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Fachbereich

RELIGIONSWISSENSCHAFT

Erlösung in den Weltreligionen

Von Prof. Dr. Michael von Brück

Erlösung – Christentum, Judentum und Islam, vielleicht auch noch der Hinduismus, weniger schon der Buddhismus bezeichnen sich als Erlösungsreligionen. Aber was heißt denn „Erlösung“? Kann der moderne Mensch mit dieser – zugegeben sehr alten – Vokabel noch etwas verbinden, das ihn unmittelbar angeht? Kann man überhaupt noch glauben, dass Gott die Welt mit sich selbst versöhnt durch den Tod Jesu Christi, durch das Opfer am Kreuz? Ist das nicht eine fromme Tradition, die unseren intellektuellen Erwägungen nicht mehr genügen kann? Ist vielleicht gar diese grausame Vorstellung vom Opfertod am Kreuz eher pathologisch und eine Todsünde des Christentums, wie vor einigen Monaten in der „Zeit“ zu lesen war, wie auch zum Beispiel Eugen Drewermann nicht müde wird, zu betonen? Oder wie vor einigen Jahren das Magazin für Geschichte „PM History“ in seiner Ausgabe 2/2000 titelt: „Der Tod am Kreuz – Erlösung oder Albtraum der Menschheit?“

„Optimistische“ und „pessimistische“ Religionen

Im 19. Jahrhundert hatte man „optimistische“ von „pessimistischen“ Religionen unterschieden. Friedrich Nietzsche, Arthur Schopenhauer, Richard Wagner und andere klassifizierten auf diese Weise wünschenswertes und lehnten solche Religionen ab, die ihnen nicht zeitgemäß zu sein schienen. Interessanterweise wechselten einige der Protagonisten die Perspektive, zum Beispiel Richard Wagner. Hatte der jüngere und mittlere Wagner das Griechentum als optimistische Religion gepriesen, das Christentum hingegen als eine die Künste und den Gestaltungswillen des Einzelnen unterdrückende Religion skeptisch beurteilt, so sah der späte Wagner im Buddhismus und Christentum Erlösungsreligionen, die deshalb anderen gegenüber zu bevorzugen seien, weil in ihnen die Erlösungsbedürftigkeit des Menschen thematisiert würde.

War der frühe Wagner zum Beispiel in seiner berühmten Oper „Der fliegende Holländer“ und der mittlere Wagner etwa in „Tristan und Isolde“ noch überzeugt, dass Erlösung durch Liebe möglich sei, geht es dem späten Wagner um Erlösung von der Liebe, jedenfalls in ihrer sinnlichen, das Ego quälenden Gestalt. Erlösung durch das Mitleiden und die Erkenntnis der Einheit mit allen Wesen, wie er das im „Parsifal“ gestaltet.

Diese Einsicht hatte Wagner von Schopenhauer übernommen, der in einem seiner späten Essays zur Begründung der Ethik ähnliches von sich gegeben hatte, indem er das christliche Erlösungsmysterium buddhistisch uminterpretierte. „Erlösung dem Erlöser“, wie es am Ende des „Parsifal“ heißt.

Erlösung = Befreiung

Aber was heißt denn das? Zunächst Erlösung: In dem Wort schwingt etwas von „Loslösung“ mit. Loslösung von Gebundensein. Was gelöst werden muss, von wem und wie, das ist in den Religionen ganz verschieden. Dass aber das menschliche Leben nicht ist, wie es sein sollte oder sein könnte bzw. dass die Qualität eines guten Lebens bedroht ist und vor den Kräften des Negativen oder Bösen zeitweilig oder dauerhaft geschützt werden muss, das ist den Religionen gemeinsam. Erlösung ist in den meisten Religionen, die ich kenne, im Zusammenhang gesehen mit Befreiung von Leid, von Krankheit, geistiger und auch äußerlicher körperlicher Gefangenschaft, Frustration und letztlich und vor allem natürlich Erlösung von Tod.

Im Christentum wird davon gesprochen, dass Erlösung die Befreiung von der Sünde und dem Tod sei. Beide – Sünde und Tod – werden eng miteinander verbunden gesehen. Der Tod gilt als – wie es in der alten deutschen Übersetzung heißt – „der Sünde Sold“, also als Strafe für die Sünde, nicht als notwendige Kehrseite des Lebendigseins, wie wir das etwa aufgrund biologischer Erkenntnisse oder auch philosophischer Überlegungen formulieren würden.

Tod als Strafe für die Sünde? Warum? Weil Sünde und Tod beide etwas gemeinsam haben. Sie haben beide einen gemeinsamen Ursprung nach biblischer Vorstellung, nämlich die Ferne von Gott. Eine Gottesferne, die also mit der Entfremdung des Menschen von seinem Ursprung, seiner Mitte, seinem Ziel – Gott also – zu tun hat. Wenn Erlösung nun Befreiung von der Macht des Todes sein soll, dann ist sie auch Befreiung von der Gebundenheit in der Zeit. Denn Zeit in der Anschauungsweise des Vergänglichen und Tod hängen nicht nur miteinander zusammen, sondern sind gerade zwei Seiten ein und desselben. Demgegenüber heißt dann das Erlöstsein „die ewige Fülle“, bei oder in Gott zu sein. Und das beschreiben wir mit dem Wort oder mit dieser Metapher „Ewigkeit“.