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Fußnoten

Christa Wolf: »Tabula rasa«, in: Was will Literatur?, Bd. 2.: Von 19181973, hrsg. von Josef Billen und Helmut H. Koch, Paderborn 1975, S. 251.

Johann Gottfried Herder, Sämtliche Werke, Bd. 1, Berlin 1877, S. 370 f.

Werner Keller, »Faust. Eine Tragödie«, in: Goethes Dramen, hrsg. von Walter Hinderer, Stuttgart 2010, S. 312.

Albrecht Schöne, Johann Wolfgang Goethe. Faust. Kommentare, Frankfurt a. M. 1999, S. 168.

Friedrich Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches I/II. Kritische Studienausgabe, Bd. 2, hrsg. von Giorgo Colli und Mazzino Montinari, München [u. a.] 196777, 21988, S. 606.

Schöne (Anm. 4), S. 11.

Schöne (Anm. 4), S. 192.

Schöne (Anm. 4), S. 189.

Im Folgenden beziehe ich mich auf diese Studie: Markus Ciupke, Des Geklimpers vielverworrener Töne Rausch. Die metrische Gestaltung in Goethes »Faust«. Göttingen 1994, S. 207237.

Schöne (Anm. 4), S. 19.

Historia von D. Johann Fausten dem weitbeschreyten Zauberer und Schwarzkünstler, hrsg. von Richard Benz, Stuttgart 2011.

Historia von D. Johann Fausten (Anm. 11), S. 150 f.

Christopher Marlowe, Die tragische Historie vom Doktor Faustus, Stuttgart 1985, S. 6.

Schöne (Anm. 4), S. 196.

Volker Roloff, Sartre contra Sartre. Überlegungen zur Sartre- Kritik von Sábato, in: Jean-Paul Sartre, hrsg. von Rainer E. Zimmermann, Cuxhaven 1989, S. 97.

Die Bibel oder die ganze Heilige Schrift des Alten und Neuen Testaments nach der deutschen Übersetzung Marthin Luthers, Stuttgart 1951, S. 519.

Jochen Schmidt, Goethes Faust, erster und zweiter Teil. Grundlagen – Werk – Wirkung. München 32011, S. 149.

Schöne (Anm. 4), S. 339.

Schmidt (Anm. 17), S. 162.

Schöne (Anm. 4), S. 362.

Schöne (Anm. 4), S. 369.

Jean-Jacques Rousseau, Émile oder Über die Erziehung, hrsg. von Martin Rang, Stuttgart 2014, S. 112.

Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf folgende Texte: Andreas Anglet, »Faust-Rezeption«, in: Goethe Handbuch, 4 Bde., Bd. 2: Dramen, hrsg. von Theo Buck. Stuttgart/Weimar 1997, S. 478513; und Theo Buck, Goethes theatralische Sendung. Vom »Urgötz« zu »Faust II«. Köln/Weimar/Wien 2015, S. 308334.

Anglet (Anm. 23), S. 485.

Roland Barthes, S/Z, Frankfurt a. M. 1987, S. 7.

Ebenda, S. 9.

Anglet (Anm. 23), S. 510.

Robert Petsch, »Die dramatische Kunstform des Faust«, in: Euphorion 33 (1932), S. 211244, hier S. 229.

 

Faust steckt zu diesem Zeitpunkt in einer schweren Lebenskrise, weil er an den Grenzen der überlieferten Wissenschaft verzweifelt. Der lebensmüde Doktor der Theologie spielt sogar mit dem Gedanken, sich selbst zu töten, bricht aber den Selbstmordversuch ab. Er geht stattdessen einen TeufelspaktPakt mit dem Teufel ein, der ihm dabei helfen soll, sein Lebensglück zu finden. Sollte das dem Teufel gelingen, muss Faust ihm seine Seele als Lohn überlassen.

Mephisto bringt den einsamen Stubengelehrten schnell auf erotische Abwege; er fliegt mit ihm in die Hexenküche, wo ihm die Hexe einen Zaubertrank verabreicht, der Faust um rund 30 Jahre verjüngt und ihn obendrein auf Frauen fixiert – von der Laufbahn als Wissenschaftler ist nun keine Rede mehr.

Faust verliebt sich prompt in Margaretes TragödieMargarete, ein naives bürgerliches Mädchen, das ihn, den Gelehrten, bewundert. Schnell nimmt die Katastrophe ihren Lauf: Sie tötet ungewollt ihre Mutter mit einem Schlafmittel, wird von Faust schwanger; er ersticht ihren Bruder Valentin, der sich an dem Gelehrten rächen will − schließlich ermordet die wahnsinnig gewordene

Erst nach Goethes Tod im Jahr 1832 Faust IIwird Faust II veröffentlicht: Dort erlebt der Gelehrte eine wahre Odyssee durch alle Sphären der Welt. Als er schließlich als Hundertjähriger stirbt, verkünden Engel seine Erlösung – seine Seele kommt in den Himmel und Mephisto geht leer aus.

Was kann man in der heutigen Zeit von Faust I lernen, einer Tragödie, die im Spätmittelalter spielt?

Christa Wolf veröffentlichte 1975 ihr Gedankenexperiment Tabula rasa, in dem sie sich die Frage stellt: Wie stünde es um uns, wenn wir niemals Welchen Nutzen hat Weltliteratur?Weltliteratur gelesen hätten? Uns würde Folgendes entgehen: »die Übung und Differenzierung des psychischen Apparats; Schärfung der Sinne, Erweckung der Beobachtungslust, der Fähigkeit, Komik und Tragik von Situationen zu sehen; Heiterkeit aus Vergleich mit Vergangenem zu ziehen, das Heroische als die Ausnahme zu würdigen, die es darstellt, und das Gewöhnliche, das sich immer wiederholt, gelassen zur Kenntnis zu nehmen und womöglich zu lieben.«1

Auch können wir lernen, über diesen Faust zu »staunen«, obwohl er uns zunächst in seinem

Wir können unsere eigene Existenz mit Goethes Faust neu vermessen, unser Leben mit seinem vergleichen, uns von ihm abgrenzen und uns neu justieren. Er könnte in dem einen oder anderen Lebensbereich Maßstäbe setzen, die unser Verhalten, unser Denken, unsere Gefühle und unsere Wünsche verändern. Christa Wolf schätzt deshalb den Wert solcher literarischer Vorbilder außerordentlich: »Sich messen an den deutlichsten Gestalten aller Zeiten«.

Faust I besteht aus 28 Szenen. Der Tragödie sind drei Prologe vorangestellt: »Zueignung«, »Vorspiel auf dem Theater« und der »Prolog im Himmel«.

Drei Prologe

Im ersten Prolog, der Zueignung, führt der Dichter ein Selbstgespräch. Er stellt fest, dass sich ihm der Faust-Stoff, an dem er bereits in vergangenen Zeiten gearbeitet hat, erneut aufdrängt und dass er nun endlich bereit ist, sein Werk zu vollenden.

Im Vorspiel auf dem Theater streiten sich ein Schauspieldirektor, ein Theaterdichter und eine lustige Person. Der Direktor macht klar, dass es ihm hauptsächlich um den Erfolg des Theaterstücks und volle Kassen geht und weniger um die Kunst und die Raffinesse, die dahinterstecken. Der Dichter dagegen verteidigt mit Leidenschaft seine Kunst, er könne sogar mit seiner schöpferischen Kraft die Götter im Olymp vereinen. Für die lustige Person, einen Schauspieler, ist es hingegen wichtig, im Theater den Augenblick zu genießen und das Publikum zu begeistern.

Der Prolog im Himmel leitet nun die Faust-Tragödie tatsächlich ein. Die drei Erzengel loben die Werke Gottes feierlich. Mephisto dagegen, der nach dem Lobgesang der Engel plötzlich auch in den himmlischen Sphären auftaucht, lästert über das Lieblingswerk Gottes, die Menschen. Gott kontert und lobt

Er bietet dem Herrn eine Keine Wette zwischen Gott und dem TeufelWette an: »Was wettet Ihr?« (V. 312) Gott geht überhaupt nicht darauf ein, er erlaubt ihm lediglich, den Gelehrten auf Abwege zu bringen. Der Herr aber weiß, dass Faust, auch wenn er sich zuweilen irrt, nicht abtrünnig wird: »Ein guter Mensch in seinem dunkeln Drange / Ist sich des rechten Weges wohl bewusst.« (V. 328 f.)

Fausts Entgrenzungsversuche (Gelehrtentragödie)

In der Szene Nacht sitzt Faust monologisierend in seinem »hochgewölbten, engen, gotischen Zimmer«. Er zieht sein Fazit als Wissenschaftler und muss sich eingestehen, dass er trotz seiner leidenschaftlichen Hingabe und der eifrigen Suche nach Erkenntnis immer noch nicht weiß, »was die Welt / Im Innersten zusammenhält« (V. 382 f.).

Ein Ausweg, sein erster Magie als Sinnsphäre?Entgrenzungsversuch, scheint ihm schließlich die heidnische Magie zu sein; er genießt für einen Moment nachdenklich in sich gekehrt das »Zeichen des Makrokosmos«, das die »wirkende Natur« (V. 441) verkörpert. Aber er möchte die Natur leibhaftig erleben, deshalb beschwört er in seinem zweiten Entgrenzungsversuch den Erdgeist, doch dieser stürzt Faust in eine noch tiefere existenzielle Krise, weil er dem Geist nicht gewachsen ist:

Der Dialog mit Wagner verstärkt seine existenzielle Krise, er sieht nur noch einen Fausts dritter EntgrenzungsversuchAusweg, den Freitod. Aber in dem Augenblick, als er die Giftschale an den Mund ansetzt, erklingen die Osterglocken. Diese Töne lassen ihn in Jugenderinnerungen schwelgen. Er überdenkt seinen »letzten, ernsten Schritt« (V. 782) und gibt den Todeswunsch auf.

Am ersten Ostertag unternimmt er in der Szene Vor dem Tor mit Wagner einen Spaziergang. Die Menschen – »Spaziergänger aller Art« – begrüßen Faust und zollen ihm Hochachtung. Der anbrechende Frühling und die Natur beleben ihn; seine Stimmung spiegelt sich in der Naturbeschreibung: »Vom Eise befreit sind Strom und Bäche / Durch des Frühlings holden, belebenden Blick« (V. 903 f.). Plötzlich aber taucht ein Pudel auf, er folgt dem Gelehrten und Wagner.

Faust und der Pudel befinden sich nun in der Gelehrtenstube (Studierzimmer I). Faust sitzt konzentriert an der Übersetzung des Johannes-Evangeliums (Neues Testament). Der Pudel hingegen wird unruhig. Der irritierte Gelehrte ahnt nichts Gutes, deshalb beschwört er das Tier magisch und es verwandelt sich in den Teufel. Faust denkt zunächst, er sei ein Student. Mephisto indes stellt sich als der Teufel vor: »So ist denn alles was ihr Sünde, / Zerstörung, kurz das

Mephisto hat aber ein anderes Problem, ein unsauber gezeichnetes Pentagramm auf dem Fußboden, ein magisches Zeichen, bannt ihn vorerst im Studierzimmer fest. Erst mit Hilfe einer Beschwörungsformel und einer Ratte kann er aus der Stube fliehen.

Doch bei einem zweiten Treffen (Studierzimmer II) wird der TeufelspaktTeufelspakt geschlossen und mit Blut besiegelt: Sobald es dem Teufel gelingt, dem Gelehrten folgende Sätze abzuringen, ist Faust verloren: »Werd ich zum Augenblicke sagen: / Verweile doch! du bist so schön! / Dann magst du mich in Fesseln schlagen, / Dann will ich gern zugrunde gehn!« (V. 16991702) Nun möchte der lebenshungrige Faust, der sich von der Wissenschaft verabschiedet hat (V. 1748 f.), das pralle Leben genießen. Mephisto verhöhnt am Ende der Szene in der sogenannten Universitätssatire in einem Dialog mit einem Schüler die zeitgenössische Wissenschaft.

Der gemeinsame Weg der beiden beginnt dann in Auerbachs Keller in Leipzig. Dort versucht der Teufel, Faust die derben sinnlichen Freuden des Lebens schmackhaft zu machen. Doch der Versuch scheitert, weil Faust von den Sauforgien der jungen Männer angewidert ist.

Nun reisen der Teufel und Faust in die Hexenküche; dort verabreicht die Hexe ihm einen Verjüngungstrank, der ihn obendrein erotisch stimuliert und auf Frauen fixiert. Der animalische und chaotische

Abb. 1: Hexenküche: Faust, Mephisto und die Hexe. Zeichnung von August von Kreling, ca. 1877

In der Szene Straße begegnet Faust Margarete, die gerade aus der Kirche kommt. Er versucht, mit ihr zu flirten; sie lässt sich nicht darauf ein und geht weiter. Kaum ist sie weg, tritt der Teufel auf, und der Verliebte bittet ihn, die Frau für ihn zu beschaffen und ein Geschenk für sie zu besorgen. Damit beginnt Margaretes Tragödie und Fausts vierter Fausts vierter EntgrenzugnsversuchEntgrenzungsversuch, der nun die Liebe und Sexualität als Sinnsphäre testet.

Margaretes Tragödie

Die Szene Abend eröffnet Margarete; ihr geht Faust nicht mehr aus dem Sinn: »Ich gäb was drum, wenn ich nur wüsst / Wer heut der Herr gewesen ist!« (V. 2678 f.)

Faust schleicht mit Mephisto in Gretchens Zimmer, dort deponiert der Teufel heimlich ein Schmuckkästchen in ihrem Kleiderschrank. Sie entdeckt es und legt sich den Schmuck um. Sie findet Gefallen daran, aber ihre Mutter (Spaziergang) nimmt ihr den Schmuck weg. Deshalb muss Mephisto ein neues Schmuckkästchen besorgen. Margarete findet es und flieht aus

In der Szene Straße überredet der Teufel den Gelehrten in drei Anläufen zur Falschaussage. Faust soll bezeugen, dass Herr Schwertlein, der Ehemann Marthes, in Padua begraben liegt.

In Marthes Garten begegnen sich Faust und Margarete erneut. Damit die beiden ungestört sein können, kümmert sich Mephisto um Marthe, die um ihn buhlt, aber chancenlos bleibt. Doch zwischen Margarete und Faust bahnt sich dort ein erotisches Techtelmechtel an. Sie liegt mit ihrer Vermutung richtig: »Er liebt mich!« (V. 3184)

Faust und Margarete verschwinden ins Gartenhäuschen. Nun kommt es zur einzigen Darstellung einer Liebesszene in der Tragödie; nachdem Faust sie geküsst hat, gesteht das Mädchen ihm ihre Liebe.