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Fachbereich
ALTE GESCHICHTE

Gewaltexzesse antiker Tyrannen

Von Prof. Dr. Martin Zimmermann

Einführung

Über Gewalt zu sprechen, ist nicht angenehm. Das gilt auch für die vielen Exzesse und Massaker, die die antike Überlieferung für uns bereit hält und die in den Quellen in großer Zahl aufzufinden sind. Viele verbinden mit antiken Kulturen Gewaltexzesse, Gladiatorenspiele fallen an, die großen Schlachten bei Cannae und an anderen Orten mit Tausenden von Toten.

Diese Berichte die wir in den antiken Quellen über Gewalt und extreme Formen von Gewalt finden, können oft bis ins absurde gesteigert werden. So hören wir etwa in einer Vita des kaiserzeitlichen Biographen Plutarch dass die Schwägerin Ciceros nach der Ermordung dieses großen Redners den Sklaven, der mit dafür verantwortlich war, dass Cicero ums Leben kam, gefangen nehmen ließ. Aber nicht nur das: Sie führte ihn in den Garten ihres eigenen Hauses, zwang ihn dazu, sich Fleisch von den Armen abzuschneiden, es zu grillen und selbst zu essen. Sie sehen, die Geschichten können bis in die Absurdität gesteigert und pathologisch kaum mehr vermittelbar sein.

Das Komische dieser Geschichten findet sich in der gesamten antiken Literatur. So erfahren wir etwa von dem Kaiser Commodus, der am Ende des 2. Jahrhunderts nach Christus regierte, er habe sich in einem Anfall von Hunger bucklige Krüppel, mit Senf bestrichen, servieren lassen. Und er tat andere komische Dinge in der Öffentlichkeit. So schnitt er einem dickleibigen Mann den Bauch auf, um sich über die heraus fallenden Eingeweide zu belustigen.

Ein anderer Herrscher soll seinen Bruder im Gartenteich ertränkt haben und genoss bei den Mahlzeiten Hinrichtungen. Bei diesem Tyrannen handelt es sich aber nicht um einen antiken Herrscher, sondern um den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-il. Man sieht also, dass bis heute Geschichten über Tyrannen mit Gewaltexzessen und behaupteten Gewaltexzessen angereichert waren und schlägt man die Tageszeitungen auf, dann zieht sich das wie ein roter Faden durch die öffentlichen Debatten.

Ich möchte in den folgenden 60 Minuten der Frage nachgehen, was diese Berichte über antike Gewalt eigentlich verraten und wie diese Lektüre einzuschätzen ist, was also der alltägliche Schrecken der antiken Tyrannis in diesen Berichten gewesen ist. Das möchte ich in drei Schritten vorstellen. Zunächst werde ich anhand von einigen Beispielen diese Gewaltexzesse noch einmal vorstellen und in Erinnerung rufen. Anschließend soll ermittelt werden, wie die antiken Leser und Hörer dieser Texte selbst mit diesen Berichten umgingen und wie sie diese Berichte beurteilten. Dabei möchte ich zeigen, dass das Beispiel für diese Art von Gewaltdarstellungen eine lange Tradition bis in die griechische Kulturgeschichte hat und dass diese Geschichten sich aber in ihrer ganzen Bedeutung erst erschließen, wenn man sie bis nach Rom verfolgt und schaut, wie die Römer mit diesen Geschichten umgehen und wie sie diese Geschichten einsetzen, um auch eigene politische Ziele zu erreichen. Dabei sollen also diese kleinen Gewaltepisoden und diese schrecklichen Geschichten nicht nur als Beispiele für Gewaltexzesse von Alleinherrschern gedeutet werden, sondern vor allem auch als Beispiel vorgestellt werden, wie man in der Antike und vielleicht bis heute soziale und politische Standortbestimmung vornimmt.

Zwei Vorbemerkungen sind noch nötig. Wenn ich von Tyrannen spreche, dann meine ich alle Alleinherrscher, unabhängig davon, ob sie im staatsrechtlichen Sinne wirkliche Tyrannen gewesen sind, also ob sie die Verfassung außer Kraft setzten oder ob sie neben dieser standen. Das spielt keine Rolle. Es geht um das Label, das man bestimmten Figuren anklebte. Und wenn ich von den alltäglichen Schrecken dieser antiken Tyrannen spreche, dann meine ich nicht Enteignungen und Hinrichtungen und ähnliches, die auch in einem freien Gemeinwesen der Antike zum Alltagsgeschäft gehörten und in ganz anderer Form als heute die Alltagswahrnehmung der Zeitgenossen bestimmten. Mit geht es um Geschichten und Episoden, die selbst für antike Zeitgenossen, die einiges gewohnt waren, besonders schlimm waren und hartgesottene Bürger der griechischen Polis-Welt und Roms aus der Ruhe brachten, wenn man sie ihnen erzählte.

Extreme Gewalt in der Antike – Beispiele

Man sollte also nicht erschrecken, wenn die Grenzen des guten Geschmacks im Folgenden etwas überschritten werden, aber das ist, wie ich denke ganz interessant und notwendig, um einen Blick auf antike Kulturen zu werfen, der in dieser Form noch nicht geworfen worden ist, uns jetzt aber zeigt, wie diese antiken Kulturen sich verständigen, miteinander kommunizieren, und wie Gewalt in diesen Kommunikations- und Verständigungsprozessen eine Rolle spielt. Damit beginne ich mit einigen Beispielen:

Einer der ersten Tyrannen, über die Schreckliches berichtet wird, ist Periander in Korinth, also im griechischen Mutterland. Von ihm wird berichtet, er habe in einem Zornesausbruch seine schwangere Frau mit einem Fußtritt so stark verletzt, dass sie starb. Diese geheime Tat im Palast des Tyrannen kam ans Tageslicht, weil die Tote als Geist umgegangen sein soll und den Bürgern Korinths verriet, was ihr Mann mit ihr angestellt hat.

Besonders inhumane Details werden von Hinrichtungen unter Tyrannen überliefert. So spielten aufwändige Maschinerien, die man erfand, eine wichtige Rolle. Phalaris soll etwa im 6. Jahrhundert vor Christus als Tyrann von Akragas einen bronzenen Stier anfertigen lassen, der an der Rückenpartie eine Doppeltür besaß. Diese Doppeltür diente dazu, Delinquenten in den Rücken dieses Stieres einzufüllen, unter den Stier ein Feuer zu entfachen und die dabei bis zum Tod Gequälten durch die Schreie, die aus dem Schlund des Stieres drangen, sozusagen musikalisch zu genießen. So die Geschichte und die Unterstellung.

NabisSpartaEiserne Jungfrau