Toni der Hüttenwirt 275 – Die Bedeutung von Liebe

Toni der Hüttenwirt –275–

Die Bedeutung von Liebe

Beate hat Herzklopfen!

Roman von Friederike von Buchner

Impressum:

Epub-Version © 2016 KELTER MEDIA GmbH & Co. KG, Sonninstraße 24 - 28, 20097 Hamburg. Geschäftsführer: Patrick Melchert

Originalausgabe: © KELTER MEDIA GmbH & Co.KG, Hamburg.

Internet: http://www.keltermedia.de

E-mail: info@kelter.de

Dargestellte Personen auf den Titelbildern stehen mit dem Roman in keinem Zusammenhang.

ISBN: 978-3-74091-578-0

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Alois zog sich mit dem Packen Zeitungen auf die Terrasse zurück. Er freute sich jede Woche auf den Tag, an dem Hilda und Wenzel die Tageszeitungen auf die Berghütte heraufschickten. Sie waren zwar schon zwei Wochen alt, aber das störte ihn nicht. Tonis Eltern hatten die Tageszeitung abonniert. Sie sammelten sie wöchentlich und gaben sie an die Oberländers weiter. Nachdem die beiden sie gelesen hatten, wanderten die Zeitungen auf die Berghütte, schön gesammelt, in einer Stofftasche.

»Toni, Anna, kommt mal her!«, rief Alois.

Toni und Anna setzten sich mit einem Becher Kaffee zu ihm an den Tisch. Sie machten ihre morgendliche Pause.

»Was ist?«, fragte Toni.

Der alte Alois griff in die Stofftasche und zog einen Briefumschlag hervor.

»Den habe ich bei den Zeitungen gefunden. Er ist an euch adressiert.«

»An Toni und Anna Baumberger, Berghütte«, las Toni. Dann drehte er das Briefkuvert um. »Anna, was sagst dazu? Der Brief ist von Wenzel und Hilda. Sonderbar, das ist sehr sonderbar! Da sieht man sich jeden Tag und Wendy ist bei ihnen, und sie schmuggeln mit den Zeitungen einen Brief herauf. Kannst du dir darauf einen Reim machen, Anna?«

»Toni, sie werden schon ihren Grund haben. Mache ihn auf!«

Toni holte sein Taschenmesser aus der Lederhose und schnitt den Umschlag auf.

»Mei, ein mehrseitiger Brief!«

Anna und Toni steckten die Köpfe zusammen und lasen. Dabei hielten sie immer wieder inne und schauten sich an.

Alois ließ seinen Blick nicht von ihnen. Toni und Anna machten ernste Gesichter. Sie lasen den Brief zu Ende und überflogen dann die beiliegenden Blätter.

»Herr im Himmel, das war nicht zu erwarten«, seufzte Toni.

Der alte Alois wurde ungeduldig.

»Nun redet schon!«, drängte er.

»Mir hat es die Sprache verschlagen, Alois. Am besten, du liest den Brief selbst!«

Anna nickte zustimmend.

»Hier, Alois! Und ich hole jetzt für uns alle einen Obstler«, sagte Toni und stand auf. Kopfschüttelnd eilte er in die Berghütte, um die Flasche mit dem Obstler und Gläser zu holen.

Der alte Alois rückte seine Lesebrille zurecht und las. Dabei schmunzelte er vor sich hin.

Toni kam mit dem Obstler. Er schenkte die Gläser voll. Sie tranken aus, ohne ein Wort zu wechseln.

»Alois, was sagst du dazu?«, fragte Toni.

Der alte Alois ließ sich mit seiner Antwort Zeit. Er nahm die Lesebrille ab und legte sie auf den Tisch. Dann gab er Toni das Schreiben zurück.

»Um ganz ehrlich zu sein, Toni, überraschen tut mich des net.«

»Warum haben sie nie etwas gesagt?«

»Mei, Toni, stell dich nicht so an! Was hätten sie sagen sollen? Reden kann man viel. Sie wollten, dass ihr es schwarz auf weiß habt. Das ist besser, als alle Rederei. Und wie die Beiden in dem Brief schreiben, haben sie sich viele Gedanken gemacht. Sie sind beim Magnus gewesen und haben sich beraten lassen.«

Toni und Anna seufzten.

»Wir haben immer gewusst«, sagte Toni, »dass irgendwann der Augenblick kommt, an dem Hilda und Wenzel sich überlegen, was sie mit der Oberländer Alm machen. Trotzdem bin ich überrascht, dass sie uns sie anbieten. Was sagst du dazu, Anna?«

»Toni, im Augenblick bin ich schlicht sprachlos. So ein großzügiges Angebot, dass wir die Alm gegen eine kleine Leibrente auf Lebenszeit übernehmen können. Sie haben an alles gedacht. Wir werden Personalkosten haben, wenn wir die Alm weiterführen, weil wir jemanden einstellen müssen und Erhaltungskosten und Steuern haben wir auch. Sie haben wirklich alles bedacht.« Anna lächelte Toni an. »Am meisten rührt mich der Absatz...« Anna griff nach dem Schreiben und las laut vor: »Wenn ihr beide unsere geliebte Alm übernehmt, dann wissen wir, sie wird erhalten werden und in guten Händen sein. Es ist unser Herzenswunsch, dass ihr schützend die Hände über unser kleines Stückl Heimat haltet. Die Alm war und ist uns noch immer mehr Heimat, als der Hof drunten im Tal.«

Anna machte eine Pause und blätterte im Brief. Sie zitierte weiter:

»Wir hoffen, dass der Herrgott uns noch viele schöne Sommer auf der Alm schenkt, die dann die Baumberger Alm sein wird, wenn ihr sie weiterführt. So lange wir noch können, helfen wir gern mit. Es macht uns glücklich, dort zu verweilen und mit anzupacken, wie es Alois bei euch auf der Berghütte macht. Wer rastet, der rostet. Jeder Tag, an dem wir eine Aufgabe haben, macht uns zufrieden und glücklich.«

Anna seufzte, dann las sie den Schlussabsatz des Briefes vor.

»Liebe Anna, lieber Toni! Wir haben alles aufgeschrieben, damit ihr es euch in Ruhe überlegen könnt, ob ihr unserem Herzenswunsch folgt. Wir hoffen es sehr. Aber wir sind auch nicht böse, wenn ihr ablehnt. Das wird unsere Freundschaft nicht belasten. Wie immer ihr auch entscheidet, wir sind sicher, dass ihr alles durchdacht habt. Außerdem sind wir davon überzeugt, dass nichts im Leben ohne Grund geschieht. Wendy kam zu uns. Das Madl ist hier glücklich. Vielleicht kommt sie jeden Sommer aus Norwegen her. Es würde uns sehr freuen. Aber genau wie ihr, soll sich Wendy frei entscheiden. Wir haben nur mit Magnus darüber gesprochen. Wir hoffen und wünschen uns, dass ihr die Alm übernehmt. Wenn ihr noch Fragen habt, dann können wir gern darüber reden. Herzliche und innige Grüße voller Hoffnung - Wenzel und Hilda.’ Das sagt Alles. Toni, was machen wir?«

Toni zuckte mit den Schultern.

»Eigentlich bin ich selten von etwas überrascht. Aber das habe ich nicht erwartet. Ich hätte mir höchstens vorstellen können, dass sie uns die Alm zum Kauf anbieten, ganz normal, verstehst du, Anna? Aber das hier«, Toni tippte mit dem Finger auf den Brief, »das hier ist fast ein Geschenk.«

»Ein Geschenk ist es nicht, Toni. Würden sie uns die Alm als Schenkung anbieten und überschreiben, würden Schenkungssteuern fällig. Das ist ein Kauf gegen eine Leibrente. Hilda und Wenzel haben sich alles gründlich überlegt.«

»Fast alles«, sagte Toni.

Alois und Anna sahen ihn überrascht an.

Anna überflog den angefügten Vorvertrag. »Also, Toni, da muss ich dir widersprechen. Aus meiner Zeit als Bankerin habe ich Erfahrung mit solchen Schriftstücken. Ich meine, das Angebot ist hieb- und stichfest.«

Toni rieb sich das Kinn. »Ja, juristisch mag das stimmen, Anna. Aber wie ist es mit der menschlichen Seite?«

Anna runzelte die Stirn.

»Menschlich?«, wiederholte Anna. »Menschlich, so wie ich es sehe, ist das das großzügigste Angebot, das ich je gesehen habe. Aber das ist nicht wesentlich. Es ist mehr, es ist ein Hilferuf, Toni. Die beiden hängen an dem Flecken Erde. Sie sind besorgt, was mit der Alm geschieht, wenn der Herrgott sie zu sich ruft oder sie sie nicht mehr bewirtschaften können. Wie die beiden so treffend schreiben, es ist eine Herzensangelegenheit für sie.«

Toni nickte.

»Das habe ich schon verstanden, Anna. Es geht mir auch sehr nahe. Aber was ist mit ihrem Buben? Seppl hat Familie. Wie werden sie es aufnehmen? Ein solches Angebot macht man höchstens innerhalb der Familie. Ich frage mich, wie Seppl das aufnimmt? Der Brief klingt aber so, als wollten sie Tatsachen schaffen, und niemand weiß davon.«

»Das stimmt, Toni! Ich verstehe dich. Du bist in Sorge, dass es Ärger geben könnte.«

»Genau!«

Alois mischte sich ein. »Toni, Wenzel und Hilda wollen, dass die Alm weitergeführt wird. Deshalb haben sie vor Jahren Seppl den Hof übergeben, die Alm aber aus dem Grundbesitz herausgenommen. Sie wollten nicht, dass sie zu einem Ferienhaus umgebaut oder gar verkauft wird. Seppl, seine Frau und die Kinder haben kein Interesse, die Almwirtschaft weiterzuführen. Sie wollten nicht einmal jeden Sommer Fremde anstellen. Natürlich wissen sie, was der Grund wert ist. Aber nicht alles lässt sich in Euros und Cents messen. Wisst ihr, das kann ich gut verstehen. Ich war damals in der gleichen Lage wie Wenzel und Hilda. Ich konnte die Berghütte allein nicht mehr weiterführen. Als nach dem Sturm das Dach undicht war, musste ich handeln. Ich war froh, dass ich sie der Gemeinde Waldkogel überlassen konnte. Sonst wäre sie mit dem nächsten starken Regen zerstört worden. Meine bevorzugte Wahl war das nicht. Du weißt ja, wie es war, Toni. Ich hätte sie dir gern gegeben, aber die Bank gab dir keinen Kredit für ein neues Dach. Trotzdem haben wir beide davon geträumt, dass du hier Hüttenwirt wirst. Und mit Annas Hilfe und List ist der Wunsch Wirklichkeit geworden. Es war eine harte Zeit für mich, Toni. Du weißt es. Deshalb kann ich die Gefühle und schlaflosen Nächte von Wenzel und Hilda gut mitfühlen. Ich musste handeln. Damals hatte ich keinen Kontakt zu meinen beiden Buben, die kein Interesse an der Berghütte hatten. Mir war auch seit vielen Jahren bekannt, dass sie nur an Geld interessiert waren. Wenzel und Hilda geht es ähnlich. Ich denke, es ist das Beste, was die beiden machen können. Ich hatte die frischen Sachen für die Berghütte von der Oberländer Alm geholt, wie mein Vorgänger und wie ihr es jetzt macht. Natürlich könntest du jeden Tag die Sachen im Tal holen. Aber das wäre nicht dasselbe. Die Oberländer Alm und die Berghütte gehören zusammen. Wer weiß, vielleicht kommt Wendy jeden Sommer aus Norwegen und bewirtschaftet die Alm?«

»Ich will Wendy keine Last aufbürden«, sagte Toni. »Sie würde sicherlich bereitwillig die Verantwortung und die Arbeit auf sich nehmen. Daran habe ich keinen Zweifel. Aber…«, Toni brach den Satz ab.

»Sprich weiter, Toni!«, bat ihn Anna.

Toni trank einen Schluck Kaffee.

»Wendy hat mich gesucht und gefunden. Sie hat in uns eine zweite Familie und eine zweite Heimat gefunden. Aber sie muss sich selbst entscheiden, wie sie ihr Leben leben will. Ich will ihr nichts aufbürden. Wenn wir die Alm nehmen, ich sage betont wenn, dann muss ich sicher sein, dass ich einen Weg finde, sie zu bewirtschaften, auch wenn Wendy die Aufgabe nicht übernehmen kann und will. Mit Franziska und Sebastian sind wir uns einig, und die beiden sind sich untereinander einig. Sebastian will die Berghütte weiterführen und Franziska den Bichler Hof übernehmen. Das wäre geregelt. Darüber bin ich glücklich. Es war die freie Entscheidung der beiden. Wenn ich wüsste, dass Wendy die feste Absicht hätte, hierzubleiben oder jeden Sommer zu kommen, dann…« Toni zögerte, bevor er weiter sprach, »du weißt, wie ich das meine, Anna. Aber Wendy hat sich nicht geäußert. Sie schweigt sich aus über ihre Zukunftspläne.«

Der alte Alois schüttelte den Kopf. »Toni, lass die Gedanken über Wendy und ihre Zukunftspläne aus deinen Überlegungen heraus. Es finden sich immer Leute, die einen Sommer lang die Alm bewirtschaften. Und solange Wenzel und Hilda dort sind, werden sie schon ein Auge darauf haben.«

»Solange sicherlich, aber wenn nicht?«, warf Toni ein. »Gerade weil die Alm Hilda und Wenzel so am Herzen liegt, fühle ich mich verpflichtet, es besonders gut zu machen. Kann ich das? Ich verstehe es, eine Berghütte zu führen, habe aber keine Ahnung von Milchkühen, Ziegen und der Herstellung von Butter und Käse. Okay, lernen kann man alles. Aber niemand kann auf zwei Hochzeiten tanzen, hier auf der Berghütte und drunten auf der Alm.«

Anna streichelte Tonis Wange.

»Toni, es gibt für alles eine Lösung. Außerdem lernt Franziska auf dem Bichler Hof Landwirtschaft. Wir sollten mit ihr sprechen. Sie könnte sich um die Oberländer Alm kümmern. Sie kann die Aufsicht führen, wenn wir eine Sennerin oder einen Senn einstellen.«

»Im Prinzip hast du recht, Anna. Franziskas Herz schlägt für die Landwirtschaft. Sie wird den Bichler Hof übernehmen, wenn in einigen Jahren der Pachtvertrag mit den Meiningers abläuft. Da macht sich der Meininger Bauer keine Illusionen. Ich habe ihn neulich drunten in Waldkogel getroffen. Wir haben uns kurz unterhalten. Er sprach das Thema an.«

»Das hast du mir nicht erzählt, Toni«, sagte Anna überrascht.

»Entschuldige bitte! Ich wollte es dir erzählen. Das war an dem Tag, als diese große Gruppe Tageswanderer uns überfiel. Erinnerst du dich? Die Leute aus Regensburg, die den Betriebsausflug machten. Wir mussten plötzlich einhundert hungrige Mägen und durstige Kehlen füllen.«

»Ich erinnere mich. Was hat Simon Meininger gesagt?«

»Anna, er war sehr vernünftig. Er meinte, er mache sich keine Illusionen. Franziska werde später den Hof führen. Er sprach es deutlich aus, er und seine Familie machten sich keine Hoffnung, dass der Pachtvertrag verlängert werde. Aber allein könnte das Madl es nicht machen. Deshalb bot er an, danach dort zu bleiben, nicht als Pächter, sondern angestellt.«

Der alte Alois grinste.

»Wer weiß, wie es kommt. Wir alle wissen, dass Franziska in Lukas Meininger verliebt ist. Vielleicht wird aus ihnen ein Paar? Dann führen die beiden den Hof, und die Eltern von Lukas und seine Schwester leben bei ihnen, bis die kleine Schwester heiratet. Denkbar wäre es doch oder?«