen eine oft sinnlos erscheinende Brutalität gezeigt haben. Die Schilderung des Geschichtsschreibers Livius ist überliefert. „80.000 Römer und Bundesgenossen wurden getötet, 40.000 Trossknechte und Marketender dazu. Alle Beute wurde den Göttern geopfert. Die Gewänder der Gefallenen und Gefangenen wurden zerrissen, Gold und Silber in den Strom geworfen, die Pferde ertränkt, die Gefangenen an den Bäumen aufgehängt. Von dem ganzen Heer blieben nur zehn Mann übrig, die die traurige Kunde überbrachten.“ Und Plutarch schrieb: „Unwiderstehlich in ihrer Tollkühnheit, ihrem Wagemut und der Kraft ihrer Arme, griffen sie bei den Schlachten mit der Schnelligkeit und Gewalt eines Feuersturms an. Keiner leistete ihrem Andringen Widerstand, sondern alle, auf die sie trafen, wurden wie Beutegut fortgeschleppt und später geopfert oder gleich niedergemacht.“

Selbst wenn die Zahlen übertrieben sein mögen, so dokumentieren sie deutlich das tiefe Entsetzen der Römer über den Vernichtungswillen und die Brutalität des Gegners. Auch wenn die Germanen durch die Abschlachtung der gefangenen Feinde ihren Göttern huldigen wollten – ihre Grausamkeit also einen kultischen Hintergrund hatte – ihr Verhalten trug nicht gerade zur Völkerverständigung bei. Die arrogantabweisende Haltung der Römer allerdings genauso wenig.

Trotz des neuerlichen Sieges gegen die Römer und obwohl das Land schutzlos vor ihnen lag, entschieden die weisen Frauen der Germanen gegen einen Zug nach Italien. Die Kimbern stießen über den Ebro nach Spanien vor, während die Teutonen undAmbronen plündernd durch Gallien zogen. Aber weder in Spanien noch in Gallien konnten die Germanen eine geeignete Heimat finden. Kimbern, Teutonen und Ambronen trafen sich wieder an der Seine und beschlossen nun endgültig, auf das römische Kernland, auf die Hauptstadt am Tiber in Italien zu marschieren. Die Zeit der Entscheidung war gekommen.

Die beiden Heerhaufen marschierten einige Wochen gemeinsam, dann trennten sie sich. Teutonen und Ambronen wollten über die Westalpen vordringen, die Kimbern über die Ostalpen. Zu dieser Zangenbewegung sollte es aber nicht mehr kommen. Rom hatte endlich den geeigneten Führer seiner Legionen gefunden: Gajus Marius, ein Haudegen alter Schule, machte sich mit kühlem Kopf an die Aufgabe, die Barbarengefahr ein für alle mal zu bannen.

Gajus Marius hatte die römische Kriegsmacht einer umfassenden Reform unterzogen, er hatte das Heer vergrößert und modernisiert. Die Trennung der beiden barbarischen Heere kam ihm sehr entgegen, und so erwartete er im Jahr 102 v. Chr. zunächst die Teutonen und Ambronen in der Nähe des heutigen Aix-en-Provence. Marius ließ sich vom Gegner nicht provozieren und hielt seine Soldaten im Lager zurück. Vom befestigten Wall aus beobachteten sie den Feind, um sich an die fremdartigen Gestalten zu gewöhnen und ihre Ausrüstung begutachten zu können. Dies war einer der Schlüssel zum Erfolg: dem Fremden seinen Schrecken zu nehmen.

Als sich die Germanen auf den Weg machten und am Lager der Römer vorbei zogen, dauerte es aufgrund ihrer schwindelerregend hohen Zahl ganze sechs Tage, bis der Zug vorüber war. Die Barbaren fragten die Römer lachend, ob sie ihren Frauen daheim in Rom etwas ausrichten sollten, denn in Kürze würden sie mit ihnen das Ehebett teilen. Marius war allerdings schneller und schnitt ihnen den Weg ab.

In der folgenden Schlacht gab er den übermütig gewordenen Barbaren keine Chance. Erst ging er gegen die Ambronen, dann gegen die Teutonen vor, fing sie am Flussufer ab und durchstieß ihre Reihen. Als er die Überlebenden ins Lager zurückdrängte, kamen ihnen die germanischen Frauen mit Schwertern und Äxten entgegen, um sowohl gegen die Fliehenden des eigenen Stammes als auch gegen die Römer einzuschlagen. Am nächsten Tag, die Barbaren waren besiegt, lagen 100.000 Germanen tot auf dem Schlachtfeld. Die Teutonen waren vernichtet.

Der Untergang der Kimbern

Die Kimbern hatten mittlerweile die Alpen ohne Widerstand überquert, da der römische Feldherr Catulus die Pässe nicht sichern ließ. Er konzentrierte sich darauf, seine Verteidigungslinie am Fluss Etsch zu errichten, um das Heer zusammenzuhalten. Als die Kimbern die Römer entdeckten, rissen sie Hügel auf, schleppten Bäume samt Wurzeln und Erdklumpen in den Fluss und drängten die Strömung so geschickt ab, dass die von Catulus gebauten Verteidigungswälle ins Wanken gerieten. Auge in Auge mit Tausenden entfesselten Kimbern blieb den völlig überrumpelten Römern nichts anderes übrig, als zu fliehen. Es gelang ihnen gerade noch, mit Catulus an der Spitze, die Formation einigermaßen geordnet zu halten, damit sich die Blamage nicht allzu deutlich offenbarte.

Die Kimbern drangen daraufhin in die fruchtbare Po-Ebene vor und wähnten sich endlich am Ziel ihrer Wanderung: in einer neuen Heimat, im gelobten Land. Bestimmt hatten sie schon längst genug von der ewigen Wanderung. Sie wollten ein Dach über dem Kopf, Äcker bebauen, Vieh weiden und Obstbäume pflanzen.

Marius, der zuerst von einer Niederlage des Catulus am Fuße der Alpen ausgegangen war, hatte seine Legionen in Eilmärschen in die Poebene geführt. Die Kimbern ließen ihm ausrichten, dass sie keinen Krieg wollten. Wenn Marius ihnen das Land lasse, wollten sie sich Rom als Soldaten verdingen. Marius führte ihnen als Antwort den gefangenen Teutonenkönig Teutobod vor. So erfuhren die Kimbern von der Vernichtung des Brudervolkes. Ohne ihre Verbündeten hatte sich ihre Situation entscheidend verschlechtert. Trotzdem war der Krieg unausweichlich geworden.

Boiorix, der König der Kimbern, forderte Marius auf, den Tag und Ort der Entscheidungsschlacht zu bestimmen, was dann auf den 30. Juli 101 bei Vercelli festgelegt wurde. Zehn römischen Legionen unter Marius und Catulus stand ein kimbrischer Kampfverband von fünf Quadratkilometern gegenüber, mit über 100.000 Fußsoldaten und Reiterkriegern. Allem Anschein nach hat die Umzingelungsstrategie von Marius die Schlacht letztlich entschieden, obwohl der in der Mitte kämpfende Catulus den Sieg für sich reklamierte.

Unter den Kimbern jedenfalls brach Panik aus, etwa 50.000 Krieger fielen, die gleiche Menge wurde gefangen genommen. Als die Niederlage feststand, entleibten sich viele Barbaren sowie 300 ihrer Frauen, die sich auf ihrer Wagenburg bis zuletzt erbittert gewehrt hatten. Sie wollten nicht in Ketten und in Schande durch Rom geschleift werden und als Sklaven ihr Dasein fristen.

Das furchtbare Ende der Kimbern hat Plutarch in erschütternder Weise festgehalten: „Als die Römer die Fliehenden bis in ihre Verschanzung zurückgedrängt hatten, trafen sie auf geradezu tragische Szenen: Die Frauen standen schwarz gewandet auf den Wagen und töteten die Fliehenden. Die einen ihre Männer, die anderen ihre Brüder, wieder andere ihre Väter. Ihre kleinen Kinder erwürgten sie mit den Händen und warfen sie unter die Räder oder unter die Füße der Zugtiere. Dann brachten sie sich selbst um. Eine Frau hing an einer aufgerichteten Deichsel; ihre Kinder hatte sie, mit Strikken an ihren Knöcheln fest gebunden, zu beiden Seiten erhängt.

Die Männer sollen, da es an Bäumen mangelte, den Strick um ihren Hals an den Hörnern der Rinder oder auch an deren Beinen angebunden, dann die Rinder mit Stacheln angetrieben haben und zu Tode geschleift oder getrampelt worden sein. Obwohl so der Tod unter ihnen wütete, gerieten noch mehr als 50.000 in Gefangenschaft. Die Anzahl der Gefallenen soll doppelt so groß gewesen sein.“

Für den Ausgang der Schlacht war nicht zuletzt auch die hochsommerliche Hitze ausschlaggebend, die den hünenhaften Kimbern schwer zu schaffen machte. Es wird berichtet, dass ihnen der Schweiß in Strömen herunter rann und sie sich zum Schutz vor der Sonne die Schilde vor das Gesicht hielten. Zudem war der Morgen neblig gewesen, daher konnte Marius eine überraschende Attacke starten. Dazu wehte den Kimbern durch einen heftigen Wind ständig störender Staub ins Gesicht.

Als wirkungsvolle Strategie hatte sich auch erwiesen, die römische Schlachtreihe gegen Osten aufzustellen, so dass die glitzernden römischen Helme und Rüstungen die Kimbern in der Morgensonne irritierten, wenn nicht sogar schon zu Beginn der Schlacht entmutigten. Obgleich auch Catulus seinen Anteil am Sieg einforderte, wurde Marius vom Volk von da an als dritter Gründer Roms gefeiert: Er hatte die Teutonen besiegt und bekleidete als amtierender Konsul einen höheren Rang als Catulus.

Das Barbaren-Trauma

Nun konnten die Bürger des Römischen Reichs wieder aufatmen. Die wenigen überlebenden Kimbern zogen vermutlich wieder nach Norden zurück. Viele ihrer versklavten Krieger beziehungsweise ihre Nachkommen sollten sich 30 Jahre später als Gladiatoren, gemeinsam mit teutonischen Leidgenossen, dem rebellierenden Sklavenzug des berühmten „Spartacus“ anschließen, der einer Gladiatorenschule bei Capua entflohen war und einen gefährlichenAufstand anzettelte. Die Zirkus-Kämpfer zogen plündernd durch Italien, bevor sie von den Römern geschlagen und ans Kreuz genagelt werden konnten. Damit hatten die letzten Kimbern und Teutonen in Italien aufgehört zu existierten.