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Dörte Müller

Endlich Frühling

Kunterbunte Frühlingsgeschichten





BookRix GmbH & Co. KG
80331 München

Maja und ich

 

Inhaltsverzeichnis

 

  1. Maja und ich
  2. Marathon Moppel
  3. Herr Battermann und die Bienen
  4. Lotte und Marie besuchen Oma und Opa
  5. Kleiner Detektiv
  6. Osterhasen auf Tour
  7. Flecki und der Frühling
  8. Schmetterling
  9. Die kleine Ente
  10. Wir malen den Frühling
  11. Rotkäppchen und der Osterhase
  12. Mutter und der Frühling
  13. Morgens im Garten

 

 

 

 

 

Der Frühling

ist ein Luftballon

lautlos und leicht

schwebt er in den Himmel

um dann sanft auf der Erde zu landen

 

Er ist die Palette eines Malers

eine Explosion von Farben

die ineinander verlaufen

 

Eine Melodie

die du lange nicht mehr gehört hast

 

Er ist die aufgehende Sonne

nach langer, dunkler Nacht

 

Der Frühling

ist wie ein Geschenk,

das du endlich auspacken darfst

 

 

 

„Du wirst dich mit Maja anfreunden, egal ob du willst oder nicht!“, hatte meine Mutter gesagt und energisch meine Kinderzimmertür zugeschlagen. Ich war echt verzweifelt. Meine Cousine Maja war die schrecklichste Person, die ich kannte. Obwohl sie fast genauso alt war wie ich (sieben Jahre), konnte ich einfach nichts mit ihr anfangen. Sie hatte immer irgendein Buch dabei und las und las und las. Ihre brauen glatten Haare waren kinnlang und sahen immer so aus wie eine eng anliegende Badekappe. Ich hatte nur schreckliche Erinnerungen an Maja.

Als sie drei Jahre alt war und uns mit ihren Eltern besucht hatte, hatte sie auf meinen Kinderzimmerteppich gepinkelt. Den Fleck haben wir nie mehr richtig herausbekommen und ich muss immer noch mit den Umrissen leben. Als sie fünf war, hat sie in einem unbeaufsichtigten Moment meinen Barbies die Haare abgeschnitten und sie alle in hässliche Punker verwandelt. Die Erwachsenen haben nur gelacht und gemeint, das wäre doch alles sehr originell. So einen Einfall hätte eben nur Maja haben können.

Bei Familienfesten wurde immer davon erzählt, dass Maja hochbegabt sei. Sie hätte schon vor der Schule lesen können und sie spielte schon Beethoven auf dem Klavier. Außerdem schrieb sie Gedichte über den Frühling. Das war doch sehr seltsam und nicht normal für Kinder in unserem Alter!

Ich wurde ständig mit Maja verglichen und kam dabei natürlich schlechter weg. Ich fand Maja immer nur ätzend. Und das schlimmste war, dass ich sie jedes Jahr zu ihrem Geburtstag anrufen musste. Wie ich diese Anrufe hasste! Ich wusste nie, was ich mit ihr reden sollte. Meistens verliefen die Anrufe immer nach dem selben Schema.

„Hallo!“

„Hallo!“

„Alles Gute zum Geburtstag!“

„Danke!“

„Feierst du?“

„Nein!“

„Tschüß!“

„Tschüß!“

Und jetzt sollte Maja die gesamten Osterferien bei uns verbringen! Nicht nur einen oder zwei Tage, nein, es sollten die ganzen Ferien sein. Etwas Schlimmeres hätten sich meine Eltern nicht ausdenken können! Meine beste Freundin Katja war mit ihren Eltern auf Mallorca. Meine Mutter fand das toll.

"Ist doch super, dann hast du noch mehr Zeit für Maja!"

Maja, Maja, Maja! Ich hörte immer nur Maja. Es war so schlimm, dass ich meine Stoffbiene Maja auf den Dachboden verfrachtete, weil ich auch sie nicht mehr sehen konnte.

 

„Majas Eltern haben Probleme, sie lassen sich wahrscheinlich scheiden!“, hatte meine Mutter mir erklärt. „Damit sie Zeit für sich haben und über alles in Ruhe reden können, habe ich vorgeschlagen, dass Maja die Osterferien bei uns verbringt!“

Ich hatte getobt und geschrieen, als ich die Nachricht gehört hatte. „Das kannst du nicht machen, es sind meine Ferien!“, hatte ich meine Mutter entsetzt angebrüllt.

„Ich hätte einfach etwas mehr Verständnis von dir erwartet!“, hatte meine Mutter enttäuscht geantwortet. Dann hatte sie türknallend mein Kinderzimmer verlassen.

 

Mit düsteren Gedanken schmiss ich mich auf mein Bett und heulte in die Kissen.

Plötzlich spürte ich eine Hand auf meinem Rücken. Meine Mutter war zurückgekommen und nahm mich in die Arme. Leise redete sie auf mich ein.

„Jetzt beruhige dich doch, Johanna! Maja ist wirklich schlimm dran, wenn Tante Doris und Onkel Gerd sich scheiden lassen. Da wollen wir ihr wenigstens ein schönes Osterfest machen. Ich habe schon einige Überraschungen gekauft, die ich im Garten verstecken werde!“

Ich schniefte in ein Taschentuch, das mir meine Mutter reichte.

„Da ist noch etwas ...!“, fing sie plötzlich wieder an. „Tante Doris hat gesagt, Maja glaubt noch an den Osterhasen, bitte verrate nicht, dass es ihn nicht gibt!“ Mir stockte der Atem.

„Was? Sie glaubt mit sieben noch an den Osterhasen?“, rief ich spottend aus.

 

Wenige Stunden später hupte auf unserem Hof bereits der bläuliche Opel Astra meiner Tante Doris. Maja war angekommen.

Meine Mutter hatte inzwischen eine Matratze neben mein Bett gelegt. Da sollte Maja zwei Wochen schlafen. Maja hatte mich kaum begrüßt und hatte sich gleich in einen Fernsehsessel gesetzt. Dann hatte sie sich in ein Buch vertieft. Wie öde war das denn?

„Was liest du gerade?“, fragte ich neugierig.

„Die Häschenschule!“, antwortete Maja geistesabwesend ohne mich anzusehen.

 

Nachdem Tante Doris weggefahren war, gingen wir alle noch eine Runde durch den Garten. Es war bereits sehr warm, überall blühten die Krokusse und es duftete nach Frühling.

 

„Da wird der Osterhase euch morgen bestimmt etwas Schönes bringen, wenn ihr jetzt gleich ins Bett geht!“, sagte meine Mutter schließlich fröhlich. Ich verdrehte die Augen. Das konnte ja heiter werden! Ich war nicht bereit, dieses Theater mitzuspielen.

Maja flitzte vor mir die Treppe hoch. Was hatte sie vor? Langsam folgte ich ihr.

"Tada!", rief sie und stellte sich vor mir auf. Ich starrte sie verwundert an.

"Das ist mein Elfenkostüm. Wenn ich darin schlafe, bringt der Osterhase mir morgen extra viel!", erklärte sie mir. "Komm mit!", forderte sie mich auf. Ich war nur noch genervt. Was kam noch alles?

 

Dann lief sie hinunter in den Garten und setzte sich auf einen Stein. In der Hand hielt sie einen merkwürdigen Gummipilz. Sie schloss die Augen und war augenblicklich in ihre eigene Welt versunken.

 

Meine Mutter sah mich flehend an und ich sagte kein Wort. Dann gingen wir wieder in mein Zimmer.

 

Maja und ich hatten kaum miteinander gesprochen. Wir lagen in unseren Betten und ich starrte in die Dunkelheit.

 

Ob Maja noch wach war? Es war ganz still und ich lauschte angestrengt. Kein Kraspeln, kein Schnarchen, nichts. Doch plötzlich hörte ich ein leises Schluchzen. Es wurde immer lauter und eindringlicher. Maja heulte. „Was ist?“, fragte ich unsicher.

„Meine Eltern lassen sich scheiden, ich weiß nicht, bei wem ich dann wohnen werde ...!“ , flüsterte meine Cousine. Ihre Stimme klang ganz ungewohnt und sehr, sehr traurig.

„Ist es denn schon sicher?“, fragte ich nach.

„Ja, fast!“ , entgegnete Maja. Ich schluckte. Bisher hatte ich mir noch keine Gedanken über so etwas gemacht.

„Vielleicht vertragen sie sich ja auch wieder!“, versuchte ich sie zu trösten. Plötzlich tat sie mir irgendwie doch leid. Mir fiel auf einmal auf, wie gut ich es hatte.

„Vielleicht ...!“, flüsterte Maja.

„Sei nicht traurig, wir haben Ferien, wir können ganz viel unternehmen! Und das Beste ist, morgen kommt der Osterhase!“

 

 

"Was?"

"Ich bin auch froh, dass du meine Cousine bist!", flüsterte ich zurück. Ich schämte mich für meine schlechten Gedanken und konnte nicht einschlafen, weil ich so ein schlechtes Gewissen hatte. Unruhig wälzte ich mich hin und her.

"Was?"

Es tat mir sehr gut, dass ich ihr alles gesagt hatte. Maja schwieg.

Dann mussten wir beide lachen. Wir bekamen einen wahren Lachanfall und konnten gar nicht mehr aufhören.

"Was ist denn hier los?", fragte meine Mutter. "War der Osterhase schon da?"

 

 

"Du kannst immer zu mir kommen, in den Ferien oder am Wochenende!", sagte ich Maja beim Abschied. Sie lachte.

"Eine Sache muss ich noch wissen!", sagte ich schließlich, als wir auf ihrem Koffer saßen und auf meine Tante warteten. "Was hast du dir eigentlich gewünscht, als du im Elfenkostüm auf dem Stein gesessen hast?"

 

Aber die nächsten Ferien kommen bald.