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Fachbereich
THEOLOGIE

Wirtschaftsethik

Von Prof. Dr. Thomas Schwartz

Vor Jahren kam einmal ein Student zu einem Wirtschaftsprofessor und sagte ihm, er möchte gerne etwas über Wirtschaftsethik schreiben. Der Professor hat ihn konsterniert angesehen und gesagt: „Junger Mann, jetzt entscheiden Sie sich einmal: entweder Wirtschaft oder Ethik“.

Passt das eine mit dem anderen zusammen? Hat Wirtschaft etwas mit Ethik zu tun? Ist das Wirtschaftssystem, in dem wir leben, tatsächlich etwas, das man auch ethisch untersuchen kann oder hat es seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, die ganz und gar unabhängig von jeder ethischen Reflexion ablaufen und dementsprechend einen eigenen Lebensbereich darstellen?

Darum soll es heute gehen. Zunächst einmal muss man sich überlegen, was bedeutet überhaupt der Begriff „Wirtschaft“ und was heißt überhaupt der Begriff „Ethik“? Und da wir, wenn wir von „Wirtschaftsethik“ sprechen, was ja heutzutage in aller Munde ist, gut systematisch deutsch an eine solche Materie herangehen, müssen wir zunächst einmal überlegen, was der Begriff der „Ethik“ aussagt, denn der, weil er in diesem Wortgebilde hinten steht, ist anscheinend auch das den anderen Bezeichnende und auch Charakterisierende.

Definitionen

„Vernünftige Rede über das menschliche Handeln“

Also, was ist Ethik? Ethik ist zunächst einmal nichts Anderes als im allgemeinsten Sinn die vernünftige Rede des Menschen über das Handeln. Die vernünftige Rede über das „menschliche“ Handeln. Denn auch Tiere handeln, aber wir würden dieses Verhalten und Handeln der Tiere nicht unbedingt als „ethisch“ bezeichnen wollen. Das menschliche Handeln wird also durch Vernunft und mit Vernunft und mit den Mitteln der Vernunft noch einmal untersucht, beschrieben und auf seine Richtigkeit angefragt.

Was ist menschliches Handeln? Zunächst kann man drei verschiedene Formen menschlicher Handlungen und menschlicher Handlungsweisen unterscheiden:

Die erste, das sind vegetative Tätigkeiten. Sie alle haben diese und vollziehen diese. Allein das Atmen ist eine vegetative Tätigkeit. Das Blinzeln unserer Augenlider ist eine vegetative Tätigkeit. Das Verdauen ist eine vegetative Tätigkeit. Alles sind Handlungsvollzüge im Menschen und durch den Menschen, die ablaufen, ohne dass er sie längere Zeit, zumindest, bewusst steuern könnte. Ich kann wohl versuchen, den Atmen anzuhalten, das gelingt mir aber nur eine kurze Zeit. Irgend wann fange ich wieder an zu atmen oder ich höre ganz auf. Das ist allerdings die negative Weise dieser Handlung. Damit wird jedes weitere Handeln unmöglich.

Die zweite Form menschlichen Handelns ist das, was man allgemein als technische Vollzüge, technische Handlungen bezeichnet. Zum Beispiel eine Tür zu öffnen, ein Fenster zu öffnen oder eine Tür zu schließen. All das sind Dinge, vom Menschen jeweils vollzogen werden, aber – genau wie die vegetativen Tätigkeiten – sind auch solche technische Tätigkeiten oder technischen Handlungen im Grunde noch nicht Dinge, die mich als Mensch von anderen Lebewesen, die wir kennen, unterscheiden. Meine Katze zuhause kriegt es durchaus auch hin, eine Tür zu öffnen und dort hinzukommen, wo sie vermutet, dass ihr Herrchen ist. Das heißt also, originär menschlich sind solche vegetativen Tätigkeiten oder solche technischen Vollzüge noch nicht. Wir haben aber Ethik als etwas definiert, das die vernünftige Rede vom menschlichen Handeln auszeichnet und zwar vom „menschlichen“ Handeln. Es muss also noch etwas hinzu kommen, was wir uns jetzt noch genauer anschauen sollten.

Wettbewerbsvorteile durch „Vernunft“

Es kann nämlich durchaus passieren, dass Sie in einem Raum mit einem Menschen zusammen sind, den Sie vielleicht nicht leiden können. Oder der Ihnen ein Wettbewerber bei der Partnerschaftssuche oder im wirtschaftlichen Bereich ein Mitbewerber ist. Und Sie wissen, dass er von schwacher Gesundheit ist. Dann gehen Sie hin – weil Sie wissen, er erkältet sich leicht – und öffnen die Tür kraft eines technischen Vollzuges. Dann gehen Sie zur anderen Seite des Raumes und öffnen das Fenster – auch wieder ein technischer Vollzug: einfach Hebewirkung anwenden, Fenster auf. Aber der Zug, der dann entsteht, ist von Ihnen in einer Weise vorausgedacht und vorausgewollt worden, dass aus diesen beiden technischen Vollzügen letztlich das wird, was wir eine echt menschliche Handlung und damit eine Handlung nennen, die ethisch relevant ist.