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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich

ALTE GESCHICHTE

Athen und Jerusalem:

Antike Bildung in frühchristlich-

lukanischen Erzählungen

Von Prof. Dr. Peter Lampe

Universität Heidelberg

(ISBN DVD: 978-3-8312-9927-0; ISBN Hörbuch: 978-3-8312-6437-7)

Abstract

Gegen Ende des 1. Jahrhunderts fanden sich auch Gebildetere und sozial Arriviertere in den früh christlichen Hausgemeinden ein. Denen erzählt Lukas in seinem Evangelium und der Apostelgeschichte die judeo-christliche Tradition neu, indem er zahlreiche Reminiszenzen an hellenistische Bildung einstreut, um Gebildeten seiner Zeit den christlichen Glauben attraktiv erscheinen zu lassen.

Paulus erweist sich so unterschwellig als zweiter Sokrates. Die Erhöhung des auferstandenen Jesus wird griechischrömischen Apotheosen nachempfunden. Jesus und Paulus propagieren Spruchgut, das sich auch bei Thukydides findet, und im urchristlichen Zusammenleben erfüllen sich sozialutopische Träume griechisch-hellenistischer Literaten. Selbst bei der Weihnachtsgeschichte vermögen hellenistische Leser die politisch gefärbte Hirtendichtung der Zeit zu assoziieren. Lässt Lukas die athenische Eule im Kreuz nisten? Handelt er sich damit Probleme ein? Büßt er – trotz kritisch-politischer Untertöne in den Himmelfahrts- und Weihnachtsgeschichten – ein Stückweit seiner Kritikfähigkeit gegenüber der ihn umgebenden Kultur ein?

Abschaffen wollen etliche ihn, den Himmelfahrtstag; anstatt eines staubigen Mythos die herausgeputzten Naturwissenschaften an diesem Tag feiern. Was seines Sinnes entleert – und einen Teil der Bevölkerung mit Bierflaschen im Wald seiner Sinne beraubt –, müsse nicht weiter gepflegt werden. Lukas sei eh der einzige Autor im Neuen Testament, der den Himmelfahrtstag kenne.

Ob die Rede von Christi Himmelfahrt heute so sinnentleert ist, werden wir fragen müssen – zu verstehen suchen, was Lukas mit dieser und anderen Vorstellungen im Schilde führte.

Einführung in die historische Situation

Lukas, der Autor eines Doppelwerkes, des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte, schreibt im letzten Quartal des ersten Jahrhunderts irgendwo außerhalb Palästinas in einer Stadt des kaiserzeitlichen Mittelmeerraums, vielleicht im kleinasiatischen Ephesus. Die Christen sehen sich an verschiedenen Stellen des Reiches wiederholt übler Nachrede ausgesetzt.1 Missgünstige Nachbarn tuscheln über allerlei Untaten, gar Mord und Veruntreuen von Geldern, über den schädlichen Aberglauben der Christen, auch über mangelnde Loyalität gegenüber dem Staat. Ihnen geht der monotheistische Absolutheitsanspruch auf die Nerven. Heidnische Mitbürger, daran gewöhnt, sich in verschiedene Mysterien einweihen zu lassen,2 schütteln den Kopf, wenn da Leute auftreten, die behaupten, den „allein wahren“ Glauben zu vertreten, der mit anderen Religionspraktiken nicht zu vereinbaren sei. Der Heide Celsus vergleicht im zweiten Jahrhundert die Christen mit „Fröschen, die um einen Sumpf herum Sitzung halten“ und quaken: „Wir sind es, denen Gott zuerst alles offenbart… Es gibt einen Gott, nach ihm kommen dann wir“!3 Exklusivität und Absolutheitsanspruch ziehen soziale Isolation nach sich. Diese wiederum gebiert Misstrauen, Verdächtigungen. Die Nachbarn reagieren: „Die Christen mögen uns nicht.“ Odium humani generis, Hass auf die Menschen,4 werfen sie ihnen vor – wie den Juden.

Lukas kennt die hasserfüllte Atmosphäre zwischen Christen und heidnischen Nachbarn. In Lukas 6,22-23 zum Beispiel bearbeitet er einen ihm schriftlich vorgegebenen Text. Die Vorlage redete davon, dass Juden einst die Christen gehasst und aus der Synagoge geworfen hätten. Was macht Lukas? Er tauscht jüdische Widersacher verallgemeinernd gegen „die Menschen“ aus und schon heißt es: „Selig, so euch die Menschen hassen.“

Wie begegnen die Christen der Antipathie der Umwelt? Abseits des nervenden Monotheismus, abseits einer gewissen sozialen Zurückgezogenheit – sie machen nicht alles mit, nehmen nicht an paganen Opferfesten teil,5 nicht am Kaiserkult oder zögern, öffentliche Ämter anzunehmen,6 die sie mit heidnischem Kult in Berührung brächten – abseits dieser Charakteristika kann ihnen nichts nachgewiesen werden. Auch Tacitus glaubt nicht, dass die Christen im Jahre 64 die Stadt Rom anzündeten, wie Nero anklagte. 7

Eine erste apologetische Strategie ist die des bürgerlichen Wohlverhaltens. Die christlichen Quellen lukanischer Zeit empfehlen eindringlich, ein moralisch tadelloses Leben an den Tag zu legen, durch bürgerliche Wohlanständigkeit und Loyalität gegenüber dem Staat zu glänzen.8 Jeder Christ möge geregelter Arbeit nachgehen, auf keinen Fall als Müßiggänger ins Gerede kommen.9 Junge Witwen sollen lieber heiraten, um anderen „keinen Anlass zu geben, das Maul sich zu verreißen“.10 Vor allem ein christlicher Amtsträger muss, so heißt es in den Pastoralbriefen, „ein schönes Zeugnis haben vor denen draußen, damit er nicht beschimpft werde“.11 Allen Christen wird geraten, gegenüber Heiden freundlich und ehrerbietig sich zu zeigen.12 Apologie durch die Tat könnten wir dies nennen.

Ein zweiter Weg war, durch Wort und Schrift ein besseres Bild von den Christen zu zeichnen. Lukas begibt sich als erster auf den Weg der literarischen Imagepflege. Im zweiten Jahrhundert werden die sogenannten Apologeten folgen, Justin und andere.

politisch loyal13Name dropping