Illustration

Illustration

informationen zur deutschdidaktik
Zeitschrift für den Deutschunterricht
in Wissenschaft und Schule

»Menschen gehen.«
Flucht und Ankommen

Herausgegeben von
Werner Wintersteiner und Sabine Zelger

Heft 1–2017
41. Jahrgang

StudienVerlag Innsbruck

 

 

Editorial

WERNER WINTERSTEINER, SABINE ZELGER:
Auch das Ankommen ist ein Aufbruch

Realitäten in Schule und Gesellschaft

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER und HEIDI SCHRODT, im Gespräch:
»Unsere Schulen sind auf die Flüchtlingsbewegung überhaupt nicht vorbereitet!«

CONSTANTIN JUNGKIND: Keine »österreichische Lösung«!
Eine Kritik der Integrations- und Bildungspolitik in Österreich

BARBARA KLEMA: Inklusion durch Schule

VERENA STERN: Let them stay! Proteste gegen Abschiebungen in Schulen

CHRISTOPH WITAMWAS: Rassismus an der Schule.
Wie geht ein Ort damit um?

Wie Lehrkräfte die Situation meistern

LAURA GREBER, KATJA HUMER: Das erste Schuljahr nach den großen Fluchtbewegungen 2015/2016. Lehrer_innen berichten über ihre Erfahrungen

MARGOT GRAF: Endlich angekommen – und nun? Die Arbeit mit Kindern der aktuellen Flüchtlingswelle an einer NMS in Wien

SABINE ZELGER: »Man kann ja nicht die Sache sich selbst überlassen!« Flüchtlinge unterrichten an einer Neuen Mittelschule und im Flüchtlingsheim. Ein Stimmungsbericht

FRIEDERIKE KOPPENSTEINER: Learning to live together.
Ein pädagogisches Anliegen der UNESCO-Schulen

LORENZ VEGGETTI: Menschen auf der Flucht.
Fächerübergreifendes Arbeiten in Südtirol

Flucht als Thema Politischer Bildung

WERNER WINTERSTEINER: Von »Asylant« bis »Wirtschaftsflüchtling«.
Kritisches Wörterbuch der so genannten Flüchtlingskrise

CHRISTIANE HINTERMANN: Migration als Thema im Schulbuch

WERNER WINTERSTEINER: »Refugee guide«.
Sprachanalyse als Politische Bildung

PAUL SCHEIBELHOFER: Fremde Männlichkeit als »Problem« für die Schule

Sprachunterricht

İNCI DIRIM: Bildungsbenachteiligung von Schüler_innen mit Deutsch als Zweitsprache im österreichischen Bildungssystem. Sprachdidaktische Wege aus der Misere

EVANGELIA KARAGIANNAKIS: Im Fokus: Alphabetisierung und interkulturelles Lernen. Deutschunterricht unter immer wieder neuen Bedingungen in heterogenen Klassen

TRIX BÜRKI, SWANTJE REHFELD, KATJA SCHNITZER:
Eltern, Kinder, Geschichten. Das Projekt Melifa an der Pädagogischen Hochschule FHNW

BRIGITTA BUSCH: Erzählen können, schweigen dürfen

Literarästhetische Bildung

SABINE ZELGER: Komik und Witz. Wege für den Deutschunterricht im Kontext großer Fluchtbewegungen

WERNER WINTERSTEINER: Das Thema Flucht in der Literatur.
Vorschläge für den Unterricht

Service

ANDREAS HUDELIST: Flucht und Migration.
Bibliographischer Überblick

Magazin

ide empfiehlt
WALTER OBERHAUSER: P. Mecheril (Hg., 2016): Handbuch Migrationspädagogik

Neu im Regal

 

 

 

»Migration« und »Mehrsprachigkeit« in anderen ide-Heften

ide 4/2015

Sprachliche Bildung im Kontext von Mehrsprachigkeit

ide 3/2013

Identitäten

ide 1/2010

Weltliteratur

ide 2/2008

Mehrsprachigkeit

ide 2/2007

Mittelmeer

ide 3/2006

Aufwachsen in Europa

ide 1/1997

Interkulturalität im Deutschunterricht

 

Das nächste ide-Heft

ide 2–2017

Die Donau – Länder am Strome erscheint im Juni 2017

 

Vorschau

ide 3–2017

Kultur des Performativen

ide 4–2017

Lehren und Lernen im Deutschunterricht

 

 

 

 

 

www.uni-klu.ac.at/ide

 

Besuchen Sie die ide-Webseite! Sie finden dort den Inhalt aller ide-Hefte seit 1988 sowie »Kostproben« aus den letzten Heften. Sie können die ide auch online bestellen.

 

www.uni-klu.ac.at/deutschdidaktik

 

Besuchen Sie auch die Webseite des Instituts für Deutschdidaktik: Informationen, Ansätze, Orientierungen.

Auch das Ankommen ist ein Aufbruch

Flucht und Migration sind keineswegs neue Phänomene, weder im politischen noch im pädagogisch-didaktischen Bereich. Mehrsprachigkeit, interkulturelles Zusammenleben, weltbürgerliche Perspektiven der Bildung sind schon seit Jahrzehnten deutschdidaktische Themen, die auch in dieser Zeitschrift immer wieder ihren Niederschlag finden. Allerdings haben die massiven Fluchtbewegungen nach Europa im Jahr 2015 und danach eine neue Situation geschaffen: Die massive Zunahme von Neuankommenden schafft neue Tatsachen. Auch den GegnerInnen dieser Entwicklung wird klar, dass es sich um keinen kurzfristigen und vorübergehenden Zustand, sondern um ein unabweisbares Phänomen handelt. Wir leben in multikulturellen Gesellschaften, viele Menschen haben multiple Identitäten entwickelt. Das bietet Risiken und Chancen. Auf jeden Fall zwingt es zur Auseinandersetzung, die auch auf dem Feld der Pädagogik und Didaktik ausgetragen wird. Es ist so, wie die Journalistin Olivera Stajić schreibt:

Die so mühevoll entstandenen Multiidentitäten können als Kollateralschäden der Migrationsprozesse oder als große Chance für die gesamte Gesellschaft betrachtet werden. Weiter kommen wir nur, wenn wir uns als Gesellschaft auf Werte und Ziele einigen, die für einen Großteil lebbar sind. (Stajić 2011)

An dieser Auseinandersetzung möchten wir uns mit diesem, ungewöhnlich umfangreichen, Heft beteiligen. Dabei beschäftigen wir uns in erster Linie mit der österreichischen Situation, beziehen jedoch auch Erfahrungen aus Deutschland, der Schweiz und Südtirol ein.

Wir plädieren dafür, Flucht und Migration in dreifacher Weise wahrzunehmen: als eine politische Frage, als eine pädagogische Frage und als eine deutschdidaktische Frage. So gibt das Heft, das alle drei Dimensionen miteinander verknüpft, Antwort auf folgende Frage: Was brauchen Lehrkräfte, speziell Deutschlehrer/innen, an Wissen und Können im Umgang mit den gesellschaftlichen und schulischen Folgen von Migration und Flucht. Dies erfordert unseres Erachtens vor allem:

Orientierungswissen über die (kontroversen) politischen und gesellschaftlichen Wahrnehmungen, Einordnungen und Bearbeitungen der Problematik

Reflexions- und praktisches Wissen über die Möglichkeiten der Schule und die Positionen der Bildungspolitik bezüglich einer (Neu)Organisation des Zusammenlebens sowie Entwicklung eines entsprechenden pädagogischen Habitus bei den Lehrkräften

Überblick über die Möglichkeiten und Ziele des Deutschunterrichts, einschließlich der Einschätzung der Bedeutung des Deutschunterrichts für andere Fächer bzw. Schule allgemein

Insgesamt geht es wohl darum, jenen Kräften, die die Unmöglichkeit des Zusammenlebens postulieren, mit einem (erfahrungsgesättigten) Bildungsoptimismus entgegenzutreten. Dies bedeutet keineswegs, die bestehenden Probleme zu leugnen, sondern im Gegenteil zu zeigen, wie sie angepackt werden können und was die Voraussetzungen zu ihrer erfolgreichen Lösung sind.

Auch das Ankommen ist ein Aufbruch: Die neue (demographische) Situation ist eine Chance auf Erneuerung verkrusteter Strukturen und eingefahrener Gewohnheiten im Bildungsbereich. Wir begreifen sie als Auftrag, in der Schule und speziell im Deutschunterricht gewohnte Praktiken zu hinterfragen und das Erlernen von Sprache und Literatur, das literarische und politische Lernen, das gemeinsame und individuelle Lernen stets auch in Hinblick auf die Situation von allen SchülerInnen in ihrer Verschiedenheit zu gestalten. Damit meinen wir nicht, Flucht und Migration sei als Thematik nun in den Mittelpunkt jedes Unterrichts zu stellen. Dies wäre unangemessen und kontraproduktiv. Hingegen wollen wir die Sensibilität und Aufmerksamkeit der (Deutsch-)LehrerInnen erhöhen, um dieses Thema bei allen Fragen der Unterrichtsplanung und -durchführung mitzudenken und auch zu berücksichtigen. Davon tangiert ist die Deutschstunde in ihrer pädagogischen und didaktischen Ausprägung – und ebenso die Bedeutung dessen, was sich seit 2015 im Zusammenhang von Flucht und Ankommen abspielt, was getan und ausverhandelt wird. Wir möchten also auch die Aufmerksamkeit für die gesellschaftlichpolitische Dimension erhöhen.

Zum Cover dieses Heftes

Das Cover dieses Heftes stammt von der Berliner Künstlerin Rebecca Raue. Sie hat an der Universität der Künste in Berlin bei Georg Baselitz und Rebecca Horn studiert. Heute ist sie eine hoch arrivierte Künstlerin mit zahlreichen, auch internationalen, Einzel- und Gruppenausstellungen. Sie ist nicht nur als Malerin, sondern auch als Performance-Künstlerin tätig.

In folgender Darstellung der Kölner Galerie Anja Knoess wird, wie wir meinen, ihr Werk sehr treffend charakterisiert:

Ihre künstlerischen Arbeiten

vermitteln pointiert ihr Verständnis komplexer politischer, gesellschaftlicher und sozialer Inhalte und Ebenen. Raue kommentiert diese auf einfache und verständliche Art. Mit den Mitteln der Kunst, über deren Ästhetik und künstlerische Abstraktion stellt sie auch politische Inhalte dar. [...] Abstrakt, figurativ, konkrete Inhalte bezeichnend malt sie Bilder, die berühren, Haltung hinterfragen und Handlung und Veränderung bewirken möchten. [...] Zeichnung und Schrift, zentrale Elemente ihrer Malerei, schaffen assoziative Verweise, die das Nachsinnen und reflektierte Schauen und Begreifen der Bildinhalte anregen. Eine die kindliche Ästhetik zitierende Formensprache und die Verbindung von Zeichnung, Malerei und Wort verleihen den Bildern von Rebecca Raue eine starke, suggestive Kraft.1

Mehr Informationen über die Künstlerin finden sich auf: http://rebeccaraue.de/.

Rebecca Raue hat freundlicherweise das Engagement dieses Themenhefts der ide sehr unterstützt, indem sie uns die Reproduktion eines ihrer Werke als Cover zu einem Freundschaftspreis gestattet hat. Vielen Dank!

 

_____________

1 https://www.galerieanjaknoess.de/künstler-innen/rebecca-raue/ [Zugriff: 15.1.2017].

1. Der politische Umgang mit Flucht

Flucht und Migration beherrschen nicht nur als Thema den politischen Diskurs, sondern auch als Topos, der sich in manchem von den realen Flucht- und Migrationsbewegungen deutlich unterscheidet. Das bedeutet auch, dass die tatsächlichen Herausforderungen des Zusammenlebens in einer Migrationsgesellschaft nicht voraussetzungslos und nüchtern, sondern mit jener Brille wahrgenommen werden, mit der Flucht und Migration gesehen werden. Und das ist oft noch – was mächtige VertreterInnen der offiziellen Politik, viele Medien, aber auch einen guten Teil der Zivilgesellschaft betrifft – eine Haltung der Abneigung und Abweisung. Es scheint sogar so zu sein, dass Flucht und Migration das Thema geworden ist, in dem sich das Politische paradigmatisch verdichtet hat: Mit dem Thema werden Wahlkämpfe geführt, auf dieses Thema wird alles zugespitzt, auf dieses Thema wird alle Politik verkürzt. So wird eine ganze Reihe von sozialen, kulturellen und politischen Problemen in einen ursächlichen Zusammenhang mit Flucht und Migration gebracht, ohne dass geprüft wird, ob dieser Kontext tatsächlich besteht (Schlagwort: »MigrantInnen nehmen uns unsere Arbeitsplätze weg!«).

Zum anderen haben sich politische Räume eröffnet, wurden politische Möglichkeiten realisiert, die zuletzt eher brachlagen. Dies betrifft auch die Schule. Gegen Abschiebungen von Mitschülerinnen und deren Familien formierte sich verschiedentlich Widerstand; Mitgefühl und Solidarität entluden sich in unterschiedlichen Protesten, vom Sitzstreik bis hin zur Produktion von Schülerinnenzeitungen. Wie Verena Stern in diesem Heft darlegt, waren diese interventionen nicht selten von Erfolg gekrönt und die betroffenen Schülerinnen durften an der Schule bleiben. Engagement für Gerechtigkeit und Menschenrechte zeigte sich auch im aktiven Bemühen, Geflüchtete in der eigenen Schule aufzunehmen oder Unterstützung anzubieten. Wie Präsenz und Kontakt die feindliche Stimmung gegen die Neuankömmlinge kippen, ja in ihr Gegenteil drehen können, berichtet Christoph Witamwas aus einer kleinen Gemeinde im Burgenland.

NEW YORK DECLARATION

Die UNO hat längst die Brisanz der Thematik erkannt und sich im Rahmen eines Summit for Refugees and Migrants anlässlich der Generalversammlung im September 2016 intensiv damit beschäftigt. Geplant ist eine weltweite Tagung im Jahr 2018, die den Beginn für international verbindliche Regelungen markieren soll. Auch die Zivilgesellschaft hat die Aufgabe, daran mitzuwirken.

Über die New York Declaration for Refugees and Migrants und weitere Aktivitäten informiert die UN-Website: https://refugeesmigrants.un.org/summit

Die Ereignisse seit 2015 forderten jedenfalls zur Reaktion heraus. In politischen Entscheidungen und institutionellen Maßnahmen, die sich oft als ungenügend und schleppend herausstellten, werden auch alte Versäumnisse der Politik sichtbar, deren Auswirkungen sich in der zugespitzten Situation noch verstärken. Constantin Jungkind, aktiv in der Flüchtlingshilfe, weist auf die spezifische Situation psychisch Kranker, von Transgender und traumatisierten Personen hin, deren Versorgungslage nicht ausreichend sei – für betroffene Flüchtlinge ist dieser Mangel fatal. Wie bedeutsam es ist, pragmatisch und konsequent an die neue Situation heranzugehen, macht der Autor auch an positiven Beispielen im Bildungsbereich deutlich, etwa bei der flotten Implementierung der schulbegleitenden »Neu-in-Wien«-Sprachkurse für Geflüchtete sowie der raschen und breiten Unterstützung durch DaZMaterialien und Konzepte, die von Universitäten und Hochschülerschaften zur Verfügung gestellt wurden. Gestützt auf eigene Erfahrungen plädiert er außerdem für ein Lernen im Tandem, also für das gegenseitige Lehren und Lernen zweier Sprachen.

2. Flucht als bildungspolitische Herausforderung

Dass Bildungspolitik, die Schule und der Deutschunterricht gefordert sind und wichtige Änderungen anstehen, wird auch im Dialog von Werner Wintersteiner mit den Bildungsexpertinnen Barbara Herzog-Punzenberger und Heidi Schrodt deutlich. In Betrachtung der institutionellen Antworten auf die Flüchtlingssituation zeigt sich, dass viele Herausforderungen nicht neu sind. Ein wichtiger Weg wird von den beiden Expertinnen in der LehrerInnenbildung ausgemacht, wo es verpflichtende Module transversaler Inhalte wie Deutsch als Zweitsprache, Politische Bildung und soziokulturelle Diversitätskompetenz brauche. Von den geforderten Änderungen in Aus- und Weiterbildung, vom Einsatz von SprachkoordinatorInnen, aber auch vom Ausbau Mobiler Interkultureller Teams (MIT), die zu Brennpunkten in Schulen gerufen werden, können alle profitieren, geflüchtete und nicht geflüchtete SchülerInnen. Insbesondere könnte so struktureller Bildungsbenachteiligung entgegengewirkt werden.

Inzwischen ist eine große Fülle an pädagogischen Handreichungen zu verzeichnen, die sich mit den Themen Flucht und Migration beschäftigen. Das ist ein erfreulicher Ausdruck des Bemühens, das Ankommen zu erleichtern und das Zusammenleben der Verschiedenen gut zu organisieren. Zugleich suggerieren diese Publikationen aber nicht selten, dass die Migrationsfrage im Bereich der Bildung bloß eine Frage fehlender Unterrichtsmaterialien sei. Die Dimension der Bildungspolitik mit den Strukturen des Bildungswesens und den Ressourcen bleibt oft ausgeklammert. Ferner wird unterstellt, dass die Lehrkräfte selbst bereits »Bescheid wissen«, sich also nicht selbst einem Prozess der Reflexion und eventueller Neuorientierung aussetzen müssen. Es wird so getan, als ginge es nicht um bildungspolitische und didaktische Herausforderungen, sondern bloß um adäquate Inhalte, die den SchülerInnen »beizubringen« seien. Auf der anderen Seite steht neben manchen institutionellen Bemühungen das starke Engagement vieler LehrerInnen und bildungspolitisch engagierter NGOs, für eine gute Aufnahme der geflüchteten Kinder und Jugendlichen zu sorgen. Diesen Erfahrungen soll hier eine Stimme gegeben werden.

3. Deutsch lernen und Mehrsprachigkeit

Als zentrale Grundlage gesellschaftlicher Teilhabe von MigrantInnen und Geflüchteten gilt im öffentlichen Diskurs die deutsche Sprache. Das ist insofern richtig, als das Erlernen von Deutsch als Verkehrssprache unabdingbar ist für ein dauerhaftes Leben in Ländern wie Deutschland und Österreich. Zugleich muss sich aber die reale Mehrsprachigkeit auch im Bildungswesen stärker abbilden und sie muss die verdiente Wertschätzung erfahren. Alles andere ist eine Verletzung der linguistic human rights – wie etwa die immer wieder vorgebrachte Forderung nach sprachlicher Regulierung der privaten Gespräche zwischen SchülerInnen in den Pausen. Eine charmante und produktive Weise, Erstsprachen sichtbar zu machen und aufzuwerten, wird im Schweizer Projekt Melifa realisiert. Dabei wird über das Erzählen und Lesen von Geschichten in verschiedenen Erstsprachen literales Lernen gefördert, aber auch eine vertraute, heimische Atmosphäre geschaffen. Wichtig ist, wie die Autorinnen Trix Bürki, Swantje Rehfeld und Katja Schnitzer darlegen, dass sich diese Förderung nicht auf das Klassenzimmer beschränkt, sondern dass es für die Familie geöffnet wird – die Einladung wurde von Eltern und Kindern begeistert angenommen.

Deutschunterricht unter den Bedingungen der Mehrsprachigkeit heißt, dass für einen guten Teil der SchülerInnen der Unterricht »Deutsch als Zweitsprache« bedeutet. Manche von ihnen haben in einer anderen Schrift schreiben gelernt oder konnten gar nicht zur Schule gehen. Hier gilt es zu differenzieren und sich verschiedene Wege des (Zweit-)Schrifterwerbs anzueignen, wie Evangelia Karagian- nakis vorführt. Zentral ist, dass bei all den unterschiedlichen Zielen und Voraussetzungen alle Lernenden auf ihre Rechnung kommen. Die DaZ-For- schung hat hierfür, wie inci Dirim in ihrem Beitrag zeigt, bereits gute Konzepte der Sprachförderung und der sprachlichen Bildung ausgearbeitet, auf die unter Berücksichtigung der vielfältigen Kontexte des Sprachenlernens zurückgegriffen werden kann. Für SeiteneinsteigerInnen empfiehlt die Autorin additive Deutschförderung, die parallel zum Regelunterricht stattfinden und die Fachsprache der verschiedenen Fächer integrieren soll. Auch kann über dokumentierte Beobachtungen oder elaborierte Sprachthe- men im Regelunterricht, aber auch in Zusammenarbeit mit außerschulischen Institutionen zielorientiert Sprachenlernen gefördert werden.

4. Sprache als soziales Handeln

Ein weiterer Aspekt sprachlicher Bildung darf mit Blick auf unser Anliegen, alle SchülerInnen in den heterogenen Klassen zu inkludieren, nicht ausgeblendet werden. Gemeint ist die Sprache in den Debatten um Flucht und Migration, die unsere Vorstellungen von Zugehörigkeit und Differenz maßgeblich beeinflusst und rassistische, diskriminierende Einstellungen bis hin zu fragwürdigen politischen Entscheidungen legitimieren oder aber desavouieren kann. Für die DeutschlehrerInnen bedeutet dies, selbst einen kritischen Blick auf die verwendeten Unterrichtsmaterialien zu werfen oder diesen mit den SchülerInnen einzuüben. Zu erproben wäre dies etwa an den Darstellungen von Migration in hiesigen Schulbüchern, die, wie Christiane Hintermann ausführt, zwar zunehmen, jedoch oft einseitig und problematisch sind. Zwei andere Möglichkeiten, den Blick auf Sprache schärfen zu lernen, den eigenen und den der SchülerInnen, stellen Werner Wintersteiners Beiträge vor: »Refugee guide«, in dem Handreichungen für Geflüchtete unter die Lupe genommen werden, sowie das »Kritische Wörterbuch der so genannten Flüchtlingskrise«, das anhand von 22 Einträgen »Von >Asylant< bis >Wirtschaftsflüchtling<« verbreiteten Begriffen mit deren Mehrdeutigkeiten und politischen Strategien nachgeht. Anhand markiger Thesen lädt der Beitrag dazu ein, die politische Wirkkraft der uns umgebenden Sprache wahrzunehmen und diskriminierende Strategien zu entlarven.

Zuschreibungen, die über Wörter, Bilder und Gesten verfestigt werden, können den Handlungsspielraum einengen und nicht zuletzt auch maßgeblich Einfluss auf Bildungskarrieren haben. Besonders relevant in unserem Kontext sind die Vorstellungen über migrantische Männer, an deren Festigung die Schule nicht unbeteiligt ist. Wie ein differenzierter Blick auf das Zustandekommen und die Auswirkungen solcher Bilder trainiert werden kann, zeigt Paul Scheibelhofer in seinem Beitrag »Fremde Männlichkeit als >Problem< für die Schule«. Zentral hierfür ist, statt für problematisches Verhalten Erklärungen in der »Herkunftskultur« zu suchen, die konkreten sozialen Lebensbedingungen zu berück sichtigen und nachhaltige Zukunftsmöglichkeiten für migrantische SchülerInnen zu fokussieren.

5. Ein Blick in die Klassenzimmer

Während Denkgewohnheiten und Vorstellungen hartnäckig sind und ihre Implikationen erst sichtbar gemacht werden müssen, wurde seit 2015 vielerorts ganz offensichtlich der Schul- und Unterrichtsalltag gestört. Routinen mussten aufgebrochen werden, übliche Handlungen und Prozesse ließen sich nicht mehr in altbewährter Form durchführen. Dass die Herausforderungen angenommen und mitunter oft langjährige fragwürdige oder problematische Praxis verändert wurde, wird in diesem Band verschiedentlich dokumentiert.

Selbstverständliche Umgangsformen in sprach- und leistungsheterogenen Gruppen wurden in Frage gestellt, aber auch institutionelle Konventionen aufgebrochen. So erprobte eine Neue Mittelschule verschiedene Formen des getrennten und gemeinsamen Unterrichts und setzte auf Differenzierung und Ganzheitlichkeit. In den Interviews mit den beteiligten LehrerInnen zeigte sich, dass eine Verbindung aus integrativer Beschulung mit Teamteaching und zeitweilig getrenntem Unterricht bevorzugt wird. Siehe dazu den Beitrag unter dem Titel »Man kann ja nicht die Sache sich selbst überlassen!« von Sabine Zelger. Auch der Einsatz von PädagogInnen, die die Erstsprachen der Neuankömmlinge beherrschen, bewährte sich und ist noch auszubauen. Einen anderen Weg bieten Mehrstufenklassen mit flexiblen Eingangsphasen, wie Margot Graf in ihrem Artikel vorschlägt. Dringend notwendig sei aber in jedem Fall, auf Zeit zu setzen und die außergewöhnliche Belastungssituation nicht in ein institutionelles Korsett mit Befristung auf zwei Jahre Sonderstatus zu schnüren.

Eine weitere Möglichkeit struktureller Reaktion und Adaption, die den Unterricht für Neuankömmlinge unterstützt, stellt Barbara Klema im Beitrag »Inklusion durch Schule« vor. In den Übergangsklassen wird den geflüchteten SchülerInnen ein sicherer Ort geboten, an dem sie sich ganzheitlich und unterstützt durch Buddys auf den weiteren Schulweg vorbereiten können. Damit diese Klassen und deren »sozialtherapeutische Intervention« auch nachhaltig funktionieren, braucht es eine Kontinuität des Bildungswegs und dafür institutionelle und politische Unterstützung.

Von großem Vorteil ist es, wenn Schule auf bestehende Strukturen und ein elaboriertes Bildungskonzept zurückgreifen kann. Dies bewährt sich, wie Friederike Koppensteiner ausführt, bei den UNESCO-Schulen, die ihre pädagogische Grundlegung der Global Citizenship Education auf vielfältige Weise für gegenwärtige Fragen und Probleme anzuwenden wissen: von Lesepatenschaften über mehrsprachige Kennenlernabende bis zur Produktion mehrsprachiger Kinderbücher. Mit Gewinn wurde in einem Semesterprojekt über Recherche und Kontakte differenziertes Wissen über Lebensbedingungen und Herausforderungen von Refugees in Österreich erworben. Wie dieses Wissen fächer- und spra- chenübergreifend erarbeitet werden kann, zeigt der Bericht über die Abschlussarbeit von Lorenz Veggetti an einer italienischen Mittelschule.

Andernorts ist für die neue Situation viel, manchmal zu viel Improvisation und Engagement der Lehrkräfte gefragt. Dabei zeigt sich, dass auch hier eine flexible strukturelle Entlastung äußerst hilfreich ist und sich rasch bewährt, etwa durch Buddysysteme, Diversity-Management-Teams und Arbeitsgruppen. Wie Laura Greber und Katja Humer in der Analyse von LehrerInneninterviews herausarbeiten, ist für die Bewältigung der neuen Situation auch das Wissen der Lehrkräfte und die Bereitschaft, es zu erweitern und zu reflektieren, entscheidend: das Wissen über Migration und die Situation der Geflüchteten, über Sprachver- mittlung und Schrifterwerb, aber auch über kulturelle Zuschreibungen und sprachliche Fixierungen.

6. Die Wahrnehmung von Verletzungen schärfen

Die Forderung nach mehr Aufenthaltssicherheit und Kontinuität im Leben der geflüchteten Kinder und Jugendlichen sowie nach mehr psychologischen Unterstützungsstrukturen findet sich in mehreren Berichten aus dem Schulalltag, die in diesem Heft abgedruckt sind. Viele LehrerInnen haben dessen ungeachtet Tag für Tag mit trau- matisierten Kindern und Jugendlichen zu tun und erleben sich bisweilen als überfordert und ratlos. Eine gute Idee für eine Schule, die als psychosozial bedeutsamer Ort gefasst wird, der Sicherheit bietet, stellt Brigitta Busch vor. An solchen Orten ist das Schaffen von Freiräumen sinnvoll, die für kreatives Schreiben und Gestalten genutzt werden können. Wie anhand eines Volksschulprojekts gezeigt, können die SchülerInnen Ängste und Erfahrungen in »kleinen Büchern« thematisieren und sich die durch Traumas verlorene Handlungsmacht zurückerobern – zentral ist jedoch das Recht der Kinder, zu schweigen.

7. Die Möglichkeiten des Literaturunterrichts

Eine andere Möglichkeit für den Unterricht mit geflüchteten und nicht geflüchteten SchülerInnen wird von Sabine Zelger in der Hinwendung zu Komik und Humor gesehen. Dabei lassen sich Formen des Heiteren in ihrem Wandel, in ihrer Distanziertheit und als Mittel der Aggression und Utopie vermitteln, es kann aber auch die katalysatorische Kraft der Komik für Veränderung im Mittelpunkt stehen. Die Funktionen der Entspannung und Enttabuisierung lassen sich in allen Domänen des Deutschunterrichts nutzen.

Flucht und Ankommen im Deutschunterricht mitzudenken, bedeutet in jedem Fall auch eine Reflexion der literatur- und mediendidaktischen Fragestellungen, wie Werner Wintersteiner argumentiert. Zum einen ist anhand der Bedeutung von Etiketten wie »Migrationsliteratur« oder »mehrsprachig« die Literaturgeschichtsschreibung und Literaturkritik zu hinterfragen. Zum anderen kann die Literaturgeschichte als Geschichte von Flucht und Geflüchteten gelesen werden. In dieser Zuspitzung lassen sich auch Erkenntnisse über die Kontinuität und die Diversität von Fluchtgründen und Fluchterfahrungen vermitteln. Zahlreiche Beispiele untermauern, dass ein solches Augenmerk einen wichtigen Beitrag für literarische und politische Bildung darstellt.

Und was sagen andere?

Wer sich bildungspolitisch zu unserem Thema weiter orientieren möchte, kann sich von den folgenden Vorschlägen verschiedener ExpertInnengruppen inspirieren lassen. Alle Texte sind frei im Internet zugänglich.

Migration, Integration und Gleichstellung in Österreich: Maßnahmenpapier des Alternativen ExpertInnenrats für Migrations-, Integrationsund Gleichstellungsfragen 2012. http://www.verbal.at/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/ST_2012_MassnahmenpapierIntegration_Okt.pdf

Mehrsprachigkeit fördern – Menschenrechte verwirklichen, Deutschförderung mehrsprachig konzipieren: Im Meer der Sprachen ist Deutsch nur eine Welle. Abschlusserklärung des Transnationalen ExpertInnenforums Sprache Migration vom 24. bis 26. Mai 2012 in Graz. http://www.verbal.at/fileadmin/user_upload/Stellungnahmen/ST_2012 _Abschlusserklaerung-Graz.pdf

Sprachverbote verbieten! Netzwerk Sprachenrechte fordert Kinderrechte für ALLE Kinder ein. Stellungnahme des Netzwerks SprachenRechte. März 2015. http://www.lefoe.at/tl_files/lefoe/Sprachverbote-verbieten_NWSprachenRechte_Maerz2015.pdf

10 Empfehlungen zur Sprachförderung von neu zugewanderten SchülerInnen und Schülern des Fachdidaktikzentrums der Geisteswissenschaftlichen Fakultät Graz. November 2015. https://static.uni-graz.at/fileadmin/projekte/refugees/ Dateien/Empfehlungen_Sprachfoerderung_fuer_ neu_zugewanderte_SchulerInnen.pdf

Deutsch darf nicht alleinige »Pausensprache« sein. Stellungnahme des Verbands für Angewandte Linguistik Österreich und des Netzwerks SprachenRechte, Februar 2016. http://www.verbal.at/fileadmin/user_uploadStellungnahmen /201602 15-verbal_NWSR_Steiermark-Schulsprache.pdf

Aus Flüchtlingen werden Mitbürgerinnen und Mitbürger. Gesellschaftliche Umbrüche als Herausforderung für das sprachliche Lehren und Lernen. Gemeinsamer bildungspolitischer Arbeitskreis des Deutschen Germanistenverbands und des Symposions Deutschdidaktik. Frühjahr 2016. http://www.fachverband-deutsch.de/beitrag-anzeigen.html?messa ge=B66F2BA0-B2E2- 4E0C-6CD3–847C86D0 9B2F

World leaders must do more to educate refugee children, say top academics and influencers. September 2016. http://www.huffingtonpost.com/professor-geoff-gilbert/world-leaders-must-do-mor_b_12024110.html

Trotz der Fülle an Beiträgen haben wir als HerausgeberInnen immer noch das Gefühl, viele wichtige Aspekte nicht adäquat angesprochen zu haben. Vielleicht kann dies durch einen Blick in die – ebenfalls besonders umfangreiche – Bibliographie kompensiert werden, die Andreas Hudelist zusammengestellt hat. Abschließend werden von Walter Oberhauser, Barbara Klema, Ursula Esterl und Katharina Perschak aktuelle Publikationen zum Thema vorgestellt.

Was unser Heft aber sicher bietet, ist eine differenzierte Betrachtung einer veränderten und veränderbaren Schule von LehrerInnen, FachdidaktikerInnen, SoziologInnen und Bildungs- expertlnnen. Für die Reflexion ist jenes Verständnis von (Deutsch-)Unterricht zentral, dass LehrerInnen nicht die alleinigen AkteurInnen sind, sondern dass sie ihre SchülerInnen als aktiv Handelnde sehen, die an der großen Aufgabe der Integration partizipativ beteiligt sind. Auch wird die gegenwärtige Situation als Anstoß gesehen, die längst überfälligen bildungspolitischen Reformen im Makro- wie im Mikrobereich zu reformulieren und endlich zu realisieren. Wenn diese Aufgabe glücken soll, sind dafür alle Dimensionen des Deutschunterrichts – sprachliche Bildung, literar-ästhetische Bildung, mediale Bildung, politische Bildung – in ihrer Gesamtheit und in ihrem Zusammenspiel angesprochen. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen und mannigfachen Möglichkeiten für Deutschunterricht und Bildungspolitik, stehen im Zentrum dieses Bandes.

Wir freuen uns auf Umsetzung, Weiterentwicklung und Diskussion.

Literatur

STAJIĆ, OLIVERA (2011): Kollateralschäden oder Chancen. In: daSTANDARD, 15. November 2011. Online: http://derstandard. at/131918 2818371/Postmigrantische-Bio grafien-Kollateralschaeden-oder-Chancen [Zugriff: 15.1.2017].

 

_____________

WERNER WINTERSTEINER ist emeritierter Universitätsprofessor für Deutschdidaktik und Friedenspädagoge sowie Gründer des Zentrums für Friedensforschung und Friedenspädagogik an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt. Er beschäftigt sich mit (transkultureller) Literaturdidaktik, interkulturellem Lernen, literarischer Bildung und Friedensforschung. Seit 1988 ist er Herausgeber der ide. E-Mail: werner.wintersteiner@aau.at

SABINE ZELGER arbeitet als Deutschdidaktikerin und Literaturwissenschaftlerin am Institut für Germanistik an der Universität Wien. E-Mail: sabine.zelger@univie.ac.at

»Unsere Schulen sind auf die Flüchtlingsbewegung überhaupt nicht vorbereitet!«

Die Bildungsexpertinnen Barbara Herzog-Punzenberger und Heidi Schrodt im Gespräch

Die Bildungsexpertinnen Barbara Herzog-Punzenberger und Heidi Schrodt stellen im Gespräch eine Reihe von Mängeln im österreichischen Schulwesen fest, die eine gute Aufnahme neu zugezogener SchülerInnen erschweren. Insbesondere treten sie – unter Verweis auf Vorbilder in anderen Ländern – für eine Ausbildung (bzw. Fortbildung) im Umgang mit Mehrsprachigkeit ein, für den Einsatz von Lehrerinnen mit DaZ-Ausbildung, für flexible Lerngruppen in extrem heterogen zusammengesetzten Klassen, für Deutschförderung ab dem Kindergarten und für Lösungen, die Quereinsteigerinnen besser integrieren.

 

1. Zur Situation in Österreichs Schulen heute

IDE: Wie bewertet ihr die Situation in unseren Schulen angesichts der so genannten Flüchtlingskrise?

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Meiner Wahrnehmung nach ist die Situation sehr unterschiedlich. An vielen Orten gibt es sehr kleine Zahlen an neu hinzugekommenen SchülerInnen aus dem Fluchtkontext, darunter auch Orte, die noch nie mit MigrantInnen in der Schule zu tun hatten, aber dann gibt es die Großunterkünfte wie in Wien, wo ich von einer Mitarbeiterin vor Ort Klagen gehört habe. Vor allem ist schlimm, dass neue Lehrkräfte, die gerade aus der Ausbildung kommen, in solchen Klassen eingesetzt werden und einfach überfordert sind, obwohl sie aus bester Absicht diese Stelle angenommen haben.

HEIDI SCHRODT: Unsere Schulen sind meines Erachtens auf die Flüchtlingsbewegung überhaupt nicht vorbereitet, obwohl das schon längst der Fall hätte sein können. Schließlich hatten wir eine große Fluchtbewegung im Bosnienkrieg, und spätestens da hätte man beginnen können, auf die veränderte Situation zu reagieren. Die Flüchtlinge könnten besser integriert werden, wenn wir insgesamt auf die durch Migration veränderte Situation reagiert hätten.

IDE: Was heißt »insgesamt auf die Situation reagieren«? Was wären die wichtigsten Maßnahmen?

HEIDI SCHRODT: »Insgesamt reagieren« heißt: Ausbildung (bzw. Fortbildung) im Umgang mit Mehrsprachigkeit, Einsatz von LehrerInnen mit DaZ-Ausbildung, sensibler Umgang mit so genannten QuereinsteigerInnen und für diese große Personengruppe die Änderung der ungünstigen und längst veralteten gesetzlichen Ausgangslage; das heißt: flexible Lerngruppen in extrem heterogen zusammengesetzten Klassen, Deutschförderung im Kindergarten, ebenso in der Volksschule, Lernstandsfeststellungen durch LehrerInnen, Kooperationen mit Institutionen der Erwachsenenbildung bezüglich älterer analphabetischer SchülerInnen, um nur einiges zu nennen. Das alles hätte man schon vor mindestens 15 Jahren machen sollen. Dazu kommt noch: Einsatz von SchulsozialarbeiterInnen, PsychologInnen, FreizeitpädagogInnen, Verstärkung der Elternarbeit ... Und, ganz wichtig, eine sozialindizierte Mittelverteilung an Schulen mit besonders großen Herausforderungen.

IDE: Warum hat man das nicht getan? Und wieweit reagiert man jetzt – eurer Beobachtung nach – richtig?

HEIDI SCHRODT: Warum hat man das alles nicht getan? Zuerst, in der Ära der Gastarbeiter, hat man die Probleme ignoriert, später hat man sie schöngeredet oder verklärt – Stichwort »Multikulti« – ohne ein Gesamtkonzept überhaupt anzudenken. Maßnahmen erfolgten immer nur punktuell, wie der Einsatz von Muttersprachenlehrerlnnen oder von DaZ-Kursen. In Wien hat man dann begonnen, an den Pflichtschulen SchulsozialarbeiterInnen einzusetzen, sowie BeratungslehrerInnen, aber all das war zu wenig. Manche NMS in Wien sind derzeit völlig überfordert. Natürlich könnte man, mit entsprechendem Personal, auch an mehrfach belasteten Standorten sehr gut arbeiten, aber das braucht viele Ressourcen. Die müssen meines Erachtens solchen Schulen dringend zur Verfügung gestellt werden

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Ein bisschen was geschieht ja jetzt: Mit Schulbeginn 2015/16 kamen Informationen, in denen wichtige Hinweise für Materialien, Unterstützung etc. enthalten waren, insbesondere für jene Standorte, die bisher keine Erfahrung mit migrationsbedingter Heterogenität hatten. Das war gut und wichtig.
Dann wurden die Mobilen Interkulturellen Teams (MIT)1 eingerichtet, die als »Feuerwehr« eingesetzt werden sollen und an Brennpunkte kommen. Das ist auch gut und wichtig, kann aber natürlich nur für die Bearbeitung akuter Probleme herangezogen werden und nicht, um systemische Lücken oder Versäumnisse auszugleichen.

IDE: Was sind konkret Mobile Interkulturelle Teams, eine pädagogische »schnelle Eingreiftruppe«?

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Das sind Teams von PsychologInnen, SozialarbeiterInnen und einschlägig geschulten PädagogInnen, die die Lehrkräfte unterstützen; oftmals selbst mit Migrationserfahrung und meist mehrsprachig, kommunizieren sie auch mit Flüchtlingsfamilien und machen Krisenintervention. Abgesehen von den MIT wurden schon 2014 die Weiterbildungsangebote hinsichtlich Deradikalisierung und Politische Bildung massiv aufgestockt – allerdings, vermute ich, waren das einmalig rund 150 Veranstaltungen, jedenfalls ein guter Input von sehr engagierten Trägervereinen. Auch Tagesveranstaltungen zu Flucht und angeschlossenen Themen für SchulleiterInnen und Lehrkräfte an den Pädagogischen Hochschulen waren gut besucht.

IDE: Eure Aussagen decken sich in einem Punkt: Es wird nur reagiert, wenn die Not schon sichtbar ist, und es wird nur genau so viel getan, wie unbedingt nötig erscheint. Wenn was passiert, dann kaum strukturelle Maßnahmen, also statt Ausbildung für alle nur Weiterbildung für wenige, aber keine systematischen Veränderungen – etwa ein Gesetz, dass SozialarbeiterInnen und MuttersprachenlehrerInnen in einem bestimmten Maße zur Verfügung stehen müssen, was ja auch hieße, sie auszubilden und zu finanzieren ...

2. Das Fehlen von bildungspolitischen Leitlinien

HEIDI SCHRODT: Tatsächlich war bisher der Umgang mit migrantischen Kindern und Jugendlichen bei den politisch Verantwortlichen, milde ausgedrückt, kein großes Thema. Wien nehme ich in den allerletzten Jahren etwas aus, denn da gibt es einige gute Ansätze etwa in der Elternarbeit wie »Mama lernt Deutsch«2 oder jetzt, im laufenden Schuljahr ganz aktuell, das Wiener College für nicht mehr schulpflichtige Flüchtlinge.3 Aber nehmen wir das so genannte Schul- »reform«paket vom 17.11.2015, da ist die Migrationsthematik kein großes Thema und das, obwohl etwa im fünften Wiener Gemeindebezirk in den Pflichtschulen 90 Prozent der Kinder eine andere Erstsprache als Deutsch haben.

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Will man über die allgemeine Erhöhung der Diversitätskompetenz in der österreichischen Schule sprechen, sollte man jede Ebene im Detail diskutieren, denn es ist oft so, dass Schwächen des Systems hier besonders stark zum Tragen kommen. Nehmen wir als Beispiel die Erstausbildung der Lehrkräfte: Wie lernen sie denn die Praxis des Unterrichtens? – Im Wesentlichen durch ihre Unterrichtseinheiten mit den Praxislehrkräften. Diese wiederum haben oftmals keine besonders hohe Professionalität, was sprachliche und kulturelle Diversität angeht. Hier müsste ein Qualitätsindikator eingeführt werden. Allerdings heißt es, dass es ohnehin nicht genug AusbildnerInnen gibt und dass es ein Problem mit der Verfügbarkeit von hoch qualifizierten Übungslehrkräften gibt.

HEIDI SCHRODT: Dennoch ist in der neuen PädagogInnenbildung kein einschlägiges Pflicht-Modul vorgesehen. Und, ehrlich gesagt, es fehlt auch an kompetenten AusbildnerInnen.

IDE: Und weil es keine Pflichtmodule gibt, sehen die AusbildnerInnen keine Notwendigkeit, sich weiterzubilden, so beißt sich eben die Katze in den Schwanz. Die neue PädagogInnenausbildung betrachte ich deswegen als eine vertane große Chance. Man ist wieder von den traditionellen Fachinhalten ausgegangen und hat transversale Inhalte, wie Deutsch als Zweitsprache, Politische Bildung bzw. Global Citizenship Education, Diversitätsmanagement wieder keine Chance gegeben. Gibt es wenigstens in anderen Ländern Musterbeispiele, wie man systemisch auf die Migration reagieren sollte?

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Ich sehe derzeit keine besonders überzeugenden Länderbeispiele, selbst Schweden hat zum Teil eine überraschend negative Praxis, allerdings ist es lokal und regional sehr verschieden und bei sehr positiven Beispielen wie dem San Francisco Unified School District, also dem öffentlichen Schulwesen, handelt es sich nicht um so große Zahlen an Flüchtlingskindern. Aber dort geht man sehr systematisch und differenziert vor, und man verfügt über sehr viel forschungsgestütztes Material zum Beispiel hinsichtlich zweisprachiger Bildung.

»QuereinsteigerInnen sind die Ärmsten der Armen!« (Heidi Schrodt)

HEIDI SCHRODT: Sehr gut finde ich das Hamburger Modell der durchgängigen Sprachförderung, das modulartig aufgebaut ist. An jeder Schule gibt es eine Sprachkoordinatorin oder einen Sprachkoordinator. Allerdings ist das ein kostenintensives Modell.4 Und Schweden hat jedenfalls ein wesentlich besseres und faireres Modell für QuereinsteigerInnen, die bei uns die Ärmsten der Armen sind. In Schweden gibt es für alle SchülerInnen, unabhängig von der schwedischen Staatsbürgerschaft, das Recht auf kostenlosen Schulbesuch bis 19 Jahre, und das wird auch von 95 Prozent der Betroffenen wahrgenommen. Wer keine Berechtigung hat, in eine Oberstufenform zu gehen, kann ein zehntes Schuljahr anhängen. Wer nach dem zehnten Schuljahr noch nicht über ausreichende Schwedischkenntnisse verfügt, um eine Oberstufe zu besuchen, hat in einer speziellen Schulform noch einmal drei Jahre Zeit, um diese Berechtigung zu erwerben. Konkret: QuereinsteigerInnen dürfen noch, bis sie 20 Jahre alt sind, mit einer dreijährigen Oberstufenform beginnen, die zur Hochschulberechtigung führt. Ein deutlicher Kontrast zu unserem Umgang mit QuereinsteigerInnen!

3. Die Benachteiligung von QuereinsteigerInnen

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Ja, ich finde es sehr wichtig, die Widersprüchlichkeiten darzulegen. Eben wie in Schweden, da gibt es ganz viele gute Ansätze und dann abschreckende Beispiele, wie sie bei einem Study Visit unlängst vorgeführt wurden. Was die PädagogInnenbildung Neu betrifft, ist mein Eindruck, dass das Inklusionsparadigma alleine das Problem sicher nicht lösen kann, Stereotype funktionieren sehr spezifisch, da hilft es nicht, allgemein guten Willen zu bekunden. Man muss vielmehr, über diversitätsfreundliche Einstellungen und Haltungen hinaus, Wissen über Migration, über Mehrsprachigkeit, über Vorurteile erwerben und Handlungsfertigkeiten entwickeln und einüben. Aber wie gesagt, es fehlen uns die ausgebildeten Lehrenden in den Institutionen der LehrerInnenbildung und an den Schulen für das Praxislernen, ohne die geht es nicht.

IDE: Wie ist denn unser Umgang mit QuereinsteigerInnen?

HEIDI SCHRODT: Wenn sie schulpflichtig sind, müssen sie nach spätestens zwei Jahren benotet werden, was natürlich viel zu kurz ist. Wenn sie nicht mehr schulpflichtig sind, haben sie kein Recht auf Schulbesuch mehr. Selbst wenn sie zuvor in ihren Herkunftsländern eine unserer AHS vergleichbare Schulform besucht haben, haben sie minimale Chancen, in eine AHS aufgenommen zu werden, obwohl das natürlich möglich wäre.

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Da gibt es eben in Regionen mit einer größeren Anzahl an QuereinsteigerInnen sogenannte »Sprachklassen«, in denen SchülerInnen ohne Deutschkenntnisse zusammengefasst werden und, je nach Fortschritt, aber üblicherweise nach einem Jahr in die Regelklassen transferiert werden, in Ausnahmefällen nach zwei Jahren. Was ich bisher davon gesehen habe, hat mich nicht überzeugt. Die Lehrenden haben keine spezifische oder nur eine lange zurückliegende Ausbildung. Das Team-Teaching hat nicht besonders gut funktioniert. Die Individualisierung fand kaum statt. Die Schwächsten wurden nicht systematisch unterstützt ...

»Es fehlen uns die ausgebildeten Lehrenden in den Institutionen
der LehrerInnenbildung.« (Barbara Herzog-Punzenberger)

Zusammengefasst würde ich sagen, wenn schon »Sprachklasse«, dann top ausgebildete Lehrkräfte, die wirklich spezialisiert und auf dem neuesten Stand sind: Aber insgesamt geht es immer um kohärente Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung am Standort, die migrationsbedingte Diversität derzeit priorisieren sollte. Stattdessen sagen SchulleiterInnen: Was denn noch, wir haben schon genug Reformansätze, das geht nicht auch noch.
Denn natürlich sind systemische Lösungen zu bevorzugen wie auch QUIMS5 in Zürich, wo eben Standorte mit mehr als 40 Prozent SchülerInnen mit Migrationshintergrund zusätzliche Mittel bekommen und dafür bestimmte Maßnahmen umsetzen müssen, das ist ein viel systematischerer Ansatz als bei uns.

HEIDI SCHRODT: Zu den Sprachklassen: Ich denke, das kann in einigen Fällen durchaus Sinn machen, zum Beispiel, wenn an einer Schule gerade ein ganz großer Schub von Neuankommenden eingelangt ist. Aber solche Klassen sollten immer nur temporär sein mit dem Ziel, eine möglichst baldige Eingliederung in den Klassenverband zu erreichen. Jedenfalls sollte man nicht gleich »Ghettoklasse« rufen, wenn solche Lösungen angeboten werden.

»In der PädagogInnenbildung Neu gibt es zu wenig verpflichtende Module für sprachliche und kulturelle Diversität.« (Barbara Herzog-Punzenberger)

IDE: Wie soll es eine kohärente Unterrichts-, Personal- und Organisationsentwicklung am Standort geben, wenn die Schulen über keine Autonomie verfügen?

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Bei der Personalentwicklung meinte ich nicht in erster Linie mehr Lehrkräfte, sondern die Weiterbildung derer, die bereits im Dienst sind, mit Coaching über einen längeren Zeitraum, Reflexionsgruppen, die gemeinsam Maßnahmen umsetzen und kritisch evaluieren etc., also Formen, die eine viel höhere Effektivität bewiesen haben als »Ich geh mal einen Tag in die Fortbildung« oder so. Außerdem braucht es bei neuen Lehrkräften eben die Berücksichtigung der Spezialisierung, sodass eine ähnliche Situation wie in Hamburg entsteht, mit Fachkräften, die die Ergebnisse der schulinternen Fortbildungen koordiniert weiterführen können. Alles das sollte ein wichtiges Thema in SQA6 sein.

HEIDI SCHRODT: Ja, es braucht ein ganz großes Maß an Schulautonomie, aber dazu auch eine regionale Bildungsdirektion, die auf die Bedürfnisse der Schulen im Verbund eingehen kann und auch die Ressourcen entsprechend fair verteilt. Manche Schulen brauchen sehr viel mehr Ressourcen als andere. Auch dafür gibt übrigens Hamburg ein sehr gutes Beispiel ab, denn da bekommen die jeweiligen Schulen unterschiedlich viel, und wie viel (oder wenig), das kann öffentlich eingesehen werden.

»Manche Schulen brauchen sehr viel mehr Ressourcen als andere.« (Heidi Schrodt)

IDE: Ich sehe noch ein anderes Problem: Oft fehlt es den Lehrkräften nicht an gutem Willen, aber der ist mit Vorurteilen belastet: Wieso geben die (ausländischen) Kinder mir nicht die Hand? Das ist doch unhöflich! Klar haben »die« ihre Speisevorschriften, aber sie könnten sie doch auch ein bisserl lockerer nehmen! Und es wäre doch viel besser, schon wegen dem Spracherwerb, wenn alle in der Pause immer Deutsch reden würden. Könnt ihr diese Eindrücke bestätigen?

HEIDI SCHRODT: Ich glaube, das Thema Handschlag verweigern kommt auch wieder nicht so oft vor. Aber es gibt da schon gröbere Probleme an Wiener Schulen mit manchen muslimischen (männlichen) Schülern. Missachtung von Lehrerinnen kommt schon vor, ebenso wie das Zur-Rede-Stellen von muslimischen Mädchen, die kein Kopftuch tragen. Relativ oft auch werden Mädchen ganzjährig durch ein ärztliches Attest vom Turnunterricht freigestellt, sie dürfen nicht auf Ausflüge mitkommen, schon gar nicht auf Projektwochen. Das kommt vor und darf nicht schöngeredet werden. Deutschpflicht in den Pausen ist in manchen Wiener Schulen auch manchmal ein Thema, aber eben nur auf Ebene der einzelnen Schulen.

IDE: Wie soll man darauf reagieren, wenn die Rechte von Mädchen beschnitten werden, unter dem Vorwand der Religion – was kann die Lehrerin, was kann der Schulleiter da eigentlich machen?

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Von einem Linzer NMS-Schulleiter, wo etwas schwierigere Situation öfters vorkommen, weiß ich, dass er vieles durch intensive Kommunikation mit den Eltern – eben beidseitiges Entgegenkommen, Verhandeln, Vermittlungspersonen etc. – hinbekommt, allerdings kommt hin und wieder ein Extremfall vor, dann versucht er mit Schulaufsicht und Gesetz zu klaren Grenzziehungen zu kommen, das ist auch notwendig. Im Allgemeinen halte ich die Professionalität in der Elternarbeit aber für vernachlässigt, gerade auf der Ebene der Schulleitung sollte das eine wichtige Kompetenz darstellen.

HEIDI SCHRODT: Was die Rechte der Mädchen betrifft: schwierig. Unsere Feminis- tinnen haben diese große Gruppe von benachteiligten Frauen und Mädchen vielfach noch gar nicht zur Kenntnis genommen. Bewährt hat sich in manchen Schulen der Einsatz von muslimischen Vertrauenspersonen als VermittlerInnen, wie etwa der türkische Muttersprachenlehrer oder ein Beratungslehrer. Es ist am wirksamsten und wird am ehesten akzeptiert, wenn es Muslime sind, die bei einem solchen Elterngespräch beigezogen werden. Sehr wichtig ist auch der Zugang zu den Müttern, diese in die Schule zu bekommen, sie zu stärken. Ich stimme mit Barbara überein, dass die Elternarbeit bei uns vernachlässigt ist. »Eltern in die Pflicht nehmen« heißt es ja immer, statt dass wir uns bemühen, sie in die Schule hereinzuholen, das Gespräch suchen. Das ist aber wirklich schwierig, wie ich auch von sehr engagierten LehrerInnen weiß.

4. Eine Reform für alle SchülerInnen

IDE: Die Maßnahmen, die ihr vorschlagt beziehungsweise in anderen Gegenden verwirklicht seht, sind zwar aus Anlass der Migration gesetzt worden, sie verändern aber mehr oder minder nachhaltig die Schule. Kann man da nicht von einem Mehrwert für das gesamte Bildungssystem insgesamt sprechen?

BARBARA HERZOG-PUNZENBERGER: Die neue Herangehensweise an Bildungssprache versus Alltagssprache, an sprachsensiblen Fachunterricht etc. hat für alle Vorteile, aber insbesondere auch für die »einheimischen« SchülerInnen aus bildungsfernen Schichten, deren Vokabular eben auch geringer ist, weiter weg von der Bildungssprache etc. und die es dadurch auch schwerer haben, in der Schule erfolgreich zu sein. Ich denke, das ist ganz ein wichtiger Punkt, der sehr deutlich kommuniziert werden müsste, da deren Eltern die FPÖ-StammwählerInnen sind.