image

Danksagungen

Ganz besonders bedanken möchte ich mich bei Audrey Snell vom Wimbledon Lawn Tennis Museum für ihre Geduld und eloquente Unterstützung, bei Harald Zemen vom WTV für seine Kooperationsbereitschaft, bei meinem Vater Wladimir Medwedeff und Walter Rath für ihre konstruktive Kritik, bei Bud Collins, L. Jon Wertheim, René Stauffer, Marshall John Fisher, Chris Bowers und Jon Henderson für ihre wunderbaren Tennis-Bücher – und bei meiner Eva für alles.

Thorsten Medwedeff

In Zusammenarbeit mit dem Wiener Tennisverband

image

2. Auflage

egoth Verlag GmbH

Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Abdrucks oder der Reproduktion einer Abbildung, sind vorbehalten.

ISBN: 978-3-902480-65-1

Fotos: APA Picturedesk, Bildagentur Votava, Shutterstock

Grafische Gestaltung und Satz:

Printed in the EU

Gesamtherstellung:

GRAND SLAM

Die besten Tennisspieler aller Zeiten

von Thorsten Medwedeff

image

Inhaltsverzeichnis

Intro

Fred Perry

Working-Class-Hero

Donald Budge

Der Erfinder des Grand Slam

Roy Emerson

Das Perpetuum Mobile des Tennis

Rod Laver

Für ein Date mit Marilyn

Andre Agassi

Vom Punk zum Idol

Roger Federer

Aus purer Liebe zum Spiel

Rafael Nadal

Sanfter Sandsturm in Eile

Novak Djokovic

Das serbische Wunder

Epilog

Namensglossar

Bibliographie

i

Intro

Bestimmt haben auch Sie eine ganz persönliche Einschätzung, wer die besten männlichen Tennisspieler aller Zeiten sein könnten. Bevor Sie sich aber zu sehr ins Reich der Spekulation begeben, möchte ich Ihnen jenes Kriterium verraten, anhand dessen ich die acht besten Spieler aller Zeiten ausgewählt habe: Es handelt sich um jene acht Spieler, die im Lauf ihrer Karriere zumindest einmal jedes der vier Grand-Slam-Turniere – also die Australian und French Open, Wimbledon und die US Open – gewonnen haben.

Für die ganz großen Experten unter uns ist nun klar, um welche acht Spieler es sich handelt, und doch stolpern auch viele, viele Tennisfans immer wieder, wenn es gilt, dieses grandiose und einmalige sportliche Oktett zu nennen. Denn, das sei hier schon verraten, entgegen vieler Einschätzungen fehlen unter anderem Spieler wie Pete Sampras, Boris Becker, Stefan Edberg und Mats Wilander genauso wie Björn Borg, Jimmy Connors, John McEnroe oder Ivan Lendl sowie Namen wie Bill Tilden, Jack Crawford, Jack Kramer, Pancho Gonzalez oder Tony Trabert.

Wetten, dass einige dieser Herren in Ihren Gedankenspielen eine Rolle gespielt haben und dass Sie nicht unbedingt einen Roy Emerson oder Donald Budge auf Ihrer Liste hatten? Sie aber gehören genauso dazu wie Fred Perry, Rod Laver, Andre Agassi, Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic.

Wobei Budge und Laver als Primi inter pares zu gelten haben: Denn sie sind die bisher Einzigen, die es geschafft haben, alle vier Grand-Slam-Turniere binnen eines Jahres zu gewinnen: Donald Budge im Jahr 1938 und Rod Laver sogar zweimal, nämlich 1962 und 1969, beim zweiten Coup schon in der offenen Ära des Tennis, als sich Amateure und Profis einten und endlich alle Größen des Sports auch an den größten Turnieren teilnehmen durften.

Der Beste aller Zeiten

Bevor ich Sie auf eine Reise durch die Tennisgeschichte mitnehmen werde, sei kurz auf die Frage aller Fragen eingegangen. Wen kann man als den besten Spieler aller Zeiten bezeichnen?

Um diese Frage zu beantworten, sind zulässige Kriterien für dieses Ranking zu bestimmen. Ist Rod Laver der größte Tennisspieler aller Zeiten, weil er gleich zweimal (1962 und 1969) das unglaublich anmutende Kunststück vollbracht hat, binnen eines Jahres alle vier Grand-Slam-Events zu gewinnen? Oder ist es Donald Budge, der genau das 1938 erstmals schaffte und sich daher „Erfinder“ des Grand Slam nennen darf?

Oder sind die Leistungen in der Neuzeit höher zu bewerten, da Budge und Laver ihren Grand Slam „nur“ auf zwei verschiedenen Belägen (Gras und Sand) holten, aber Andre Agassi, Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic bereits auf drei (inklusive Hardcourt) bestehen mussten? Oder zählt schlichtweg der „echte“ Grand Slam mehr als der „Karriere-Slam“ auf drei Böden? Manche Experten neigen zu dieser Meinung, manche nicht. Laver selbst sieht sich nicht als den Größten aller Zeiten, er tendiert in seiner ihm eigenen Bescheidenheit dazu, die Leistungen der Neuzeit höher zu bewerten, wohingegen manchen ja eher die Verklärung der Vergangenheit näher liegt.

„Die Dichte im heutigen Tennis ist viel größer“, hat Laver immer wieder betont. „Du kannst jetzt ein Erstrundenmatch haben, das in der Vorwoche noch ein Endspiel gewesen ist.“ Und auch die Tatsache, dass ihm Hartplatz erspart geblieben ist, ergibt für den Australier ein weiteres starkes Argument für die heutige Tennisgeneration. „Denn das ist der Belag, der den Körper am meisten angreift“, sagte er im Jahr 2001 in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) in Melbourne. Dass Laver wie viele andere noch mit knapp 40 Jahren auf höchstem Niveau spielte, mag diesen Faktor unterstreichen. Hardcourt kostet mehr Substanz.

Allerdings könnten jetzt jene Experten, die Laver für den Besten aller Zeiten halten, einwerfen, dass den Spielern der Neuzeit ja in den meisten Fällen nur ein Sieg auf dem roten Ziegelmehl in Paris zum Grand Slam fehlt bzw. fehlte und nicht einer auf Hardcourt.

Insgesamt gibt es neun Spieler, die das „Triple“ binnen Jahresfrist geschafft haben, fünf davon scheiterten am „echten“ Grand Slam jeweils im Stade Roland Garros zu Paris – und somit auf Asche: Fred Perry (GBR/1934), Ashley Cooper (USA/1958), Roy Emerson (AUS/1964), Jimmy Connors (USA/1974) und Roger Federer, dem das gleich dreimal passierte (2004, 2006 und 2007) oder gelang …

Der US-Open-Titel fehlte den Australiern Jack Crawford (1933) und Lew Hoad (1956) in deren Sammlung, Tony Trabert gewann 1955 in Paris, London und New York, aber nicht in Australien, dem Schweden Mats Wilander blieb 1988 nur der Wimbledon-Triumph verwehrt. Die Diskussion lässt sich natürlich auch deswegen nicht schlüssig und mit einer allgemein gültigen Festlegung auf eine „Nummer eins aller Zeiten“ beenden, da wir ja niemals ermessen können, wie ein Laver mit gleichem Material zum Beispiel gegen einen Andre Agassi ausgesehen hätte, oder ob Roger Federer einen Donald Budge besiegt hätte.

Und die Diskussion lässt sich auch nicht allein mit dem Argument der verpassten Grand-Slam-Titel stoppen. Denn es gibt und gab sehr wohl Spieler, die auf allen vier Belägen nachhaltig ihre Klasse bewiesen haben: Connors etwa gewann 1976 die damals auf Sand ausgetragenen US Open, scheiterte aber jeweils in Paris. Wilander triumphierte 1983 und 1984 auf Gras in Melbourne, kam aber auf englischem Rasen in Wimbledon nie weiter als bis ins Viertelfinale.

Und Pete Sampras siegte zwar eindrucksvoll und ohne Satzverlust bei den Italian Open 1995 in Rom auf Sand, aber niemals im Stade Roland Garros, wo er 1996 immerhin das Halbfinale erreichte. Bill Tilden wiederum bekam in den zwanziger- und dreißiger Jahren nur drei Chancen, bei den French Open anzutreten – und erreichte 1927 und 1930 das Endspiel. Jack Kramer konnte wegen des Zweiten Weltkriegs überhaupt nie in Paris teilnehmen.

Grand Slam!

Somit ist meine Wahl auf jene acht Herren gefallen, die es tatsächlich geschafft haben, einerseits während ihrer Karriere alle vier Grand-Slam-Turniere zu gewinnen, andererseits den Coup während eines Jahres zu landen.

Fred Perry, Donald Budge, Roy Emerson, Rod Laver, Andre Agassi, Roger Federer, Rafael Nadal, Novak Djokovic – das ist also jenes illustre Oktett, um das es in diesem Buch geht. Aber nicht nur um sie persönlich, um ihre Erfolge und Enttäuschungen, ihre Art zu spielen oder ihr Privatleben und ihre ganz besonderen Charaktere – es geht auch und insbesondere um die Zeiten, in denen sie gelebt haben, ihr soziales Umfeld, ihren Werdegang, ihre Rivalen und Wegbegleiter und die teilweise folgenschweren sportpolitischen Entwicklungen im Tennis.

Es ist ein illustrer Streifzug durch fast 100 Jahre Tennis- und Menschheitsgeschichte, der die Story vom Tischtennis-Weltmeister, der zum Tennis-Nationalhelden aufstieg, ebenso erzählt wie jene vom legendärsten Daviscup-Duell der Tennis-Historie oder jene vom größten Comeback, das der Tennissport je erlebt hat.

Thorsten Medwedeff, Wien, im Oktober 2010

P.S. Um jene Menschen, die über Tennis ohnehin schon alles wissen, nicht zu unterfordern und gleichzeitig aber jene Menschen, die noch nicht alles über Tennis wissen, zu überfordern, finden Sie am Ende des Buchs ein umfassendes Namensglossar mit allen wichtigen Namen, die in „Grand Slam“ erwähnt sind – natürlich inklusive deren Leistungen für die Tennis- oder Sport-Historie. Daher stehen in den einzelnen Kapiteln manche Namen für sich, ohne umfassende Erklärung. Ein Blick ins Namens-Glossar hilft Ihnen, sich besser zu orientieren und zu informieren und ist zugleich ein handliches „Lexikon“ der Tennis-Geschichte.

P.P.S. Bis zur offenen Ära 1968 waren die vier Grand-Slam-Turniere die australischen, französischen, englischen (Wimbledon) und amerikanischen Meisterschaften. Heute sind trotzdem die späteren Bezeichnungen Australian Open, French Open, Wimbledon und US Open gebräuchlich, weshalb ich diese teilweise auch für Turniere vor 1968 verwendet habe..

1

Fred Perry

Working-Class-Hero

Fred Perry war der erste Tennisspieler, der sich einen Namen in Hollywood machte. Fred Perry war der erste Tennisspieler, der alle vier Grand-Slam-Turniere im Laufe seiner Karriere gewann, zuvor aber schon Tischtennis-Weltmeister geworden war. Fred Perry war der erste Tennisspieler, der seine eigene Modelinie kreierte. Und Fred Perry war auch der erste Wimbledon-Champion, der aus der Arbeiterklasse kam und er war der Erste, der auf dem Tennis-Court entgegen dem Usus in den dreißiger Jahren psychologische Tricks benutzte, um einen persönlichen Vorteil zu ziehen.

„Ich war das dreckige Arbeiterkind, das ihr weißes Tennis beschmutzte“, sagte er einmal über sich selbst und nicht ohne Stolz. Bei seinem ersten Wimbledon-Sieg 1934 wurde ihm die Krawatte des All England Lawn Tennis Clubs, die jeder Sieger bekam, nicht verliehen, sondern einfach in die Umkleidekabine gehängt. Perry versuchte trotz der ihm entgegen gebrachten Abneigung, oder gerade deswegen, jenen Leuten zu gefallen, die ihn ablehnten. Er wollte unbedingt zur High-Society gehören. Dieser tief verwurzelte Wunsch zieht sich durch sein ganzes Leben.

Erst als er Mitte der dreißiger Jahre in die Vereinigten Staaten von Amerika auswanderte, 1938 die US-Staatsbürgerschaft annahm und sich mit Stars aus Hollywood umgab, hatte er sich diesen Traum erfüllt. Er war drei Jahre lang der beste Spieler der Welt gewesen, die unumstrittene Nummer eins. Er war in Hollywood mit Stars wie Marlene Dietrich oder den Marx Brothers befreundet. Er gehörte dazu.

Aber ohne das Tennis hätte er das nie geschafft. Und vor allem ohne den ersten Wimbledon-Titel 1934. Am 7. Juli schrieb der Daily Mirror in riesigen Lettern: „Perry ist der Tennis-Weltmeister. Der Titel ist nach 25 Jahren nach Hause zurückgekehrt.“ Ein Vierteljahrhundert lag zwischen Perrys eindrucksvollem 6:3, 6:0, 7:5 über den Australier Jack Crawford und dem Sieg von Arthur Gore. Perry sagte damals: „Und wenn ich hundert Jahre alt werde, so gut werde ich niemals wieder spielen.“ Danach war er endgültig ein Nationalheld. Zumindest für die Öffentlichkeit.

Bereits 1933 hatte er maßgeblichen Anteil daran gehabt, dass Großbritannien zum ersten Mal seit 1912 wieder die DaviscupTrophäe in die Verbandsvitrine stellen durfte. Nach dem 3:2 über Frankreich war die Schlagzeile des Daily Mirror noch kürzer und prägnanter gewesen: „FRED!“

Erst mit 18 Jahren hatte dieser Fred ernsthaft begonnen, Tennis zu spielen. Sieben Jahre später war er bereits der Größte.

Die beste Vorhand der Welt

Was Perrys Spielstil auszeichnete, war, dass er den so genannten kontinentalen Stil bevorzugte, der heute ausgestorben ist. Dieser Continental Style, den auch die Franzosen Henri Cochet und René Lacoste verwendeten, hatte den Vorteil, dass bei keinem Schlag ein Griffwechsel vorzunehmen war. Vor- und Rückhand wurden ebenso mit dem Einheitsgriff gespielt wie der Aufschlag oder ein Smash. Zudem waren Spieler, die diesen Stil beherrschten, in der Lage, den Ball bereits im Aufsteigen und für damalige Zeiten extrem früh zu nehmen und so mit mehr Speed und extrem flach zu spielen. Seine Vorhand war das Beste, was es zu dieser Zeit gab.

„Seine einzige Schwäche war die Rückhand“, analysierte später einmal Jack Kramer. „Er schlug sie zu 90 Prozent mit einem Unterschnitt.“ Als er später bei den Profis auf Größen wie Ellsworth Vines und Donald Budge traf, war es diese fehleranfällige Rückhand, die für viele Niederlagen verantwortlich war.

Für einen Spielstil wie ihn Perry praktizierte, benötigte man ein extrem belastbares Handgelenk. Genau darüber verfügte er.

Das war eine Folge seiner „Tischtennis-Zeit“. Denn seine ersten Meriten in der internationalen Sportwelt erwarb sich der am 18. Mai 1909 in Stockport geborene Frederick John Perry im Tischtennis. Fred versuchte sich in allen Sportarten, er spielte in der Abwehr für das Ealing County School-Fußballteam und für das Cricket Team, aber am besten war er im Tischtennis. „Ich machte im Haus alle verrückt, weil ich abends den Küchentisch an die Wand schob, ein Netz aufstellte und stundenlang den kleinen Zelluloidball an die Wand knallte“, erinnert sich Perry in seiner 1984 erschienenen Autobiografie. „Da der Ball ja ständig zurückkam, entwickelte ich bald ein gutes Gefühl.“ Und Fred hatte nie einen Trainer – er gewöhnte sich beim Tischtennis einen Einheitsgriff an, den er nie wieder änderte. Auch nicht, als er später Tennis spielte.

1924 kam er erstmals mit dem damals als elitär verschrienen Sport in Berührung. Eines Abends kam Fred viel zu spät nach Hause – die Familie weilte auf Urlaub in Eastbourne – und sein Vater Sam tobte und fragte, wo „zur Hölle“ er gewesen sei. Perry: „Ich sagte: Ich bin im Devonshire Park gewesen, wo die Leute in feinstem weißen Zwirn herumgelaufen sind und Tennis gespielt haben. Und da standen eine Menge teurer Autos. Gehören die eigentlich den Leuten, die spielen, oder denen, die zuschauen?“ Freds Vater antwortete: „Die meisten gehören denen, die spielen.“ Das war die Initialzündung zu Freds Liebe zum Tennis. Solch ein Auto wollte er haben, solch feinen Zwirn wollte er tragen und zu ihnen gehören.

Sam Perry kaufte dem Sohn ein altes Racket, das er irgendwo um fünf Shillings erstanden hatte. Im Brentham Institute – die Familie war 1919 in die Pitshanger Lane in Brentham, einem Teil von Ealing im Westen Londons übersiedelt – gab es einige Tennisplätze. Dort schlug Fred seine ersten Bälle. Oder er übte auf den Bowling Greens oder zuhause an der Hauswand. 1926 schrieb er sich im Herga Tennis Club in Harrow ein, bei dem er sein ganzes Leben lang Mitglied blieb. In den darauffolgenden Sommerferien nahm er an den Middlesex Junior Championships teil und erreichte mit seinem ungewöhnlichen Griff, bei dem er den Schläger wie eine Axt in der Hand hielt, sensationell das Finale im Einzel und gewann das Doppel.

Dadurch ermuntert, nahm Perry an den Wimbledon Junior Championships teil. Mit dem alten 5-Shilling-Racket, das prompt kaputt ging. Aber Cyril Eames, ein damaliger Daviscupspieler, schenkte Fred ein neues Racket. In der vierten Runde kam das Aus. Aber Perry hatte sein Talent bewiesen und nahm anschließend bei einigen Junioren-Turnieren teil und erreichte mehrmals das Viertelfinale.

Fred Perry, Tischtennis-Weltmeister

Aber richtig gut war Perry in dieser Zeit im Tischtennis. Zur selben Zeit, als auf Initiative des englischen Filmemachers Ivor Montagu, Sohn von Lord Swaythling, die ersten Tischtennis-Weltmeisterschaften im Dezember 1926 in der Memorial Hall in der Londoner Fleet Street stattfanden. Vier Tische waren in einem großen Raum im ersten Stock aufgestellt, ein paar Hundert Zuschauer fanden dort Platz. Rund 50 Männer und 40 Frauen nahmen teil, viele spielten in Straßenkleidung und –schuhen. Das Event war zunächst als Europameisterschaft ausgerufen worden, aber eine Handvoll indischer Studenten machte es zu einer WM. Die ersten Titel gingen an Ungarn: Bei den Herren gewann Roland Jacobi, bei den Damen Maria von Mednyanszky. Britische Teilnehmer spielten überhaupt keine Rolle.

Im Januar 1928 aber traf Perry auf Montagu, der bis 1967 Präsident des internationalen Tischtennisverbands (ITTF) bleiben sollte und damals englischer Tischtennis-Teamchef war. Fred nahm damals an den Ausscheidungsspielen für die zweite WM in Stockholm 1928 teil. Und Perry schaffte es, sich für das englische Team zu qualifizieren. „Er verfügte über keine besonderen Schläge, aber seine Gelenkigkeit und Entschlossenheit in der Verteidigung verhalfen ihm zu einem Platz im Team“, sagte Montagu. Bei der WM selbst wollte der Teamchef seine zwei besten Spieler zunächst schonen und setzte die übrigen drei im Auftaktmatch gegen die Tschechoslowakei ein. Darunter auch Perry. Und Montagu schien klar, wer danach im Spiel gegen die überragenden Ungarn pausieren müsse: Fred Perry. Dank eines Missverständnisses beim Zählen des Scores auf Schwedisch kam Perry zum Sieg gegen den schwächsten der Tschechoslowaken. Sein Selbstvertrauen wuchs ins Unendliche. Er besiegte auch die beiden anderen aus der Mannschaft der CSSR und „wischte mit zwei ungarischen Weltmeistern den Boden auf“, erinnert sich Montagu. „Von diesem Moment an war er ein richtiger Tischtennis-Spieler.“

Doch am Finaltag – Perry stand im Einzel-Viertel-, im Mixed-Semi-und im Doppel-Finale – erlitt Fred in einem Spiel im Mannschaftsbewerb gegen einen Österreicher eine Bänderverletzung im Knöchel, konnte zwar weiterspielen, verlor aber im Einzel gegen den späteren Zweiten, den Ungarn Laszlo Bellak, und ging im Doppelfinale unter. Perry verbesserte sich 1928 aber auf Platz acht in der Tischtennis-Weltrangliste und ein Tischtennis-Experte sagte laut Montagu: „Der großartigste Angriffsschlag, den wir hier gesehen haben, ist der Vorhand-Drive von Perry.“

Nur ein Jahr später war Fred, mit 19 Jahren, Tischtennis-Weltmeister. Die WM 1929 fand im Januar in Budapest statt und die Gastgeber dominierten praktisch das ganze Turnier. Noch nie hatte ein Spieler, der nicht aus Ungarn stammte, ein Turnier auf ungarischem Boden gewonnen.

Bis Perry kam. Allein sein Finaleinzug war eine veritable Sensation. Und dort wartete das 17-jährige ungarische Wunderkind Miklós Szabados, der den Titelverteidiger Zóltán Mechlovits im Halbfinale aus der Halle geschossen hatte. 3.000 Zuschauer pressten sich in die kleine Arena, darunter Minister aus dem ungarischen Kabinett. Was dann passierte, darüber sind sich die Augenzeugen nur in einem einig: Fred Perry gewann den vierten Satz mit 21:19 (nachdem er bereits 20:16 geführt hatte) und wurde TischtennisWeltmeister. Denn bei den übrigen Satz-Ergebnissen weichen das „offizielle“ Scoreboard, das ein 14:21, 21:12, 23:21 und 21:19, und die Erinnerungen von Montagu (ihm zufolge siegte Perry 18:21, 21:19, 21:16, 21:19) und des Journalisten Sándor Glancz (er schrieb 1937 in einem amerikanischen Tischtennis-Magazin davon, dass Perry den ersten Satz gewonnen habe) voneinander ab.

Als Fred aus Budapest zurückkehrte, gab er seinen Rücktritt vom Tischtennis bekannt. „Was wirst du nun tun?“, fragte ihn sein Vater. Binnen vier Jahren in Englands Daviscup-Team spielen, tönte der Sohn. Er benötigte dafür genau zwei Jahre.

Fred hatte soeben die Schule abgeschlossen und verdiente in einer Tee-Handlung sein eigenes Geld. Zunächst gab es die Idee, als Arbeiter auf eine Tee-Farm nach Ceylon (das spätere Sri Lanka) zu gehen, aber darauf hatte Fred keine Lust. Er wollte Tennis spielen und er wollte Wimbledon gewinnen. Er wechselte den Job und ging zum Sportartikelhersteller Spaldings. Dort war er näher dran am Tennis. Es war das, was er wollte.

Sein Tennis verbesserte sich jetzt schnell. Er trainierte stundenlang mit Frank Wilde, der später auch im Daviscup für England antrat. 1929 qualifizierte sich Fred erstmals für den Hauptbewerb in Wimbledon. Er überstand zwei Runden, ehe er von John Olliff besiegt wurde, einer seiner früheren Gegner „von der anderen Seite“, von der Public School.

„Ich war damit schon sehr happy“, erinnert sich Perry in seiner Autobiografie aus dem Jahr 1984, „aber Pops Summers meinte, es sei noch ein verdammt langer Weg, bis ich mein Ziel erreichen und bester Spieler des Landes werden würde.“

Pops Summers

Das erste Zusammentreffen mit Fred im Jahr 1926 im Herga Club nannte Perry später den „turning point“ seiner Karriere im Tennis. Summers arbeitete damals für Slazenger und konnte Perry dadurch auch leicht mit kostenlosem Equipment ausstatten. Summers interessierte sich für talentierte Jugendliche, er konnte das Spiel „lesen“ und er verstand als einer der wenigen die psychologischen Faktoren des Spiels.

Summers schlug Fred vor, er solle doch an dem jährlichen Turnier für Schüler in Queen’s teilnehmen. Die Teilnahmegebühren und Reisekosten waren für Sam Perry aber kaum zu bezahlen. Dennoch fuhr Fred am ersten Tag des Turniers bereits um neun Uhr früh in den Queen’s Club und bat dort den Klubsekretär E. B. Noel, ihn teilnehmen zu lassen, obwohl die Anmeldefristen bereits abgelaufen seien. Noel fragte Perry: „Welche Schule repräsentieren Sie, Sir? Eton? Marlborough? Harrow? Repton?“ Fred war verwirrt. Er sagte: „Ealing County School.“ Der Klubsekretär meinte: „Davon habe ich noch nie gehört? Wo ist das?” “In Ealing”, sagte Fred. „Ich fürchte, wir haben kein Zimmer für Sie frei“, sagte Noel. Zimmer waren nur für Spieler aus privat finanzierten Schulen (public schools) reserviert. „Keine Sorge“, sagte Fred. „Ich kann mich auf dem Fußboden umziehen.“ In diesem Moment bog Jimmy Nuthall, ein Freund der Familie Perry, ums Eck. „Woher kommt denn Jimmy?“, fragte Fred. „Repton“, lautete die Antwort. „Okay, dann spiele ich für Repton“, sagte Perry. Er war der erste Junge, der an dem Turnier teilnahm, obwohl er keine Public School besuchte.

1929 entschied Pops Summers, dass Perry seine Vorhand, ohnehin schon sein wirkungsvollster Schlag, noch verbessern müsse. „Sie würde noch stärker werden, wenn ich den Ball noch früher nehme. Dann hätte ich eine noch bessere Chance, schnell ans Netz zu kommen und den Punkt zu machen.“ Später verglichen Tennis-Experten diesen Stil gerne mit jenem von Jimmy Connors oder Andre Agassi, die es ebenfalls jederzeit darauf anlegten, ständig enormen Druck auf den Gegner auszuüben. Ende der zwanziger Jahre gab es nur einen, der ähnlich agierte: Der Franzose Henri Cochet. Fred schaute ihm beim Training und beim Match zu, wann immer es möglich war, und er las alles über Cochet.

Im Winter 1929/30 arbeiteten Perry und Pops Summers stundenlang an dieser Vorhand. Im Herga Club und in Chiswick organisierte der Coach Spieler, die mit aller Wucht auf Perrys Vorhand servierten und Fred versuchte, den Ball so früh wie möglich zu schlagen, beinahe als Halbvolley. Perry: „Ich glaube, ich habe mehr Fenster in Tennisklubs zerschossen als irgend jemand anders in Großbritannnien.“

Perry verstand, dass er diesen Schlag, diese Waffe, nicht immer einsetzen musste, es aber ein gutes Gefühl war, ihn stets als letztes Ass im Ärmel bereit zu haben. Und immer, wenn er dieses Ass zog, rannte er danach ans Netz, als sei er auf der Flucht. Bei einem Doppel im Herga Club Ende des Jahres 1929 klappte der Schlag plötzlich wie automatisiert. Summers brach sofort das Training ab, schickte Fred nach Hause und sagte: „Bitte sieh eine Woche lang keinen Tennisball an. Aber sag dir immer wieder, dass du weißt, wie es geht, den Ball so früh zu schlagen. Und dann kommst du am nächsten Sonntag wieder.“ Eine Woche später konnte es Fred noch immer.

Monsieur Limonade

Im Januar 1930 wurden Freds Tennis-Fortschritte jäh gestoppt. Seine Mutter Hannah war am 8. Januar an einem Unterleibs-Krebs gestorben. Während seiner ganzen Karriere sollte Perry an keinem 8. Januar ein Racket in die Hand nehmen.

In diesen schweren Tagen für die Familie Perry (Fred hatte noch eine Schwester namens Sylvia) fragte Sam seinen Sohn: „Was willst du mit deinem Leben anfangen?“ Und Fred antwortete ohne nachzudenken: „Ich will Tennis spielen.“ Sam Perry versprach, seinen Sohn finanziell so weit es ging, aber zumindest für ein Jahr, zu unterstützen. Er solle seinen Job bei Spaldings kündigen. Und es gab zwei Abmachungen: Wenn es Fred schaffen würde, bis zu seinem 21. Geburtstag nicht zu rauchen, bekäme er weitere 100 Pfund, und dieselbe Summe, wenn er bis dorthin keinen Schluck Alkohol trinken würde. Den zweiten Teil dieses Deals schaffte Fred locker, den ersten nicht. Auch später nippte er selbst nach großen Siegen nur vorsichtig am Champagner. In Paris bekam Perry den Spitznamen „Monsieur Limonade“, auch auf Hollywood-Partys trank er nur Ginger Ale oder Limonade. Perry: „Ich wollte der fitteste Mann in meinem Sport werden.“ Und wenn er in Wimbledon spielte, verweigerte er alle Party-Einladungen, solange er noch im Turnier war.

Es gab aber noch weitere Prinzipien, an die sich Fred stets hielt: Vor einem wichtigen Match fuhr er nie selbst mit dem Auto, „weil es die Augen negativ beeinflusst“. Und er ließ sich – obwohl er Rechtshänder war – niemals die rechte Hand schütteln, er streckte seinem Gegenüber immer die Linke hin. „Wenn du 50 oder 60 Leuten täglich die Hand schüttelst, dann verlierst du schnell das Gefühl.“ Übrigens: Der Österreicher Thomas Muster, der 1995 die French Open gewann, schrieb als Linkshänder seine Autogramme stets mit rechts.

Perry zeigte aber auch auf dem Platz einige Marotten und war bald dafür berühmt, dass er es perfekt verstand, den Gegner zu irritieren und beinahe verrückt zu machen. Fast sollte man meinen, der ehemalige Andre-Agassi-Coach Brad Gilbert habe rund 60 Jahre später mit seinem höchst umstrittenen Buch „Winning ugly“ (Untertitel: Mentale Kriegsführung im Tennis, erschienen im Verlag zu Klampen, 1997) auch Anleihen bei Fred Perry genommen. Zeitgenossen nannten Perry in den dreißiger Jahren den „vielleicht unenglischsten Engländer“. Vornehme Zurückhaltung und Fairness bis zum letzten Punkt waren ihm fremd, er verstand es dagegen blendend, psychologische Tricks einzusetzen.

Sein am häufigsten verwendeter war es, sich zu beschweren, dass er etwas im Auge hätte – und zwar vornehmlich dann, wenn sein Gegner dabei war, in Richtung Sieg zu steuern. Perry ließ sich dann minutenlang vom Referee und von den Linienrichtern ins Auge schauen, ohne dass jemand etwas entdecken konnte. Was er aber damit zumeist erreichte: Der Rhythmus seines Gegners war gebrochen.

Und Perry liebte die Show auf dem Tennisplatz. Nicht nur, dass er selbst nach einem hart erkämpften Sieg mit einem eleganten Satz über das Netz sprang, als wollte er dem Gegner und den Zuschauern beweisen, dass er locker noch weitere fünf Sätze spielen könne. Es kam auch vor, dass er den Gegner mit anderen Mätzchen verrückt machte. In einem Match gegen den Franzosen Jean Borotra platzierte Perry ein überaus hübsches Model aus Frankreich auf einem der vordersten Sitzplätze am Court. Bei einem sicher verwandelten Smash von Borotra sprintete Perry völlig unerwartet in die entgegen gesetzte Richtung zu dem Mädchen, sprang auf deren Schoß, ließ sich einen dicken Kuss geben und kehrte mit lippenstiftroten Lippen auf den Platz zurück. „Die Zuschauer waren außer sich“, wird Perry in Tennis Confidential von Paul Fein zitiert.

Wenn ein Gegner einen besonders schönen und erfolgreichen Schlag setzte, kommentierte Perry diesen Punkt jedes Mal mit einem „very clevah“. „Ich habe nie gegen Fred in einem Match gespielt. Aber ich habe von vielen gehört, dass dieses ‚very clevah’ viele Gegner fast in den Wahnsinn trieb“, erinnert sich Jack Kramer in seiner 1979 erschienenen Autobiografie. Kramer nennt weitere Charakteristika, die Fred höchst umstritten machten: „Er war selbstsüchtig, ein Opportunist, egoistisch und scherte sich einen Dreck um das professionelle Tennis. Er war ein großer Champion und hätte dem Tennis helfen können, aber das interessierte ihn überhaupt nicht.“ Und Kramer kann mehrere Spiele anführen, die Perry absichtlich verloren habe, „weil er dem Publikum damit klar machen wollte, dass das alles unter seiner Würde sei“.

Kramer meinte weiters, dass Perry auch unter den anderen Spielern keinen besonders guten Ruf hatte: „Bill Tilden sagte einmal, Perry sei der schlechteste gute Spieler gewesen …“

Der Abend mit der »Sexbombe«

Jean Harlow war das, was man heute eine Sexbombe bezeichnen würde. Jean Harlow war die Marilyn Monroe der dreißiger Jahre. Und Fred wollte sie – wie viele Männer – unbedingt kennenlernen.

1931 wurde er gemeinsam mit seinem Freund George Patrick „Pat“_Hughes, mit dem er 1933 das Doppel bei den French Open und 1934 bei den Australian Open im Kooyong-Stadion in Melbourne gewinnen sollte, zum Pacific Southwest-Turnier in Los Angeles eingeladen, das gleich nach den amerikanischen Meisterschaften stattfinden sollte. Jener Journalist, der Perry und Hughes im Auftrag des südkalifornischen Verbandes eingeladen hatte, wollte auch für deren gesamten Reisespesen aufkommen. Er fragte zudem, ob er den beiden Spielern einen persönlichen Wunsch erfüllen könne.

„Ich nehme an dem Turnier nur teil, wenn Sie für mich in Los Angeles ein Date mit einer 21-jährigen Blondine organisieren, die mindestens eine Million Dollar besitzt“, scherzte Hughes. Und Perry, von der unbescheidenen Antwort seines Freundes aufgestachelt, sagte: „Ich bin nur interessiert, wenn mein erstes Date mit Jean Harlow ist.“

In seiner Autobiografie erinnert sich Perry: „Wir hörten von ihm zunächst nichts mehr und vergaßen die ganze Sache, während wir uns auf den amerikanischen Circuit vorbereiteten.“ Fred besiegte sieben der zehn besten Amerikaner, gewann aber auf der Tour nur das Rasen-Event in Winchester. Der Sieg wurde mit einem silbernen Cocktail-Set honoriert, was in Zeiten der Prohibition (in den USA war von 1918 bis 1933 der Verkauf, die Herstellung und der Transport von Alkohol gänzlich verboten) wie ein Hohn war. Zudem war bekannt, dass Perry keinen Tropfen Alkohol anrührte. Bei den US Open erreichte Fred daraufhin das Halbfinale, unterlag dort aber dem Amerikaner George Lott mit 5:7, 3:6, 0:6.

Danach fuhren Hughes und Perry wie vereinbart von der New Yorker Grand Central Station nach Los Angeles. Es war Freds erste Zug-Reise von einer Küste Amerikas zur anderen. Sie bestiegen den „20th Century Limited“, der sich zwischen 1902 und 1967 den Titel „berühmtester Zug der Welt“ verdienen und zur nationalen Institution in den USA werden sollte. Was ebenfalls einzigartig war: Die Passagiere bestiegen die Waggons in New York und Chicago schon seit 1902 über einen eigens für den „20th Century Limited“ kreierten und auf dem Bahnsteig ausgerollten Teppich. Das gilt auch als Geburtsstunde der Tradition des „roten Teppichs“, wie wir ihn nunmehr von High-Society-Events und Staatsbesuchen kennen.

In Chicago stiegen Perry und Hughes in den „The Chief“ um, der sie binnen drei Tagen nach Los Angeles brachte. „The Chief“ und sein Nachfolger „The Super Chief“ galten damals als das Transportmittel der Stars. Bei kurzen Stopps in verschiedenen Bahnhöfen sprangen Kinder in den Zug, um sich Autogramme von ihren Idolen zu holen. Jetzt gehörte auch Fred Perry dazu.

Das Turnier im Los Angeles Tennis Club war eines der gesellschaftlichen Highlights in der Stadt. Und in Los Angeles, wo sich der exklusive Tennissport mit der glitzernden Welt Hollywoods vermischte, manifestierte sich auch Perrys Liebe zu Amerika. 1938 wanderte er in die USA aus, 1947 übersiedelte er nach Florida. Zudem nahm er auch die amerikanische Staatsbürgerschaft an.

„Diese Tennisturniere werden aus gesellschaftlicher Hinsicht immer wichtiger“, wird eine Vorsitzende des Klubs im Magazin Western Tennis zitiert. „Warum, das kann jeder jeden Tag sehen …“ Denn in den Logen machten es sich Schauspieler wie Marlene Dietrich, Clark Gable, Charlie Chaplin oder die Marx Brothers bequem.

Perry blieb neben derlei Größen aus dem Filmgeschäft nicht unbeachtet. Er sah zu gut aus. Er hatte eine auffallend athletische Figur und legte größten Wert auf seine Kleidung. Es dauerte nicht lange und er war mitten drin in der High Society von Hollywood. Er war dort angekommen, wo er immer hin wollte – und zwar schon am Wochenende bevor das Pacific South Western-Turnier begann: Perry und Hughes wurden vor dem Hollywood Roosevelt Hotel von zwei Limousinen abgeholt. Beide waren zu einem Dinner im Tennisklub eingeladen. „Doch der Fahrer bog sofort scharf links ab in Richtung Ozean. Ich wies ihn darauf hin, dass das nicht der Weg zum Klub sei“, erinnert sich Perry in seiner Biografie Perry on Tennis. Der Fahrer meinte ungerührt, „wir müssen noch jemanden abholen“ und brachte Fred zu einem beeindruckenden Haus im Kolonialstil in Beverly Hills. Perry wurde von einer Hausbediensteten hereingebeten und aufgefordert, ein paar Minuten zu warten. Dann erschien sie. Jean Harlow. „Sie sagte mit einer umwerfenden Stimme ‚hallo’ und stand in einem mitreißenden Kleid mit ihrem platinblonden Haar vor mir. Sie bot an, mir die Stadt zu zeigen. In dieser Nacht kamen wir nie im Tennisklub an“, erzählt Perry in seiner Biografie.

Auch Huhges’ Wunsch wurde erfüllt: Er hatte ein Date mit einer 21-jährigen Blondine, die ihm im Laufe des Abends eine Bankgarantie zeigte, um zu beweisen, dass sie tatsächlich eine Million Dollar besitze.

Das Turnier endete für Perry wieder einmal mit einer Niederlage gegen Ellsworth Vines, gegen den er zuvor schon in San Francisco mit 3:6, 19:21 (der längste Satz, den Fred je spielte) und 0:6 verloren hatte. Im Finale von Los Angeles erzwang Perry einen fünften Satz, ging aber wieder als Verlierer vom Platz.

Bei ihrer Rückkehr aus Kalifornien wurden Hughes und Perry auch noch vom schwedischen König Gustav V. eingeladen, um an einem freundschaftlichen Länderkampf zwischen Schweden und England teilzunehmen. Sie buchten Zimmer im Grand Hotel. Nach der Welcome-Party des Königs am ersten Abend bestand der Monarch darauf, dass die beiden Tennisspieler in seinen Palast umzogen.

Ein Road Movie mit Ellsworth Vines

Nur drei Jahre später war Perry der unumstrittene König des Tennis. Nachdem er 1933 bei den amerikanischen Meisterschaften sein erstes Grand-Slam-Turnier gewonnen hatte, war er 1934 nicht mehr zu stoppen. Perry siegte in Australien, Wimbledon und erneut in Forrest Hills - damit fehlten ihm 1934 nur die French Championships zum „echten“ Grand Slam. In Paris unterlag er dem Italiener Giorgio de Stefani in der Runde der letzten Acht in vier Sätzen.

Aber zumindest der Karriere-Grand-Slam blieb Perry nicht verwehrt: Den Sieg in Paris fügte er seiner Sammlung gleich im nächsten Versuch, also 1935, hinzu, als er zunächst im Viertel- und Semifinale zuerst dem Franzosen Christian Boussus nur zwei Games ließ, dann Crawford überzeugend in drei Sätzen bezwang und im Endspiel den deutschen Baron Gottfried von Cramm mit 6:3, 3:6, 6:1 und 6:3 besiegte.

1935 und 1936 wiederholte er den Wimbledon-Triumph. Vor allem Letzterer ist bemerkenswert: Perry fertigte von Cramm mit 6:1, 6:1, 6:0 ab und erinnert sich in seinem Buch Perry on Tennis daran, was danach geschah: „Der Schiedsrichter sagte zu mir: Baron von Cramm bittet mich, Ihnen mitzuteilen, dass er sich einen Muskel im Bein gezerrt habe und er sich entschuldigen möchte, dass er an diesem Nachmittag nicht besser spielen konnte.“ Perry war beeindruckt: „Meine Hochachtung. Er war während des Spiels ganz ruhig und ertrug sein Handicap. Er hat überhaupt nicht versucht, seine Verletzung hochzuspielen.“