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Das Wissen dieser Welt aus den Hörsälen der Universitäten.

Fachbereich ASTROPHYSIK

Kulturgeschichte der Elemente

Von Prof. Dr. Harald Lesch

Informations-Explosion

Wir leben in einer Zeit, in der das Wissen explodiert, so heißt es zumindest.

Ich persönlich bin da ganz anderer Meinung. Ich habe eher den Eindruck, die Informationsmengen explodieren, von Wissen kann noch nicht die Rede sein.

Wissen, das ist etwas ganz Anderes.

Wirklich etwas zu wissen, das ist schon enorm. Das hängt nämlich nicht nur davon ab, was man alles an einzelnen Erkenntnissen über etwas hat, sondern dass man diese Erkenntnisse miteinander verknüpft.

Heute ist es in der Tat so, dass wir vor einer riesigen Flut von Informationen stehen. Häufig bleiben wir völlig bedröppelt in diesem Regen an Informationen, die wir nicht zusammenkriegen, stehen. Auch aus den naturwissenschaftlichen Bereichen gibt es ungeheuer viele Nachrichten. Da hat wieder derjenige was gefunden, und die Gruppe hat da was entdeckt, und diejenige hat da schon wieder…. uns so weiter und so fort.

Wir leben wirklich in einer Zeit der Explosionen, vor allem der Informations-Explosionen.

Eine Wissensexplosion, das ist etwas ganz anderes.

Thales von Milet

Es gab eine Zeit, in der das Wissen der Menschheit tatsächlich explodiert ist, ungeheuer explodiert. Nicht die Informationen, die waren schon alle da, sondern das Wissen darüber, die Verknüpfungen. Die sind auf einmal ganz neu geworden. Das hatte man vorher nicht so gesehen. Durch einen genialen Lichtblitz kam gewissermaßen neues Wissen in die Welt.

Es war im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung. Da stand jemand an der Küste von Kleinasien, der heutigen Türkei, in der Stadt Milet, und hat sich Folgendes überlegt:

„Ist es möglich, dass man die Welt verstehen kann, ohne die Götter zu Hilfe zu nehmen? Ist es möglich, die Dinge und Vorgänge, die um uns herum passieren, mit dem eigenen, gesunden Menschenverstand zu verstehen, ohne Hilfe vom Jenseits, vom Himmel?“

Dieser Mann hieß Thales.

Thales von Milet war der erste Philosoph, der erste Freund der Weisheit. Dieser Mann hat etwas getan, das vorher niemand gemacht hat. Er hat sich überlegt, ob es neben den Göttern, die durchaus für ihn immer noch da waren, etwas Allgemeines gibt, etwas Ewiges, in das hinein sich alles erklären lässt, was auf dieser Welt passiert?

Thales hat gesagt: „Alles in dieser Welt ist letztlich auf Wasser zurückzuführen.“

Wasser.

Wasser löst Dinge auf, Wasser löst Gesteine auf. Aus dem Wasser heraus wachsen Dinge. Wasser, das Feuchte, war für ihn das erste und allgemeinste Prinzip.

Was Thales da gemacht hat, steht am Anfang der griechischen Philosophie. Naturwissenschaften, die modernen Naturwissenschaften, sind das Resultat der Anfänge der griechischen Philosophie. Mit anderen Worten, Naturwissenschaft ist die griechische Art über die Welt nach zudenken.

Man nimmt einfach das, was da ist, und versucht es mit dem eigenen Menschenverstand zu erklären. Nun hatten die Griechen noch keine Elementarteilchen-Beschleuniger. Sie hatten noch keinen elektrischen Strom. Aber sich hatten ihre Augen und ihren Kopf. Sie sahen und hörten von den Dingen, die passierten, vor allem auch von den Dingen, die sich am Himmel abspielten und wollten ein ganzes neues Weltbild kreieren.

Für sie war es zunächst einmal nicht neu. Sie wollten einfach wissen. Sie wollten die Dinge zusammenbringen.

Die vier Elemente

Thales brachte das Wasser als Urelement in die Welt. Dann aber ging es weiter. Andere bestritten, dass das Wasser das Urelement sei. Andere waren der Meinung, es gäbe ein viel wichtigeres Element, die Luft. Wenn Wasser zu heiß wird, dann löst es sich in Luft auf. Die Luft würde alles auflösen. Luft sei ohnehin auch leichter als Wasser. Deswegen sei die Luft das wichtigste Element überhaupt. Zumal man ohne Luft gar nicht leben könne. Die Luft sei auch etwas, das die Seele benetzt. Bei den Griechen war die Seele im Zwerchfell. Also die Luft sei das Wichtige.

Ein Dritter wiederum, Heraklit in dem Fall, war der Meinung, die Luft ist es nicht. Die Luft kann es gar nicht sein. Das Feuer ist das Element, um das es geht. Das Feuer kann alles verzehren, auch die Luft. Das Feuer ist das einzig richtige und wichtige Element.

Für Heraklit war das Feuer auch das Symbol für die ständige Verwandlung, die in der Welt stattfindet. Pausenlos verändern sich die Dinge. Deswegen ist das Feuer das einzige grundlegende Element. Jetzt haben wir schon Wasser, Luft und Feuer. Dann gab es jemanden, den Empedokles, der sagte, jetzt haben wir Feuer, Wasser, Luft und, was fehlt uns noch, das, worauf wir stehen, Gaja, die Mutter Erde.

Vorsokratiker

Wir haben vier Elemente: Feuer, Wasser, Luft und Erde. Diese Elemente werden miteinander verbunden oder voneinander getrennt. Das war hoch interessant. Empedokles brauchte noch etwas, das die Elemente ineinander verwandeln konnte, beziehungsweise durch Mischung der verschiedenen Anteile der Elemente verschiedene Dinge kreierte. Zum Beispiel: feuchte Erde, trockene Erde, feuchte Luft, trockene Luft, Wasser, das flüssig ist oder zu Eis gefroren. Empedokles meinte dann:

„Was haben wir denn? Liebe und Hass.“

Je nach Mischungsverhältnis zwischen den Elementen und den jeweiligen Liebes- und Hasskomponenten setzen sich die Dinge der Welt zusammen.