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1. Auflage Mai 2017

Titelbild: Nicole Laka

©opyright by Till Burgwächter und U-line

Lektorat: Nicole Leonhardt & Stefanie Semkat

eBook-Konvertierung: Nicole Laka

ISBN: 978-3-944154-43-5

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Für die Frau mit
der rechten (hihi) Gesinnung.
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Vorwort

Liebe Reichsgenossinnen und Reichsgenossen!

wir leben in verwirrenden Zeiten. Der Grieche verpulvert unsere mühsam angesparten Milliarden, in Brüssel versickern unsere restlichen Kröten in nicht nachvollziehbaren Kanälen und in den Städten und Dörfern Germaniens tummeln sich Syrer, Afghanen und Tunesier. Mit einem Mausklick sind wir einmal um die Welt gereist, aber gleichzeitig wünschen sich viele die Mauer zurück. Wahlweise um die Ostzone, Bayern oder das Saarland herum, Hauptsache schön hoch. Umso globalisierter unser Planet wird, desto größer die Sehnsucht nach der eigenen kleinen Komfortzone. Mit Dorfschlachter und Spielmannszug. Da spielt es auch überhaupt keine Rolle, dass Deutschlands Milliarden nicht nur angespart, sondern vor allem zusammengeliehen wurden, die Menschen aus fernen Ländern auch deshalb nach Europa flüchten, weil der hiesige Reichtum seit ewigen Zeiten auf der Ausbeutung ihrer Heimat basiert und Staaten wie Deutschland sich eine zweite goldene Nase verdienen, in dem sie Waffen an jeden noch so lächerlichen Schurkenstaat verticken. Der einfachste Weg ist immer der beste. Ausländer raus, D-Mark zurück, dann wird alles wieder gut.

In dieser schwarz-weißen Welt, die so viel mit der Realität zu tun hat, wie Politikeraussagen im Wahlkampf, positionieren sich die Populisten. Mit scheinheiligem Lächeln, kruden Argumenten, realitätsfernen Versprechen und vor allem der Präsentation eines Sündebocks fangen sie die Menschen ein, ohne sonderlich viel dafür tun zu müssen. Landen sie dann schließlich in einem Parlament, Landtag oder Stadtrat, fallen sie schnell durch peinliche Wortbeiträge, Sex-Skandale, Betrugsfälle oder schlichte Dummheit aus dem Rahmen. Die eigenen Wähler schämen sich für ihre «Volksvertreter», die Partei verschwindet wieder in der Versenkung. Ein paar Jahre später taucht sie dann unter dem gleichen oder anderen Namen wieder auf, das Spiel beginnt von vorne.

«Nazi werden leicht gemacht – Wollt ihr das totale Buch?» nimmt sich Nazis, Rechtskonservative und rassistische Hipster vor, beleuchtet die Vergangenheit, erklärt verschiedene Parteien und Strömungen und spannt den Bogen der frühen zwanziger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts bis heute. Der Humor darf dabei nicht zu kurz kommen, denn schon der große Walter Moers stellte dereinst die Frage «Darf man sich über Nazis lustig machen?», um sie sogleich mit «Nein, man muss!», zu beantworten. Wer sich einmal ein wenig intensiver mit Joseph Goebbels, Hermann Göring und natürlich Adolf höchstpersönlich auseinandergesetzt hat, muss feststellen, dass ihre Lebensläufe klingen, als hätten sich Orson Welles, H. P. Lovecraft und J. R. R. Tolkien komatös besoffen, an einen Tisch gesetzt und die lächerlichsten Monster erfunden, die ihnen auf die Schnelle einfielen.

Okay, um etwas Spaßiges an heutigen Kopfverdrehern wie der AfD, PEGIDA oder der Alt-Right-Bewegung zu ­finden, muss man sich schon ein wenig mehr anstrengen. Aber auch Lutz «Faschingsführer» Bachmann, Beate «die stumme Ursel» Zschäpe oder Beatrix «Schieß doch» von Storch sind einfach nur armselige Gestalten, die zur falschen Zeit am falschen Ort waren oder sind und so ein wenig unverdienten Ruhm abgreifen dürfen. Von ausländischen Rassisten wie Marine Le Pen, Viktor Orbán oder Donald Trump gar nicht zu reden. All diese Menschen nutzen die Hilflosigkeit, Naivität und Verunsicherung ihrer Zeitgenossen gnadenlos aus, um sich im Scheinwerferlicht ein bisschen Bräune abzuholen.

Versucht man es mal ganz nüchtern zu betrachten, ist die Sache eigentlich ganz klar: Wie bei allen Protestbewegungen ist die Schuld an ihrer Existenz bei den etablierten Parteien zu suchen. Im Fall von Deutschland heißt das: Egal ob Grüne, CDU, FDP oder die Splitterpartei SPD, sie alle haben ihren Teil dazu beigetragen. Mit abgehobenen, bräsigen Kandidaten, die nicht mal wissen, was ein Liter Milch kostet, aber glauben, dieses Land lenken zu können. Mit einer Politik, die nur den eigenen Interessen dient, die Nöte und Ängste der Bürger aber komplett außen vor lässt, mitunter gar verhöhnt. Die an ihrer eigenen Political Correctness ersticken, anstatt Probleme unaufgeregt und deutlich beim Namen zu nennen und dann zu bekämpfen. Sie alle will der Wähler abstrafen. Aber leider vergessen Teile des Volkes, auf wen das am Ende zurückfällt. Auch 1932 war man im Lande unzufrieden mit den unfähigen Politikern der Weimarer Republik, dem Stillstand im Lande, der katastrophalen wirtschaftlichen Lage, die mit der heutigen im Übrigen nicht mal ansatzweise zu vergleichen ist, auch wenn manche die Zahlungsverpflichtungen an die EU mit dem Versailler Vertrag gleichsetzen. Gewählt wurden damals bekanntlich ein paar Deppen, die außer einer brillanten Rhetorik und einer großen Fresse nichts zu bieten hatten, außer gnadenloser Selbstüberschätzung und Hass. Ein paar Jahre später sah Europa aus wie ein vergammelter Schweizer Käse und mehr als 50 Millionen Menschen waren tot. Das nur noch mal zur Erinnerung.

Ja, das Leben ist gemein, hart und ungerecht. Viele Dinge könnten und sollten besser laufen. Sie würden es sogar, wenn sich jeder mal an die eigene Nase fassen würde. Aber die Lösung all unserer Probleme steckt niemals, wirklich niemals, in den hohlen, selbstverliebten und verleumderischen Parolen von Nazis, Neo-Nazis und Rechtspopulisten. Sie machen diese Welt nicht besser, sie tragen nur zu ihrem schnelleren Untergang bei. Und genau aus diesem Grund lachen wir sie auf den folgenden Seiten aus!

Till Burgwächter

Braunschweig (ausgerechnet), im Januar 2017

Jung, vorbestraft, wahnsinnig sucht Anstellung als Führer – Die Geschichte des Faschismus

Man kann wirklich nicht behaupten, dass aus Italien zu allen Zeiten nur schlechte Dinge gekommen wären. Das Römische Reich brachte uns Wasserleitungen und Fußbodenheizung, Italiener entwickelten das erste Thermometer, den Kompass, entdeckten unerforschte Landstriche, lieferten viele hundert Jahre vor Daimler und Benz erste Ideen für ein Auto, erfanden den Panzer, die Blindenschrift, die Batterie, die Pizza und Nutella. Eine Errungenschaft hätten die Südeuropäer aber gerne für sich behalten dürfen. Und nein, hier ist nicht die Rede von Fiat, sondern vom Faschismus.

Diese politische Bezeichnung, die so inhaltsleer ist wie keine zweite, wurde tatsächlich im Land der geputzten Stiefel erfunden. Und zwar von einem Zwerg namens Benito Amilcare Andrea Mussolini, der seine geringe Körpergröße (sieht man mal von diesem Monster von Kinn ab) dadurch zu kompensieren versuchte, das Imperium Romanum aus der verdienten Versenkung zu holen. Das ging mal komplett daneben, aber immerhin prägte der stets grimmig dreinblickende Spinner mit dem Eierkopf und dem eingedrückten Gesicht einen Begriff, der ihn um viele Jahrzehnte überlebte.

Mussolini, Sohn eines überzeugten Sozialisten (Sachen gibt’s …), war anfangs selbst den Ideen von Marx und Co. zugetan, er verweigerte den Wehrdienst, flüchtete in die Schweiz, hielt Reden vor italienischen Arbeitern, wurde in Österreich gar Parteisekretär bei den Sozen (Partito Socialista Italiano, kurz PSI) und scheiterte in den folgenden Jahren in seinem Beruf als Lehrer. Wichtig war dem kleinen Mann mit dem offenen Hosenlatz (zahlreiche Affären pflasterten seinen Weg) allerdings nur eins: er wollte groß rauskommen, ganz egal wo, wie und warum. Dem Sozialdarwinismus durchaus zugetan mischten sich unter die linken Parolen immer häufiger auch nationalistische Töne. Seine Verehrung für Friedrich Nietzsche irritierte die Genossen ebenfalls. Noch vor dem Ersten Weltkrieg erklärte Italien der Türkei den Krieg, wogegen Mussolini leidenschaftlich protestierte und agitierte. Er ging für seine Überzeugung sogar in den Knast, trieb in der sozialistischen Partei nach Verbüßung seiner Haftstrafe den Ausschluss der «rechten Politiker» und «Kriegstreiber» voran. Als der Erste Weltkrieg ausbrach, kam Mussolini einmal mehr auf Linie, forderte vehement die Neutralität Italiens und beschimpfte Deutschland als «Bandit, der an der europäischen Straße herumschleicht». Zumindest nach außen, intern versicherte er bürgerlichen und konservativen Kräften, eine Mobilmachung Italiens an der Seite von Frankreich (also gegen Deutschland) wäre ganz in seinem Sinne.

Das Doppelspiel flog auf, Mussolini (mittlerweile Redakteur bei einer der wichtigsten sozialistischen Zeitungen) wurde aus allen Ämtern und Gremien der Partei entfernt und wandte sich, enttäuscht von seinen Genossen, weiter nach rechts. Auf den Straßen tauchten in diesen Tagen ­rechte Bürgerwehren auf, streng antisozialistisch und national eingestellt. Deren Positionen passten sowieso viel besser zu Mussolinis Weltanschauung, weshalb er schnell Kontakte knüpfte. Diese Gruppen nannten sich «Fasci», vom italienischen Wort «Fascio» für Bund, wiederum abgeleitet vom lateinischen «Fasces» für Rutenbündel. Dieses Rutenbündel war im antiken Rom ein Zeichen der Macht, hohen Amtsträger wurde ein Bündel Stöcke mit einer Axt darin vorangetragen. Das Bündel stand für die physikalische Tatsache, dass ein einzelner Ast schneller zu brechen ist als ein ganzer Haufen, die Axt symbolisierte, dass der Herrscher Herr über Leben und Tod war. Im 19. Jahrhundert und anbrechenden 20. Jahrhundert benutzten vor allem Arbeiterbewegungen das Zeichen, um ihre Geschlossenheit zu demonstrieren.

Huch, wie passend, dachte sich Mussolini, ein Bund aufrechter, unzerbrechlicher Männer, eine Verbindung zum alten Imperium und zur absoluten Macht, da ließe sich doch eine schöne Sache draus stricken. Also erklärte Mussolini feierlich, von Gevatter Marx, dem blöden Deutschen, nichts mehr wissen zu wollen und machte massiv Stimmung für einen Kriegseinsatz gegen das deutsche Kaiserreich und seine Verbündeten. Die wechselnden Regierungen Italiens schwankten zwischen Neutralität und Gier auf Kriegsbeute, dienten sich beiden Kriegsparteien an und stiegen 1915 letztlich wegen der größeren Belohnung auf der Seite der Briten und Franzosen ins Geschäft ein. Doch wer lag da in den Schützengräben und durfte sich drei Jahre lang durch Dreck und Eingeweide wühlen? Natürlich die Arbeiter und Bauern, Mussolinis einstige Zielgruppe.

Statistiken zufolge wurde rund jeder fünfte Soldat Italiens, der im Ersten Weltkrieg in das völlig sinnfreie Gemetzel geworfen wurde, getötet oder schwer verletzt. Die Stimmung nach Beendigung des Krieges hielt sich auch in Italien, obwohl zu den Siegern gehörend und mit Landgewinn (unter anderem Triest und Südtirol) abgefunden, in Grenzen. Italien hatte sich mehr versprochen und wurde nach eigenem Empfinden mit einem Butterbrot abgespeist. Mussolini nutzte das geschickt aus, nährte die Empörung unter den vermeintlichen Betrogenen des Krieges. Dass er selbst schon viel früher gegen Österreich gezogen wäre, war da nicht mehr so wichtig.

Die faschistischen Gruppen Italiens waren um das Jahr 1920 noch ein unbedeutender Haufen in der politischen Landschaft Italiens, die Sozialisten standen hoch im Kurs. Aber mit Hilfe der Wirtschaft (die Angst vor der roten Revolution hatte) und dem Charisma von Benito sammelten sich mehr und mehr Menschen hinter der Bewegung, die immer aggressiver zu Werke ging und auch vor Mord nicht zurückschreckte. Dabei existierte kein Parteiprogramm im eigentlichen Sinne, wichtig war nur, den Bolschewismus aufzuhalten. Und das konnte nach eigenem Ermessen nur Mussolini selbst, auch wenn er immer noch keinen wirklichen Plan für seine Regierungszeit in der Tasche hatte. Die Kunst war, genügend Menschen mit diesem Irrglauben zu infizieren, dass er das schon irgendwie hinkriegen würde. Da Italien im Chaos zu versinken drohte, erklärten sich schließlich der italienische König, der Papst und weitere Würdenträger bereit, dem Ex-Sozialisten das Zepter der Macht zu überreichen. Damit es ein bisschen dramatischer wirkte, marschierte Mussolini mit einigen tausend Getreuen durch Rom zur Vereidigung, auch wenn er einfach mit dem Bus hätte kommen können. Einmal als ­Ministerpräsident bestätigt, ließ er Konkurrenten ausschalten, andere Parteien verbieten, Gegner hinrichten und sich selbst zum Kaiser, Gott und Kassenwart ausrufen. Mission accomplished!

Im nicht allzu fernen Deutschland schaute sich ein gewisser Adolf Hitler die Sache genauer an. «Hm», dachte das ebenfalls ziemlich verwachsene Männchen aus Österreich, «da kommt ein übersichtlich intelligenter Kauz mit Knast­erfahrung und ohne besondere Qualifikationen, sorgt in unruhigen Zeiten für noch mehr Verwirrung, bringt wirtschaftliche Eliten auf seine Seite und rasiert alle Gegner, die nicht bei drei in die Schweiz ausgewandert, sind mit gnadenloser Härte, während er sich feiern lässt, als wäre er der Erfinder der nachwachsenden Eiernudel. Das probiere ich doch auch mal aus.» Der Rest ist Geschichte.

Das Wort Faschismus wird bis heute häufig verwendet, wenn die nationalistischen Diktaturen jener Zeit (also Italien, Deutschland und Japan) zusammengefasst werden sollen. Aber auch in Rumänien, Kroatien, Belgien, den Niederlanden oder Ungarn gab es in der Mitte des 20. Jahrhunderts solche Bewegungen. Inhaltlich bedeutet Faschismus nur, dass ein Hanswurst an der Spitze steht, alle anderen unterdrückt und den ganzen Laden mit nahezu hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit gegen die Wand fährt. Was Institutionen wie dem FC Bayern München oder der AfD zu wünschen wäre, möge den Ländern dieses Planeten für die nächsten Jahrhunderte bitte erspart bleiben.

Das Gruselkabinett
der Nazi-Größen
1. Teil

Es ist eine biologische Tatsache, dass die originalen Nazis aus den zwanziger, dreißiger und vierziger Jahren des letzten Jahrhunderts mittlerweile weggestorben sind. Es mag sein, dass in irgendeinem Altenheim im Schwarzwald oder in Ostfriesland noch ein einzelner Sturmbannführer orientierungslos in seinen Brei sabbert. Von diesen Menschen geht allerdings keine Gefahr mehr aus, sondern maximal noch der Geruch von Inkontinenz. Das hält Neonazis, und von solchen sprechen wir aus den oben genannten Gründen in 99,9 Prozent aller Fälle, aber nicht davon ab, das Tun ihrer Väter, Großväter und Urgroßväter zu glorifizieren. Nicht wenige Nachwuchsglatzen versuchen sich im Rahmen ihrer Möglichkeiten über die ach so glorreiche Vergangenheit zu informieren, scheitern aber oft schon an der Eingabe des Wortes «Google».

Damit sich diese Menschen beim nächsten Kameradschaftsabend nicht wieder völlig zum Honk machen, gibt es an dieser Stelle eine alphabetisch geordnete Übersicht über Nazi-­Größen. Wer sie waren, was sie taten und wo sie hin sind.

Ja, dieser nun folgende kümmerliche Haufen sind die Männer, die ihr glorifiziert und in deren Fußstapfen ihr so gerne treten würdet. Gut durchlesen und wenn möglich, ein paar Details merken. Das beeindruckt nicht nur den Eva Braun-Verschnitt an eurer Seite, sondern auch den Gruppenführer beim nächsten Liederabend. Augen in Habacht-Stellung! Die Reihen fest geschlossen! Ab Seite 5,45 wird zurückgeschossen!

Bormann, Martin (1900–1945)

Hitlers Schattenmann, wandelnder Aktenschrank, die graue Eminenz. Für Martin Bormann, Hitlers Privatsekretär gab es viele Spitznamen, auch wenn er dem unter der Nazi-Knute stehenden Volk nicht so bekannt war, wie andere Gruselgestalten auf diesen Seiten. Sein geheimnisvolles Ende machte ihn in der Nachkriegszeit zum Mythos, obwohl er schon längst zu Staub zerfallen war.

Bormann wurde in Halberstadt (Sachsen-Anhalt) als Sohn eines Postbeamten geboren und zeigte in der Schule eher übersichtliches Talent. Nach dem Ersten Weltkrieg, an dessen Kampfhandlungen er nicht teilnahm, jobbte er zur Tarnung als Landwirtschaftsgehilfe. In Wirklichkeit wartete er als Mitglied verschiedener antisemitischer und paramilitärischer Verbände auf den richtigen Moment, der gerade aufkeimenden Demokratie in den Hintern zu treten. Gemeinsam mit dem späteren Konzentrationslager-Kommandanten Rudolf Höß (siehe unten) wurde Bormann wegen Anstiftung zum Mord an einem angeblichen Landesverräter zu einem Jahr Haft verurteilt. Schon Anfang der zwanziger Jahre verstand es der Mann, aus der Nähe des Harzes geschickt, seinen Hass zu verbreiten, ohne sich unmittelbar selbst die Finger schmutzig zu machen.

Nach der Entlassung begann Bormann seine Karriere bei der NSDAP, mogelte sich dank SA-Chef Ernst Röhm ohne besondere Fähigkeiten in die Führungsetage der Sturmabteilung und übernahm in den folgenden Jahren Arbeiten, die sonst keiner machen wollte. So leitete er die erste Unfallkasse der NSDAP. Wow, das muss ja richtig spannend gewesen sein. Als Stellvertreter des Stellvertreters Rudolf Heß rückte er erstmals so richtig ins Blickfeld des «Führers», der an Bormann nicht nur dessen Hass auf Juden schätzte, sondern auch ein gewisses organisatorisches Talent. Da Hitler gegen ein paar Extra-Reichsmark als Taschengeld nichts einzuwenden hatte, bestimmte er Bormann zum Verwalter seines Privatvermögens, das dank der Zwangsverscheuerung des Möchtegern-Bestsellers «Mein Kampf» schon mal ganz annehmbar aussah. Bormann vervielfachte es, in dem er eine Stiftung zu Gunsten Hitlers einrichtete und sein Konterfei auf Briefmarken drucken ließ. Die Vermarktung des «Popstars» hatte begonnen.

Als Rudolf Heß, von einer günstigen Sternenkonstellation getrieben, auf seinen «Friedensflug» gen Großbritannien entschwand, war Bormanns große Stunde gekommen. Er rückte in der Hierarchie ein gutes Stück voran, wurde Chef der Partei-Kanzlei und einige Monate später Privatsekretär Hitlers, sehr zum Unwillen von Göring, Goebbels und Co. Denn der Martin gehörte zu den unbeliebtesten Gestalten der Führungsriege. Bis auf Hitler und seine Ehefrau (mit der er immerhin zehn Kinder zeugte) schien ihn niemand zu mögen, ja, kaum zu ertragen. Denn er war im ach so tatkräftigen Dritten Reich eben kein Mann der Tat, sondern der Verwaltung. Er fraß Akten, schrieb Vermerke, entwickelte Anordnungen und verbreitete Erlasse und ­vergrößerte ­seinen eigenen Machtbereich damit beinahe täglich. Interaktion mit Menschen musste seiner Meinung nach nicht sein. Mit Kriegsbeginn interessierte sich Hitler immer weniger für das Inland, Bormann erhielt quasi freie Hand. Und die nutzte er zum Beispiel, in dem er die inländische Judenverfolgung mit immer neuen Anordnungen intensivierte oder versuchte, die christliche Kirche aus dem Deutschen Reich zu vertreiben. Aber er kümmerte sich auch um die kleinen Dinge, zum Beispiel beschäftigte er sich nachweislich mit der ordnungsgemäßen Verzollung von in den Niederlanden requiriertem Eierlikör. Schön, wenn Menschen zwischen all den Angriffskriegen und Massenmorden auch noch Zeit für so etwas haben.

Als die Sonne über Hitlers Imperium am Horizont verschwand, stand Bormann immer noch Gewehr bei Fuß. Er war der Trauzeuge bei der skurrilen Hochzeit zwischen Eva Braun und Adolf, er erlebte die Verbrennung der Leichen seines Bosses und dessen Frau. Kurz danach aber war Bormann verschwunden. Und niemand sollte ihn je wieder lebend sehen.

In den Nürnberger Prozessen wurde Bormann in Abwesenheit zum Tode verurteilt, kaum jemand zweifelte daran, dass dem bauernschlauen Sekretär irgendwie die Flucht aus dem Führerbunker und aus Berlin gelungen war. Zwar gab es auch schon kurz nach dem Krieg Gerüchte von Augenzeugen, Bormann hätte sich angesichts der russischen Übermacht in der Stadt nahe des Lehrter Bahnhofes das Leben genommen, aber mehrere Suchtrupps konnten keine Leiche finden. Sie hatten, das wurde erst Jahrzehnte später klar, ein paar Meter zu weit rechts (oder links, aber rechts passt einfach besser) gesucht.

In der Zwischenzeit versuchte die deutsche Boulevardpresse die britische zu überbieten. Immer neue Geschichten wurden erfunden. Bormann war in Lima als Lamazüchter gesichtet worden, Bormann solle angeblich eine Bananenplantage in Afrika besitzen, Bormann würde in Zürich in einer noblen Villa leben und das NS-Gold für Koks und Nutten zum Fenster rauswerfen etc.

1972 wollten ein paar Arbeiter Leitungen in der Nähe des Lehrter Bahnhofes verlegen und stießen beim Ausschachten auf ein Skelett, das Glassplitter zwischen den Zähnen hatte. Die berühmte Zyankalikapsel der Nazi-Bonzen? Ein Abgleich mit Bormanns Beißerchen klärte auf, es handelte sich tatsächlich um den ehemaligen Leiter der Partei-Kanzlei. Das war für rechtsradikale Verschwörungstheoretiker allerdings noch lange kein Grund, mit ihren Geschichten aufzuhören, erst als die Nachkommen Bormanns Ende der Neunziger eine DNA-Analyse anforderten und zweifelsfrei bewiesen werden konnte, dass der dicke Manfred schon seit Jahrzehnten in der Hölle schmorte, wurde es ruhiger. Na ja, dafür lebt Hitler ja noch. Und Elvis …

Brunner, Alois (1912–2009)

Der in Ungarn geborene Bauernsohn Alois Brunner war neben seinem ehemaligen Chef Adolf Eichmann (siehe unten) die verantwortliche Figur bei der europaweiten ­Judendeportation. Wie seinem Chef Eichmann gelang auch Brunner die Flucht. Allerdings konnte sich diese menschliche Totalverfehlung mit Namen Alois bis zu seinem wahrscheinlichen Tod vor den Zugriffen der Behörden schützen. Eine Geschichte ohne Happy End.

Die ersten 20 Jahre Brunners auf diesem Planeten waren alles andere als eine Erfolgsgeschichte. Der gelernte Kaufmann, auch in jungen Jahren schon ein nationalstolzer Gockel, versuchte sich mit diversen Berufen über Wasser zu halten und vegetierte am Existenzminimum herum. Da hätte er gerne bleiben dürfen, aber leider kämpfte sich die NSDAP zu dieser Zeit an die Macht. Und in ihrem Windschatten Brunner, der sich von kleinen Handlangerjobs bis in die Zentralstelle für jüdische Auswanderung in Wien emporarbeitete. Gemeinsam mit Eichmann sorgte er dafür, dass die österreichische Hauptstadt «judenfrei» wurde, damit waren sein Ehrgeiz und sein Hass aber noch lange nicht befriedigt. In den Jahren ab 1942 reiste Brunner als «oberster Judenjäger» durch ganz Europa und schickte abertausende Menschen in den Tod. Er leitete die Suche nach im Untergrund lebenden Juden, er räumte in Griechenland und der Slowakei auf, er schickte in Frankreich, obwohl die Wehrmacht da bereits auf dem Rückzug war, noch schnell über 1.300 jüdische Kinder nach Auschwitz. Nebenbei bereicherte er sich an den Hinterlassenschaften seiner Opfer, er sammelte regelrecht Häuser und Wohnungen, dazu riss er sich Schmuck, antike Möbel, Gold und Geld unter den Nagel.

Bei Kriegsende ließ sich Brunner unter falschem Namen von den US-Streitkräften als LKW-Fahrer anstellen, 1947 zog er nach Essen und arbeitete in einer Zeche. Dort wurde schnell klar, dass mit diesem «Alois Schmaldienst» irgendetwas nicht stimmen konnte. Aber anstatt den Kriegsverbrecher festzusetzen, ließ ihn die damalige bundesdeutsche Justiz, durchsetzt von Gesinnungsgenossen Brunners, gewähren.

1954 wurde der Boden in Deutschland aber doch zu heiß, die Verbrechen Brunners zu deutlich. Mit Hilfe alter Seilschaften (darunter Reinhard Gehlen, der spätere Chef des BND) floh Brunner als Dr. Georg Fischer nach Syrien. Hier vertrat er nicht nur eine deutsche Brauerei (wieder über alte Seilschaften), sondern wurde auch noch zum Geheimdienstexperten Nahost für die BRD. 1960 schaute sich der syrische Geheimdienst den angeblichen Doktor mal genauer an. Als man erkannte, welch prominenten Judenhasser man da im Land hatte, bekam Brunner gleich noch einen Job bei den Schnüfflern aus Damaskus. Eine unfassbare Geschichte.

Es sollten Jahrzehnte vergehen, bis sich die Justiz in Deutschland und Österreich dazu hinreißen ließ, ein Kopfgeld für die Ergreifung des Nazis auszusetzen. In Deutschland war dies 1993 der Fall , in Österreich dann doch schon im Jahr 2007. Da war Brunner 95 Jahre alt. Ganz abgesehen davon war jedem klar, wer dieser Georg Fischer in Wirklichkeit war und wo er sich aufhielt. Selbst seine Nummer stand im Telefonbuch. Fischer alias Brunner gab sogar Interviews, 1985 durfte das kompetente Politmagazin «Bunte» eine Plauderei mit ihm führen. In dem Gespräch brüstete er sich mit seinen Taten und bedauerte, dass immer noch Juden in Europa leben würden. 1987 wollte er von einem österreichischen Journalisten Dank dafür, dass er Wien dereinst judenfrei gemacht habe.

Diverse internationale Haftbefehle gegen Georg Fischer wurden von der syrischen Regierung ignoriert. Einzig der ­israelische Geheimdienst Mossad (man nimmt es zumindest an) konnte Brunner einen kleinen Schaden zufügen. Mittels zweier Briefbomben, eine im Jahr 1961 abgeschickt, die andere 1980. Eine kostete den Kriegsverbrecher ein Auge, die andere ein paar Finger. Mehr ließ sich angeblich nicht erreichen.

Heute geht man davon aus, dass Brunner im Jahr 2009 oder 2010 in Damaskus gestorben ist. Sicher weiß das angeblich aber auch niemand. Schon erstaunlich, wie viele «blinde Ecken» unsere globalisierte Welt zu haben scheint, wenn die richtigen Leute die richtigen Leute bezahlen.

Dönitz, Karl (1891–1980)

Der Käpt’n Iglo des Dritten Reichs und Führernachfolger Karl Dönitz war eine der unauffälligsten Figuren der NS-Zeit. Vom Intellekt her den meisten Braunhemden überlegen, musste er schon früh gespürt haben, dass dieser Kahn nur absaufen konnte. Aus Ehrgeiz und aus unbedingter Hitler-Treue hielt er jedoch still und wurde zum Lohn dafür ein paar Tage «Führer» eines komplett zerbombten Landstrichs. Auf dieses Amt hätte er wahrscheinlich gut verzichten können, der alte Seebär. Aber wir bekommen irgendwann halt alle, was wir verdienen.

Dönitz wuchs als Preuße in einem preußischen Haushalt in, nun ja, Preußen auf. Damit waren ihm die bedingungslose Staatstreue und das Verbot, Autoritäten zu hinterfragen, bereits in die Wiege gelegt, was sein späteres Handeln keinesfalls entschuldigen soll. Nach dem Abitur machte sich Dönitz sofort auf in Richtung Marine, der er sein ganzes Berufsleben lang treu bleiben sollte. Nach ersten Feindversenkungen im Ersten Weltkrieg schipperte Dönitz während der Weimarer Republik ziemlich gelangweilt über die Sieben Weltmeere, er durfte ja nichts und niemanden kaputt schießen. Vielmehr übermittelte er jetzt Wetterdaten oder verdingte sich als Referent. Wie die meisten Militärs wünschte sich auch der Preuße einen neuen starken Mann, der Deutschland zu neuer Glorie oder zumindest zu ein paar ordentlichen Schlachten verhelfen würde. Aber dieser Mann war ja bereits im Anmarsch.

Nach der Machtergreifung der Nazis wurde für Dönitz endlich wieder alles gut. Er bekam als hoch dekorierter ­Fregattenkapitän den Auftrag, eine neue U-Boot-Flotte aufzustellen, die der «Führer» gegen England einsetzen könnte. Dönitz machte sich ans Werk, erstellte Pläne und Taktiken und bewies ab 1939, dass seine Überlegungen auch in der realen Welt taugten. Englische Schiffe ließen sich trotz faktischer Überlegenheit regelmäßig auf den Grund schicken, was Hitler freute und Dönitz eine Beförderung nach der anderen einbrachte.